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Über Wolfgang Benz

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WOLFGANG BENZ, geb. 1941, ist Zeithistoriker und Professor em. der Technischen Universität Berlin. Er leitete bis 2011 das Zentrum für Antisemitismusforschung in Berlin. 2019 veröffentlichte er die Gesamtdarstellung Im Widerstand. Größe und Scheitern der Opposition gegen Hitler. Bei Reclam erschien zuletzt Die Weiße Rose. 100 Seiten.

Über dieses Buch

Dieses Buch erinnert an einen einzigartigen Freundeskreis, der unter nationalsozialistischer Diktatur verfolgten Juden half und damit Widerstand gegen das Unrechtsregime leistete. Den unmittelbaren Anlass dazu gaben die Novemberpogrome 1938, als Juden Schutz in ihrem Umfeld suchten, aber nur in seltenen Fällen fanden. Die Journalistin Ruth Andreas-Friedrich war Mittelpunkt eines Kreises von Menschen, die sich für ihre jüdischen Kollegen und Freunde verantwortlich fühlten – aus selbstverständlicher Humanität und tiefer Abneigung gegen Adolf Hitler, dessen Partei und das Regime. Leo Borchard, Ruths Lebensgefährte, war als Dirigent der Berliner Philharmoniker die prominente und angesichts seines Todes im Sommer 1945 auch die tragische Figur des Kreises, der sich »Clique« nannte und unter dem wenig martialischen Decknamen »Onkel Emil« in die Geschichte des Widerstands gegen den Nationalsozialismus einging.

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Endnoten

Karin Friedrich, Zeitfunken. Biographie einer Familie, München 2000, S. 195 (künftig: Zeitfunken).

Ruth Andreas-Friedrich, Der Schattenmann. Tagebuchaufzeichnungen 19381945, Berlin 1947, zit. Ausgabe Frankfurt a. M. 1986, S. 27 f. (künftig: Schattenmann).

Ebd., S. 28.

Schattenmann, S. 2830.

Schattenmann, S. 3335.

Wolfgang Benz (Hrsg.), Die Juden in Deutschland 19331945. Leben unter nationalsozialistischer Herrschaft, 3. Aufl., München 1993.

Joseph Walk (Hrsg.), Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat. Eine Sammlung der gesetzlichen Maßnahmen und Richtlinien – Inhalt und Bedeutung, Heidelberg 1981.

Wolfgang Benz, »Von der Entrechtung zur Verfolgung und Vernichtung. Jüdische Juristen unter dem nationalsozialistischen Regime«, in: Helmut Heinrichs [u. a.] (Hrsg.), Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, München 1993, S. 813852.

Lothar Gruchmann, »›Blutschutzgesetz‹ und Justiz. Entstehung und Anwendung des Nürnberger Gesetzes vom 15. September 1935«, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 31 (1983) S. 418442; Cornelia Essner, »Die Alchemie des Rassenbegriffs und die ›Nürnberger Gesetze‹«, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 4 (1995) S. 201225; vgl. Bernhard Lösener, »Als Rassereferent im Reichsministerium des Innern«, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 9 (1961) S. 262313.

Jacques Picard, Die Schweiz und die Juden 1933-1945. Schweizerischer Antisemitismus, jüdische Abwehr und internationale Migrations- und Flüchtlingspolitik, Zürich 1994.

Wolfgang Ayaß, »Asoziale« im Nationalsozialismus, Stuttgart 1995, S. 138140.

Yfaat Weiss, »›Ostjuden‹ in Deutschland als Freiwild. Die nationalsozialistische Außenpolitik zwischen Ideologie und Wirklichkeit«, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 23 (1994) S. 215232; Michael G. Esch, »Die Politik der polnischen Vertretungen im Deutschen Reich 1935 bis 1939 und der Novemberpogrom 1938«, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 8 (1999) S. 131154.

Trude Maurer, »Abschiebung und Attentat. Die Ausweisung der polnischen Juden und der Vorwand für die ›Kristallnacht‹«, in: Walter H. Pehle (Hrsg.), Der Judenpogrom 1938. Von der »Reichskristallnacht« zum Völkermord, Frankfurt a. M. 1988, S. 5273.

Wolfgang Benz, Gewalt im November 1938. Die »Reichskristallnacht«. Initial zum Holocaust, Berlin 2018.

Stenographische Niederschrift der Besprechung über die Judenfrage bei Göring am 12. November 1938, Nürnberger Dokument PS 1816; Besprechung bei Generalfeldmarschall Göring am 14. Oktober 1938 im Reichsluftfahrtministerium, PS 1449.

Wolf Gruner, Der Geschlossene Arbeitseinsatz deutscher Juden. Zur Zwangsarbeit als Element der Verfolgung 19381943, Berlin 1997.

Wolfgang Benz, Der Holocaust, München 1995.

Wolfgang Benz / Johannes Czwalina / Dan Shambicco (Hrsg.), Nie geht es nur um Vergangenheit. Schicksale und Begegnungen im Dreiland 19331945, Weilerswist-Metternich 2018.

Wolfgang Benz (Hrsg.), Umgang mit Flüchtlingen. Ein humanitäres Problem, München 2006.

Mit dem Gesicht nach Deutschland. Eine Dokumentation über die sozialdemokratische Emigration, aus dem Nachlass von Friedrich Stampfer, ergänzt durch andere Überlieferungen, hrsg. von Erich Matthias, bearb. von Werner Link, Düsseldorf 1968.

Saul Friedlaender, Das Dritte Reich und die Juden. Die Jahre der Verfolgung 19331939, München 1998; Wolfgang Benz, Flucht aus Deutschland. Zum Exil im 20. Jahrhundert, München 2001.

Wolfgang Benz (Hrsg.), Das Exil der kleinen Leute. Alltagserfahrung deutscher Juden in der Emigration, München 1991.

Wolfgang Benz, »Illegale Einwanderung nach Palästina«, in: Exilforschung. Ein Internationales Jahrbuch 19 (2001) S. 128144.

Juliane Wetzel, »Auswanderung aus Deutschland«, in: Wolfgang Benz (Hrsg.), Die Juden in Deutschland 19331945. Leben unter nationalsozialistischer Herrschaft, München 1988, S. 412498 und S. 738.

Wolfgang Benz / Marion Neiss (Hrsg.), Deutsch-jüdisches Exil: das Ende der Assimilation? Identitätsprobleme deutscher Juden in der Emigration, Berlin 1994; Wolfgang Benz / Marion Neiss (Hrsg.), Die Erfahrung des Exils. Exemplarische Reflexionen, Berlin 1997.

Fritz Kieffer, Judenverfolgung in Deutschland – eine innere Angelegenheit? Internationale Reaktionen auf die Flüchtlingsproblematik 19331939, Stuttgart 2002.

Cioma Schönhaus, Der Passfälscher. Die unglaubliche Geschichte eines jungen Grafikers, der im Untergrund gegen die Nazis kämpfte, Frankfurt a. M. 2004.

Christiane Carstens, Untergetaucht auf Reiswerder. Spurensuche auf einer Insel im Norden Berlins, Berlin 2019.

Wolf Gruner, »Die Fabrik-Aktion und die Ereignisse in der Berliner Rosenstraße. Fakten und Fiktionen um den 27. Februar 1943«, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 11 (2002) S. 137177.

Wolfgang Benz / Mona Körte (Hrsg.), Rettung im Holocaust. Bedingungen und Erfahrungen des Überlebens, Berlin 2001.

Hans Rosenthal, Zwei Leben in Deutschland, Bergisch-Gladbach 1980, S.79 f.

Michael Degen, Nicht alle waren Mörder. Eine Kindheit in Berlin, München 1999.

Jizchak Schwersenz / Edith Wolff, »Jüdische Jugend im Untergrund. Eine zionistische Gruppe in Deutschland während des Zweiten Weltkrieges«, in: Bulletin des Leo Baeck Instituts 12 (1969) S. 58 f.

Larry Orbach / Vivien Orbach-Smith, Soaring Underground. Autobiographie, Berlin 1998.

Charlotte Josephy, Erlebnisse in Deutschland unter nationalsozialistischer Herrschaft, Wiener Library P III d, Nr. 26 (Mikrofilm im Zentrum für Antisemitismusforschung).

Ilse Rewald, Berliner, die uns halfen, die Hitlerdiktatur zu überleben, Berlin 1975, S. 8 f.

Bericht Ludwig Collm, 22.3.1959, Wiener Library P III d, Nr. 1081 (Mikrofilm im Zentrum für Antisemitismusforschung, TU Berlin).

»Die Rettung des jüdischen Ehepaars Krakauer«, in: Paul Sauer (Hrsg.), Die Schicksale der jüdischen Bürger Baden-Württembergs während der nationalsozialistischen Verfolgungszeit 19331945, Stuttgart 1969, S. 440 f.

Bericht »Untergetaucht – an der Oberfläche 19411945«, Wiener Library P III d, Nr. 119 (Mikrofilm im Zentrum für Antisemitismusforschung).

Hans Hirschel, Erlebnisbericht, Wiener Library P III d, Nr. 385 (Mikrofilm im Zentrum für Antisemitismusforschung).

Inge Deutschkron, Ich trug den gelben Stern, Köln 1978, S. 73 f.

Hanni Lévy, Nichts wie raus und durch! Lebens- und Überlebensgeschichte einer jüdischen Berlinerin, hrsg. von Beate Kosmala, Berlin 2019.

Marion Neiss, »Berlin Wielandstraße 18 – Ein ehrenwertes Haus«, in: Wolfgang Benz (Hrsg.), Überleben im Dritten Reich. Juden im Untergrund und ihre Helfer, München 2003, S. 5166.

Katrin Rudolph, Hilfe beim Sprung ins Nichts. Franz Kaufmann und die Rettung von Juden und »nichtarischen« Christen, Berlin 2005.

Wolfgang Benz / Claudia Curio / Andrea Hammel (Hrsg.), Die Kindertransporte 1938/39. Rettung und Integration, Frankfurt a. M. 2003.

Klaus Voigt, Villa Emma. Jüdische Kinder auf der Flucht 19401945, Berlin 2002.

Helga Krohn (Hrsg.), Vor den Nazis gerettet. Eine Hilfsaktion für Frankfurter Kinder 1939/40, Sigmaringen 1995.

Jack Jacobs, Ein Freund in Not. Das Jüdische Arbeiterkomitee in New York und die Flüchtlinge aus den deutschsprachigen Ländern 19331934, Bonn 1993; Varian Fry, Auslieferung auf Verlangen. Die Rettung deutscher Emigranten in Marseille 1940/41, hrsg. von Wolfgang D. Elfe und Jan Hans, München 1986.

Claudia Schoppmann, »Fluchtziel Schweiz. Das Hilfsnetz um Luise Meier und Josef Höfler«, in: Benz (Hrsg.), Überleben im Dritten Reich, S. 205219; Franco Battel, »Wo es hell ist, dort ist die Schweiz«. Flüchtlinge und Fluchthilfe an der Schaffhauser Grenze zur Zeit des Nationalsozialismus, Zürich 2000.

Wolfgang Benz, »Schwierige Wege nach Israel«, in: ders., Flucht aus Deutschland. Zum Exil im 20. Jahrhundert, München 2001, S. 120150; Dennis Riffel, »Flucht über das Meer. Illegal von Danzig nach Palästina«, in: Benz (Hrsg.), Überleben im Dritten Reich, S. 153165.

Cornelia Schmalz-Jacobsen, Zwei Bäume in Jerusalem, Hamburg 2002, S. 110.

Bernd Schmalhausen, Berthold Beitz im Dritten Reich. Mensch in unmenschlicher Zeit, Essen 1991.

Bernt Schiller, Raoul Wallenberg. Das Ende einer Legende, Berlin 1993.

Nina Gladitz-Perez Lorenzo, »Der Fall Giorgio Perlasca«, in: Dachauer Hefte 7 (1991) S. 129143; Enrico Deaglio, Die Banalität des Guten. Die Geschichte des Hochstaplers Giorgio Perlasca, der 5200 Juden das Leben rettete, Frankfurt a. M. 1993.

Hillel Levine, In Search of Sugihara: The Elusive Japanese Diplomat who Risked his Life to Rescue 10 000 Jews From the Holocaust, New York 1996.

Theo Tschuy, Carl Lutz und die Juden von Budapest, Zürich 1995.

Stefan Keller, Grüningers Fall. Geschichten von Flucht und Hilfe, Zürich 1993.

Vgl. Beate Kosmala, »Mißglückte Hilfe und ihre Folgen: Die Ahndung der ›Judenbegünstigung‹ durch NS-Verfolgungsbehörden«, in: dies. / Claudia Schoppmann (Hrsg.), Überleben im Untergrund. Hilfe für Juden in Deutschland 19411945, Berlin 2002, S. 211.

Beate Kosmala verweist auf den Fall einer Berliner Krankenschwester, deren Todesurteil seit Günter Weisenborns Buch Der lautlose Aufstand (Hamburg 1953) immer wieder zitiert wird, sowie auf die Urteile des Volksgerichtshofs gegen Robert Havemann, Georg Groscurth, Herbert Richter und Paul Rentsch, ebenda, S. 218.

Matthias Sträßner, Der Dirigent, der nicht mitspielte. Leo Borchard 18991945, Berlin 2017 (künftig: Sträßner, Dirigent).

Zeitfunken, S. 197.

Sträßner, Dirigent, S. 106.

Laura Wehr, »›Die junge Dame‹ – eine nationalsozialistische Frauenzeitschrift aus dem Bestand des Oberpfälzer Volkskundemuseums Burglengenfeld«, in: Jahresband zur Kultur und Geschichte im Landkreis Schwandorf 11 (2000) S. 128148. Zit. S. 137.

Sträßner, Dirigent, S. 210f.

Zeitfunken, S. 193.

Schattenmann, S. 56.

Schattenmann, S. 91.

Schattenmann, S. 34, 47, 104.

Schattenmann, S. 88-89.

Schattenmann, 4. Februar und 7. März 1944, S. 129 und 130.

Jochen Köhler, Klettern in der Großstadt, Berlin 1979, S. 102 (künftig: Köhler, Klettern).

Köhler, Klettern, S. 183.

Ebd., S. 196.

Schattenmann, S. 221; Zeitfunken, S. 250.

Schattenmann, S. 227.

Kurt Kühn, »Der Arzt der Partisanen. Der Weg des Dr. med. Wolfgang Kühn vom Pazifisten zum antifaschistischen Kämpfer«, in: Humanitas. Zeitung für Medizin und Gesellschaft, 1831967; s. a. Barbara Bromberger / Hans Mausbach / Klaus-Dieter Thomann, Medizin, Faschismus, Widerstand, Frankfurt a. M. 1990, S. 278 f.

Schattenmann, S. 97.

Schattenmann, 1101943, S. 117 f.

Schattenmann, S. 76.

Zeitfunken, S. 202.

Brief Hanna Angel an das Entschädigungsamt Berlin, April 1965, Dossier Ruth Andreas-Friedrich, Zentrum für Antisemitismusforschung.

Ebd.

Ebd.

Zeitfunken, S. 227 f.

Anita Lasker-Wallfisch, Ihr sollt die Wahrheit erben. Breslau – Auschwitz – Bergen-Belsen, Bonn 1997.

Konrad Latte 1947, zit. nach Sträßner, Dirigent, S. 299 f.

Harald Poelchau, »Helfen verboten. Erlebte Geschichten aus den Nazi-Jahren«, in: ders., Die Ordnung der Bedrängten, Berlin 2004, S. 160 f.

Schattenmann, 2651944, S. 138.

Peter Schneider, »Und wenn wir nur eine Stunde gewinnen …« Wie ein jüdischer Musiker die Nazijahre überlebte, Berlin 2001.

Ralph Neuman, Erinnerungen an meine Jugendjahre in Deutschland 19261946, Berlin 2005.

Schattenmann, S. 241.

Köhler, Klettern, S. 232.

Schattenmann, S. 256; Faksimile in: Köhler, Klettern, S. 230.

Wolfgang Harich, »Ein autobiographisches Fragment. Zum Gedenken an den Todestag«, in: Utopie kreativ 65(1996), S. 6581, zit. S. 71.

Ebd., S. 72.

Ebd. Harich hatte »Borchardt« geschrieben.

Schattenmann, 2661944, S. 149.

Harich, »Ein autobiographisches Fragment«, S. 68.

Schattenmann, 2731943, S. 109.

Schattenmann, S. 25 f.

Ruth Andreas-Friedrich, Schauplatz Berlin. Ein deutsches Tagebuch, Frankfurt a.M. 1984, S. 30 (künftig: Schauplatz Berlin).

Sträßner, Dirigent, S. 435 f.

Wortlaut des Berichts in Englisch und deutscher Übersetzung bei Sträßner, Dirigent, S. 378 f.

Ebd., S. 381.

Schauplatz Berlin, S. 129 f.

Tagesspiegel, 131950. Archiv der Freien Universität Berlin.

Zeitfunken, S. 273.

Sylvia Lott, Die Frauenzeitschriften von Hans Huffzky und John Jahr, Berlin 1985, S. 362.

Zeitfunken, S. 274.

Schauplatz Berlin, S. 263.

Schauplatz Berlin, S. 267.

Köhler, Klettern, S. 243.

Johannes Cremerius, Ein Leben als Psychoanalytiker in Deutschland, Würzburg 2006, S. 71 f.

Ebd., S. 73.

Ebd., S. 72.

Zeitfunken, S. 331.

Fred Denger, Zwölf Ehen sind kein Pappenstiel, Rastatt 1982.

Hannelore Hippe, »Sei selber die Laterne«. Das schillernde, konsequente Leben des Widerstandskünstlers Fred Denger, Südwestrundfunk, Sendung 21122014.

Der Große Boss. Das Alte Testament. Unverschämt fromm neu erzählt von Fred Denger, Frankfurt a. M. 1984.

Zeitfunken, S. 291.

Karin Friedrich im Gespräch mit Jürgen Martin Möller, Alpha Forum Bayerischer Rundfunk, 912001; s. a. Zeitfunken, S. 295297.

Schauplatz Berlin, S. 65.

Harald Poelchau, Die Ordnung der Bedrängten, Berlin 2004, S. 61 f.

Ralph Neuman, Erinnerungen an meine Jugendjahre in Deutschland 19261946, Berlin 2005.

Zit. nach Sträßner, Dirigent, S. 299 f.

Ebd., S. 302.

Zeitfunken, S. 260.

Schauplatz Berlin, S. 136.

Erica Fischer, Aimeé & Jaguar. Eine Liebesgeschichte. Berlin 1943, Köln 1994.

Alexander Ramati, Der Assisi Untergrund: Assisi und die Nazibesetzung nach dem Bericht von Pater Rufino Niccacci, Frankfurt a. M. / Berlin 1986.

Wolfgang Benz, »Mythos Anne Frank«, in: ders., Bilder vom Juden. Studien zum alltäglichen Antisemitismus, München 2001.

Pearl M. and Samuel P. Oliner, The Altruistic Personality. Rescuers of Jews in Nazi Europe, New York 1988; s. a. Eva Fogelman, »Wir waren keine Helden«. Lebensretter im Angesicht des Holocaust. Motive, Geschichten, Hintergründe, Frankfurt a. M. / New York 1995; Susanne Beer, Die Banalität des Guten. Hilfeleistungen für jüdische Verfolgte 19411945, Berlin 2018.

Douglas K. Huneke, In Deutschland unerwünscht. Hermann Gräbe. Biographie eines Judenretters, Lüneburg 2002, S. 269 f.

Mordecaì Paldiel, The path of the rigtheous. Gentile rescuers of Jews during the Holocaust, Hoboken NJ 1993.

Christine Zahn, »Von einem Quartier zum nächsten«, in: Benz (Hrsg.), Überleben im Dritten Reich, S. 229238.

Wolfgang Benz, »Gegenleistungen«, in: ebd., S. 220228.

Isabel Enzenbach, »Die Vermieterin«, in: ebd., S. 185197.

Marion Neiss, »Herr Obersturmbannführer läßt daran erinnern, daß die Rate noch nicht da ist«, in: ebd., S. 198204.

Dossier Karin Friedrich, Zentrum für Antisemitismusforschung, Retterprojekt.

Schattenmann, S. 89.

Kurt R. Grossmann, Die Unbesungenen Helden, Berlin 1957.

In den sechziger Jahren folgten dem Buch Grossmanns weitere Darstellungen: Michael Horbach, Wenige: Zeugnisse der Menschlichkeit 19331945, München 1964; Heinz David Leuner, Als Mitleid ein Verbrechen war. Deutschlands stille Helden 19391945, Wiesbaden 1967.

Dennis Riffel, Unbesungene Helden. Die Ehrungsinitiative des Berliner Senats 1958 bis 1966, Berlin 2007.

Zit. nach Christina Herkommer, »Rettung im Bordell«, in: Benz (Hrsg.), Überleben im Dritten Reich, S. 143152.

Ebd., S. 150.

Dossier Ruth Andreas-Friedrich, Zentrum für Antisemitismusforschung, Retterprojekt.

Ebd.

Senator für Inneres an Ruth Andreas-Friedrich 25101965, ebd.

Brief an eine Constanze-Mitarbeiterin, in: Sylvia Lott, Die Frauenzeitschriften von Hans Huffzky und John Jahr, Berlin 1985, S. 231.

Ruth Andreas-Friedrich, Lieder, die die Welt erschütterten, Leipzig 1935, S. 5.

Ebd., S. 6.

Ruth Andreas-Friedrich, Zum freudigen Ereignis, Heidelberg 1963, o. S., Anstelle eines Vorwortes.

Ebd.

Dies., ABC für Verliebte. Kleine Anweisung zur glücklichen Zweisamkeit, Zürich 1954, S. 177 f.

Ebd., S. 179.

Ruth Andreas-Friedrich, Woher kommen die kleinen Kinder?, Hamburg 1957, S. 87.

Dies., Wege aus der Einsamkeit, Zürich 1966, S. 10.

Ebd., S. 44.

Ruth Andreas-Friedrich, Überwindung der Lebenskrisen, Zürich 1969, S. 151.

Heinz Rein, Die Neue Literatur. Versuch eines ersten Querschnitts, Berlin 1950, S. 163 f.

Schattenmann, S. 110.

Dieses Buch soll an einen einzigartigen Freundeskreis erinnern, der in Berlin unter nationalsozialistischer Diktatur Hilfe für verfolgte Juden und damit Widerstand gegen das Unrechtsregime leistete. Die Gruppe war ab 1938 aktiv. Den unmittelbaren Anlass dazu gaben die Novemberpogrome, als Juden Schutz und Hilfe bei Freunden suchten, aber nur in seltenen Fällen fanden. Die Journalistin Ruth Andreas-FriedrichAndreas-Friedrich, Ruth, eine impulsive, tatkräftige, lebenslustige Frau Ende dreißig, war Mittelpunkt eines Kreises von Menschen, die sich für ihre jüdischen Kollegen und Freunde verantwortlich fühlten, aus selbstverständlicher Humanität und tiefer Abneigung gegen Adolf HitlerHitler, Adolf, dessen Partei und das Regime. Leo BorchardBorchard, Leo, Ruths Lebensgefährte, war als Dirigent der Berliner Philharmoniker die prominente und angesichts seines Todes im Sommer 1945 auch die tragische Figur des Kreises, der sich »Clique« nannte und unter dem wenig martialischen Nom de Guerre »Onkel Emil« in die Geschichte des Widerstands gegen den Nationalsozialismus einging.

Die Gruppe, der am Ende etwa 20 Frauen und Männer angehörten, agierte nicht mit den Ritualen von Verschwörern, eher mit jugendbewegter Lust am Abenteuer. Die Hilfe für Juden wurde auf freundschaftlicher Augenhöhe geleistet, das unterscheidet die Clique von anderen »Unbesungenen Helden«, deren Attitüde oft herablassend und patriarchalisch blieb. Das gleichberechtigte Miteinander von Juden und Nichtjuden macht die Gruppe beispiellos in der Geschichte des Widerstands gegen HitlerHitler, Adolf. Als bürgerliche Intellektuelle lebten sie im Einklang mit bedrohten Juden und gefährdeten Deserteuren ihre Abneigung gegen den Nationalsozialismus. Es gab keine weltanschaulichen Prämissen und daraus folgende Abgrenzungen. Den Freunden fehlte die Berührungsangst vor der Arbeiterbewegung und vor Kommunisten. Stärker als ideologische Positionen war das emotionale, ja, bisweilen sentimentale Bekenntnis zu bürgerlichen, liberalen und demokratischen Werten und Verhaltensweisen. Die unkonventionelle Selbstsicht kam auch

Der bescheidene und längst verblasste Ruhm der Gruppe wurde durch die Veröffentlichung von Ruth Andreas-FriedrichsAndreas-Friedrich, Ruth Tagebuch begründet, das unter dem Titel Der Schattenmann die Zeit 1938 bis 1945 beschreibt. Es erschien gleich nach dem Krieg und wurde später im Buch Schauplatz Berlin für die Jahre 1945 bis 1948 fortgesetzt. Die Tagebuchaufzeichnungen stellen die früheste und praktisch die einzige authentische Quelle zu den Aktivitäten dieser Widerstandsgruppe dar. Zuerst war das Buch in den USA mit dem Titel Berlin underground erschienen, auf Deutsch hieß es dann Der Schattenmann, obwohl es nach dem Willen der Autorin Nein hätte heißen sollen, um der Welt zu zeigen, dass es in Deutschland nicht nur Hitlerbegeisterte und Duckmäuser gab. Karin FriedrichFriedrich, Karin, Ruths Tochter und jugendliche Akteurin im Kreis der Freunde, hat ein halbes Jahrhundert später mit ihrem Buch Zeitfunken (2000) das Wissen um »Onkel Emil« erweitert. In seiner großen Biographie über Leo BorchardBorchard, Leo, Der Dirigent, der nicht mitspielte (2017), nahm zuletzt Mathias SträßnerSträßner, Mathias behutsame Korrekturen an dem Geschichtsbild vor, das Ruth Andreas-Friedrich in ihrem Kultbuch stilisiert hatte.

Das Wirken der Gruppe, ihre Verbindungen zum Widerstand der »Roten Kapelle«, des »Kreisauer Kreises« und zu kommunistischen Gruppen sind Gegenstand dieses Buches. Dem historischen Kontext – der Diskriminierung, Entrechtung und mörderischen Verfolgung der Juden unter nationalsozialistischer Ideologie, den Möglichkeiten und Grenzen der Hilfe und den Schwierigkeiten, ab 1942 im Untergrund zu überleben – sind die einleitenden Kapitel gewidmet, ohne deren Kenntnis die Anstrengungen der Clique kaum zu verstehen und gar nicht zu würdigen sind.

Ruth Andreas-FriedrichAndreas-Friedrich, Ruth hat den meisten Akteuren in ihrem Tagebuch Pseudonyme gegeben, die auch in allen späteren Veröffentlichungen beibehalten wurden. Das hatte wohl literarische Gründe,

Allen Mitgliedern der Gruppe gerecht zu werden, und zwar nicht nur in der kurzen Ära ihres Wirkens im Widerstand, ist ein Anliegen des Buches. Die Lebenswege und beruflichen Karrieren nach 1945 habe ich, so weit irgend möglich, bis zum Ende verfolgt. Auch das soll die Darstellung von jenen historischen Arbeiten unterscheiden, die ihren Gegenstand nur bis zu dessen Höhepunkt – in unserem Fall wäre das der Untergang des NS-Regimes – verfolgen, um daraufhin nach dem Motto der Brüder Grimm »und wenn sie nicht gestorben sind ...« den Schlusspunkt zu setzen. Natürlich ist es nicht in allen Fällen gelungen, von den Beteiligten die biographischen Details vollständig zu ermitteln, um ihre Motive verständlich zu machen und ihre Nachkriegskarrieren nachzuzeichnen.

Weil die Tätigkeit und die Erfolge der Gruppe den Nationalsozialisten verborgen blieben, gibt es weder Ermittlungsakten, Protokolle oder Gerichtsverfahren noch sonstige amtliche Dokumente wie bei den weniger erfolgreichen Widerstandsgruppen, die der Gestapo und der Justiz des Unrechtsstaates zum Opfer fielen. Die Quellenlage ist damit äußerst bescheiden. Das Bild der Gruppe wie ihrer Mitglieder musste in mühsamer Puzzlearbeit zusammengesetzt werden. Dabei habe ich vielfältige Unterstützung in Anspruch genommen. Sehr hilfreich war wieder einmal die Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin in Gestalt der Historikerinnen Beate KosmalaKosmala, Beate, Claudia SchoppmannSchoppmann, Claudia und Martina VoigtVoigt, Martina, die mir als Expertinnen für »Stille Helden« kompetent und freundlich zu Hilfe kamen, wenn meine Recherchen am Ende schienen. Barbara SchiebSchieb, Barbara hat mir darüber hinaus Einblick in Archivunterlagen zum Komplex »Onkel Emil« gewährt und Fotos bereitgestellt. Dafür danke ich ihr besonders herzlich. Die Forschungen Matthias SträßnersSträßner, Mathias über Leo BorchardBorchard, Leo, für die er den Nachlass der Schwester des Dirigenten

Zu danken ist den Mitarbeitern der Hochschularchive der Freien Universität Berlin und der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie ganz besonders der Bibliothekarin des Zentrums für Antisemitismusforschung Irmela RoschmannRoschmann, Irmela, die auch die entlegensten Bücher und Zeitschriften beschaffte. Matthias Mann, Bibliothekar in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, hat sich einmal mehr als hilfreich erwiesen. Meine Mitarbeiterin Christine Eberle hat wie immer erheblichen Anteil am Gelingen des Projektes »Onkel Emil«, sowohl durch virtuose Recherchen als auch durch die hingebungsvolle Betreuung des Manuskriptes. Ihr danke ich wieder einmal sehr herzlich, nicht minder dem Reclam Verlag für die ausgezeichnete Betreuung.

Am 9. November 1938 brachen Zivilisation und Kultur, bürgerlicher Anstand und gesellschaftliche Ordnung in Deutschland zusammen. Das nationalsozialistische Regime, im sechsten Jahr an der Macht, hatte nicht nur die Judenfeindschaft zur Staatsdoktrin erhoben, sondern auch ein »Recht des Stärkeren« zur Unterdrückung anderer Nationen propagiert. HitlerHitler, Adolf plante einen Eroberungs- und Vernichtungskrieg, der am 1. September 1939 mit dem Überfall auf Polen begann. Er endete erst im Mai 1945, als Europa in Trümmern lag. Mehr als fünfzig Millionen Menschen waren in dieser Zeit, als Soldaten, als Zivilisten, als unschuldig Verfolgte, Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft geworden. Mindestens sechs Millionen Juden wurden im Holocaust Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns.

Am 9. November 1938 begann die Ära der offenen Gewalt mit der Inszenierung der »Reichskristallnacht«. Juden wurden zur Jagd freigegeben, deutsche Bürger wurden aufgrund ihrer Herkunft und ihres Glaubens öffentlich gedemütigt und misshandelt, ihr Eigentum wurde geplündert und ihre Existenz zerstört. Anlass des staatlich angeordneten Pogroms war das Revolverattentat des 17-jährigen Herschel GrynszpanGrynszpan, Herschel auf den jungen Diplomaten Ernst vom RathRath, Ernst vom in der Deutschen Botschaft in Paris. Der junge Jude hatte mit seiner Tat protestieren wollen gegen die Vertreibung der in Deutschland lebenden Juden polnischer Nationalität. Die NS-Propaganda nutzte die Tage bis zum Tod des Opfers zu einer Kampagne, um den »Volkszorn« gegen die Juden anzufachen.

In Berlin ist die Journalistin Ruth Andreas-FriedrichAndreas-Friedrich, Ruth Zeugin der Pogromstimmung. Weil sie jüdische Freunde hat und sich mit ihnen solidarisch fühlt, bleibt sie keine unbeteiligte Zuschauerin. Ruth ist 37 Jahre alt, schreibt für eine Frauenzeitschrift und arbeitet im Lektorat des Ullstein-Verlags. Sie hat eine Tochter aus ihrer geschiedenen Ehe und wohnt seit Ende 1933 in Berlin-Steglitz. Im Haus Hünensteig 6 leben Mutter und Tochter in einer Wohnung im zweiten Stock, im dritten Stock wohnt der Dirigent Leo BorchardBorchard, Leo.

Leo BorchardBorchard, Leo in den 1930er Jahren

Mitten in Steglitz, einer Nazi-Hochburg, bildet das Haus am Hünensteig eine Gesinnungsgemeinschaft von Hitlergegnern, die auch die Schülerin Karin mit einschließt. Sie kommt eines Tages nach Ostern 1934 aus der Schule und berichtet, dort habe sie, damals neun Jahre alt, mit den anderen Kindern auf dem Schulhof antreten und beim Hissen der Fahne »Heil Hitler« rufen müssen. Karin erzählte der Mutter, außerdem hätten sie »Judas streck dich« geschrien. So hatte Karin die Anweisung zumindest verstanden. Ihre Mutter erkennt mit Entsetzen, dass die Neunjährige in der Schule zur Judenfeindschaft abgerichtet werden soll. Sie weiß auch, dass Karin den Vernichtungsruf »Juda verrecke« hätte brüllen sollen,

Ruth Andreas-FriedrichAndreas-Friedrich, Ruth nimmt am 9. November 1938 nicht nur emotionalen Anteil am Schicksal ihrer jüdischen Freunde. Sie begnügt sich nicht mit innerem Abscheu und der Verständigung über ihre Abneigung gegen das Hitler-Regime im Kreis Gleichgesinnter. Nein, sie engagiert sich und hilft, als sie in das Geschehen einbezogen wird. Die Journalistin wird außerdem zur Chronistin der Judenverfolgung, weil sie seit dem Herbst 1938 die Not der Juden protokolliert. Ihre zum »Tagebuch« stilisierten Aufzeichnungen gehören zu den frühesten literarischen Zeugnissen des nationalsozialistischen Alltags aus der Perspektive des Widerstands.

Unter dem Datum 10. November 1938 ist dort zu lesen: »Um sieben Uhr früh läutet es. Achtmal – neunmal – zehnmal hintereinander. Als schlüge jemand auf dem Klingelknopf einen Trommelsturm. Vor der Tür steht Dr. Weißmann, der Rechtsanwalt. ›Verstecken Sie mich, sie sind hinter mir her!‹ keucht er. Ich starre ihn an. ›Wer? Was? Ich verstehe nicht.‹ – ›Machen Sie wenigstens die Tür zu. Sind Sie allein? Wo soll ich … wo kann ich denn hin, um Gottes willen!‹ Er drängt an mir vorüber ins Zimmer, wirft sich auf einen Stuhl und schlägt die Hände vors Gesicht. Sein Überzieher ist zerrissen, die Haare hängen ihm in die Stirn. Der ganze Mann sieht aus, als hätte er sich in einer Schmutzlache gewälzt. ›Ja, was ist denn passiert?‹ frage ich entsetzt. – ›Leben Sie auf dem Mond?‹ höhnt er bitter. ›Der Teufel geht um in Berlin! Die Synagogen brennen. Das Judenblut spritzt vom Messer. SA marschiert und schlägt Scheiben ein. Und Sie fragen noch: Was ist passiert?‹ Das Übermaß der Erregung verschlägt ihm die Stimme. ›Wie Hasen werden wir gejagt‹, knirscht er. ›Den halben Kurfürstendamm entlang haben sie mich

Ruth nimmt den Verstörten auf: »Um neun liegt Dr. Weißmann in Andriks Bett, gefrühstückt, gebadet, in Andriks neuem schwedischem Pyjama. Gottlob, fürs erste haben wir ihn untergebracht.«3 »Andrik« ist ihr Tarnname für Leo BorchardBorchard, Leo. Den Lebensgefährten nannte sie wegen seiner russischen Herkunft Andrik Krassnow, ihre Tochter Karin heißt im Tagebuch Heike Burghoff. Die Namen der jüdischen Freunde, die Hilfe und Zuwendung erfuhren, sind oft nicht mehr zu entschlüsseln. So wissen wir nicht, wer der Rechtsanwalt Dr. Weißmann war und ob er den Holocaust überlebt hat.

Die Journalistin Andreas-FriedrichAndreas-Friedrich, Ruth beschreibt auch ihre Beobachtungen, als sie am Morgen nach der »Kristallnacht« in die Redaktion fährt. »Der Omnibusschaffner sieht mich an, als wolle er mir etwas Wichtiges mitteilen. Aber dann schüttelt er nur den Kopf und schaut schuldbewußt zur Seite. Die Mitfahrenden blicken überhaupt nicht auf. Jeder macht ein Gesicht, als bäte er irgendwie um Verzeihung. Der Kurfürstendamm ist ein einziges Scherbenmeer. An der Ecke Fasanenstraße stauen sich die Menschen. Eine stumme Masse, die betreten in Richtung der Synagoge starrt, deren Kuppel von Rauchwolken verhüllt ist. ›Verfluchte Schande!‹ flüstert neben mir ein Mann. Ich sehe ihn liebevoll an. Jetzt wäre es eigentlich Zeit, zu seinem Nächsten ›Bruder‹ zu sagen, fällt mir ein. Aber ich tue es nicht. Man tut so etwas niemals. Man denkt es sich bloß. Und wenn man wirklich mal den Mut faßt und einen Anlauf nimmt, dann fragt man zu guter Letzt doch nur: ›Ach, entschuldigen Sie, können Sie

Ruth Andreas-FriedrichAndreas-Friedrich, Ruth 1938

Im Verlag wirbelt es durcheinander wie in einem Taubenschlag. Ich flüchte mich für einen Moment in Hollners Zimmer. ›Also, was ist nun wirklich los?‹ Er sitzt wie ein Häufchen Unglück auf seinem Schreibtischstuhl, schiebt seine Pfeife von einem Mundwinkel in den anderen und stöhnt: ›Mädchen, Mädchen, das überlebe ich nicht. Die Augen aus dem Kopf muß man sich schämen. Synagogen … Gotteshäuser – Tempel des Herrn einfach mit Sprit übergossen. Tun noch so, als ob sie ’n Heldenstück vollbracht hätten. Brüsten sich. Geben wer weiß wie an. Spontane Volkswut und solchen Zimt. Ohne mich, kann ich nur sagen. Ohne mich!‹ – ›Schön, schön‹, dränge ich ungeduldig. ›Aber die Tatsachen.‹ Hollner schiebt mir schweigend ein paar Schreibmaschinenblätter über den Tisch, deutet mit dem Finger auf die fettgedruckte Überschrift ›Antijüdische Aktionen in Berlin und dem Reich‹. – ›Aha, DNB-Korrespondenz! Das heißt auf deutsch: sämtliche Abendausgaben haben den Abdruck zu übernehmen. Es bleibt der Freiheit des Schriftleiters überlassen, schmückende Beiworte gelegentlich durch entsprechende auszutauschen.‹ Hollner nickt melancholisch. ›Und für so was muß man

Rasch überfliege ich die engbeschriebenen Seiten: ›… Nach Bekanntmachen des Ablebens des durch feige jüdische Mörderhand niedergestreckten deutschen Diplomaten Pg. vom RathRath, Ernst vom haben sich im ganzen Reich spontane judenfeindliche Kundgebungen entwickelt. Die tiefe Empörung des deutschen Volkes machte sich dabei auch vielfach in starken antijüdischen Aktionen Luft … An vielen Stellen Berlins hat man die Schaufensterscheiben der jüdischen Geschäfte eingeschlagen und die Schaukästen der jüdischen Ladenbesitzer demoliert. Die jüdischen Geschäftsinhaber besaßen noch die Frechheit, durch ihre arischen Angestellten die Glasscherben mit den Fingern beseitigen zu lassen, was den leidenschaftlichen Protest der Passanten hervorrief … In den Synagogen, den Stätten, an denen die staats- und volksfeindlichen Lehren des Talmud und des Schulchan-Aruch verbreitet werden, wurde Feuer angelegt, das die Inneneinrichtung zerstörte. Die Synagoge am Wilhelmsplatz wurde ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Hier sollen Waffen gefunden worden sein. In Eberswalde ist die Synagoge in Flammen aufgegangen. Das gleiche Schicksal wurde den jüdischen Tempeln in Cottbus und Brandenburg zuteil.‹ Angeekelt wende ich die Blätter um. ›Heute morgen zwischen sechs und sieben Uhr Brand in der Synagoge Wilmersdorf. Kuppel bereits eingestürzt … Demonstrationszüge in Nürnberg … Alle noch bestehenden jüdischen Geschäfte demoliert … Zorn empörter Menschen gegen jüdische Ladengeschäfte in den Städten des Ruhrreviers und am Niederrhein. In Essen, Düsseldorf, Krefeld und anderen Orten brennen zur Stunde die Synagogen. Spontane Kundgebungen gegen das Judentum in Leipzig … In der vergangenen Nacht … Empörung, Feuer … Scherben, Scheiben … demolieren, in Brand setzen.‹ Immer die gleichen Vokabeln in endloser Reihenfolge.«4

Die Autorin beschreibt in dieser Szene Atmosphäre und redaktionellen Betrieb einer Tageszeitung, indem sie Versatzstücke aus den Zeiten ihres journalistischen Anfangs im Ullstein-Verlag verwendet. Der Redakteur »Hollner« war vielleicht Friedrich KronerKroner, Friedrich,

Der Nazi-Sprachregelung vom »gerechten Volkszorn« gegen das »internationale Judentum«, die in der gleichgeschalteten Presse verlautbart wurde, glaubte die Bevölkerung zwar in den seltensten Fällen, das bedeutete aber nicht, dass eine Woge der Sympathie für die Juden entstanden wäre, wie Ruth Andreas-FriedrichAndreas-Friedrich, Ruth in ihren Aufzeichnungen meint. Weiter verbreitet als das Gefühl der Scham über die Barbarei, als Emotionen der Solidarität und Hilfsbereitschaft waren Gleichgültigkeit und Schadenfreude. Zu viele Bürger, die keine fanatischen Nazis oder enragierten Antisemiten waren, beteiligten sich am Aufruhr, am Radau, an der Demütigung und Beraubung jüdischer Nachbarn. Auch ehemalige Kollegen und Mitbewohner erlagen der Versuchung, Gewalt auszuüben, Ressentiments auszuleben, sich zu bereichern.

Es waren nur wenige, die aus ganz unterschiedlichen Motiven – etwa, weil sie gegen die Hitlerdiktatur eingestellt waren, weil sie bürgerlichen Anstand gegen die Naziideologie lebten – oder ohne weiteres Nachdenken halfen, wo Hilfe notwendig war. Zu den Wenigen gehörte der Freundeskreis um Ruth Andreas-Friedrich und Leo BorchardBorchard, Leo. Als Ruth am Nachmittag des 10. November 1938 nach Hause kam, fand sie die beiden kleinen Wohnungen voller Menschen. »Levy ist gekommen und Jochen Cohn. Sie hocken auf meiner Couch und spielen Ecarté. ›Um die Gedanken abzulenken‹, sagt Levy entschuldigend. Er sieht erschöpft aus und unrasiert … Jochen Cohn reibt sich verlegen die Stirn: ›Daß wir Sie hier so überfallen …‹ – ›Wo ist Andrik?‹ erkundige ich mich. – ›Er schaut nach Doktor Hirschberg. Auf dessen Nummer meldet sich niemand. Wahrscheinlich haben sie ihn abgeholt.‹ – ›Abgeholt?‹ – ›Na ja,