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Bent Gebert

Wettkampfkulturen

Narr Francke Attempto Verlag Tübingen

Inhalt

Fußnoten

1  Zwischen Einfachheit und Vielfalt

Armin Schulz: Erzähltheorie in mediävistischer Perspektive, Berlin / New York 2012, S. 186f.

Vgl. Jan-Dirk Müller: Höfische Kompromisse. Acht Kapitel zur höfischen Epik, Tübingen 2007.

Schulz (2012), S. 88; vgl. auch S. 12 und öfter. Zur »großen Stereotypie« mittelalterlicher Figuren vgl. auch Mireille Schnyder: Ich-Geschichten. Die (Er)findung des Selbst, in: Inszenierungen von Subjektivität in der Literatur des Mittelalters, hg. von Martin Baisch, Jutta Eming, Hendrijke Haufe und Andrea Sieber, Königstein 2005, S. 75–90, hier S. 75. Umso größere Aufmerksamkeit hat die Literaturwissenschaft daher Erzählexperimenten des höfischen Romans mit komplexerer Figurenzeichnung zugewendet. Vgl. zum Iwein Hartmanns von Aue etwa Volker Mertens: Recht und Abenteuer – Das Recht auf Abenteuer. Poetik des Rechts im ›Iwein‹ Hartmanns von Aue, in: Juristen werdent herren ûf erden. Recht – Geschichte – Philologie. Kolloquium zum 60. Geburtstag von Friedrich Ebel, hg. von Andreas Fijal, Hans-Jörg Leuchte und Hans-Jochen Schiewer, Göttingen 2006, S. 189–210, insbes. S. 209. Komplexitätssteigerungen ›innerer‹ Figurengestaltung, die sich im Mittelalter greifen lassen, werden oft als Vorzeichen neuzeitlicher Poetik beschrieben, vgl. am Beispiel Chaucers etwa Jürgen Schlaeger: Das Ich als beschriebenes Blatt. Selbstverschriftlichung und Erinnerungsarbeit, in: Memoria. Vergessen und Erinnern, hg. von Anselm Haverkamp, Renate Lachmann und Reinhart Herzog, München 1993 (Poetik und Hermeneutik 15), S. 315–337, insbes. S. 319.

Vgl. Schulz (2012), S. 166 in begrifflicher Anlehnung an André Jolles: Einfache Formen. Legende, Sage, Mythe, Rätsel, Spruch, Kasus, Memorabile, Märchen, Witz, 6. Aufl., Tübingen 1982 (Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 15).

Zusammenfassend zur Heldenepik und zum Antikenroman vgl. Elisabeth Lienert: Die ›historische Dietrichepik‹. Untersuchungen zu ›Dietrichs Flucht‹, ›Rabenschlacht‹ und ›Alpharts Tod‹, Berlin / New York 2010 (Texte und Studien zur mittelhochdeutschen Heldenepik 5), S. 129–156; zur Schematik der Brautwerbungsdichtung grundlegend Christian Schmid-Cadalbert: Der Ortnit AW als Brautwerbungsdichtung. Ein Beitrag zum Verständnis mittelhochdeutscher Schemaliteratur, Bern 1985 (Bibliotheca Germanica 28).

Dies gilt besonders für Erzähltraditionen historischer verbürgter Stoffe wie den Antikenroman: Silvia Schmitz: Die Poetik der Adaptation. Literarische ›inventio‹ im »Eneas« Heinrichs von Veldeke, Tübingen 2007 (Hermaea N.F. 113), S. 71.

So zusammenfassend Udo Friedrich: Trieb und Ökonomie. Serialität und Kombinatorik in mittelalterlichen Kurzerzählungen, in: Mittelalterliche Novellistik im europäischen Kontext. Kulturwissenschaftliche Perspektiven, hg. von Mark Chinca, Timo Reuvekamp-Felber und Christopher Young, Berlin 2006, S. 48–75, hier S. 55–57. Zu diesem Wahrheitsanspruch vgl. jetzt grundlegend Jan-Dirk Müller: ›Episches‹ Erzählen. Erzählformen früher volkssprachiger Schriftlichkeit, Berlin 2017 (Philologische Studien und Quellen 259).

Vgl. Neil Cartlidge: The battle of shrovetide. Carnival against lent as a leitmotif in late medieval culture, in: Viator 35 (2004), S. 517–542, der ein Charakteristikum mittelalterlicher Kunst in der Spannung von formaler »simplicity« und inhaltlicher »complexity« ihrer Variationen bestimmt. Aus dem Bereich der germanistischen Mediävistik vgl. hierzu vor allem die Studien von Peter Strohschneider: Einfache Regeln – komplexe Strukturen. Ein strukturanalytisches Experiment zum ›Nibelungenlied‹, in: Mediävistische Komparatistik. Festschrift für Franz Josef Worstbrock zum 60. Geburtstag, hg. von Wolfgang Harms und Jan-Dirk Müller, Stuttgart 1997, S. 43–75; Christian Kiening: Arbeit am Muster. Literarisierungsstrategien im König Rother, in: Wolfram-Studien 15 (1998), S. 211–244; Christoph Huber: Brüchige Figur. Zur literarischen Konstruktion der Partonopier-Gestalt bei Konrad von Würzburg, in: Literarische Leben. Rollenentwürfe in der Literatur des Hoch- und Spätmittelalters. Festschrift für Volker Mertens zum 65. Geburtstag, hg. von Matthias Meyer und Hans-Jochen Schiewer, Tübingen 2002, S. 283–308. Die Arbeit an Schematisierung hat die Mediävistik lange nicht nur als narrativer Befund, sondern als sozioliterarisches Funktionsmuster beschäftigt: vgl. hierzu Müller (2007). Zu Komplexitätssteigerung mittels Schematisierung vgl. bes. auch Armin Schulz: Poetik des Hybriden. Schema, Variation und intertextuelle Kombinatorik in der Minne- und Aventiureepik. Willehalm von OrlensPartonopier und Meliur – Wilhelm von ÖsterreichDie schöne Magelone, Berlin 2000 (Philologische Studien und Quellen 161); in der älteren Forschung z.B. Karl Stackmann: Kudrun, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, hg. von Kurt Ruh, 2. Aufl., Bd. 5, Berlin / New York 1985, Sp. 410–426.

Dies hat mit Blick auf den Artusroman etwa die schillernde Kritik von Elisabeth Schmid offengelegt: Weg mit dem Doppelweg. Wider eine Selbstverständlichkeit der germanistischen Artusforschung, in: Erzählstrukturen der Artusliteratur. Forschungsgeschichte und neue Ansätze, hg. von Friedrich Wolfzettel und Peter Ihring, Tübingen 1999, S. 69–85. Die systematische Spannung prägt mittelalterliches Erzählen indes über höfische Literatur hinaus. Zum religiösem Erzählen der Legende zwischen Einfachheit und Komplexität vgl. etwa Susanne Köbele: Die Illusion der ›einfachen Form‹. Über das ästhetische und religiöse Risiko der Legende, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 134 (2012), S. 365–404. Zu ihren rhetorikgeschichtlichen Grundlagen Franz Josef Worstbrock: Wiedererzählen und Übersetzen, in: Mittelalter und frühe Neuzeit. Übergänge, Umbrüche und Neuansätze, hg. von Walter Haug, Tübingen 1999 (Fortuna vitrea 16), S. 128–142. Wiedererzählen trägt dabei selbst ›agonale‹ Züge: »Erzählen positioniert sich so in Konkurrenz zu anderem Erzählen«, Schulz (2012), S. 124. Es schwankt darüber hinaus zwischen Vereinfachung und Komplexitätssteigerung: vgl. Ludger Lieb: Die Potenz des Stoffes. Eine kleine Metaphysik des ›Wiedererzählens‹, in: Retextualisierung in der mittelalterlichen Literatur, hg. von Joachim Bumke und Ursula Peters, Berlin 2005 (Zeitschrift für deutsche Philologie. Sonderheft 124), S. 356–379, insbes. S. 367–370. Zu besonders auffälligen Diskrepanzen führt dies bei Gattungen wie dem Märe, das häufig zwischen simplifizierender Didaxe und weitaus komplexeren Erzählarrangements schwankt. Vgl. dazu exemplarisch Beate Kellner: Zur Kodierung von Gewalt in der mittelalterlichen Literatur am Beispiel von Konrads von Würzburg ›Heinrich von Kempten‹, in: Wahrnehmen und Handeln. Perspektiven einer Literaturanthropologie, hg. von Wolfgang Braungart, Klaus Ridder und Friedmar Apel, Bielefeld 2004, S. 75–103, zu Diskrepanzen der »Komplexität« insbes. S. 101.

Vgl. zu dieser Spannung jetzt Julia Frick: abbreviatio. Zur historischen Signifikanz von Kürzungsfunktionen in der mittelhochdeutschen höfischen Epik des 13. Jahrhunderts. Eine Projektskizze, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 140 (2018), S. 23–50.

Müller (2017), S. 236 zur spätmittelalterlichen Heldenepik.

So Volker Mertens: Tagelieder singen. Ein hermeneutisches Experiment, in: Wolfram-Studien 17 (2002), S. 276–293, hier S. 287 bzw. 292. Diese Komplexität von Tageliedern ordnet Mertens mit dem Wettkampfmodell des ›Sängerkriegs‹. Zur »Vervielfältigung des Sinns« durch Kampfkommunikation der meisterlichen Spruchdichtung vgl. auch Franziska Wenzel: Meisterschaft im Prozess. Der Lange Ton Frauenlobs. Texte und Studien. Mit einem Beitrag zu vormoderner Textualität und Autorschaft, Berlin 2012 (Deutsche Literatur. Studien und Quellen 10), hier S. 109.

Christian Kiening: Medialität, in: Literatur- und Kulturtheorien in der Germanistischen Mediävistik. Ein Handbuch, hg. von Christiane Ackermann und Michael Egerding, Berlin / Boston 2015, S. 349–381, hier S. 374. Vgl. auch Rainer Warning: Wiederholungsstrukturen in hochhöfischem Erzählen, Bern 2015 (Randgänge der Mediävistik 5).

Komplexitätstheorien interessieren sich für Phänomene, die »zugleich Einheit und Vielfalt« aufweisen – von diesem Punkt gehen die folgenden Überlegungen aus. Vgl. dazu Dirk Baecker: Beobachter unter sich. Eine Kulturtheorie, Berlin 2013, S. 188 und Melanie Mitchell: Complexity. A guided tour, Oxford / New York 2011, S. 4; Albrecht Koschorke: Einleitung, in: Komplexität und Einfachheit. DFG-Symposion 2015, hg. von Albrecht Koschorke, Stuttgart 2017, S. 1–10. Zu diesen und weiteren Aspekten von Komplexität vgl. ausführlicher Kap. II.2.

Dieses Problem diskutiert eingehend Christian Kiening: Schwierige Modernität. Der »Ackermann« des Johannes von Tepl und die Ambiguität historischen Wandels, Tübingen 1998 (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 113). – Besonders einflussreich plädierte Hans Robert Jauß dafür, den Wert der Beschäftigung mit mittelalterlicher Literatur aus der Einfachheit ihres Modellcharakters, ihrer Handlungskomposition und ihres Stils abzuleiten (S. 12f.), die im Zuge hermeneutischer Aneignung durch vielfältige Variationen angereichert (S. 22) und »für den modernen Betrachter kompliziert« werde (S. 47). Gerade dadurch entfalte sich ihr Faszinationspotential: Hans Robert Jauß: Alterität und Modernität der mittelalterlichen Literatur, in: Alterität und Modernität der mittelalterlichen Literatur. Gesammelte Aufsätze 1956–1976, München 1977, S. 9–48. – Selbst wo sich die jüngere Forschung von ausschließlich hermeneutischen Interpretationszugängen zu Aspekten der Materialität, Vokalität und Performativität mittelalterlicher Literatur wandte, blieb der ›gemischte Eindruck‹ einer Textkultur bestehen, die einfache Präsenzeffekte mit komplizierter Auslegungsbedürftigkeit von Literatur verbindet: in einem »liminal space […] between body and writing«, so Almut Suerbaum und Manuele Gragnolati: Medieval Culture ›betwixt and between‹. An introduction, in: Aspects of the performative in medieval culture, hg. von Manuele Gragnolati und Almut Suerbaum, Berlin / New York 2010 (Trends in medieval philology 18), S. 1–14, hier S. 2.

In mediengeschichtlicher Perspektive sieht man darin etwa Erzählphänomene von »Übergangsformen zwischen mündlicher und schriftlicher Speicherung«, Müller (2017), S. 35; ausgeführt S. 31–42, 157 u.ö.

Vgl. zuletzt Cartlidge (2004), insbes. S. 517.

Vgl. apodiktisch Florian Kragl: Höfische Bösewichte? Antagonisten als produktive Systemfehler im mittelalterlichen Roman, in: Zeitschrift für deutsches Altertum 141 (2012), S. 37–60, hier S. 37: »Mittelalterliches Erzählen ist ein Erzählen von Kämpfen, denn unter allen Themen, die in mittelalterlichen Romanen und Heldenepen verhandelt sind – Minne, höfisches Benehmen, Religion etc. –, ist der Kampf das dominante.«

Vgl. Rüdiger Schnell: Dichtung und Rechtsgeschichte. Der Zweikampf als Gottesurteil in der mittelalterlichen Literatur, in: Mitteilungen der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig 18 (1983), S. 53–62, hier S. 54: Zum Beweismittel wird der gerichtliche Zweikampf durch den Glauben, »Gott bringe in und durch einen solchen Zweikampf die Wahrheit über einen umstrittenen Sachverhalt ans Licht.« Vgl. grundlegend Hermann Nottarp: Gottesurteilstudien, München 1956 (Bamberger Abhandlungen und Forschungen 2); Adalbert Erler: Gottesurteil, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, hg. von Adalbert Erler und Ekkehard Kaufmann, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 1769–1773.

Ein berühmtes Beispiel ist die mittelenglische Wettkampfdichtung The Owl and the Nightingale (1186 / 1216), die den Vorrangstreit der Vögel als gelehrte Disputation ausspinnt, aber das abschließende Urteil hinausschiebt und offen lässt. Vgl. dazu Neil Cartlidge: Medieval debate-poetry and The Owl and the Nightingale, in: A companion to Medieval poetry, hg. von Corinne Saunders, Malden 2010, S. 237–257, insbes. S. 255.

Sämtliche Textnachweise folgen der Ausgabe Heinrich von dem Türlin: Die Krone. Nach der Handschrift Cod. Pal. germ. 374 der Universitätsbibliothek Heidelberg. Nach Vorarbeiten von Fritz Peter Knapp, hg. von Alfred Ebenbauer, 2 Bde., Tübingen 2000 / 2005 (Altdeutsche Textbibliothek 112 / 118), die gesamte Passage umfasst V. 11608–12390.

Mit diesem Begriffspaar spitzte Georg Simmel die Streitbeziehung von Konkurrenten zu. Vgl. Georg Simmel: Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, in: Gesamtausgabe, Bd. 11, hg. von Otthein Rammstedt, Frankfurt a.M. 2016 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 811), S. 289.

Douglas Hofstadter: I am a strange loop, New York 2007. Solche Schleifenformen stehen im Zentrum der folgenden Untersuchung. Auch die mediävistische Forschung hat die kooperative Konfrontation von Gawein und Gasozein als befremdlich registriert: Justin Vollmann: Das Ideal des irrenden Lesers. Ein Wegweiser durch die ›Krone‹ Heinrichs von dem Türlin, Basel / Tübingen 2008 (Bibliotheca Germanica 53), S. 35–40 zählt sie zu den besonderen »Merkwürdigkeiten« (S. 35) der Gasozein-Handlung.

Vollmann (2008), S. 60f., am Beispiel der sog. ›Wunderketten‹ bes. 125–150. Ausgehend von Gaweins Abenteuersequenz gelangt auch Arno Mentzel-Reuters: Vröude. Artusbild, Fortuna- und Gralkonzeption in der ›Crône‹ des Heinrich von dem Türlin als Verteidigung des höfischen Lebensideals, Frankfurt a.M. 1989 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1 / 1134), S. 245 zu diesem Befund.

Der Zweikampfhandlung um Gasozein geht ein verbaler Schlagabtausch voraus, in dem sich Ginover, Artus und Keii verfangen; mehrfach verketten sich Interaktions- und Kommunikationskämpfe: vgl. Vollmann (2008), S. 177–180.

So Vollmann (2008), S. 147 ausgehend vom Verweisungsgeflecht der Wunderketten.

Die Kampfpause ist geradezu topischer Bestandteil höfischer Zweikämpfe, besonders aber ein quantitatives Auszeichnungsmittel von strukturell bedeutsamen Begegnungen wie etwa den Zweikämpfen zwischen Iwein und Gawein oder zwischen Erec und Iders; vgl. dazu Dorothea Klein: Geschlecht und Gewalt. Zur Konstitution von Männlichkeit im ›Erec‹ Hartmanns von Aue, in: Literarische Leben. Rollenentwürfe in der Literatur des Hoch- und Spätmittelalters. Festschrift für Volker Mertens zum 65. Geburtstag, hg. von Matthias Meyer und Hans-Jochen Schiewer, Tübingen 2002, S. 433–463, hier S. 443f. Aber auch die Heldenepik kennt unendlich gedehnte Zweikämpfe, die ganze Texte füllen – so z.B. das Fragment Dietrich und Wenezlan, das diese Dehnung ähnlich wie die Krone offen artikuliert: Her Ditrich gedahte doh: / ›Ja herre, wi lange sol ditze sin?[]; Alpharts Tod. Dietrich und Wenezlan, hg. von Elisabeth Lienert, Tübingen 2007 (Texte und Studien zur mittelhochdeutschen Heldenepik 3), V. 508f.

Vgl. Mertens (2006), S. 206f.

Vgl. Hartmann von Aue: Iwein. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch, hg. von Rüdiger Krohn, Stuttgart 2011 (Reclam Bibliothek), V. 7015–7074. Zur eingehenden Analyse dieser Szene und des Wettkampferzählens in Hartmanns Roman vgl. insges. Kap. III.3.

Ein neuerlicher Friedenspakt wird erst im Anschluss geschlossen. Vgl. Waltharius, in: Frühe deutsche Literatur und lateinische Literatur in Deutschland 800–1150, hg. von Walter Haug, Frankfurt a.M. 1991 (Bibliothek deutscher Klassiker 62. Bibliothek des Mittelalters 1), S. 163–260, hier V. 1443–1452.

Vgl. Florian Kragl: Heldenzeit. Interpretationen zur Dietrichepik des 13. bis 16. Jahrhunderts, Heidelberg 2013 (Studien zur historischen Poetik 12), bes. S. 65–88 (Zitat S. 66) und S. 124–136. Wie Kragl zeigt, werden dadurch Figuren und Positionen (wie etwa die exemplarische Abgrenzung von Herrschertreue und Untreue) in Widersprüche geführt. Erzählschleifen machen dabei die historische Basis der Heldenepik problematisch und paradox (S. 135f.).

Vgl. hierzu die Analyse von Kap. III.5.

Vgl. Virginal, in: Dietrichs Abenteuer von Albrecht von Kemenaten nebst den Bruchstücken von Dietrich und Wenezlan, hg. von Julius Zupitza, Berlin 1870 (Deutsches Heldenbuch 5), S. 1–201, bes. Str. 736–738.

Das Nibelungenlied. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch. Nach der Handschrift B, hg. von Ursula Schulze, übers. von Siegfried Grosse, Stuttgart 2010 (Reclam Bibliothek), Str. 940,1.

Vgl. Stephanie Seidl: Blendendes Erzählen. Narrative Entwürfe von Ritterheiligkeit in deutschsprachigen Georgslegenden des Hoch- und Spätmittelalters, Berlin / Boston 2012 (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 141), S. 32. Vgl. hierzu ausführlich Kap. III.6.

Sie führen damit in das Spannungsfeld geistlicher Erbauung, das Susanne Köbele vor Kurzem neu sondiert hat: ›Erbauung‹ – und darüber hinaus. Spannungen im volkssprachlich-lateinischen Spätmittelalter. Mit Überlegungen zu Gertruds von Helfta ›Exercitia spiritualia‹, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 137 (2015), S. 420–445.

Ein institutionelles Kommunikationsritual dieser Art ist die ›quaestio‹, die den Schlagabtausch von Antwort und Einwand auszureizen sucht, bevor Lösungen festgesetzt werden. Vgl. hierzu Kap. III.7 des Untersuchungsteils. Es strahlt über den engeren Kreis von Wissenstextsorten hinaus: Als solche widerstreitenden Diskursmuster mit disputativer Struktur, die sich integrativer Lösung widersetzen, hat Albrecht Dröse unlängst die Streitreden im Ackermann des Johannes von Tepl beschrieben: vgl. Albrecht Dröse: Die Poetik des Widerstreits. Konflikt und Transformation der Diskurse im ›Ackermann‹ des Johannes von Tepl, Heidelberg 2013 (Studien zur historischen Poetik 10); vgl. hierzu auch Kiening (1998).

Zur Sangspruchdichtung vgl. grundlegend Beate Kellner und Peter Strohschneider: Poetik des Krieges. Eine Skizze zum Wartburgkrieg-Komplex, in: Das fremde Schöne. Dimensionen des Ästhetischen in der Literatur des Mittelalters, hg. von Manuel Braun und Christopher Young, Berlin / New York 2007 (Trends in medieval philology 12), S. 335–356; im Hinblick auf paradoxe Formung einzelner Sängerrollen zwischen Abgrenzungs- und Anlehnungsbedarf vgl. auch Freimut Löser: Mein liebster Feind. Zur Rolle des literarischen Gegners in der Sangspruchdichtung am Beispiel Rumelants, in: Literarische Leben, hg. von Matthias Meyer, Tübingen 2002, S. 507–533; Claudia Lauer: Ästhetik der Identität. Sänger-Rollen in der Sangspruchdichtung des 13. Jahrhunderts, Heidelberg 2008 (Studien zur historischen Poetik 2), S. 251–261.

Ingrid Kasten: Heinrich von Veldeke: Eneasroman, in: Mittelhochdeutsche Romane und Heldenepen. Interpretationen, hg. von Horst Brunner, Stuttgart 1993 (Reclams Universal-Bibliothek 8914), S. 75–96, hier S. 83; exemplarisch zur Vervielfältigung der Liebesbegründung vgl. die Studie von Bruno Quast und Monika Schausten: Amors Pfeil. Liebe zwischen Medialisierung und Mythisierung in Heinrichs von Veldeke Eneasroman, in: Schrift und Liebe in der Kultur des Mittelalters, hg. von Mireille Schnyder, Berlin / New York 2008 (Trends in medieval philology 13), S. 63–82. Zu den Formen politischer Gemeinschaft, die Eneas’ Invasion in Italien zuspitzt, vgl. Sonja Feldmann: Gewalt und Gemeinschaft im Eneasroman Heinrichs von Veldeke, in: Regeln und Gewalt. Zur Kulturgeschichte der kollektiven Gewalt von der Spätantike bis zum konfessionellen Zeitalter, hg. von Cora Dietl, Berlin 2014, S. 63–82.

Mit Blick auf englische Streitgedichte spricht Thomas Reed sogar von einer ›Ästhetik der Unbestimmtheit‹: »these poems […] often seem less interested in settling on a winner than in the apprehension or appreciation (in the multiple senses of the words) of the differences that give rise to the debate. It is precisely because debate poems, while almost inevitably raising in their audience an expectation of resolute closure, can be made to withhold any single truth at all […].« Thomas L. Reed: Middle English debate poetry and the aesthetics of irresolution, Columbia 1990, S. 2f. Allerdings schieben keineswegs alle Streitgedichte ihre ›closure‹ auf; noch können Wettkampfdichtungen repräsentativ für die »aesthetic tastes of the Middle Ages« schlechthin einstehen (S. 3). Angemessener wäre vielmehr zu fragen, welche Spielräume diejenigen Wettkampftexte eröffnen, die ihre Lösungen aufschieben.

Brechen sich in ihnen unstillbare Potentiale von Rivalität und Begehren Bahn, deren Gewalt von den Mustern höfischer Zweikämpfe höchstens kanalisiert wird? So – um nur eine berühmte Stimme zu zitieren – der Ansatz von René Girard: Das Heilige und die Gewalt, übers. von Elisabeth Mainberger-Ruh, Frankfurt a.M. 1994, S. 31 mit Blick auf den »unendliche[n] Prozeß« von Rache. Nimmt man speziell die zyklische Struktur höfischer Zweikampferzählungen in den Blick, ließe sich darin auch eine Praxis von Übung und Vertiefung sehen, die auf Habitualisierung von Gewalt zielt. Zur Übersicht soziologischer Ansätze (u.a. Norbert Elias, Pierre Bourdieu) vgl. Bent Gebert: Poetik der Tugend. Zur Semantik und Anthropologie des Habitus in höfischer Epik, in: Text und Normativität im deutschen Mittelalter. XX. Anglo-German Colloquium, hg. von Elke Brüggen, Franz Josef Holznagel, Sebastian Coxon und Almut Suerbaum, Berlin / New York 2012, S. 143–168.

Im Blick auf das Nibelungenlied spricht etwa Jan-Dirk Müller: Spielregeln für den Untergang. Die Welt des Nibelungenliedes, Tübingen 1998, S. 43 prägnant vom »Ensemble von Zeichenordnungen«. Für die »mediävistische Literaturwissenschaft« insgesamt fordern Christiane Ackermann und Michael Egerding, »mittelalterliche Literatur« daraufhin zu »beobachten«, »was in ihr an zentralen Werten, Praktiken der Bedeutungs- und Sinnstiftung aus ganz unterschiedlichen Bedeutungskontexten der sie umgebenden Kultur verarbeitet wird.« Dem Singular eines rahmenden Kulturbegriffs halten die Herausgeber somit die »Bedeutungspluralität mittelalterlicher Texte« entgegen. Vgl. Christiane Ackermann und Michael Egerding: Vorwort, in: Literatur- und Kulturtheorien in der germanistischen Mediävistik. Ein Handbuch, hg. von Christiane Ackermann und Michael Egerding, Berlin / Boston 2015, S. 1–6, hier S. 2f. Dies deckt sich mit Positionen der allgemeinen Literaturwissenschaft: »Kulturen« gelten entsprechend »als polyzentrische, vielstimmige, zeitoffene, unfertige, von Narrativen mit unterschiedlichen Laufzeiten und Geltungsreichweiten durchwobene Formationen von sozialer Energie«; so Albrecht Koschorke: Wahrheit und Erfindung. Grundzüge einer Allgemeinen Erzähltheorie, Frankfurt a.M. 2012, S. 109.

Doris Bachmann-Medick: Cultural turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, 3. Aufl., Reinbek bei Hamburg 2009 (Rowohlts Enzyklopädien 55675), S. 9; vgl. auch Claudia Benthien und Hans Rudolf Velten: Einleitung, in: Germanistik als Kulturwissenschaft. Eine Einführung in neue Theoriekonzepte, hg. von Claudia Benthien und Hans Rudolf Velten, Reinbek 2002 (Rowohlts Enzyklopädie 55643), S. 7–34, hier S. 22; Sabina Becker: Literatur- und Kulturwissenschaften. Ihre Methoden und Theorien, Reinbek 2007 (Rowohlts Enzyklopädie 55686), S. 17. Jüngste Diskussionsbeiträge haben den grundsätzlichen Abschied von theoretischen Paradigmenfolgen mit unterschiedlichen Tonlagen angestimmt. Vgl. hierzu die Positionen in: Turn, Turn, Turn? Oder: Braucht die Germanistik eine germanistische Wende? Eine Rundfrage zum Jubiläum der LiLi, hg. von Hartmut Bleumer, Stuttgart / Weimar 2013 (Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 172); mit nostalgischen Zügen Ulrich Raulff: Wiedersehen mit den Siebzigern. Die wilden Jahre des Lesens, 2. Aufl., Stuttgart 2014; Philipp Felsch: Der lange Sommer der Theorie. Geschichte einer Revolte. 1960–1990, München 2015.

Vgl. Aleida Assmann: Einführung in die Kulturwissenschaft. Grundbegriffe, Themen, Fragestellungen, 3. Aufl., Berlin 2011 (Grundlagen der Anglistik und Amerikanistik 27), S. 28; Achim Landwehr: Kulturgeschichte, Stuttgart 2009 (UTB 3037), S. 15.

Vgl. dazu kritisch Manuel Braun: Alterität als germanistisch-mediävistische Kategorie. Kritik und Korrektiv, in: Wie anders war das Mittelalter? Fragen an das Konzept der Alterität, hg. von Manuel Braun, Göttingen 2013 (Aventiuren 9), S. 7–40; auch Müller (2017) konstatiert die »Verhärtungen der Debatte«, die »zwischen radikaler historischer Distanzierung und anthropologischen Universalien kein Drittes zuzulassen scheint« (S. 52 mit weiteren Forschungshinweisen). Daher sei darauf verzichtet, die Filiation dieser Debatte nachzuzeichnen.

Zu diesen Aporien vgl. Peter Czerwinski: Der Glanz der Abstraktion. Frühe Formen von Reflexivität im Mittelalter, Frankfurt a.M. 1989, S. 11. Ausführlicher zum Konzept der Komplexität vgl. Kap. II.2.

Vgl. grundlegend Czerwinski (1989).

Vgl. Müller (1998).

Vgl. Christian Kiening: Zwischen Körper und Schrift. Texte vor dem Zeitalter der Literatur, Frankfurt a.M. 2003 (Fischer 15951).

Zur spezifisch modernen Funktion von Literatur, »Komplexität gegen vereindeutigende Reduktionsformen von Bewusstsein und Erfahrung« (wieder) aufzubauen, vgl. etwa Hubert Zapf: Literatur als kulturelle Ökologie. Zur kulturellen Funktion imaginativer Texte an Beispielen des amerikanischen Romans, Tübingen 2002 (Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft 63), S. 7, 50 (Zitat) u.ö.

Dies hat Jan-Dirk Müller kritisch gegen Walter Haug eingewandt: vgl. Jan-Dirk Müller: Der Widerspenstigen Zähmung. Anmerkungen zu einer mediävistischen Kulturwissenschaft, in: Nach der Sozialgeschichte. Konzepte für eine Literaturwissenschaft zwischen Historischer Anthropologie, Kulturgeschichte und Medientheorie, hg. von Martin Huber und Gerhard Lauer, Tübingen 2000, S. 461–481, insbes. S. 469.

Dieses methodische Unbehagen manifestierte sich in der mediävistischen Forschung zuletzt in einem erneuerten Interesse an ›Ambiguität‹ und ›Ambivalenz‹, die als Entstehungsfaktoren von kultureller Dynamik befragt werden. Vgl. bes. in Reaktion auf Thomas Bauer (Die Kultur der Ambiguität. Eine andere Geschichte des Islams, Berlin 2011) die Beiträge in: Ambiguität im Mittelalter. Formen zeitgenössischer Reflexion und interdisziplinärer Rezeption, hg. von Oliver Auge und Christiane Witthöft, Berlin / Boston 2016 (Trends in medieval philology 30); Imaginative Theatralität. Szenische Verfahren und kulturelle Potenziale in mittelalterlicher Dichtung, Kunst und Historiographie, hg. von Manfred Kern, Heidelberg 2013 (Interdisziplinäre Beiträge zu Mittelalter und Früher Neuzeit 1).

2  Unbehagen in den historischen Kulturwissenschaften

Dieses Stichwort spielt bewusst auf den Widerstreit von Produktivität und Einschränkung an, den Sigmund Freud dem Begriff beilegte: vgl. Sigmund Freud: Das Unbehagen in der Kultur (1930 [1929]), in: Studienausgabe, hg. von Alexander Mitscherlich, Angela Richards und James Strachey, Bd. 9, Frankfurt a.M. 2000, S. 191–270.

SFB 447 an der FU Berlin (1999–2011).

DFG-Schwerpunktprogramm 1173 (2005–2012) unter der Leitung von Michael Borgolte und Bernd Schneidmüller. Vgl. zum Forschungsprogramm den Ergebnisband Hybride Kulturen im mittelalterlichen Europa. Vorträge und Workshops einer internationalen Frühlingsschule, hg. von Michael Borgolte und Bernd Schneidmüller, Berlin 2010 (Europa im Mittelalter 16).

Vgl. in der Germanistik z.B.: Dingkulturen. Objekte in Literatur, Kunst und Gesellschaft der Vormoderne, hg. von Anna Mühlherr und Bruno Quast, Berlin 2016 (Literatur – Theorie – Geschichte 9).

Dazu grundlegend Reinhart Koselleck: ›Neuzeit‹. Zur Semantik moderner Bewegungsbegriffe, in: Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt a.M. 1989 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 757), S. 300–348.

Die wegweisende Studie von Czerwinski (1989) beschrieb diese materielle Konkretion als Charakteristikum vormoderner Reflexivität überhaupt. Einflussreich prägt dies weiterhin mediävistische Forschungen, die nach historischer Kulturreflexion dementsprechend weniger als thematischem Diskurs fahnden, sondern stattdessen reflexive Züge und konzeptionelle Potentiale von Metaphern, Erzählweisen u.a.m. untersuchen. Vgl. zur methodischen Übersicht: Literatur- und Kulturtheorien in der Germanistischen Mediävistik. Ein Handbuch, hg. von Christiane Ackermann und Michael Egerding, Berlin / Boston 2015. – Die vorliegende Untersuchung schließt an diesen Methodenstand an, indem sie Kulturierung durch Wettkampfformen auf dem Weg der Erzähltextanalyse untersucht.

Vgl. v.a. Dirk Baecker: Wozu Kultur?, 3. Aufl., Berlin 2012 (Ableger 9) und Baecker (2013).

Vgl. Niklas Luhmann: Kultur als historischer Begriff, in: Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Bd. 4, Frankfurt a.M. 1999 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1438), S. 31–54; bündig fasst auch Anthony Wallace: Culture and personality, New York 1961 Kultur als »organization of diversity« (S. 110, 161 u.ö.).

Vgl. Andreas Reckwitz: Die Kontingenzperspektive der ›Kultur‹. Kulturbegriffe, Kulturtheorien und das kulturwissenschaftliche Forschungsprogramm, in: Unscharfe Grenzen. Perspektiven der Kultursoziologie, 2. Aufl., Bielefeld 2010, S. 15–45. Daran anschließend auch Roy Sommer: Kulturbegriff, in: Grundbegriffe der Kulturtheorie und Kulturwissenschaften, hg. von Ansgar Nünning, Stuttgart / Weimar 2005, S. 112–114, insbes. S. 113. Zu anderen Einschätzungen führt es hingegen, wenn man nicht auf programmatisch herausgestrichene Kontingenz abstellt. Implizite Kontingenzerfahrungen liegen jeglicher historischer Zeitwahrnehmung in allen Kulturen zugrunde, so argumentiert etwa Jörn Rüsen: Theoretische Zugänge zum interkulturellen Vergleich historischen Denkens, in: Die Vielfalt der Kulturen, hg. von Jörn Rüsen, Michael Gottlob und Achim Mittag, Frankfurt a.M. 1998 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1405 / Erinnerung, Geschichte, Identität 4), S. 37–73.

Zusammenfassend zu den Implikationen des »hochgradig diversen und pluralen Kulturbegriffs« vgl. Dirk Baecker: Kulturkalkül, Berlin 2014, S. 9. Schon Uwe Steiner: Können die Kulturwissenschaften eine neue moralische Funktion beanspruchen? Eine Bestandsaufnahme, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 71 (1997), S. 5–38 charakterisiert den Kulturbegriff der Kulturwissenschaften als pluralistischen Differenzbegriff (vgl. S. 26); zur konstitutiven Pluralität der Kulturwissenschaften vgl. daran anschließend Assmann (2011), S. 28 und bilanzierend Hartmut Böhme: Kulturwissenschaft, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, hg. von Harald Fricke, Bd. 2, Berlin / New York 2000, S. 356–359, insbes. S. 356: »Da es nicht ›die‹ Kultur, sondern nur viele Kulturen gibt, ist die Kulturwissenschaft mit multi- und interkulturellen Interferenzen konfrontiert […].« Dies enthebt freilich nicht von der Frage, weshalb auch die modernen Kulturwissenschaften trotz aller Neigungen zu kontingenten Vergleichen auf Kultur als gegenständliche Position verweisen können; vgl. dazu weiterführend Armin Nassehi: Geschlossenheit und Offenheit. Studien zur Theorie der modernen Gesellschaft, Frankfurt a.M. 2003 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1636), S. 21 und S. 231–237.

Peter Strohschneider: Fremde in der Vormoderne. Über Negierbarkeitsverluste und Unbekanntheitsgewinne, in: Alterität als Leitkonzept historischen Interpretierens, hg. von Anja Becker und Jan Mohr, Berlin / New York 2012, S. 387–416; das Weltkonzept des Rolandsliedes »weiß von keiner anderen Ordnung und kennt nichts außerhalb seiner selbst« (S. 399); erst mit dem »Pluraletantum des spezifisch modernen Begriffs ›Kultur‹ […] etabliert sich eine Praxis des Vergleichens von Ungleichen, die auf Axiologie und Normativität geradezu programmatisch verzichten will und von der man wird sagen können, dass sie in der Vormoderne tatsächlich nicht denkbar war« (S. 413). Ebenfalls im Anschluss an Koselleck und weiterführend vgl. auch Peter Strohschneider: Pluralisierung und Alterität – Montaigne über Sänften, Pferde und kulturelle Unterschiede, in: Frühe Neuzeit. Revisionen einer Epoche, hg. von Andreas Höfele, Berlin / New York 2013 (Pluralisierung & Autorität 40), S. 85–111. Zur asymmetrischen Besetzung von Zweikampfschilderungen im Mittelalter vgl. auch Udo Friedrich: Die ›symbolische Ordnung‹ des Zweikampfs im Mittelalter, in: Gewalt im Mittelalter. Realitäten – Imaginationen, hg. von Manuel Braun und Cornelia Herberichs, München 2005, S. 123–158, insbes. S. 139f.

Vgl. Marina Münkler: Die Wörter und die Fremden. Die monströsen Völker und ihre Lesarten im Mittelalter, in: Hybride Kulturen im mittelalterlichen Europa. Vorträge und Workshops einer internationalen Frühlingsschule, hg. von Michael Borgolte und Bernd Schneidmüller, Berlin 2010 (Europa im Mittelalter 16), S. 27–49, insbes. S. 45–49; ausführlich auch Marina Münkler: Erfahrung des Fremden. Die Beschreibung Ostasiens in den Augenzeugenberichten des 13. und 14. Jahrhunderts, Berlin 2000.

So formuliert das Positionspapier des Münchner SFB 573 »Pluralisierung und Autorität«, online unter: www.kunstwissenschaften.uni-muenchen.de/forschung/forschergruppen/archiv-forschergruppen/ sonderforsch-573/index.html (09.06.2016). Zur Pluralisierung von Wissensordnungen als Neuzeitschwelle vgl. auch die Beiträge in: Erzählen und Episteme. Literatur im 16. Jahrhundert, hg. von Beate Kellner, Jan-Dirk Müller und Peter Strohschneider, Berlin / New York 2011 (Frühe Neuzeit 136); Jan-Dirk Müller: Wie christlich ist das Mittelalter oder: Wie ist das Mittelalter christlich? Zum ›Herzmaere‹ Konrads von Würzburg, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 137 (2015), S. 396–419, hier S. 396f.; Classen (2013) schlägt vor, den Beginn dieser »history of disintegration« bereits im Spätmittelalter anzusetzen (S. 464).

Strohschneider (2013), S. 90, konzise auch S. 97.

So Beate Kellner: Zur Konstruktion von Kontinuität durch Genealogie. Herleitungen aus Troja am Beispiel von Heinrichs von Veldeke ›Eneasroman‹, in: Gründungsmythen, Genealogien, Memorialzeichen. Beiträge zur institutionellen Konstruktion von Kontinuität, hg. von Gert Melville und Karl-Siegbert Rehberg, Köln 2004, S. 37–59, hier S. 38 im kontrastiven Blick auf den mittelalterlichen Institutionalitätscharakter von Verwandtschaft; vgl. medien- und kommunikationsgeschichtlich auch Strohschneider (2012), S. 402. Zu Pluralisierung als Zug frühneuzeitlicher Wissenskultur vgl. etwa Martin Mulsow: Die unanständige Gelehrtenrepublik. Wissen, Libertinage und Kommunikation in der Frühen Neuzeit, Stuttgart / Weimar 2007.

Für eine pointierte Kritik am Epochenkonzept der Vielstimmigkeit vgl. Anita Traninger: Disputation, Deklamation, Dialog. Medien und Gattungen europäischer Wissensverhandlungen zwischen Scholastik und Humanismus, Stuttgart 2013 (Text und Kontext 33), S. 238–241; ebenso Cartlidge (2004).

Vgl. Michael Borgolte: Europa entdeckt seine Vielfalt. 1050–1250, Stuttgart 2002 (Handbuch der Geschichte Europas 3); Dorothea Weltecke: Jenseits des ›Christlichen Abendlandes‹. Grenzgänge in der Geschichte der Religionen des Mittelalters, Konstanz 2010 (Konstanzer Universitätsreden 238); Jürgen Osterhammel: Die Vielfalt der Kulturen und die Methoden des Kulturvergleichs, in: Handbuch der Kulturwissenschaften, hg. von Friedrich Jaeger und Jürgen Straub, Bd. 2, Stuttgart / Weimar 2004, S. 50–65; Kurt Flasch: Das philosophische Denken im Mittelalter. Von Augustin zu Machiavelli, 3. Aufl., Stuttgart 2013, S. 210–227.