William Shakespeare


Julius Cäsar

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Klassiker als ebook herausgegeben bei RUTHeBooks, 2016


ISBN: 978-3-945667-00-2


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Fünfte Szene



Ein anderer Teil des Schlachtfeldes

Brutus, Dardanius, Clitus, Strato und Volumnius treten auf


Brutus:

Kommt, armer Überrest von Freunden! ruht
An diesem Felsen.

Clitus:

Herr, Statilius zeigte
Das Fackellicht, doch kommt er nicht zurück;
Er ist gefangen oder gar erschlagen.

Brutus:

Setz dich zu mir. Erschlagen ist die Losung,
Es ist des Tages Sitte. Höre, Clitus!

Spricht leise mit ihm

Clitus:

Wie, gnädger Herr? Ich? Nicht um alle Welt.

Brutus:

Still denn! kein Wort!

Clitus:

Eh tötet ich mich selbst.

Brutus:

Dardanius, hör!

Spricht leise mit ihm

Dardanius:

Ich eine solche Tat?

Clitus:

O Dardanius!

Dardanius:

O Clitus!

Clitus:

Welch einen schlimmen Antrag tat dir Brutus?

Dardanius:

Ich sollt ihn töten, Clitus; sieh, er sinnt.

Clitus:

Nun ist das herrliche Gefäß voll Gram,
So daß es durch die Augen überfließt.

Brutus:

Komm zu mir, Freund Volumnius: ein Wort!

Volumnius:

Was sagt mein Feldherr?

Brutus:

Dies, Volumnius:
Der Geist des Cäsar ist zu zweien Malen
Mir in der Nacht erschienen; erst zu Sardes,
Und vorge Nacht hier in Philippis Ebne.
Ich weiß, daß meine Stunde kommen ist.

Volumnius:

Nicht doch, mein Feldherr.

Brutus:

O ja, es ist gewiß, Volumnius.
Du siehst, Volumnius, wie es um uns steht;
Der Feind hat uns zum Abgrund hingetrieben.

Getümmel

Es ziemt sich mehr, von selbst hineinzuspringen,
Als zu erwarten seinen letzten Stoß.
Volumnius, wir gingen in die Schule
Zusammen, wie du weißt. Ich bitte dich
Um jener unsrer alten Liebe willen:
Halt du mein Schwert, indes ich drein mich stürze.

Volumnius:

Das, Brutus, ist kein Dienst für einen Freund.

Fortdauerndes Getümmel

Clitus:

Flieht, Herr, o flieht! Hier gilt kein Säumen mehr.

Brutus:

Lebt wohl denn, Ihr und Ihr und Ihr, Volumnius.
Du, Strato, lagst die ganze Zeit im Schlaf:
Leb wohl auch du! Mitbürger, meinem Herzen
Ist's Wonne, daß ich noch im ganzen Leben
Nicht einen fand, der nicht getreu mir war.
Ich habe Ruhm von diesem Unglückstage,
Mehr, als Octavius und Mark Anton
Durch diesen schnöden Sieg erlangen werden.
So lebt zusammen wohl! Denn Brutus' Zunge
Schließt die Geschichte seines Lebens bald.
Nacht deckt mein Auge, mein Gebein will Ruh,
Es strebte längst nur dieser Stunde nach.

Getümmel - Geschrei hinter der Szene - Flieht! flieht! flieht!'

Clitus:

Flieht, Herr! o flieht!

Brutus:

Nur fort! Ich will euch folgen.

Clitus, Dardanius und Volumnius gehen

Ich bitt dich, Strato, bleib bei deinem Herrn.
Du bist ein Mensch von redlichem Gemüt,
In deinem Leben war ein Funken Ehre.
Halt denn mein Schwert, und wende dich hinweg,
Indes ich drein mich stürze. Willst du, Strato?

Strato:

Gebt erst die Hand mir. Herr, gehabt Euch wohl!

Brutus:

Leb wohl, mein Freund! Besänftge, Cäsar, dich!
Nicht halb so gern bracht ich dich um als mich.

Er stürzt sich auf sein Schwert und stirbt - Getümmel - Rückzug - Octavius und Antonius mit ihrem Heere, Messala und Lucilius kommen

Octavius:

Wer ist der Mann?

Messala:

Der Diener meines Herrn.
Strato, wo ist dein Herr?

Strato:

Frei von den Banden, die Ihr tragt, Messala.
Die Sieger können nur zu Asch ihn brennen;
Denn Brutus unterlag allein sich selbst,
Und niemand sonst hat Ruhm von seinem Tode.

Lucilius:

So mußten wir ihn finden. Dank dir, Brutus,
Daß du Lucilius' Rede wahr gemacht.

Octavius:

Des Brutus Leute nehm ich all in Dienst.
Willst du in Zukunft bei mir leben, Bursch?

Strato:

Ja, wenn Messala mich Euch überläßt.

Octavius:

Tut mir's zulieb, Messala.

Messala:

Strato, wie starb mein Herr?

Strato:

Ich hielt das Schwert, so stürzt' er sich hinein.

Messala:

Octavius, nimm ihn denn, daß er dir folge,
Der meinem Herrn den letzten Dienst erwies.

Antonius:

Dies war der beste Römer unter allen:
Denn jeder der Verschwornen, bis auf ihn,
Tat, was er tat, aus Mißgunst gegen Cäsar.
Nur er verband aus reinem Biedersinn
Und zum gemeinen Wohl sich mit den andern.
Sanft war sein Leben, und so mischten sich
Die Element' in ihm, daß die Natur
Aufstehen durfte und der Welt verkünden:
Dies war ein Mann!

Octavius:

Nach seiner Tugend laßt uns ihm begegnen
Mit aller Achtung und Bestattungsfeier.
Er lieg in meinem Zelte diese Nacht,
Mit Ehren wie ein Krieger angetan.
Nun ruft das Heer zur Ruh; laßt fort uns eilen
Und dieses frohen Tags Trophäen teilen.

geht


 

 

Inhalt



Erster Aufzug

Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene

Zweiter Aufzug

Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene

Dritter Aufzug

Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene

Vierter Aufzug

Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene

Fünfter Aufzug

Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene

 

 

Personen



Julius Cäsar

Octavius Cäsar, Marcus Antonius und M. Ämilius LepidusTriumvirn nach dem Tode des Julius Cäsar

Cicero, Publius und Popilius Lena, Senatoren

Marcus Brutus, Cassius, Casca, Trebonius, Ligarius, Decius Brutus, Metellus Cimber und Cinna, Verschworene gegen Julius Cäsar

Flavius und Marullus, Tribunen

Artemidorus, ein Sophist von Knidos

Ein Wahrsager

Cinna, ein Poet

Ein anderer Poet

Lucilius, Titinius, Messala, Der junge Cato und VolumniusFreunde des Brutus und Cassius

Varro, Clitus, Claudius, Strato, Lucius und DardaniusDiener des Brutus

Pindarus, Diener des Cassius

Calpurnia, Gemahlin der Cäsar

Portia, Gemahlin des Brutus

Senatoren, Bürger, Wache, Gefolge usw.


Die Szene ist einen großen Teil des Stücks hindurch zu Rom, nachher zu Sardes und bei Philippi




Erster Aufzug

Erste Szene



Rom - eine Straße

Flavius, Marullus und ein Haufen von Bürgern


Flavius:

Packt euch nach Haus, ihr Tagediebe! fort!
Ist dies ein Feiertag! Was? wißt ihr nicht,
Daß ihr als Handwerksleut an Werkeltagen
Nicht ohn ein Zeichen der Hantierung dürft
Umhergehn? Welch' Gewerbe treibst du? sprich!

Erster Bürger:

Nun, Herr, ich bin ein Zimmermann.

Marullus:

Wo ist dein ledern Schurzfell und dein Maß?
Was machst du hier in deinen Sonntagskleidern?
Ihr, Freund, was treibt Ihr?

Zweiter Bürger:

Die Wahrheit zu gestehn, Herr, gegen einen feinen Arbeiter gehalten, mache ich nur, sozusagen, Flickwerk.

Marullus:

Doch welch Gewerb?  Antworte gradezu.

Zweiter Bürger:

Ein Gewerbe, Herr, das ich mit gutem Gewissen treiben kann, wie ich hoffe. Es besteht darin, einen schlechten Wandel zu verbessern.

Marullus:

Welch ein Gewerb, du Schuft? welch ein Gewerb?

Zweiter Bürger.
Nein, ich bitte Euch, Herr, laßt Euch die Geduld nicht reißen.
Wenn aber ja was reißt, so gebt Euch nur in meine Hand.

Marullus:

Was meinst du damit? Mich in deine Hand geben, du naseweiser Bursch?

Zweiter Bürger:

Nun ja, Herr, damit ich Euch flicken kann.

Flavius:

Du bist ein Schuhflicker, nicht wahr?

Zweiter Bürger:

Im Ernst, Herr, ich bin ein Wundarzt für alte Schuhe: wenn's gefährlich mit ihnen steht, so mache ich sie wieder heil.
So hübsche Leute, als jemals auf Rindsleder getreten, sind auf meiner Hände Werk einhergegangen.

Flavius:

Doch warum bist du in der Werkstatt nicht?
Was führst du diese Leute durch die Gassen?

Zweiter Bürger:

Meiner Treu, Herr, um ihre Schuhe abzunutzen, damit ich wieder Arbeit kriege.
Doch im Ernst, Herr, wir machen Feiertag, um den Cäsar zu sehen und uns über seinen Triumph zu freuen.

Marullus:

Warum euch freun? Was hat er wohl erobert?
Was für Besiegte führt er heim nach Rom
Und fesselt sie zur Zier an seinen Wagen?
Ihr Blöck'! ihr Steine! schlimmer als gefühllos!
O harte Herzen! arge Männer Roms!
Habt ihr Pompejus nicht gekannt? Wie oft
Stiegt ihr hinan auf Mauern und auf Zinnen,
Auf Türme, Fenster, ja auf Feueressen,
Die Kinder auf dem Arm, und saßet da
Den lieben langen Tag, geduldig wartend,
Bis durch die Straßen Roms Pompejus zöge?
Und saht ihr seinen Wagen nur von fern,
Erhobt ihr nicht ein allgemeines Jauchzen,
So daß die Tiber bebt' in ihrem Bett,
Wenn sie des Lärmes Widerhall vernahm
An ihren hohlen Ufern?
Und legt ihr nun die Feierkleider an?
Und spart ihr nun euch einen Festtag aus?
Und streut ihr nun ihm Blumen auf den Weg,
Der siegprangt über des Pompejus Blut?
Hinweg!
In eure Häuser lauft, fallt auf die Knie
Und fleht die Götter an, die Not zu wenden,
Die über diesen Undank kommen muß!

Flavius:

Geht, geht, ihr guten Bürger! und versammelt
Für dies Vergehen eure armen Brüder;
Führt sie zur Tiber, weinet eure Tränen
Ins Flußbett, bis ihr Strom, wo er am flachsten,
Die höchsten ihrer Uferhöhen küßt.
Die Bürger gehen
Sieh, wie die Schlacken ihres Innern schmelzen!
Sie schwinden weg, verstummt in ihrer Schuld.
Geht Ihr den Weg, hinab zum Kapitol;
Hierhin will ich. Entkleidet dort die Bilder,
Seht Ihr mit Ehrenzeichen sie geschmückt.

Marullus:

Ist das erlaubt?
Ihr wißt, es ist das Luperkalienfest.

Flavius:

Es tut nichts: laßt mit den Trophäen Cäsars
Kein Bild behängt sein. Ich will nun umher
Und will den Pöbel von den Gassen treiben.
Das tut auch Ihr, wo Ihr gedrängt sie seht.
Dies wachsende Gefieder, ausgerupft
Der Schwinge Cäsars, wird den Flug ihm hemmen,
Der, über Menschenblicke hoch hinaus,
Uns alle sonst in knechtscher Furcht erhielte. 
Beide gehen

Zweite Szene



Ein öffentlicher Platz

In einem feierlichen Aufzuge mit Musik kommen Cäsar, Antonius, zum Wettlauf gerüstet, Calpurnia, Portia, Decius, Cicero, Brutus, Cassius und Casca; hinter ihnen ein großes Gedränge, darunter ein Wahrsager


Cäsar:

Calpurnia!

Casca:

Still da! Cäsar spricht.

Die Musik hält inne

Cäsar:

Calpurnia!

Calpurnia:

Hier, mein Gemahl!

Cäsar:

Stellt dem Antonius grad Euch in den Weg
Wenn er zur Wette läuft. Antonius!

Antonius:

Erlauchter Cäsar?

Cäsar:

Vergeßt, Antonius, nicht, in Eurer Eil
Calpurnia zu berühren; denn es ist
Ein alter Glaube, unfruchtbare Weiber,
Berührt bei diesem heilgen Wettelauf,
Entladen sich des Fluchs.

Antonius:

Ich werd es merken.
Wenn Cäsar sagt: 'Tu das', so ist's vollbracht.

Cäsar:

Beginnt; laßt nichts von den Gebräuchen aus.

Musik

Wahrsager:

Cäsar!

Cäsar:

He, wer ruft?

Casca:

Es schweige jeder Lärm: noch einmal, still!

Die Musik hält inne

Cäsar:

Wer ist es im Gedräng, der mich begehrt?
Durch die Musik dringt gellend eine Stimme,
Die 'Cäsar!' ruft. Spricht Cäsar neigt sein Ohr.

Wahrsager:

Nimm, vor des Märzen Idus dich in acht.

Cäsar:

Wer ist der Mann?

Brutus:

Ein Wahrsager; er warnt Euch vor des Märzen Idus.

Cäsar:

Führt ihn mir vor, laßt sein Gesicht mich sehn.

Casca:

Komm aus dem Haufen, Mensch; tritt vor den Cäsar.

Cäsar:

Was sagst du nun zu mir? Sprich noch einmal.

Wahrsager:

Nimm vor des Märzen Idus dich in acht.

Cäsar:

Er ist ein Träumer; laßt ihn gehn, und kommt.

Ein Marsch - Alle bis auf Brutus und Cassius gehen

Cassius:

Wollt Ihr den Hergang bei dem Wettlauf sehn?

Brutus:

Ich nicht.

Cassius:

Ich bitt Euch, tut's.

Brutus:

Ich hab am Spiel nicht Lust, mir fehlt ein Teil
Vom muntern Geiste des Antonius;
Doch muß ich Euch in Eurem Wunsch nicht hindern.
Ich laß Euch, Cassius.

Cassius:

Brutus, seit kurzem geb ich acht auf Euch;
Ich find in Eurem Blick die Freundlichkeit,
Die Liebe nicht, an die Ihr mich gewöhnt.
Zu unwirsch und zu fremd begegnet Ihr
Dem Freunde, der Euch liebt.

Brutus:

Mein Cassius,
Betrügt Euch nicht. Hab ich den Blick verschleiert,
So kehrt die Unruh meiner Mienen sich
Nur gegen mich allein. Seit kurzem quälen
Mich Regungen von streitender Natur,
Gedanken, einzig für mich selbst geschickt,