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Sergej Gößner

Die überraschend seltsamen Abenteuer des Robinson Crusoe

FELIX BLOCH ERBEN

Verlag für Bühne, Film und Funk

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Über das Stück

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„Es gibt überall Blumen für den, der sie sehen will.“

Henri Matisse

Stadt. Vielleicht Großstadt. Alles grau. Es regnet. Ein junger Mann, obdachlos, verwahrlost, vielleicht verwirrt. Gestrandet und allein. Er baut gerade sein Nachtlager ab. Wir hören eine tiefe Erzählerstimme/Offvoice. Vielleicht die Stimme des jungen Mannes. Robinson kommentiert die Worte der Stimme, tuschelt zwischendurch vor sich hin, äfft sie leise nach. Das Folgende kann sich eventuell überschneiden, nebeneinander herlaufen und parallel stattfinden. Alle Regieanweisungen sind Regievorschläge. Selbstverständlich.

ERZÄHLER
Es war ein Tag wie jeder andere, dachte er. Die Sonne war gerade aufgegangen und brannte über die spiegelnden und türkisschimmernden Meereswogen hinweg. Und wie an jedem bisherigen Tag, den er auf dieser, seiner einsamen Insel verbracht hatte, begann auch der heutige mit einem schier unerträglichen Gefühl.

(Robinsons Magen knurrt.)

Das hatte er zuvor nicht gekannt. Dieses Gefühl. Nicht bevor er hier gelandet war.

ROBINSON
(korrigiert) Gestrandet.

ERZÄHLER
Zuvor, in seiner Heimat, hatte er Appetit oder Lust auf etwas. Vielleicht hatte er ab und an ein Hüngerchen.

ROBINSON
Ja, das kam vor.

ERZÄHLER
Aber Hunger, wirklicher Hunger war ihm, bevor er hier gelandet war, –

ROBINSON
Gestrandet.

ERZÄHLER
– nicht bekannt. – Ja, er musste bald etwas Essbares finden.

ROBINSON
Sehr bald.

ERZÄHLER
Es musste nicht einmal wirklich genießbar sein. Auf Genuss kam es schon lange nicht mehr an.

ROBINSON
Nahrhaft und sättigend. Das reicht.

ERZÄHLER
Wie jeden Morgen baute er gerade sein Nachtlager ab, um es dann, später am Tag, irgendwo anders wiederaufzubauen. Und noch ahnte er nichts von all dem was bald geschehen würde.

(Robinson schaut kurz irritiert auf.)

Er musste sich beeilen.

(Robinson macht weiter.)

Nicht mehr lange und die Sonne würde im Zenit stehen. Und je höher sie steigen würde, desto unerträglicher würde die Hitze werden. Hunger und Hitze, dachte Robinson jetzt, –

ROBINSON/ERZÄHLER
– Hunger und Hitze.

ERZÄHLER
– es gibt nichts Schlimmeres.

ROBINSON
Wenig Schlimmeres. – Kälte. Kälte ist auch schlimm.

ERZÄHLER
Na gut, dachte er jetzt. Hunger und Kälte sind vielleicht dann doch noch etwas schlimmer als Hunger und Hitze.

(Robinsons Magen knurrt erneut.)

Ja, er musste sich beeilen. Er musste etwas Essbares finden. Und weiterziehen. Es wäre zu gefährlich zu lange an einem Ort zu bleiben. Er würde nur unnötig Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

ROBINSON
(lässt etwas fallen, es scheppert laut) Krabbenkacke!

ERZÄHLER
Er musste vorsichtiger sein. Das wusste er.

ROBINSON
Ja, ja, weiß ich. (lässt erneut etwas fallen) Fischfäkalien!

ERZÄHLER
Blutrünstige Kannibalen könnten ihn sonst finden.

ROBINSON
(lässt schon wieder etwas fallen) Piratenpisse!

ERZÄHLER
Mit ihren giftigen Pfeilen –

ROBINSON
Angst hab ich vor denen keine.

ERZÄHLER
– und langen Speeren.

ROBINSON
Ja, na ja. Vielleicht ein klein wenig Angst. – Fressen wollen die mich eigentlich nicht mehr. (wird leiser) Die Kannibalen. Ich konnte ihnen klarmachen, dass ich ungenießbar bin. Unausstehlich und verdorben!

ERZÄHLER
Doch auch wenn sie ihn nicht mehr essen wollten, willkommen war er auf ihrer Insel noch lange nicht.

ROBINSON
„Auf ihrer Insel“. Denken das alles gehört ihnen allein. Lachhaft. – (wieder leiser) Lass mich von denen doch nicht einschüchtern. Oh nein! Ich ziehe einfach weiter, noch bevor sie mich verjagen und beschimpfen können. Ich mache mich unsichtbar! (lässt wieder etwas fallen) Korallenkot und Schildkrötensch –

ERZÄHLER
Abgesehen von den Kannibalen gab es auf der Insel noch andere Bedrohungen.