William Shakespeare


Othello

der Mohr von Venedig


ein Trauerspiel


Impressum



Klassiker als ebook herausgegeben bei RUTHeBooks, 2016


ISBN: 978-3-944869-79-7


Übersetzung: Christoph Martin Wieland


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Zehnte Szene



Lodovico, Cassio, der hereingeführt wird, Montano, Jago gebunden, und einige Officiers, zu den Vorigen


Lodovico:

Wo ist dieser rasche und höchst unglükliche Mann?

Othello:

Das ist der, der einst Othello war, hier bin ich.

Lodovico:

Wo habt ihr diese Viper? Bringt den Buben hervor!

Othello:

Ich seh ihm auf die Füsse; aber das ist eine Fabel. Wenn du ein Teufel bist, so kan ich dich nicht tödten.

Othello stößt nach Jago, und verwundet ihn

Lodovico:

Windet ihm seinen Degen aus den Händen.

Jago:

Ich blute, Herr, aber ich lebe noch.

Othello:

Auch ist es mir nicht leid; ich will daß du lebest; du verdienst nicht, so glüklich zu seyn und zu sterben.

Lodovico:

O du, Othello, einst ein so vortrefflicher Mann. Nun in die Fallstrike eines verruchten Sclaven gefallen. Was soll man zu dir sagen?

Othello:

Wie, was man will; daß ich ein ehrlicher Mörder sey, wenn ihr wollt: Denn was ich that, that ich nicht aus Haß, sondern meine Ehre zu rächen.

Lodovico:

Dieser Unselige hat einen Theil seines Bubenstüks eingestanden: Beschlosset ihr und er mit einander, den Cassio zu ermorden?

Othello:

Ja.

Cassio:

Mein theurer General, ich gab euch niemals Ursache dazu.

Othello:

Ich glaub es, und bitte euch um Vergebung: Wollt ihr, ich bitte euch, diesen Halb-Teufel fragen, warum er meinen Leib und meine Seele so verstrikt habe?

Jago:

Fragt mich nichts; was ihr wißt, das wißt ihr; von diesem Augenblik an soll kein Wort mehr aus meinem Munde gehen.

Lodovico:

Wie? Auch nicht zum Beten?

Gratiano:

Foltern sollen dir den Mund schon aufthun.

Othello:

Gut, du thust am besten.

Lodovico:

Mein Herr, mich däucht, ihr seht noch nicht klar in der Sache; diese zween Briefe, die man in des erschlagenen Rodrigo Tasche gefunden, werden euch aus dem Wunder helfen. Einer davon enthält die Ermordung des Cassio, welche Rodrigo auf sich nehmen sollte.

Othello:

O Bösewicht!

Cassio:

Mehr als heidnisch!

Lodovico:

Und hier ist der andre, die Antwort, die, dem Ansehen nach, Rodrigo ihm zugeschikt haben wollte, wenn Jago nicht indessen selbst gekommen und ihn befriediget hätte.

Othello:


O du verpesteter Bube! Wie kam't ihr zu meines Weibs Schnupftuch, Cassio?

Cassio:

Ich fand es in meiner Kammer, und er gestuhnd uns eben izt, daß er es in einer besondern Absicht daselbst hingeworfen habe, welche er auch nach Herzens-Lust erreicht habe.

Othello:

O Narr! Narr! Narr! der ich war!

Cassio:

Hier ist auch noch in Rodrigo's Briefe, wie er ihm vorwirft, daß er ihn vermocht habe, mich auf der Wache zu beschimpfen; welches die Gelegenheit dazu gab, daß ich cassiert wurde: Und eben erst, da er nach einer langen Ohnmacht, worinn er für todt gehalten wurde, wieder zu sich selbst kam, sagte er, Jago selbst habe ihm den Rest gegeben.

Lodovico zu Othello:

Ihr müßt nun diesen Ort verlassen, und mit uns gehen: Eure Gewalt ist euch abgenommen, und Cassio regiert nun in Cypern. Was diesen Sclaven betrift, wenn irgend eine sinnreiche Marter ausgedacht werden kan, die ihn die grausamste Pein leiden mache, ohne ihn zu bald aufzureiben, so wartet sie auf ihn. Ihr, Othello, sollt in enger Verwahrung bleiben, bis die Beschaffenheit eures Vergehens der Regierung von Venedig bekannt gemacht seyn wird. Kommt, führet ihn hinweg.

Othello:

Sachte; ein paar Worte, eh ihr geht. Ich habe dem Staat einige Dienste geleistet, und sie wissen's: Nichts mehr davon. Ich bitte euch, wenn ihr in euern Briefen diese unglükliche Geschicht' erzählet, so redet von mir wie ich bin; verkleinert meine Fehler nicht, aber macht mich auch nicht schlimmer als ich war. Redet also von einem, der nicht weislich liebte, aber zu sehr; von einem der nicht leicht eiferte; aber nachdem er einmal von dieser Leidenschaft ergriffen war, keine Grenzen kannte; von einem, dessen Hand gleich dem verworfnen Juden Herodes eine Perle wegwarf, deren unschäzbaren Werth sein ganzer Stamm nicht bezahlen konnte; von einem dessen ungewohnte Augen, ihr gleich Arabiens Balsam- Staude Thränen, Jammer-lindernde Thränen quellen sahet. Dieses schreibet, und sezt hinzu, daß ich einst in Aleppo, wo ein boßhafter, schelmischer Türke einen Venetianer schlug und auf den Staat schimpfte, den beschnittnen Hund bey der Gurgel gefaßt, und ihn so gekizelt habe.

Er ersticht sich

Lodovico:

O blutige Nacht!

Gratiano:

Hier verliehren Worte alle ihre Kraft!

Othello zu Desdemona:

Ich küßte dich, eh ich dich tödtete; nun ist nichts übrig, als da ich mich selbst getödtet habe, mit einem Kuß zu sterben.

Er sinkt auf Desdemonens Leiche und stirbt

Cassio:

Das besorgte ich, aber ich glaubte nicht, daß er ein Gewehr habe; er hatte ein grosses Herz.

Lodovico zu Jago: O Spartanischer Hund, verderblicher als Pest, Hunger, oder die tobende See! Schau auf die jammervolle Last dieses Bettes hin; das ist dein Werk; der gräßliche Anblik vergiftet das Gesicht. Laßt ihn verhüllen, Gratiano. Behaltet das Haus, und bemächtigt euch des Vermögens des Mohren, denn ihr seyd sein Erbe.

zu Cassio

Euch, Herr Statthalter, verbleibt die Abstraffung dieses höllischen Bubens, die Zeit, der Ort, die Marter, o! laßt sie so greulich als seine Bosheit seyn. Ich selbst eile zu Schiffe, um mit schwerem Herzen dem Staat diesen jammervollen Zufall vorzutragen.

 

 

Inhalt



Personen

Erster Aufzug

Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene
Sechste Szene
Siebente Szene
Achte Szene
Neunte Szene
Zehnte Szene
Elfte Szene

Zweiter Aufzug

Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene
Sechste Szene
Siebente Szene
Achte Szene
Neunte Szene
Zehnte Szene
Elfte Szene
Zwölfte Szene
Dreizehnte Szene
Vierzehnte Szene
Fünfzehnte Szene

Dritter Aufzug

Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene
Sechste Szene
Siebente Szene
Achte Szene
Neunte Szene
Zehnte Szene
Elfte Szene
Zwölfte Szene
Dreizehnte Szene

Vierter Aufzug

Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene
Sechste Szene
Siebente Szene
Achte Szene
Neunte Szene
Zehnte Szene
Elfte Szene
Zwölfte Szene
Dreizehnte Szene

Fünfter Aufzug

Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene
Sechste Szene
Siebente Szene
Achte Szene
Neunte Szene
Zehnte Szene

 

 

Personen



Der Herzog von Venedig

Brabantio, ein edler Venetianer

Gratiano, dessen Bruder

Lodovico, derselben Neffe

Othello, der Mohr, Venetianischer General in Cypern

Cassio, sein General-Lieutenant

Jago, Fähndrich des Othello

Rodrigo, ein einfältiger Junker, in Desdemona verliebt

Montano, des Mohren Vorfahrer im Commando zu Cypern

Hans Wurst, des Mohren Diener

Ein Herold

Desdemona, des Brabantio Tochter

Emilia, Jago's Weib

Bianca, eine Courtisane, Cassio's Liebste

Officiers, verschiedene Cavaliers, Abgeordnete, Musicanten, Matrosen, und Bediente


Der Schauplatz ist im ersten Aufzug in Venedig; und durch das ganze übrige Stück in Cypern




Erster Aufzug

Erste Szene



Eine Strasse in Venedig


Rodrigo und Jago treten auf

Rodrigo:

Stille, sage mir nichts mehr davon, ich nehm' es sehr übel, daß du,
Jago, der du mit meinem Beutel schalten und walten durftest, als ob
er dein eigen gewesen wäre, Nachricht von diesem ...

Jago:

Ihr wollt mich ja nicht anhören: Wenn ich jemals von so was nur geträumt habe, so seht mich als ein Scheusal an.

Rodrigo:

Du sagtest mir, du trügest einen unversöhnlichen Haß gegen ihn.

Jago:

Speyt mir ins Gesicht, wenn's nicht so ist. Drey grosse Männer in dieser Stadt zogen, in eigner Person, die Müzen bis auf den Boden vor ihm ab, daß er mich zu seinem Lieutenant machen möchte: Und, so wahr ich ein ehrlicher Mann bin, ich kenne mich, ich weiß, daß ich keinen schlechtern Platz werth bin. Aber er, dessen hochmüthiger Eigensinn andre Absichten hatte, entwischte ihnen mit einem Galimathias von Umständen, und rauhtönenden Kriegs-Kunst-Wörtern; und das Ende vom Liede war, daß er meine Gönner mit einer langen Nase abziehen ließ. Es ist mir leid, sagt er, aber ihr kommt zu spät; ich habe mir meinen Lieutenant schon ausersehen. Und wer ist denn der? Ein gewisser Michel Cassio, ein Bursche, der noch keinen Feldzug gethan hat, der von Anordnung eines Treffens gerade so viel versteht als eine Woll- Spinnerin ... nichts als was er aus Büchern gelernt, blosse Theorie, wovon unsre ehrsamen, friedliebenden Senatoren eben so gelehrt sprechen können als er; blosses Gewäsche, ohne Erfahrung ... Das ist alles, was er vom Krieg versteht ... Der hatte den Vorzug; und ich, von dem seine Augen in Rhodis, in Cypern, und in so vielen andern Orten, auf Christlichem und Heidnischem Boden, die Proben gesehen haben; ich muß mich mit Complimenten und Versprechungen abspeisen lassen ... ich bin euer Schuldner, mein Herr, habt Geduld wir wollen schon Gelegenheit finden, mit einander abzurechnen, und dergleichen ... Kurz, er muß nun sein Lieutenant seyn, und ich, Dank sey den Göttern! seiner Mohrischen Excellenz demüthiger Fahnen-Junker.

Rodrigo:

Beym Himmel, ich wollte lieber sein Profos seyn.

Jago:

Dafür ist nun kein Kraut gewachsen Es geht im Dienste nicht anders; Befördrung geht heutigs Tags nach Gunst und Empfehlungs-Schreiben, und nicht nach der Zeit, die man im Dienste gewesen ist, wie vor Zeiten, da der zweyte allemal den erstern erbte. Nun, mein Herr, mach' ich euch selbst zum Richter, ob ich mit einigem Schein der Wahrheit beschuldiget werden kan, daß ich den Mohren liebe.

Rodrigo:

Ich möchte nicht gerne haben, daß du ihn begleitest.

Jago:

O mein Herr, das laßt euch keine Sorge machen; ich begleite ihn, um mir selbst auf seine Unkosten Dienste zu thun. Wir können nicht alle Befehlhaber seyn, und nicht alle Befehlhaber können getreue Diener haben. Ihr werdet in der Welt manchen Dienst-ergebenen, knie-biegenden Schurken sehen, der unter einer vieljährigen treu-eyfrigen Dienstbarkeit endlich so grau wird wie seines Herrn Esel, ohne etwas anders davon zu haben, als daß er gefüttert, und wenn er alt ist gar abgedankt wird. Peitscht mir solche gutherzige Schurken ... Dagegen giebt es andre, die zwar ihr Gesicht meisterlich in pflichtschuldige Falten zu legen wissen, aber ihr Herz hingegen vor aller fremden Zuneigung rein bewahren; die ihren Herren nichts als den äusserlichen Schein der Ergebenheit und eines erdichteten Eifers zeigen, aber eben dadurch ihre Sachen am besten machen, und wenn sie ihre Pfeiffen geschnitten haben, davon gehen, und ihre eigne Herren sind. Das sind noch Leute die einigen Verstand haben, und ich habe die Ehre einer von ihnen zu seyn. Es ist so gewiß als ihr Rodrigo seyd; wär' ich der Mohr, so möcht ich nicht Jago seyn: izt dien ich, das wissen die Götter! bloß um mir selbst zu dienen, und nicht aus Ergebenheit und Liebe ... ich stelle mich zwar so, aber das hat seine Absichten ... denn wahrhaftig, wenn mein Gesicht, und meine äusserlichen Handlungen die wahre innerliche Gestalt meines Herzens zeigten, so würde mein Herz in kurzem den Krähen zum Futter dienen ... Mein guter Freund, ich bin nicht, was ich scheine.

Rodrigo:

Was für ein Glük macht der dik-maulichte Kerl, wenn er sie so davon tragen kann!

Jago:

Ruft ihren Vater auf, wekt ihn auf, macht Lerm, versalzt ihm wenigstens seinen Spaß; ruft es in den Strassen aus, jagt ihre Verwandten in den Harnisch, und wenn ihr ihn aus dem Paradiese, worein er sich eingenistert hat, nicht vertreiben könnt, so plagt ihn doch mit Fliegen, so daß seine Freude, wenn sie gleich nicht völlig aufhört Freude zu seyn, doch wenigstens durch die Verdrießlichkeiten womit sie unterbrochen wird, etwas von ihrer Farbe verliere.

Rodrigo:

Hier ist ihres Vaters Haus ich will ihm überlaut ruffen.

Jago:

Thut es, und mit einem so gräßlichen Ton, und Zetter-Geschrey, als
wie wenn bey Nacht durch Nachlässigkeit Feuer in einer volkreichen
Stadt ausgekommen ist.

Rodrigo:

He! holla! Brabantio! Signor Brabantio! he!

Jago:

Wacht auf! he! holla! Brabantio! he! Diebe! Diebe!
Seht zu euerm Haus, zu eurer Tochter, und zu euern Geld-Säken:
Diebe! Diebe!

Zweite Szene



Brabantio zeigt sich oben an einem Fenster


Brabantio: 

Was ist die Ursache dieser fürchterlichen Aufforderung? Was giebt's hier?

Rodrigo:

Signor, ist eure ganze Familie zu Hause?

Jago:

Sind alle eure Thüren verriegelt?

Brabantio:

Was sollen diese Fragen?

Jago: 

Sakerlot! Herr, man bestiehlt euch; zieht doch wenigstens einen Rok an, und seht zu euern Sachen; man greift euch nach der Seele, euer bestes Kleinod ist verlohren; eben izt in diesem Augenblik, Herr, bespringt ein alter schwarzer Schaaf-Bok euer weisses Schaaf. Auf, auf, wekt die schnarchenden Bürger mit der Sturm-Gloke, oder der Teufel wird euch zum Großvater machen; auf, sag ich.

Brabantio:

Wie? Habt ihr euern Verstand verlohren?

Rodrigo: 

Mein hochzuverehrender Herr und Gönner, kennt ihr meine Stimme nicht?

Brabantio:

Wahrlich nicht; wer seyd ihr dann?

Rodrigo:

Mein Nam' ist Rodrigo.

Brabantio: 

Desto schlimmer! Hab ich dir nicht verboten, um meine Thüren herum zu schwärmen? Hab ich dir nicht aufrichtig und ehrlich herausgesagt, meine Tochter sey nicht für dich gemacht? Und izt, nachdem du dich voll gefressen und gesoffen hast, kommst du in tollem Muthe boshafter Weise den Narren mit mir zu treiben, und mich in der Ruhe zu stören?

Rodrigo:

Herr, Herr, Herr

Brabantio: 

Aber du darfst dich unfehlbar darauf verlassen, daß mein Unwille und mein Ansehen es in ihrer Gewalt haben, dich theuer davor bezahlen zu machen.

Rodrigo:

Geduld, mein guter Herr.

Brabantio: 

Was sagst du mir von Dieben? Wir sind hier in Venedig; mein Haus ist keine Scheure.

Rodrigo: 

Sehr ehrwürdiger Brabantio, ich komm in der Einfalt meines Herzens, und in guter Meynung zu euch.

Jago: 

Sakerlot! Herr, ihr seyd, glaub ich, einer von denen die Gott den Dienst aufkünden würden, wenn's der Teufel so haben wollte. Weil wir kommen, und euch einen Dienst thun wollen, so meynt ihr wir seyen Spizbuben; ihr wollt also haben, daß eure Tochter von einem Barber-Hengst belegt werden soll; ihr wollt haben, daß eure Enkel euch anwiehern; ihr wollt Postklepper zu Vettern und kleine Andalusische Stutten zu Basen haben.

Brabantio:

Was für ein heilloser Lotterbube bist du?

Jago: 

Ich bin einer, Herr, der ausdrüklich hieherkommt euch zu sagen, daß eure Tochter und der Mohr im Begriff sind das Thier mit zween Rüken zu machen.

Brabantio:

Du bist ein Nichtswürdiger

Jago:

Ihr seyd ein Senator.

Brabantio:

Du sollst mir das bezahlen. Ich kenne dich, Rodrigo.

Rodrigo: 

Mein Herr, ich bin für alles gut. Aber ich bitte euch, hört mich nur an. Wenn es mit euerm guten Willen und hochweisen Beyfall geschehen ist, wie ich fast vermuthen sollte daß eure schöne Tochter, in dieser nehmlichen Nacht, in keiner bessern Begleitung als eines gemietheten Schurken, eines Gondoliers, den viehischen Umarmungen eines geilen Mohren zugeführt worden; wenn das, sag ich, mit eurer Begnehmigung geschehen ist, so haben wir euch allerdings gröblich beleidiget. Wißt ihr aber nichts hievon, so sind wir diejenigen, die sich über Unrecht zu beschweren haben; oder ich verstehe nicht was die gute Lebensart mit sich bringt. Glaubet nicht, daß ich von allem Gefühl der Anständigkeit so sehr verlassen sey, daß ich aus blossem Muthwillen hieher kommen und Eure Excellenz zum Besten haben sollte. Ich sag es noch ein mal, wenn ihr eurer Tochter nicht die Erlaubniß dazu gegeben habt, so hat sie sich sehr vergangen, indem sie ihre Pflicht, ihre Schönheit, ihren Verstand, und ihr Vermögen einem herumirrenden Ritter, einem Abentheurer, aufopfert, der hier und allenthalben ein Fremdling ist— Verzieht nicht länger; sezt euch selbst ins Klare: Wenn sie in ihrem Zimmer oder in euerm Hause zu finden ist, so laßt mich die ganze Strenge der Justiz dafür erfahren, daß ich euch so mißhandelt habe.

Brabantio: 

Schlagt Feuer, he! bringt mir ein Licht ... Ruft meine Leute zusammen ... Dieser Zufall sieht meinem Traum nicht ungleich, und ich sterbe vor Furcht, daß es so seyn möchte. He! Licht, sag ich, Licht!

Jago: 

Lebt wohl, ich kan mich nicht länger aufhalten ... Es würde sich gar nicht wol für meinen Platz schiken, und mir in keinerley Absicht gesund seyn, als ein Zeuge gegen den Mohren vorgeführt zu werden. Die Gründe, die ihn zum Heerführer in dem Cyprischen Kriege, worinn sie würklich begriffen sind, bestimmen, sind so dringend, daß sie, für ihre Seelen, keinen andern von seinem Gewicht finden können, dem sie dieses Geschäft mit Sicherheit anvertrauen dürften. Bey solchen Umständen muß ich, ob ich ihn gleich so herzlich hasse als die Pein der Hölle, doch äusserlich, meines eignen Vortheils wegen, dergleichen thun, als ob ich ihm gänzlich ergeben sey. Damit ihr ihn aber unfehlbar findet, so führet den Brabantio und seine Leute zum Schüzen, und dort werd' ich bey ihm seyn. Hiemit, gehabt euch wol.

Jago geht

Dritte Szene



Brabantio und einige Bediente mit Fakeln


Brabantio:

Mein Unglük ist nur allzugewiß. Sie ist weg; und Schmach und Bitterkeit ist nun der Antheil meines übrigen Lebens. Nun, Rodrigo, wo sahst du sie? O, das unglükselige Mädchen! Mit dem Mohren, sagst du? Wer wollte mehr ein Vater seyn wollen? Woher wußtest du, daß sie's war? O! das ist unbegreiflich, wie sehr ich mich an ihr betrogen habe! Was sagte sie zu euch? Noch mehr Fakeln her ... Ruft meine ganze Verwandtschaft zusammen, meynt ihr, sie seyen schon verheurathet?

Rodrigo:

Ich denke freylich, sie sind's.

Brabantio:

O Himmel! wie ist's möglich, daß sie so aus der Art schlagen konnte! Väter, forthin trauet euern Kindern nicht weiter als ihr sie sehet. Giebt es nicht Zauber-Mittel, wodurch die Unschuld eines jungen unwissenden Mädchens verführt werden kan? Habt ihr nichts von dergleichen Dingen gelesen, Rodrigo?

Rodrigo:

Ja mein Herr, das hab' ich, in der That.

Brabantio zu einem Bedienten:

Ruft meinen Bruder; oh, wie wollt' ich izt, ihr hättet sie gehabt, auf eine oder die andre Art. Wißt ihr, wo wir sie und den Mohren antreffen können?

Rodrigo:

Ich denke, ich werde sie entdeken können, wenn es euch gefällt, unter einer guten Bedekung mit mir zu gehen.

Brabantio: