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Über dieses Buch:

Keine Zeit für Rendezvous: Die attraktive Janine Rehberger, Leiterin eines erfolgreichen Reisebüros, lebt nur für ihren Beruf. Als sie zu einem Geschäftstermin in ein Hotel nach Mallorca eingeladen wird, erwartet sie darum auch nichts weiter als ein gutes Meeting. Nie hätte sie mit dem aufregenden Knistern gerechnet, das der charmante Hoteldirektor Markus Berger in ihr auslöst! Und auch er scheint von ihr mehr als nur angetan. Aber kaum hat Janine beschlossen, ihren ausgebuchten Terminkalender für ein Weilchen zu vergessen und sich Zeit für Romantik zu gönnen, taucht eine kapriziöse Jetsetterin im Hotel auf – und lässt nichts unversucht, Markus für sich zu gewinnen!

Über die Autorin:

Marie Winter hat ihre Liebe zu Büchern zum Beruf gemacht. Nach vielen Jahren als Lektorin in einem renommierten Verlag ist sie jetzt freie Autorin. Die Tierfreundin lebt mit ihrer Familie, zu der etliche Tiere gehören, im Bergischen Land in der Nähe von Köln.

Marie Winter veröffentlicht bei dotbooks bereits »Weil unsere Liebe ewig ist«, »Hundert Momente mit dir«, »Die Sterne in deinen Augen«, »Weil mein Herz dich finden will« und »Mein Glück in deinen Armen«.

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Überarbeitete eBook-Neuausgabe April 2020

Dieses Buch erschien bereits 2008 unter dem Titel »Wolke 7 inklusive« bei Blanvalet

Copyright © der Originalausgabe 2008 by Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Majdanski / Fernando Cortes / Tatka Z / PRO Stock Professional / irin-k / Charcompix / icemanphotos / Gabriele Maltini / Patty Chan

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-96655-015-4

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Marie Winter

Das Leuchten deines Herzens

Roman

dotbooks.

Kapitel 1

»Noch ein paar weitere Tage dieser Güteklasse, und ich häng den Job an den Nagel.« Ein Seufzer der Erleichterung – und des Frustes begleitete Janines Worte.

»Und was machst du dann, statt in deinem Reisebüro zu arbeiten? Brötchen verkaufen? Oder strebst du einen Job beim Finanzamt an? Soll ziemlich stressfrei sein, hab ich mir sagen lassen.«

»Marion, die Wahnsinnige« – das war alles, was Janine der Freundin antwortete.

Marion Klausner, seit der ersten Schulklasse Janines beste Freundin und seit drei Jahren ihre Geschäftspartnerin, lachte leise. »Ich stell mir das gerade bildlich vor ... du sitzt hinter Aktenbergen, machst Dienst nach Vorschrift, buchst bei mir jedes Jahr drei Wochen Pauschalurlaub ... reizvoll, der Gedanke!«

»Was hast du gegen Finanzbeamte? Ich finde unseren Sachbearbeiter sehr nett!« Janine kicherte. »Er stottert so süß, wenn ich bei ihm vorstellig werde.«

»Was zum Glück nicht allzu oft der Fall ist.« Marion trat drei Schritte auf die Straße, besah sich aus der Entfernung kritisch die neue Schaufensterdekoration. Drei künstliche Palmen, etwas Sand, ein Fischernetz – und dahinter die Tafel mit den gerade aktuellen Sonderangeboten. »Wie ätzend langweilig. Da muss ich morgen noch mal was ändern.«

»Meinetwegen. Ich will jetzt nicht mehr ans Geschäft denken, sondern heim. Bin mal gespannt, ob Dietmar endlich seine letzten Sachen abgeholt hat.«

»Dietmar, das Sahneschnittchen mit der sensiblen Seele ...« Marions Stimme hatte einen bösen, ironischen Klang. »Dass du den endlich los bist, sollten wir mit Champagner feiern!«

»Okay, ich geb eine Flasche aus. Aber erst wenn feststeht, dass Dietmar wirklich ausgezogen ist.«

Was nicht der Fall war. Wieder einmal nicht! Und diese Tatsache war absolut nicht dazu angetan, Janines Laune zu heben. Erst ein Tag mit schlechtem Umsatz, nörgeligen Kunden und einer Computersoftware, die jeden Benutzer an den Rand des Wahnsinns trieb, und jetzt noch ihr Ex-Lover, der mit Leidensmiene in seinem Lieblingssessel im Wohnzimmer saß – nebenbei gesagt, war es Janines Sessel und Janines Wohnzimmer – und zur Begrüßung sagte: »Endlich! Ich dachte schon, du kämst gar nicht mehr.«

»Und ich dachte, du wärst endlich weg.«

»Aber ...«

»Nein!« Janines Augen, sonst von einem sanften Graublau, schossen silberne Blitze. »Du ziehst aus. Heute noch! Pack endlich, Dietmar, sonst tu ich es für dich.« Die Vorstellung, seine Klamotten samt der von ihm so heiß geliebten Gitarre aus dem Fenster schleudern zu können, ließ ihr Stimmungsbarometer gleich um ein paar Grad steigen.

»Mausi ...«

»Es hat sich ausgemaust. Dietmar, es ist vorbei. Schnall es endlich!«

»Du bist herzlos!« Langsam stand er auf, ging ins Schlafzimmer und holte dort – welch Wunder – seinen gepackten Rucksack und zwei Tragetaschen raus. Die Gitarre schulterte er in der Diele. »Ja, dann ...«

»Tschüss. Mach's gut. Und fang endlich an, im 21. Jahrhundert zu leben. Für Tagträumer ist da kein Platz!«

»Wenn alle Menschen so unsensibel wären wie du, stünde es schlecht um die Kunst!«, tönte es höchst vorwurfsvoll von den Lippen des gut aussehenden Mannes. Seit Jahren träumte Dietmar von einer Karriere als Sänger. Dass dies allerdings mit harter Arbeit verbunden war, mochte er nicht gelten lassen. Er wollte entdeckt und dann schlagartig ein Star werden.

Am Anfang ihrer Beziehung hatte Janine dies noch amüsiert zur Kenntnis genommen. Sie fand es auch nicht allzu schlimm, dass ihr Freund keinen festen Job hatte. Doch mit der Zeit änderte sich ihre Einstellung.

Noch ein letzter Blick, der Janine fatal an ein waidwundes Reh erinnerte, dann ging Dietmar. Begleitet von Janines erleichtertem Seufzer – den er aber nicht mehr hörte. Hoffentlich zumindest, denn es hätte seiner sensiblen Seele sicher erneut zugesetzt. Wie so vieles an Janine Dietmar irritiert und an seinem Ego gekratzt hatte.

Dietmar Terholen, dreiunddreißig Jahre alt, Student der Philosophie und Sozialwissenschaften seit mehr als zehn Jahren. Mit dem Hang zur Bühne. Gut aussehend. Ebenso liebenswert wie phlegmatisch. Charmant und stur.

Das Gegenteil von Janine. Sie war lebensbejahend. Couragiert. Optimistisch. Fleißig und ehrgeizig. Sie stand mit beiden Beinen im Leben.

»Dein Tempo macht mir Angst«, lautete einer von Dietmars Lieblingssätzen. Und dennoch hatte er sich für fast sieben Monate bei Janine eingenistet. Am Anfang war es mehr als ein heißer Flirt gewesen. Fast schon Liebe. Von beiden Seiten. Aber die war zumindest bei Janine rasch geschwunden, als sich herausstellte, dass Dietmar völlig sorglos in den Tag hineinlebte. Manchmal zur Uni ging, kaum eine Klausur schrieb, auf ihre Kosten lebte – und gern darüber jammerte, dass sie ihn so oft allein ließ, Geld verdiente, ihre Reiseagentur immer weiter ausbauen wollte.

»Dieser Schmarotzer ... wie kannst du den ertragen?«, hatte Marion schon nach der dritten Begegnung mit Dietmar gefragt. Aber da war Janine noch verliebt gewesen.

Nun, das war jetzt vorbei. Dietmar war weg – und plötzlich sah die Welt wieder hell aus. Obwohl draußen die Dämmerung hereinbrach. Ein Griff zum Telefon, Marions Nummer war selbstverständlich ganz oben eingespeichert.

»Was hältst du von Champagner? Im ›Moonlight‹?«

»Halleluja – er ist weg! Und ich bin in zehn Minuten dort.«

»Gib mir zwanzig. Ich muss mich noch ein bisschen frisch machen.«

»Einverstanden. – Bis gleich.«

Janine war tatsächlich in einer knappen Viertelstunde fertig. Die langen, glänzenden Haare trug sie offen. Den Businessdress hatte sie gegen eine seidig schimmernde, cognacfarbene Hose getauscht. Darüber kam eine Longbluse in der gleichen Farbe, darunter ein raffiniertes Nichts aus nougatfarbener Spitze.

Fast gleichzeitig trafen die Freundinnen im »Moonlight« ein. Es herrschte bereits reger Betrieb, denn die Bar wurde auch gerne von jungen Leuten aufgesucht, die hier eine so genannte »Afterworkparty« feierten. Aber allmählich wechselte das Publikum. Die Gäste in korrekter Dienstkleidung – naturgemäß Banker in dunklen Anzügen oder Karrierefrauen im Nadelstreifen-Hosenanzug – wechselten mit Publikum, das schon das richtige Outfit für eine heiße Nacht trug.

Eine Flasche Champagner war schon halb geleert, doch noch wollte bei Janine und Marion nicht die richtige Stimmung aufkommen. »Nur immer an den Job zu denken ist auch öde«, meinte Marion und zupfte sich den nachtschwarzen Pony zurecht. Ihre Mutter war Einkäuferin für eine elegante Boutique, und so war die Tochter stets topaktuell gekleidet. Und da zurzeit der Stil von Audrey Hepburn total in war, trug Marion zumindest eine Frisur wie einst die bekannte Schauspielerin. Dazu ein enges, weinrotes Seidenkleid, dessen Hingucker der tiefe Rückenausschnitt war.

»Tu ich doch gar nicht«, wehrte Janine ab. »Nicht einmal heute Abend hab ich vom Büro gesprochen.«

»Dich jedoch auch nicht amüsiert. Aber ... sieh mal die vier Jungs drüben ... das wär doch was für uns, oder?« Diskret sah jetzt auch Janine in Richtung Tür, wo gerade tatsächlich vier extrem gut aussehende Männer eintraten. Schnurstracks kamen sie zur Bar, bestellten ihre Drinks – und schon war klar:

»Die stehen nicht auf Frauen.« Marions Seufzer war unüberhörbar.

»Macht nichts. Komm, trink noch ein Glas.«

»Mögen Sie tanzen?« Ein großer Blonder deutete doch tatsächlich so etwas wie eine Verbeugung vor Marion an.

Schnell rutschte sie vom Barhocker – und ward für eine halbe Stunde nicht mehr gesehen. Janine wurde von zwei älteren Gästen in ein Gespräch verwickelt. Einer war Unternehmensberater, wie er schon im zweiten Satz stolz verkündete, der zweite Metzger. Und sie redeten nur von ihren Jobs!

Na, da konnte sie mithalten! Janine drehte ihren vollen Charme auf, und schon nach kurzer Zeit tauschten sie ihre Visitenkarten aus. »Ich fliege oft in Urlaub. Stressabbau muss einfach sein. Thailand oder die Malediven ... es gibt da sicher einen Bonus für mich, oder?« Klaus, der Unternehmensberater, versuchte es mit einem tiefen Blick in Janines Augen.

»Darüber lässt sich reden.« Warum nicht auch hier ans Geschäft denken.

»Ich fliege nie. Aber meine Mutter und ich, wir machen häufiger Kuren im Allgäu. Hast du da auch was im Programm? Weißt du, die Kälte in den Kühlkammern geht mir jetzt schon in die Glieder. Da heißt es vorbeugen, sagt meine Mutter immer.« Gerhard sagte es völlig naiv, und es gelang Janine tatsächlich, ein Lachen zu unterdrücken.

»Dann komm doch einfach mal mit ihr vorbei, vielleicht hab ich ein paar gute Tipps für deine Mutter.« Danach war ihr noch nach einem harten Drink – und ihrem gemütlich warmen Bett.

Marion und ihr blonder Hüne wollten noch weiterziehen.

»Du bist doch nicht sauer?«

»Aber nein. Weißt du doch. Viel Spaß.« Janine zwinkerte der Freundin zu.

»Dir auch. Oder ... gehst du schon?«

»Heute ist der Wurm drin. Hab ich doch gewusst.« Janine zuckte mit den Schultern, dann verlangte sie die Rechnung.

»Du gehst schon?« Gerhard schien ehrlich enttäuscht.

»Ich bin müde. Du weißt doch ... so ein Job ist anstrengend. Und ich bin seit sechs auf den Beinen.«

»Ich war schon um vier auf!«

»Dann gratulier ich dir zu deiner Kondition. – Wir sehen uns vielleicht. Viel Spaß noch euch beiden.«

Puh, das war geschafft. Draußen auf der Straße atmete sie erleichtert auf. Doch dann, allein in der Wohnung, überkam sie auf einmal der Weltschmerz. Weinend warf sie sich aufs Bett, vergrub das Gesicht in den Kissen.

Diese Pechsträhne im Privatleben – endete sie denn nie? Sie wollte doch gar keinen Mister Big. Oder einen Mann wie Brad Pitt. Nur einen netten Jungen, mit dem sie Spaß haben, sich unterhalten und die Zeit vertreiben konnte. Na ja, guter Sex wäre auch nicht zu verachten. Und vielleicht auch ein paar ehrliche, tiefe Gefühle ...

Verdammt, gab's denn diesen liebenswerten Durchschnittsmann nirgendwo???

Kapitel 2

Irgendetwas schrillte in ihrem Hinterkopf. Und kalt war ihr auch. Mit geschlossenen Augen tastete Janine nach dem Wecker. Nein, er war nicht der Urheber dieses penetranten Geräuschs. Das leider nicht aufhören wollte!

Also: Augen auf, die Beine aus dem Bett schwingen ... und entsetzt feststellen, dass sie in den Klamotten eingeschlafen war, die sie im »Moonlight« getragen hatte. Kein Wunder, dass sie fror!

Das Geräusch wurde, wie sie gleich darauf feststellte, vorn Telefon verursacht. Halbblind tastete sie danach. »Janine Rehberger ... guten Morgen.«

»Hallo, Kleines!« Eine Bassstimme ließ sie zusammenzucken.

»Oliver ... was ist denn passiert?«

»Nichts Schlimmes. Nur dass ich überraschend nach New York muss. Du musst dich also in den nächsten vier Tagen allein um Wirbelwind kümmern. Geht das?«

»Aber ja. Mach dir keine Sorgen. Was machst du in New York?«

»Ärztekongress. Ich muss für eine erkrankte Kollegin einspringen. Sie arbeitet seit Jahren hier im Ärztezentrum mit und ist auch immer hilfsbereit. Ich kann sie schlecht hängen lassen.«

»Na, dann – viel Erfolg!«

»Janine?«

»Ja?«

»Du bist schon richtig wach, ja? Und hast alles verstanden?«

»Klar doch. Wirbelwind gehört für vier Tage allein mir. Und du fliegst gleich los. Mach's gut. Ich fahre noch vor der Arbeit in den Stall, versprochen.«

»Danke, Kleine.« Ein Knacken – Oliver hatte aufgelegt. Und Janine war mit einem Mal hellwach. Seit einem Jahr teilten sie sich ein Pferd, der Chirurg Dr. Oliver Bergstaller und sie. Oliver war ein noch passionierterer Reiter als sie selbst, doch da er nicht die Zeit hatte, sich genügend um sein Pferd zu kümmern, hatte er Janine eine Reitbeteiligung angeboten. Die Lösung war für alle perfekt – vor allem für den sechsjährigen Wallach Wirbelwind, der jetzt doppelt verwöhnt wurde.

Ein Blick auf die Uhr: Es war kurz vor sechs. Sie konnte bequem zum Stall fahren und noch einen kleinen Ausritt unternehmen. Das würde ihren Kopf wieder freimachen!

Sie wusste, dass Oliver es auch oft so hielt. Obwohl er eine eigene Praxis besaß, außerdem ein paar Belegbetten in der chirurgischen Abteilung des Klinikums, nahm er sich Zeit für dieses Hobby. Und er behauptete glaubhaft, daraus viel Kraft zu schöpfen.

Janine hatte ebenfalls schon oft festgestellt, dass die Reiterei wie eine Therapie für sie war. Das Zusammensein mit den Tieren, die frische Luft draußen vor der Stadt – all das tat unendlich gut und ließ sie ihren Frust vergessen.

Auch heute wirkte es wieder, und gut gelaunt schloss sie um neun Uhr ihr Geschäft auf. Der Tag hatte früh, aber schön begonnen. Ein gutes Omen?

Ja, die Geschäfte liefen gut an. Und dann, gegen Mittag, kam die Einladung eines großen Reiseveranstalters: eine Expedientenreise nach Mallorca! Die Inhaber einiger Reisebüros sollten sich drei der neuen Luxushotels auf der Insel ansehen.

Nun, Janine war nicht euphorisch, schließlich kannte sie die Lieblingsinsel der Deutschen fast so gut wie ihre große Lieblingshandtasche! Aber die Hotels waren neu, für zahlungskräftige Kunden gedacht, die ans Golfen oder an Wellness dachten statt an den Ballermann.

Spontan fiel ihr Klaus ein, der Unternehmensberater. Vielleicht wäre er ein potentieller Neukunde?

Doch erst musste sie Katrin Neumann anrufen. Sie kam dreimal die Woche, half aber in Sonderfällen gern auch häufiger aus. So war sie auch jetzt sofort bereit, Janine während ihrer Expedientenreise zu vertreten.

»Dann kann ich also zusagen?«

»Klar doch, Kindchen. Mach dir ein paar schöne Tage. Du weißt doch, auf der so genannten Putzfraueninsel ist es interessanter, als die Meisten denken.«

»Da hast du recht«, stimmte Janine der älteren Kollegin zu. Katrin war etwa fünfzig, hatte ihren Job von der Pieke auf gelernt und sogar fast sieben Jahre als Reiseleiterin die ganze Welt bereist. Vor gut zwanzig Jahren hatte sie ihren Mann, einen Bauunternehmer, kennen gelernt, drei Kinder bekommen – und mit Wehmut Abschied vom Beruf genommen. Jetzt, wo ihre beiden Mädchen und der Sohn das Haus verlassen hatten, war Katrin froh und glücklich, ihre Kenntnisse in der Reisebranche wieder anwenden zu können. Mit dem Computer konnte sie prima umgehen.

»So ein großer Sohn hält einen auf dem Laufenden«, hatte sie Janine erklärt. »Ich bin zwar nicht topfit, aber ganz gut informiert.«

In der Tat, und so war sie für die junge Unternehmerin eine wertvolle Hilfe.

Aber noch war es nicht so weit. Erst einmal galt es, die nächsten vier Wochen zu überstehen. Der Sommer neigte sich langsam dem Ende zu. Die Schulferien waren in einigen Bundesländern schon zu Ende – im Büro der Beginn der so genannten Sauregurkenzeit. Noch waren die neuen Kataloge nicht ausgeliefert, aber die meisten Ferienreisen gebucht.

Janine hatte dennoch keine Langeweile. Zumal sich Olivers USA-Trip um einige Tage verlängerte. »Ich hab hier ein paar interessante Vorträge gehört und bin zu einem Symposion eingeladen. Ich würde gern noch drei Tage anhängen. Kannst du dich um das Pferd kümmern?«, hatte er gefragt, und Janine hatte nur zu gern zugestimmt.

»Wirbelwind, die Zeit nutzen wir beide. Was hältst du von einem langen Ritt durch den Forst?« Da Katrin an diesem Nachmittag im Büro war, konnte Janine ziemlich früh Feierabend machen. Sie hatte das Pferd ausgiebig gestriegelt, jetzt legte sie ihm das Zaumzeug an.

Der Wallach, groß und fast schwarz mit einem hellen Stern auf der Stirn, schnaubte leise.

»Der scheint ja jedes Wort zu verstehen!« Ein Mann, den Janine noch nie auf dem Reiterhof gesehen hatte, kam auf die Box zu. »Hallo, ich bin Bert. Mir gehört der Apfelschimmel da drüben.« Er wies zu einer Box am Ende der Stallgasse. »Wir sind seit gestern hier. Ich heiße Bert Schrader.«

»Hallo. Ich bin Janine. Herzlich willkommen.« Sie schaute kurz zu dem Mann hin. Dunkelblondes, leicht gelocktes Haar, etwa Mitte dreißig. Groß. Schlank. Blaue, ein wenig zu eng stehende Augen. Gewinnendes Lächeln.

»Wollen Sie ausreiten?«

»Sieht wohl so aus.« Himmel, das war nicht gerade eine tolle Konversation! Aber wer schon Apfelschimmel ritt ...

Janine mochte keine Apfelschimmel. Schon seit frühester Kindheit nicht. Sie waren falsch – sagte sie sich, da ein wunderschöner Apfelschimmel sie schon in der dritten Reitstunde in hohem Bogen abgeworfen hatte.

Allerdings war dieses neue Tier wunderschön. Vermutlich mit einem Araber in der Ahnenreihe.

»Darf ich mich anschließen? Ich kenne ja die Reitwege hier in der Gegend noch nicht, und ...«

»Kein Problem«, fiel Janine ihm ins Wort. Und so ritten sie wenig später durch den einbrechenden Abend.

Bert war ein wirklich guter Reiter. Er erzählte ein wenig von dem Stall, in dem sein Tier vorher gestanden hatte. »Das war auf einem großen Hof im Münsterland. Klar, dass da hohe Ansprüche gestellt wurden. Der Besitzer züchtet unter anderem für weltbekannte Springreiter. Ich kann froh sein, dass er mir Diabolus so preiswert gelassen hat.«

»Warum das denn? Reine Menschenfreundlichkeit ist mir bei Pferdehändlern noch nie untergekommen.«

»Davon konnte auch keine Rede sein. Diabolus hat 'ne Macke.« Bert grinste.

»Und die wäre?«

»Er mag keine Frauen.«

»Wie bitte?« Janine beugte sich vor. »Das kann doch nicht wahr sein!«

»Ist es aber. Leider. Sogar ein so genannter Pferdeflüsterer konnte da nichts machen. Er mag einfach keine Frauen. Und da viele Mädchen als Helferinnen oder Bereiterinnen agieren, hatten sie ein Problem mit meinem Jungen.« Er klopfte dem Apfelschimmel kurz den Hals.

»Bei uns gibt's auch zwei Pferdepflegerinnen«, warnte Janine.

»Ich weiß. Und ich hab schon gesagt, dass ich das Meiste selbst tun will. Vorsichtshalber.«

»Was hat Sie denn in unsere Gegend verschlagen? Das Münsterland ist ja doch ein Stück weg von Köln.«

»Stimmt. Aber hier gab's den idealen Job für mich. Werbung und Marketing. Die Bedingungen dafür sind hier geradezu ideal. Köln wird ja immer mehr zur Medienstadt. Und ich werde da mit meinem Laden gut reinpassen.«

»Gratuliere.« Sie hatte keine Lust mehr, noch länger über ihn und seinen Beruf zu reden. »Da kommt eine gute Galoppstrecke –wollen wir?«

»Aber ja!« Schon gab er die entsprechende Hilfe – Diabolus machte seinem Namen alle Ehre und preschte wie der Teufel davon.

»Aufschneider«, murmelte Janine vor sich hin und ritt etwas langsamer hinter den beiden her. Zwar war Wirbelwind gar nicht damit einverstanden, dass es nicht zu einem Wettrennen kam, aber Janine mochte sich nicht in Gefahr begeben. In knapp zwei Wochen flog sie nach Mallorca, da wollte sie noch nicht einmal eine Prellung riskieren.

»Hey, machen Sie schon schlapp?« Mit einem leicht arroganten Lächeln standen Bert und sein Wallach am Ende der Galoppstrecke.

»Ich reite zur Entspannung, nicht um einen Wettstreit zu gewinnen.«

»Na ja, ich bin eben immer auf Konkurrenzkampf eingestellt. Nichts für ungut.« Bert lachte, und jetzt wirkte er wieder sympathisch. »Wollen wir uns nicht mit Du anreden? Ich geb dann auch gleich im Reiterstübchen meinen Einstand.«

»Klar doch. Aber ich komme nur auf einen Drink mit. Ich muss noch arbeiten.«

»So spät noch?« Stirnrunzelnd sah er sie an. Absagen schien er nicht gewöhnt zu sein. Doch das beeindruckte Janine nicht im Geringsten.

»Ja.« Mehr brauchte er nicht zu wissen.

Sie kam dann noch auf den versprochenen Drink mit, zog sich aber rasch zurück, denn ihr Verdacht wurde zur Gewissheit: Bert Schrader führte bald das große Wort. Und sie hatte nicht die geringste Lust, an seinen Lippen zu hängen und sich die Pferdewelt erklären zu lassen.

»Wieder ein Mann, der keinen zweiten Blick wert ist«, murmelte sie vor sich hin, als sie in ihrem kleinen Wagen heimfuhr. Dort aber beanspruchte die fällige Steuererklärung ihre Aufmerksamkeit – was auch nicht gerade stimmungsfördernd war.

Kapitel 3

»›Villa Cloud Seven‹, Kerstin Ahlborn am Apparat. Was kann ich für Sie tun?« Mit gleichbleibend freundlicher Stimme meldete sich die Empfangschefin des Hotels am Telefon.

»Mein Mann ... er ist zusammengebrochen. Ich glaube ...« Schluchzen erstickte die Stimme der Anruferin. »Ich glaube, es ist ein Infarkt. Und ich ... ich krieg ihn nicht aufgehoben, meinen Mann. Er ist viel zu schwer ...«

»Bitte, bleiben Sie ruhig, Frau Küster, ich kümmere mich sofort. Ein Arzt wohnt ganz in der Nähe, ich rufe ihn sofort an. Und dann komme ich selbst hoch zu Ihnen.« Sie legte auf, winkte einer jungen Auszubildenden. »Ruf Dr. Ramirez an – ein Gast hat wahrscheinlich einen Infarkt erlitten. Der Doktor soll sich beeilen. Ich gehe rasch hoch auf die Neunzehn.«

Eine Antwort wartete sie nicht ab, sondern hastete hinauf zu dem älteren Ehepaar, das seit drei Wochen in dem Luxushotel auf Mallorca zu Gast war. Sympathische, sehr ruhige Gäste, die nie Sonderwünsche hatten, sondern mit dem exzellenten Service stets zufrieden waren.

Und jetzt fühlte sich der alte Herr schlecht!

Wie befürchtet, hatte er tatsächlich einen leichten Infarkt erlitten, und für Kerstin war es selbstverständlich, die Ehefrau, die kein Wort Spanisch sprach, in die Klinik nach Palma zu begleiten. Die Rezeption wurde so lange von ihrem Kollegen Juan übernommen.

»Ich bin ja so froh, dass Sie bei mir sind, Frau Ahlborn!« Die alte Dame zitterte. Kerstin und sie saßen in der Klinik in einer kleinen Nische, während der Patient untersucht wurde.

»Machen Sie sich keine Gedanken, die Klinik ist auf dem neuesten Standard, Ihrem Mann kann hier optimal geholfen werden. Und wie der Doktor sagte, ist es wohl nur ein ganz leichter Infarkt.«

»Dafür bete ich ...« Frau Küster schloss die Augen und senkte den Kopf. Und so saß sie mehr als eine Stunde im Wartebereich der Notaufnahme und hoffte auf positive Nachrichten.

Kerstin konnte sie jetzt nicht sich selbst überlassen! So gern sie auch an diesem Abend eigenen Interessen den Vorrang gegeben hätte! »Kann ich Sie für einen Moment allein lassen? Ich muss kurz telefonieren gehen.« Sanft berührte sie die alte Dame am Arm.

»Aber ja doch. Gehen Sie nur. Ich komme schon allein zurecht. Sie haben doch sicher jetzt frei ...«

»Das ist kein Problem. Nur ein kurzer Anruf, dann komme ich zurück.«

Das Handy schaltete sie außerhalb der Klinik wieder ein, tippte die oberste eingespeicherte Nummer – und hörte schon Steffens Stimme: »Wo bleibst du denn? Ich hab schon dreimal bei dir anzurufen versucht. Aber dein Handy war abgeschaltet ...«

»Ich bin in der Klinik. Mit einem Gast. Infarkt.«

»Und Mutter Teresa muss sich persönlich kümmern. Du, wir wollten heute Abend unseren Jahrestag feiern. Vergessen?«

»Natürlich nicht! Aber ... Frau Küster ist so aufgeregt. Und sie wirkt so verloren ... da kann ich sie doch nicht sich selbst überlassen.«

»Irgendwann wirst du noch von deinem Heiligenschein erschlagen. Aber dann werd ich nicht da sein, um dir zu helfen.« Steffen Mauserts Stimme grollte.

»Ach, Bärchen, jetzt sei doch nicht so! Den Jahrestag verschieben wir einfach um vierundzwanzig Stunden.« Während sie dies sagte, bekam Kerstin ein schlechtes Gewissen.

»Sag mal, tickst du nicht sauber? Ich hab einen Tisch bei Gerhard Schwaiger bestellt! Dort einmal zu essen war dein größter Wunsch!« Steffen war wirklich sauer.

»O Scheiße! Es tut mir so leid. Vielleicht ... wenn ich mich beeile ...«

»Vergiss es.« Ein Knacken – Steffen hatte die Verbindung unterbrochen.

Kerstin biss sich auf die Lippen. Das war jetzt wirklich fatal. Gerhard Schwaiger war ein mehrfach ausgezeichneter Sternekoch. Sein Lokal »Tristan« lag direkt am Yachthafen von Portals Nous und war eigentlich immer ausgebucht. Man sah von dort aus auf die Luxusschiffe des spanischen Königs, der Ölscheichs und vieler anderer. Kürzlich hatte Flavio Briatore dort geankert und eine rauschende Party gefeiert.

Steffen, Koch aus Leidenschaft, bewunderte den berühmten Kollegen. Mit Recht war er jetzt stocksauer, dass ihm dieser Restaurantbesuch entging!

»Er könnte doch jemand anderen mitnehmen ...« Schon griff Kerstin wieder nach dem Handy, aber es kam keine Verbindung mehr zustande.

Immer haben andere Vorrang ... Kerstin ist viel zu gutmütig ... Und ich bin nur halb so wichtig wie die Gäste ... Warum soll ich auf mein Vergnügen verzichten? Ketzerische Gedanken. Wütende Überlegungen – mit der Folge, dass Steffen Mausert noch an diesem Abend eine der weiblichen Azubis einlud.

»Wie komme ich zu der Ehre? Hast du Stress mit deiner Kerstin?« Gina, drittes Lehrjahr, lange Beine und lange, schwarze Haare, grinste wissend.

»Nein. Sie hat eine dienstliche Verpflichtung.« So weit ging sein Zorn auf Kerstin dann doch nicht, dass er jegliche Loyalität vergaß.

»Ist ja auch egal. In so einen Nobelschuppen komm ich nicht so rasch.« Gina lachte. »Die Küche soll gigantisch sein.«

»Ist sie auch. Darum will ich ja auch mal testen, was da los ist. Kann für unser Haus nur von Interesse sein.«