cover.jpg

img1.jpg

 

Nr. 2

 

BARILS Botschaft

 

Perry Rhodan unter Anklage – welche Ziele verfolgt der Ritterorden?

 

Madeleine Puljic

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. 8. November 1552 Neue Galaktische Zeitrechnung – SOL, auf dem Weg nach Kessaila

2. 11. November 1552 NGZ – Kessaila, Kepraunsystem

3. Kessaila, in den Randbezirken von Muaal

4. Kessaila

5. Kessaila, BARILS Adyton

6. BARILS Botschaft – Vor dem Beginn

7. 12. November 1552 NGZ – Kessaila, BARILS Adyton

8. Kessaila, in den Slums von Muaal

9. Kessaila, BARILS Adyton

10. BARILS Botschaft

11. Nacht zum 13. November 1552 NGZ – Kessaila, BARILS Adyton

12. 13. November 1552 NGZ – Kessaila, BARILS Adyton

13. Kessaila, BARILS Adyton

14. Kessaila, Kepraunsystem

15. SOL, Kepraunsystem

16. 14. November 1552 NGZ – SOL, Kepraunsystem

17. Kessaila, Kepraunsystem

18. SOL, Serkatlasystem

19. Kessaila, BARILS Adyton

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

SOL – dieser Name hat einen ruhmvollen Klang in der 3000-jährigen Geschichte der terranischen Raumfahrt. Das hantelförmige Kombinationsschiff spielt immer wieder eine entscheidende Rolle im schicksalhaften Konflikt zwischen den kosmischen Mächten der Ordnung und des Chaos.

Im Jahr 1552 Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist Perry Rhodan, der die Menschheit von Beginn an ins All begleitet hat, in eine ferne Galaxis versetzt worden. Dort hat er die seit Langem verschollene SOL und ihre Besatzung aus einer Chaoszone gerettet.

Bevor die Menschen an Bord in die heimatliche Milchstraße zurückkehren können, müssen sie aber einen Auftrag der Kosmokraten erfüllen. Sie sollen herausfinden, welche Absichten die Superintelligenz BARIL mit ihrem Ritterorden und ihren jüngsten Aktivitäten verfolgt.

Kaum ist die SOL am Ziel angekommen, wird die Besatzung in einen Konflikt mit BARILS Helfern verwickelt. Die SOL wird besetzt, und Perry Rhodan muss sich vor einem Rittertribunal verantworten. Seine Richter verkünden unter anderem BARILS BOTSCHAFT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner wird zum Schlachtenlenker.

A-Kuatond – Die Ritterin fordert ein hartes Urteil für Rhodan.

Semmaru – Der Diplomat hat ungewohnte Speisevorlieben.

Ha'Tuuk, Kii'Daan und Pei'Tun – Die Letzten der Kussu wollen Rache.

1.

8. November 1552

Neue Galaktische Zeitrechnung

SOL, auf dem Weg nach Kessaila

 

Mit ausgreifenden Schritten eilte die neue Kommandantin der SOL durch ihr Schiff.

Ihr Schiff.

Seit über siebzig Jahren bereiste Tess Qumisha mit dem terranischen Expeditionsraumer das All – oder auch weit mehr als zweihundert, wenn man die Jahre miteinberechnete, die sie in einer Proto-Chaotischen Zelle verloren hatte. Aber noch nie war ihr die SOL derart fremd vorgekommen. Was nicht an dem neuen Titel lag, den Perry Rhodan ihr verliehen hatte.

Es lag an ihnen.

Tess Qumisha beschleunigte ihre Schritte nochmals, als der Antigravschacht vor ihr auftauchte, mitsamt dem mannshohen, zentrifaalähnlichen Roboter, der daneben postiert war. Aasgeier. Hirnlose Blechhaufen, nur dazu da, um sie und die anderen Solaner zu schikanieren!

Als hätte er ihre Gedanken gehört, ruckte der Kopf des Roboters herum. Das schwarze Band, das quer über das weiße, teigig wirkende Gesicht verlief und seinen mechanischen Schädel nahezu halbierte, glänzte. Fast meinte Qumisha, das eisige Starren dahinter spüren zu können.

Sie überwand die letzten zwei Meter und sprang schwungvoll in den vertikalen Schacht. Sie musste sich an der gegenüberliegenden Wand abfangen, um nicht dagegenzuprallen, aber das war es ihr wert. Mit einem kräftigen Ruck zog sie sich nach oben. Ein Deck, zwei, drei ... Und auf jedem davon blickte ihr einer dieser verdammten Roboter entgegen.

Von der Form her ähnelten sie ihrer Befehlshaberin aus Fleisch und Blut: humanoid, mit einem prominenten Wulst auf der Stirn, zwei Schlitzen anstelle einer Nase – wofür auch immer dieser Bereich bei einer Maschine notwendig sein sollte – und einem eckigen, kleinen Kinn, an dessen Unterseite der Mund lag. Auch der weißliche Kunststoff, aus dem große Teile der künstlichen Haut bestanden, erinnerte an die Zentrifaal. Die silbernen Platten, die dazwischen schimmerten, ließen jedoch keinen Zweifel an der technischen Natur dieser Wachleute aufkommen.

Qumisha versuchte, sich in die Psyche einer Frau hineinzuversetzen, die ihr gesamtes Raumschiff mit nur einem lebenden Helfer und sonst ausschließlich mit Robotern bevölkerte. Wollte niemand mit ihr fliegen – oder war es die Ritterin selbst, die keine weiteren Lebewesen ertrug?

Die Zentrifaal waren ein aggressives Volk. Vielleicht hatte A-Kuatond ihren Clan bewusst durch Roboter ersetzt, weil sie einfach alle Leute hasste. Immerhin hatte sie erst vor wenigen Stunden ein ganzes Volk ausgelöscht, ohne zu zögern. Wer sich als Ritter aufspielte, musste offenbar größenwahnsinnig sein. Qumisha fragte sich nur, was das für die SOL bedeutete, die dem Ritterbund der Superintelligenz BARIL derzeit ausgeliefert war.

Wieder erhaschte sie einen Blick auf einen der Roboter. Missmutig verfolgte sie das kalte Glänzen seines optischen Sensorbands. A-Kuatond hätte ihren Kunstgeschöpfen jede Gestalt geben können. Sie hätte sie drei Meter hoch und mit einer Panzerfaust anstelle eines Kopfs konstruieren können, um sie einschüchternd bedrohlich wirken zu lassen.

Warum sahen sie stattdessen aus wie Servoroboter in einer billigen Wellnesseinrichtung für Zentrifaal? Ebenso gut hätte A-Kuatond sie lebensecht produzieren lassen können, sogar mit individuellen Gesichtszügen. Weshalb ließ sie sich eine Horde Automaten bauen, die ihrem Volk so sehr ähnelten, nur um sie dann doch wieder von sich abzugrenzen?

Resolut schob Qumisha diese Überlegungen von sich. Es spielte im Grunde keine Rolle, welchen Weltansichten A-Kuatond nachhing. Die Ritterin hatte die SOL besetzen lassen – das war es, was Qumisha gegen den Strich ging! Umso mehr, da neuerdings sie die Verantwortung für das Expeditionsraumschiff trug.

Sie zog sich zum Ausgang des Antigravschachts und landete auf der Hauptebene des Mittelteils der SOL. Erleichtert atmete sie auf, als sie den Gang leer vorfand. Das änderte sich, sobald sie durch das Schott in die Zentrale trat und von dem glänzenden Argusaugenband des nächsten Roboters empfangen wurde.

War ja klar. Die Ritterin würde nicht ausgerechnet die Zentrale verschonen, den Dreh- und Angelpunkt so ziemlich jeder wichtigen Entscheidung an Bord.

Mit einem leisen Seufzen sah sich Qumisha in dem weiten Raum um. Das Hauptholo zeigte eine Ansicht von A-Kuatonds Schlachtspitze – ein gleichseitiger Tetraeder von knapp zwei Kilometern Kantenlänge, der sich infolge von Rhodans entschlossenem Eingreifen in erbärmlichem Zustand befand. Gut ein Viertel von A-Kuatonds Schiffssegmenten war zerstört, der in Tausende Untereinheiten teilbare Raumer durchlöchert wie ein Schweizer Käse.

Dafür wirkten die beiden anderen Raumschiffe ihrer Eskorte umso imposanter: ein ozeangroßer Wassertropfen und ein zwei Kilometer langes, violettes Walzenschiff. Beide fraglos mit den technischen Möglichkeiten einer Superintelligenz hochgerüstet. Keine Gegner, mit denen Qumisha ins Gefecht gehen wollte. Da half es auch nicht, dass das vierte und größte der Ritterschiffe das System bereits wieder verlassen hatte.

Qumisha ballte die Hand zur Faust, ließ den Blick über die Steuerpulte in der Zentrale schweifen. An der Station des Expeditionsleiters saß Rhodan und betrachtete gedankenversunken ein Hologramm, hatte die Ellbogen auf die Positronikkonsole gestützt und das Kinn auf seine Hände gelegt. Als Qumisha auf ihn zutrat, wischte er das Holo beiseite und sah auf.

»Tess.« Ein schiefes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, doch es erreichte seine Augen nicht. »Kommandantin.«

»Ich muss mit dir sprechen.« Mit einem Kopfnicken deutete sie in Richtung des mechanischen Zentrifaal. »Unter vier Augen.«

Rhodan folgte ihrem Blick. »Ich fürchte, Gespräche unter vier Augen sind derzeit Mangelware.« Er berührte einen Sensor an seinem Pult, und mit einem leichten Flimmern legte sich ein akustisches Dämmfeld um sie. »Vielleicht haben wir Glück, und sie tolerieren das hier.«

»Sicher nicht für lange.« Sie musste sich beeilen. Also kam sie ohne Umschweife zum Punkt. »Wir müssen aus dem Konvoi ausbrechen, bevor wir Kessaila erreichen.«

Rhodan wirkte nicht überrascht. Er stieß ein leises Seufzen aus. Das war alles.

Irritiert zog Qumisha die Augenbrauen zusammen. Untätigkeit war eigentlich keine Eigenschaft, die sie mit Perry Rhodan assoziierte.

»Noch ist es nicht zu spät«, fuhr sie fort. »Noch haben wir mindestens drei Tage, bis wir am Ziel sind. Diese Zeit müssen wir nutzen!« Sie senkte die Stimme, Dämmfeld hin oder her. »Ich habe mich umgehört. Niemand von uns will diesen Konflikt! Selbst die Neu-Solaner glauben, dass wir in eine Falle fliegen. Wir müssen umkehren!«

Rhodan nickte. Gleich darauf schüttelte er jedoch den Kopf. »Ich verstehe deine Sorge, aber so einfach ist es leider nicht.«

»Natürlich nicht!« Aber sie hatte schließlich einen Plan.

Die Raumschiffe, die nach wie vor im Außenbeobachtungsholo prangten, waren kein Problem. Sie hatten zwar die Zerstörung der SOL angekündigt, falls die Besatzung einen Fluchtversuch wagte. Aber das war eine leere Drohung. Handlanger einer Superintelligenz oder nicht, BARILS Ritter konnten rein gar nichts unternehmen, wenn die SOL einfach aus dem Hyperraum fallen und gleich darauf in eine andere Richtung losstarten würde. Die Eskorte war es nicht, was die SOL in den Konvoi zwang – das taten allein A-Kuatonds Aufpasser.

»Erst müssen wir die Blechschädel loswerden, und dann ...«, fing Qumisha an.

»... haben wir rein gar nichts gewonnen«, unterbrach Rhodan sie leise, aber nachdrücklich. »Ich schätze deine Überlegungen, Tess. Aber du irrst dich in einem wesentlichen Punkt.«

»Und zwar?« Er ließ sie ja nicht mal ausreden!

»Wir fliegen nicht in eine Falle. Wir sitzen schon drin, seit diese Schiffe im Diulusystem aufgetaucht sind.« Er zuckte mit den Achseln. »Oder vielmehr: Wir befinden uns in einer Zwickmühle. A-Kuatonds Roboter, so nervtötend sie auch sind, ändern daran leider gar nichts.«

»Aber ...«

Wieder unterbrach er sie, diesmal mit einer müden Geste. »Glaub mir, ich bin auch alles andere als glücklich mit unserer aktuellen Situation. Und ich stimme dir zu: Wir könnten den Rittern entkommen. Aber selbst wenn wir unsere Überwacher loswerden, aus dem Konvoi ausbrechen und einfach verschwinden, was hätten wir gewonnen?«

Rhodans Blick glitt über das Kontrollpult, als wolle er das Holo wieder aufrufen, das er bei ihrem Nähertreten desaktiviert hatte. Mit einem leichten Kopfschütteln wandte er sich ab und sah Qumisha erneut in die Augen. »Wir müssen die Ritter begleiten, wenn wir an jene Informationen gelangen wollen, die die Kosmokraten von uns verlangen.«

»Mitten ins Nest dieser Ritter vorzustoßen, kann doch nicht der einzige Weg sein, um sie auszuspionieren!«

»Vielleicht nicht. Aber noch haben wir den Vorteil des Zweifels. Sobald wir jedoch abhauen, wissen die Ritter, dass wir uns keiner Gesinnungsprüfung durch BARIL stellen wollen. Dann ist unsere Chance passé. Ich will sie aber nicht leichtfertig aufgeben.«

Als sie nichts erwiderte, fügte er hinzu: »Die Roboter sind nur eins unserer Probleme. Wenn wir uns davonmachen, wird unser anderer Gast dafür sorgen, dass uns die Kosmokraten bestrafen.«

»Aber wenn wir nichts tun, sind wir der Willkür dieser Ritter ausgeliefert.« Qumisha konnte sich nur mühsam beherrschen. Wieso redete Rhodan immer noch von einer Chance? »Die wollten uns bereits mit ihrem ersten Schnellurteil ohne Schiff irgendwo im Nirgendwo aussetzen! Glaubst du wirklich, dass sich unsere Situation bessert, wenn wir erst mal im Zentrum ihrer Macht sitzen?«

»Selbst wenn nicht, wären wir immerhin noch am Leben«, hielt Rhodan dagegen, »während die Kosmokraten kurzen Prozess mit uns machen würden. Ich weiß nicht, wie es dir geht. Aber ich bevorzuge ein ungewisses Schicksal gegenüber einem, bei dem wir zweifelsfrei wissen, dass die SOL samt Besatzung zerstört wird.«

Weil du glaubst, dass du das schon geregelt bekommst. Ohnmächtiger Zorn wallte in ihr hoch. Auch wenn sie Perry Rhodan schätzte – allzu oft glaubte der Zellaktivatorträger, er kenne die Antwort auf alle Fragen.

Wie die Realität aussah, hatte er im Diulusystem eindrucksvoll demonstriert: Fünfundzwanzig Solaner waren tot. Gestorben in einem Gefecht, das Rhodan – zugegeben mit ihrem Einverständnis – losgetreten hatte. Um ein Volk zu retten, das A-Kuatond zufolge seinerseits keine Hemmungen gehabt hatte, andere Völker auszulöschen. Und was hatte es den Menschen gebracht? BARILS Ritter hatten trotzdem kurzen Prozess mit den Truvaud gemacht, und die SOL-Besatzung war in Haft geraten.

All das hatte sie Rhodan bereits vorgeworfen. Und sie hätte es ein weiteres Mal getan, doch er kam ihr zuvor.

»Wir tun, was wir können«, sagte er. Wieder sah er zu der Stelle, an der das kleine Hologramm verschwunden war. »Und wir haben noch ein Ass im Ärmel, von dem die Ritter nichts wissen.«

Ja, noch einen Rhodan. Er sprach von der CALAMAR, dem Beiboot, mit dem Roi Danton übereilt ausgeschleust hatte und das irgendwo dort draußen war. Irgendwo.

Damit wurde Qumisha auch klar, was Rhodan betrachtet hatte: Er hatte nach einem Signal von seinem Sohn geforscht. Solange sie keins erhielten, hieß das vermutlich, dass auch die Ritter die CALAMAR noch nicht geortet hatten.

Die Frage war nur, wie lange das so bleiben würde.

Rhodan lächelte verkrampft. »Wir sind nicht auf uns allein gestellt.«

»Was auch immer uns das gerade helfen mag«, gab Qumisha zurück.

Natürlich hatte sie ebenso wenig Lust, von den Kosmokraten in die Luft gesprengt zu werden. Aber musste Rhodan so verdammt optimistisch sein? Der wahrscheinlichere Ausgang war doch, dass die Solaner so oder so sterben würden. Sie hätte ihr Glück lieber mit einer Flucht versucht.

Erneut starrte sie zu dem Aufpasser, der neben dem Eingangsschott postiert war und sie ausdruckslos beobachtete. »Vielleicht sollten wir lieber beten«, murmelte sie.

Rhodan stieß ein verblüfftes Brummen aus. »Ich hätte dich nicht für besonders religiös gehalten.«

»Bin ich auch nicht.« Qumisha nickte in Richtung von A-Kuatonds Wachroboter. »Aber die sind es.«

Rhodan runzelte die Stirn. Zum ersten Mal, seit sie eingetreten war, wirkte er aus dem Konzept gebracht. »Wie meinst du das?«

»Hast du es noch nicht bemerkt?« Qumisha desaktivierte das akustische Dämmfeld und winkte Rhodan mit sich. Sie stellte sich unmittelbar vor die bleiche Maschine und sagte: »Hallo.«

Der Kopf des Roboters senkte sich, sodass sein optischer Sensor auf Qumishas Gesicht zeigte. »BARIL sei mit dir«, schnarrte er.

»Was meinst du, Blechschädel, wie wird das Urteil der Ritter ausfallen?«

»BARILS Wege sind weise, doch stets unergründlich. Nimm das Schicksal an, das sie dir zuteilt.«

»Wer hat dich erschaffen?«

»Gebaut haben mich die Techniker auf Kessailas Orbitalwerft. Erschaffen hat mich BARIL.«

»Und ...«

»Schon gut!«, gebot ihr Rhodan Einhalt. Er rieb sich die Nasenwurzel und ächzte leise. »Ich habe verstanden.«

Tess Qumisha hob die Brauen. »Die können einen ganzen Sermon runterbeten, wenn du sie lässt.«

»Danke, ich verzichte.« Perry Rhodan bedachte erst sie, dann den Roboter mit einem nachdenklichen Blick. Anschließend stieß er ein resigniertes Seufzen aus. »Verdammt!«

Du sagst es. Endlich begriff er die Tragweite des Ganzen.

Er hatte die SOL nicht nur einem fanatischen Ritterorden preisgegeben, sondern einer Superintelligenz, die eine ganze Religion gegründet hatte. Die sich selbst als ultimativen Gott sah, weise und unergründlich.

Eine Gottheit, die die Vernichtung ganzer Völker befahl – und deren Urteil die Menschen an Bord der SOL auf Gedeih und Verderb ausgeliefert waren.

2.

11. November 1552 NGZ

Kessaila, Kepraunsystem

 

»Sie schleusen aus.«

Perry Rhodan sah zum Außenbeobachtungsholo, und seine Anspannung wuchs ein kleines Stück mehr. Aus jedem der drei Ritterschiffe löste sich ein Beiboot: ein violetter Zylinder, eine silbrig-klare Kugel und einer von A-Kuatonds kleinen Tetraedern.

Er atmete einmal durch, ehe er sich straffte und Tess Qumisha zunickte. »Dann ist es Zeit.« Nur ein paar Minuten, dann würden die Ritter die SOL erreichen – und ihn holen. Er zwang ein zuversichtliches Lächeln auf seine Lippen. »Besser, ich gehe ihnen entgegen.«

»Ich habe noch immer kein gutes Gefühl dabei«, mahnte die Kommandantin. »Wer sagt, dass sie dich nicht einfach hinrichten?«

»Dafür hätten sie uns nicht extra durch die halbe Galaxis lotsen müssen.« Wenn BARILS Ritter seinen Tod gewollt hätten, wäre er mittlerweile ebenso Geschichte wie die Truvaud.

Der Gedanke an das Volk, das er nicht hatte retten können, verursachte ihm Magenschmerzen. Dass er so tun musste, als hätte er das Vorgehen der Ritter auch noch gutgeheißen, ließ das Gefühl zu einem galligen Knoten in seiner Kehle anwachsen.

»Gib gut auf unsere Leute acht, Kommandantin.« Damit wandte er sich um und ging durch das Schott, das aus der Zentrale führte.

»Und, hast du deine Herrin vermisst?«, fragte er A-Kuatonds Roboter im Vorbeigehen.

»BARIL ist immer bei uns. Sie sieht alles und ...«

»Vergiss es.« Das war nicht die Herrin, die er gemeint hatte, und mit der theologischen Indoktrination der seelenlosen Aufpasser hatte er sich in den vergangenen Tagen bereits mehr als genug auseinandergesetzt.

Qumisha hatte recht behalten: Sobald man einmal anfing, mit den Robotern zu sprechen, konnte man ihrem Geschwafel nicht mehr entrinnen. BARILS Botschaft nannten sie das, was sie rezitierten. Rhodan nannte es eher Fanatismus für Arme.

Er trat in den Transmitter, der ihn zum Beiboothangar bringen würde, und war erleichtert, als die Wächtermaschine hinter ihm zurückblieb, auch wenn ihn im Hangar bereits die nächste erwartete. A-Kuatond war kein Risiko eingegangen. Ihre Roboter hielten jeden nur ansatzweise strategisch wichtigen Punkt der SOL besetzt.

Nun zitierte sie Rhodan zu sich. Allein und unbewaffnet. Kein Wunder, dass Qumisha bereits mit dem Schlimmsten rechnete. Die Ritter behandelten die Terraner wie Kriegsgefangene. Und wenn sie ein Exempel statuieren wollten, war er der geeignetste Kandidat dafür.

Unter dem wachsamen Auge des Roboters ging Rhodan zwischen den gelandeten Beibooten hindurch und zu der großen Freifläche hinüber, die vor dem Prallfeldschott lag. Er konnte die Raumfahrzeuge der Ritter durch das schimmernde Energiefeld hindurch sehen: drei winzige Punkte in der Schwärze des Alls, die rasch näher kamen. Dann jedoch verlangsamten zwei ihren Flug. Nur der kleine Tetraeder, A-Kuatonds Beiboot, schleuste durch den Energieschirm in den Hangar ein.

Klein vielleicht im Vergleich zur zusammengesetzten Schlachtspitze, dachte Rhodan. Mit 125 Metern Kantenlänge war es trotzdem um einiges größer als die Leichten Kreuzer und Korvetten der SOL.

Geduldig harrte Rhodan in der Mitte des Hangars aus, bis die Zentrifaal ihr Raumboot unmittelbar vor ihm zum Stillstand brachte. Weniger als zehn Meter trennten ihn von der glänzenden, fugenlosen Hülle der Pyramide. Eine absolut unnötige Machtdemonstration, wie überhaupt die gesamte Prozedur.

Endlich öffnete sich die Luke an der Unterseite des Schiffs. A-Kuatond schwebte in einem Antigravitationsfeld herab, ihre blasse Haut schimmerte in dem Licht, das durch die Luke fiel, und verstärkte den Kontrast zu ihrer nachtschwarzen Uniform.

»Du bist allein«, tönte ihre eisige Stimme durch den Hangar, zweifellos verstärkt durch ein Akustikfeld.

»Und unbewaffnet.« Rhodan breitete die Arme aus, um die Sicht auf seinen Gurt freizugeben. »Wie geht es weiter?«