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Ariane Brena

Lernbegleitung als Kultur

In Beziehungen wachsen

Vorwort

Die vorliegende Sammlung wendet sich an Menschen, die Kinder und Jugendliche beim Lernen begleiten. Also sowohl an Eltern als auch an Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Groß-, Pflege- und Tageseltern, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen.

Selbstverständlich findet Lernen nicht nur in den begleiteten Situationen, sondern den ganzen Tag und auch das ganze Leben lang statt. Die Unterscheidung in »Lernende« und »Begleitende« ist insofern auch ein Konstrukt und benennt nicht annähernd hinreichend, was beim Begleiten passiert. Dies zu wissen ist Grundlage der folgenden Texte und wird in den Kapiteln »Lebenslang lernen – am besten ohne Belehrung« und »Vorbildlich!?« nur sehr kurz behandelt.

Im Fokus der meisten Beiträge liegt die Beziehung, die Begleitende und Heranwachsende eingehen. Wodurch ist sie geprägt? Wie wird sie gelebt und gestaltet, und wie bewusst geschieht dies? Wird sie überhaupt reflektiert? Und wenn ja, nach welchen, nach wessen Maßstäben? Dies ist Thema in den Kapiteln »Kinder lernen lassen – Gedanken über die Kunst, das Belehren sein zu lassen« und in meinen Gesprächen mit Kay Garcia in »Freie Schulen – freie Erwachsene?! Die eigene Entwicklung mit in den Blick nehmen«. Beide Texte handeln von Schulen, die den Anspruch haben, Kinder lernen zu lassen, statt sie zu belehren. Was hier über die Beziehungsgestaltung zwischen pädagogischen Lernbegleitern und Kindern gesagt wird, trifft gleichzeitig genauso auf die Beziehung zwischen Kindern und Eltern bzw. Großeltern oder anderen Bezugspersonen zu.

Da Bestrafung leider noch immer nicht der Vergangenheit angehört, gibt es in diesem Band auch einige grundsätzliche Gedanken zum Thema: »Nie wieder Strafen«. Und das Kapitel »Wir können auch anders – Wie Schüler Schüler-Mobbing beenden« zeigt, dass es nicht nur möglich, sondern viel leichter ist, Mobbing-Prozesse ohne Bestrafung zu beenden.

Für die Haltung, die in einer nicht belehrenden Begleitung von Heranwachsenden gelebt wird, sind Vertrauen und empathische Präsenz wesentlich. Diese Qualitäten werden nach einer kurzen Begriffsklärung zu den Unterschieden zwischen »Loslassen« und »Laisser faire« insbesondere im Kapitel »Empathische Präsenz und Wertschätzung – Ideen für ein Leben ohne Mobbing« beleuchtet. Dieser Artikel erschien als Reaktion auf die vielen Rückmeldungen zum Thema Mobbing und geht auch auf in der Schule liegende Gründe für Mobbing ein. Wie ein empathisches Begleiten im Detail klingen kann, zeigen zwei fiktive Dialoge zwischen Eltern und Kindern – einem Schulkind bzw. einer jungen Erwachsenen – exemplarisch.

Eltern, die mit einem Anliegen an Lehrpersonen bzw. Lernbegleiter in der Schule ihres Kindes herantreten wollen, finden in »Im Dreieck Eltern – Kind – Lehrer – Gespräche führen und Gehör finden« Anregungen für eine wertschätzende und aufrichtige Gesprächsführung.

»Ordnung« ist ein Begriff, der in den vergangenen Jahrhunderten eng verquickt wurde mit »Recht« und insofern auch mit »Obrigkeit«, Strenge, polarisierendem Schwarz-Weiß-Denken – letztlich also auch mit Gewalt gegenüber Abhängigen oder Unterlegenen. Diese Verquickungen wirken unbewusst noch in vielen von uns nach. Und so lange dies unbewusst bleibt, passiert es uns selbst leicht, entweder überlebten An-Ordnungen zu gehorchen oder dagegen zu rebellieren; zumindest kennen wir dann eine Ambivalenz bezüglich des »Ordnung Haltens« – und die nächste Generation ist von beidem oder von unserer Ambivalenz mit betroffen. Sowohl Gehorsam als auch Rebellion können zu Rücksichtslosigkeit uns selbst wie anderen gegenüber führen. »Unordnung« wird dann manchmal mit »Chaos« gleichgesetzt, und damit wird wiederum der Begriff »Chaos« ausschließlich negativ besetzt. Dabei ist »Ordnung« auch einfach eine Strategie, mit der wir uns Bedürfnisse nach Schönheit, Pflege, Leichtigkeit und Halt gebender Struktur erfüllen. Und dem »Chaos« als laut Duden »Auflösung aller Strukturen« wird auch Unrecht getan; ich denke dabei zum Beispiel daran, dass wir alte Strukturen auflösen, wenn wir Gleichwürdigkeit zwischen Erwachsenen und Kindern leben wollen … In »Ordnung versus Chaos« sinniere ich ein wenig über dieses Begriffspaar und gebe auch die Reaktionen wieder, die Bekannte von mir dazu beitrugen.

Ariane Brena