Schmutztitel
Titel

Der Graffiti-Code

Kirsten Vogel

KOSMOS

Umschlagillustration von Ina Biber, Gilching

Umschlaggestaltung von Sabine Reddig

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele

weitere Informationen zu unseren Büchern,

Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und

Aktivitäten findest du unter kosmos.de

© 2020 Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-440-50253-2

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Schock im Supermarkt

Lea rüttelte an der Tür, aber sie blieb verschlossen. Plötzlich flackerte das Licht, dann ging es aus. In Lea stieg Panik auf, wo hatten die Ermittlungen sie nur hingeführt? Kim klappte ihren Laptop zu.

»Lies weiter!« Franzi saß gebannt am Schreibtisch und hatte den Kopf in die Hände gestützt.

»Ich konnte nicht weiterschreiben, weil ich selbst Angst bekommen habe«, erklärte Kim, die auf einem Kissen auf dem Flickenteppich saß, eingehüllt in eine Wolldecke.

»Dann ist deine Detektivgeschichte ja die perfekte Therapie für deine Platzangst.« Franzi stand auf und balancierte ein Tablett, das sie vorsichtig vor Kim auf den Boden stellte.

»Stimmt eigentlich.« Kim hielt ihre kalten Hände über den kleinen Ofen. »Warum haben wir eigentlich keine Fußbodenheizung in unserem Hauptquartier?« Sie kicherte.

»Das würde Marie bestimmt auch gefallen.« Franzi grinste.

»Wo bleibt sie eigentlich schon wieder?«

»Hoffentlich wird sie nicht gegen ihren Willen irgendwo festgehalten.« Kim wusste, dass das Quatsch war, aber sie war gedanklich noch so mit ihrer Detektivgeschichte beschäftigt.

»Dann muss sie jetzt an etwas Schönes denken, genau wie Lea, damit ihre Platzangst nicht so schlimm wird«, meinte Franzi.

»Gute Idee, möchtest du meine Co-Autorin werden?« Kim zwinkerte ihrer Freundin zu.

»Du bist die Autorin. Ich die …«

»… Sportskanone«, ergänzte Kim.

Franzi schob das Tablett zur Seite und kam mühelos in den Kopfstand. »Wenn man friert, hilft Sport am besten. Komm, mach auch mit.«

Kim nahm einen dampfenden Kakao vom Tablett. »Ich wärme mich lieber von innen.«

»Auch gut.« Franzi rollte sich vorsichtig aus ihrem Kopfstand, schnappte sich eine Decke und setzte sich Kim gegenüber auf ein Kissen.

Kim wärmte ihre Hände an dem Becher. »Es ist so super, dass deine Eltern sich endlich geeinigt haben und deine Mutter das Glashaus zum Café macht.« Sie kuschelte sich tiefer in die Decke. »Dann haben wir hier auf dem Hof unser Hauptquartier und unser zweites Stammcafé.«

Franzi pustete in ihren Kakao und nahm einen Schluck davon. »Na ja, sie öffnet das Café ja nur sonntags, also nicht täglich, sonst wäre sie ständig in ihrer Backstube. Meinem Vater ist es wichtig, dass sie auch noch Zeit für sich und für uns hat. Außerdem soll es keine Angestellten geben, sondern nur ein kleiner Familienbetrieb sein.«

»Bist du auch irgendwie eingeplant?« Kim sah Franzi besorgt an.

Franzi lächelte. »Keine Panik. Ich bin und bleibe Detektivin. Obwohl, wenn du bald eine rasende Reporterin oder Detektivromanautorin bist, vielleicht hast du ja dann keine Zeit mehr für unseren Detektivclub.«

»Ach Quatsch. Unseren Club und das Schreiben kann ich verbinden. Wenn ich erst mal eine gute Idee habe, schreibe ich schnell. Und zwischendurch brauche ich ja auch kreative Pausen, da ist die Detektivarbeit perfekt.« Sie seufzte. »Ich habe übrigens immer noch keinen Aufhänger für meine nächste Reportage.« Kim stellte ihren Becher auf das Tablett und streckte sich. »Hoffentlich habe ich keine Schreibblockade?«

In diesem Moment kam Marie herein. »Hallo, ihr zwei, tut mir leid, ich …«

Maries Blick fiel auf das Tablett mit der Kuchenauswahl.

»Genau das brauche ich jetzt.« Schnell zog sie sich ihre Winterstiefel und den pinkfarbenen Daunenmantel aus, setzte sich zwischen ihre beiden Freundinnen auf das Kissen und hüllte sich in eine Wolldecke. Dann schnappte sie sich eine Gabel und probierte die Zitronentarte, die mit kleinen Schokoherzchen verziert war. »Sieht supersüß aus und schmeckt …«, Marie überlegte, »supersüß.«

»Meine Mutter will in letzter Zeit andauernd wissen, nach was ihre Kuchen und Torten schmecken, damit sie das auf die Cafékarte schreiben kann.« Franzi stellte die Teller mit den Kuchenstücken direkt vor ihre Freundinnen.

»So wie Weinkenner den Geschmack von Wein beschreiben?« Marie breitete ihre Arme aus, so als wollte sie etwas Besonderes präsentieren. »Dieser Wein verströmt zarten Blütenduft mit einem Hauch Grapefruit.« Kim und Franzi guckten sie überrascht an. »Mein Vater hat so ein Weinbuch und fachsimpelt manchmal rum«, lachte sie und nahm noch ein Stück von der Tarte. »Jetzt hab ich es: Schmeckt nach Zitrone mit einem Hauch frischer Minze, zusammen mit den Schokoherzen fruchtig herb«, versuchte sie den Geschmack zu beschreiben. »Aber zurück zu deiner Reportage. Kann dir Sebastian nicht helfen, einen Aufhänger zu finden?«

Sebastian Husmeier war Journalist bei der Neuen Zeitung und der Leiter des Schreibworkshops, an dem Kim seit einigen Wochen teilnahm.

»Er hilft mir doch schon die ganze Zeit. Neulich durften wir sogar mit ihm zu einem Außentermin im Autohaus. Es ging darum, ob Leute im Frühjahr ihren Reifenwechsel selber machen.«

Marie musste kichern. »Wow, wie aufregend.«

»Ja, ich weiß. Aber ihr hättet mal sehen sollen, wie nett er mit den Leuten da geredet hat. Der nimmt die Menschen so, wie sie sind, ohne sich lustig zu machen«, berichtete Kim. Sie nahm eine Gabel von der Schokoladentarte. »Mmmh. Richtig süß.« Sie schloss die Augen, um sich besser auf den Geschmack konzentrieren zu können. »Und lieblich! Aber auch kräftig …«

»Redest du von Sebastian?« Marie zog die Augenbrauen hoch. Augenrollend knuffte Kim Marie gegen den Arm. »Quatsch! Den würde ich anders beschreiben.«

»Echt? Wie denn?« Auch Franzi war neugierig geworden.

»Total nett und kompetent.«

»Und gut aussehend?« Marie leckte ihren Finger ab, auf dem ein kleines Schokoherz klebte.

Ohne weiter darauf einzugehen, nahm Kim einen großen Schluck Kakao. »Mich würde jetzt erst mal interessieren, warum du zu spät gekommen bist.«

Mit einem Löffel klaute Marie sich ein Stück von Kims Schokotarte. »Süß, aber leider keine Spur verführerisch. Mit einem faden Beigeschmack.«

Sie musste lachen, als sie Kims und Franzis irritierten Gesichtsausdruck sah. »Das war jetzt nicht die Beschreibung der Tarte. Ich meine Sami. Wir haben heute Mittag zusammen Pasta gekocht, dabei hat er so süß Feelin’ Crazy von den Boyzzzz gesungen. Als ich mit eingestimmt habe, hat er sofort aufgehört und ich hab allein weitergesungen. Das war vielleicht peinlich.« Marie seufzte und zog sich ihre Decke fast bis unter die Nasenspitze. Sie versuchte schon länger mit Sami Voutilainen zu flirten, aber der finnische Au-pair-Junge, der bei den Grevenbroichs wohnte und auf Maries drei Jahre alten Bruder Finn aufpasste, ließ sich einfach nicht darauf ein.

»Du warst bestimmt zu gut, da konnte er nicht mithalten.« Kim zupfte an Maries Decke und zog sie ein Stück weg.

»Deshalb warst du zu spät?«

Marie hielt die Wolldecke mit beiden Händen fest. »Nach dem Essen stand Holger plötzlich vor der Tür und wollte sich mit mir zum Joggen verabreden.«

»Und?!« Kim und Franzi sahen ihre Freundin gespannt an.

»Ich hab gesagt, dass ich gerade viel zu tun habe.« Marie zog die Decke wieder hoch. »Eine echt bescheuerte Ausrede, aber warum sollte ich mich mit ihm treffen? Er hat ja jetzt Selma.«

Maries und Holgers Beziehung war von den beiden auf Eis gelegt worden, weil Holger sich in ein anderes Mädchen verliebt hatte. Zu allem Überfluss hatte Marie die beiden dann auch noch beobachtet, wie sie sich geküsst hatten.

Kim streichelte mitfühlend Maries Schulter. Doch Marie lenkte das Gespräch auf ein anderes Thema: »Gibt es bei euch was Neues?«

»Wir müssen uns noch überlegen, wie wir unser Hauptquartier besser schützen, wenn hier bald Gäste auf dem Hof herumlaufen.« Franzi stellte die leeren Kuchenteller auf das Tablett zurück.

Das professionell ausgestattete Hauptquartier der drei Detektivinnen Kim Jülich, Franziska Winkler und Marie Grevenbroich, das sich die drei Mädchen auf dem Hof der Familie Winkler im Pferdeschuppen eingerichtet hatten, sollte natürlich unerkannt bleiben.

»Wir können ja ein Schild aufhängen: Vorsicht vor dem Huhn!«, schlug Kim kichernd vor.

Tierliebhaberin Franzi hatte nämlich nicht nur ein Pony namens Tinka, sie hatte auch ein Zwerghuhn, das auf den Namen Polly hörte und mit großer Vorliebe Schnürsenkel aufpickte.

»Vielleicht können wir eine Blumenhecke pflanzen. Sieht schön aus und ist wie eine Absperrung«, überlegte Marie.

Das erinnerte Kim an den Fall Dornröschen, in dem sie vor einiger Zeit ermittelt hatten. Dieser war schon eine Weile her, kein Wunder also, dass die drei Mädchen so langsam den Nervenkitzel eines neuen Detektivfalls vermissten.

Franzi stand auf und zog sich ihre Jacke über. »Ich hab meiner Mutter versprochen, dass ich für sie einkaufen gehe. Beim Superkauf gibt es einen Standmixer im Angebot.«

»Ist das der neue Riesensupermarkt bei Kim um die Ecke?« Auch Marie sprang auf und streckte sich. »Da wollte ich schon die ganze Zeit mal hin.«

Eine Dreiviertelstunde später betraten die drei Detektivinnen den Superkauf. Kim hatte das Gefühl, in einer Flughafenhalle zu sein.

»Kommt, wir teilen uns auf. Ich besorge den Standmixer, ihr den Rest.« Marie lief los, den überdimensional großen Einkaufswagen vor sich herschiebend, und verschwand hinter einem Regal, während Kim versuchte, sich zu orientieren. Endlos lange Gänge mit Massen an Nahrungsmitteln lagen vor ihnen.

»Ist die Obst-und-Gemüse-Abteilung eigentlich nicht immer am Eingang?« Auch Franzi schien etwas überfordert von dem großen Angebot zu sein.

»Mal probieren?« Ein als Osterhase verkleidetes Mädchen kam auf sie zu und hielt ihnen kleine bunte Ostereier hin. Kim und Franzi griffen zu. »Ach, hallo, Kim!«

Kim brauchte einen Moment, aber dann erkannte sie das Mädchen hinter den Schnurrhaaren. »Hallo, Hannah! Super Hasenkostüm!«

Hannah hüpfte einmal auf und ab, dabei wackelten ihre langen Plüschohren und ihr blonder, langer Pferdeschwanz. Franzi musste lachen.

»Das ist Hannah aus meinem Schreibworkshop und das ist meine Freundin Franzi«, stellte Kim die beiden einander vor. »Hannah kennt sich gut mit Computern aus. Als mein Laptop neulich plötzlich abgestürzt ist und meine Reportage weg war, hat sie es geschafft, den Text wiederherzustellen.«

»Cool! Woher kannst du so was denn?« Franzi sah Hannah neugierig an.

»Der Freund meiner Oma ist ein richtiger Computerfreak, der hat mir einiges gezeigt.« Hannah zog sich ihre Plüschpfote aus und steckte sich ein Osterei in den Mund.

»Ist es sehr warm in dem Kostüm?« Kim sah Hannah mitleidig an.

»Es geht, aber was man für ein neues Mountainbike nicht alles tut. Ich opfere meine Osterferien.«

Ein Vater mit drei kleineren Kindern näherte sich. »Guck mal, Papa, der Osterhase!«, rief eines der Mädchen.

»Ich werde gebraucht«, erklärte Hannah und wackelte mit ihren Hasenohren.

»Okay, wir sehen uns ja nächste Woche im Workshop.« Kim sah amüsiert zu, wie Hannah fröhlich auf die Kinder zuhüpfte.

»Tadaa! Ich hab den letzten Standmixer ergattert.« Marie deutete in den Einkaufswagen.

»Das ging ja fix.« Franzi schob sich ihr Schokoei in den Mund und sah auf ihren Einkaufszettel. »Jetzt brauchen wir nur noch Salat und grünen Spargel.«

»Einfach nur geradeaus«, hörten sie eine freundliche Stimme. Hinter ihnen tauchte ein sportlicher dunkelhaariger Junge auf, der gerade dabei war, Regale mit neuer Ware aufzufüllen. Er hatte strahlend blaue Augen, die im gleichen Blau leuchteten wie das Logo des Supermarktes auf seinem Polohemd.

»Danke«, flötete Marie und lächelte den Jungen an, der nett zurücklächelte.

»Die Gurken sehen aber knackig aus«, stellte Kim fest, als sie beim Obst und Gemüse ankamen.

»Das sieht alles so perfekt aus, weil es mit speziellem Licht angeleuchtet wird«, erklärte Marie. »So ähnlich wie beim Modeln, da braucht man auch immer optimales Licht, um perfekt auszusehen.«

»Salat, wo ist denn der Salat?«, murmelte Franzi und suchte mit den Augen die Regale ab. »Ach, da!«

Kim folgte Franzi. »Wow, die haben ja viele Salatsorten hier. Der hier kommt aus Neuseeland und der mit den zackigen Blättern aus Italien.«

»Die sind ja weiter gereist als wir jemals.« Kim griff sich beherzt einen großen, knackigen Salatkopf und hielt ihn hoch.

»Guck mal, der ist aus Deutschland!«

»Iiihhhh!« Franzi schrie auf. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf den Salatkopf.

Tante Emma in Not

»Was ist?« Kim sah Franzi irritiert an.

Marie kam mit einer großen Netzschale Physalis dazugeeilt. Als ihr Blick auf den Salat fiel, erschrak sie so, dass ihr das Körbchen aus der Hand fiel. »Maden!«, stieß sie hervor.

Jetzt sah Kim es auch. Der Salatkopf in ihrer Hand war voller kleiner weißer Maden. Reflexartig warf Kim den Salat zurück in die Auslage und schüttelte ihre Arme ab, in der Angst, dass die kleinen Tiere bereits auf sie übergesiedelt waren. »Ist das eklig.«

»Woher kommen die alle?« Marie sammelte die Physalis ein und Franzi half ihr. Und noch jemand kniete sich neben die beiden: Der Junge mit den blauen Augen, der ihnen gerade den Weg gezeigt hatte. »Hi, ich bin Adam.« Er gab Marie und Franzi die Hand. »Ich bin Marie, das ist Franzi«, stellte Marie sie vor.

»Wie eklig!«, rief Kim entsetzt, als sie sich die Salate aus sicherer Entfernung noch mal genauer anschaute. »Da wimmelt es nur so.«

Marie, Franzi und Adam standen auf. »Das ist Kim«, erklärte Marie, ehe sie dahin blickte, wo Kim draufstarrte. »Ist das widerlich!«

Adam, der Marie das aufgesammelte Obst in die Hand drückte, sah sich die Ware ebenfalls genau an.

»Das ist ja echt krass«, stellte er fest. »Aber es scheint nur der Kopfsalat betroffen zu sein. Der Römersalat und der Lollo rosso sehen gut aus. Wollt ihr davon einen?«

Hektisch den Kopf schüttelnd lehnten die drei Mädchen ab. Adam lächelte und nahm den großen Korb mit den vielen Kopfsalaten aus dem Gemüseregal. »Der wird auf jeden Fall beschlagnahmt. Kann ich sonst irgendwas für euch tun?«

»Der schnellste Weg zur Kasse wäre super.« Marie legte die Physalis in den Einkaufswagen.

»An den Getränken vorbei und dann links.« Adam zeigte den dreien die Richtung.

»Danke!« Kim schob den Wagen. Nach dem Schock wollte sie nur noch raus aus dem Supermarktklotz.

Franzi kontrollierte noch mal den Einkaufszettel. »Ich hab alles. Außer Salat.«

»Puh, frische Luft.« Kim war froh, als sie durch die automatische Tür wieder nach draußen kamen. »Und jetzt?«

»Wollen wir im Hauptquartier ausmisten?«, schlug Marie vor.

»Frühjahrsputz – nein danke.« Franzi verstaute die Einkäufe auf ihrem Gepäckträger.

Kim öffnete ihr Fahrradschloss. »Nach dem Schock brauche ich Schokolade.«

»In den Superkauf gehe ich aber ganz bestimmt nicht noch mal rein.« Franzi stieg auf ihr Rad.

»Dann lasst uns zu Frau Blume fahren!« Kim fuhr los.

Als sie den kleinen Laden von Frau Blume betraten, überkam Kim sofort ein wohliges Gefühl. Der Duft, der in der Luft lag, erinnerte sie an die Zeit, als sie noch klein war. Es war eine Mischung aus selbst gebackenen Brötchen, frisch gemahlenem Kaffee und Frau Blumes Parfum, mutmaßte Kim.

»Hallo, Kim. Wie schön, euch zu sehen.« Frau Blume umarmte Kim herzlich. »Geht’s euch gut? Was machen die Kuckucksuhren?«

»Papa hat ganz gut zu tun. Lukas und Ben … nerven wie immer.« Kim grinste Frau Blume an. »Und wie geht es Ihnen?«

Die Ladeninhaberin antwortete nicht, stattdessen zeigte sie auf ein Osternest mit bunten Schokoeiern und Hasen darin. »Bedient euch doch.«

Während Kim ihr Ei auspackte, betrachtete sie Frau Blume aufmerksam. Ihr fiel auf, dass die betagte Dame abgenommen hatte und müde aussah. Dann betrat ein Kunde grüßend das Geschäft. Frau Blume streichelte Kim über die Schulter, lächelte Franzi und Marie zu und ging hinter die Käsetheke. Während sie den Mann bediente, schauten Kim, Franzi und Marie sich in Ruhe um. Der Tante-Emma-Laden von Frau Blume war etwas ganz Besonderes. Hinter dem Tresen standen eine alte Waage zum Abwiegen von Wurst und Käse und eine Kaffeemühle. Wahrscheinlich hatten diese Dinge auch schon dagestanden, als Frau Blume vor über dreißig Jahren das Geschäft übernommen hatte. Sie hatte es seither in alter Tradition weitergeführt. Kims Blick fiel auf die Gurken in den Gemüsekörbchen. Sie sahen etwas krummer aus als die im Supermarkt, aber mindestens genauso lecker. Es gab nur eine Sorte Salat, und davon auch nur zwei Köpfe. An den Salatblättern waren absolut keine Maden zu sehen, nur ein bisschen sandige Erde. Kim nahm den Salat in die Hand und roch daran.

Frau Blume kam zurück zu den Mädchen. »Der ist von Bauer Velte. Er hat das beste Obst und Gemüse überhaupt.« Frau Blume seufzte. »Leider lohnt es sich bald nicht mehr, dass er mich beliefert.«

»Warum?« Kim sah Frau Blume erschrocken an.

Die Augen der Ladenbesitzerin wirkten müde und traurig. »Der Laden läuft nicht mehr so gut.«

Kim fiel ein, dass ihre Eltern jetzt auch öfter den Wochenendeinkauf beim Superkauf machten. »Hat das etwa mit dem Superkauf zu tun?«

Frau Blume nickte. »Mir ist nur noch ein Teil meiner Stammkunden treu geblieben. Deswegen werde ich wohl schließen müssen, obwohl ich eigentlich noch fünf Jahre arbeiten wollte. Aber einen Nachfolger habe ich ja sowieso nicht. Mein Sohn ist in Berlin …« Frau Blume sah traurig zu Boden und wischte sich über die Augen.

»Er ist Künstler, oder?« Kim packte die beiden Salate und eine krumme Gurke in einen Einkaufskorb.

»Ja, Thomas arbeitet mittlerweile als Kunstlehrer.« Ein stolzes Lächeln huschte über das Gesicht der Ladeninhaberin.

Kim kannte kaum jemanden, der so freundlich war wie Frau Blume. Sie belieferte auch ältere Kunden, wenn diese nicht mehr selbst einkaufen konnten. Es war wirklich ungerecht, dass es dieser warmherzigen Frau nun so schlecht ging.

Während Kim an den zwei Regalen entlangging, die mit allem bestückt waren, was man brauchte, packte sie ihren Einkaufskorb mit Dingen voll, die sie eigentlich nicht brauchte und nur hineinlegte, weil sie Frau Blume irgendwie helfen wollte.

An der Kasse legte Kim dann noch eine Tafel ihrer Lieblingsschokolade in ihren Einkaufskorb. Frau Blume tippte die Beträge per Hand in die Kasse. »Deine Lieblingsschokolade geht auf mich.« Frau Blume legte sie zu Kims restlichen Einkäufen.

Kim sah Frau Blume gerührt an. »Das ist so lieb von Ihnen, aber ich möchte sie gern bezahlen.« Sie wühlte in ihren Taschen nach ihrer Geldbörse. »Mist, mein Portemonnaie ist weg.« Hektisch kippte sie den Inhalt ihrer Tasche aus. »Kannst du mir Geld leihen, Marie?«

»Klar.« Marie zog ihre EC-Karte hervor.

»Hast du das Geld auch in bar? Mein EC-Kartengerät ist defekt.« Es war Frau Blume sichtlich unangenehm, aber Marie kramte schon in ihrem Portemonnaie.

»Kein Problem!«

Kim atmete erleichtert auf.

Eine Viertelstunde später betraten die drei Mädchen erneut den Superkauf. »An der Kasse hatte ich mein Portemonnaie noch.« Kim ging suchend an den Kassen entlang.