XIX Abkürzungsverzeichnis

Abs.

Absatz

Art.

Artikel

AUG

Auslandsunterhaltsgesetz

AuslG

Ausländergesetz

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

Brüssel IIa-VO

Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates der EU über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung

Bsp.

Beispiel

bzw.

beziehungsweise

d. h.

das heißt

EGBGB

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch

EMRK

Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten – Europäische Menschenrechtskonvention

EuUntVO

Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen, Europäische Unterhaltsverordnung

FamFG

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Familienverfahrensgesetz

FamGKG

Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen, Familiengerichtskostengesetz

GewSchG

Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen – Gewaltschutzgesetz

GG

Grundgesetz

ggf.

gegebenenfalls

XX GKG

Gerichtskostengesetz

GNotKG

Gerichts- und Notarkostengesetz

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

HKÜ

Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung

HUntProt

Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht – Haager Unterhaltsprotokoll

i. d. R.

in der Regel

IntFamRVG

Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz

KSÜ

Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht … auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutze von Kindern – Haager Kinderschutzabkommen

LPartG

Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft – Lebenspartnerschaftsgesetz

Rom III-VO

Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts

RPflG

Rechtspflegergesetz

RVG

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz

s.

siehe

s.a.

siehe auch

SGB VI

Sozialgesetzbuch, sechstes Buch, Rentenversicherung

SGB VIII

Sozialgesetzbuch, Achtes Buch, Kinder- und Jugendhilfe

sog.

so genannte

StGB

Strafgesetzbuch

s.u.

siehe unten

u. a.

unter anderem

usw.

und so weiter

XXI VersAusglG

Versorgungsausgleichsgesetz

vgl.

vergleiche

z. B.

zum Beispiel

ZPO

Zivilprozessordnung

11. Kapitel

Statt dass die Fetzen fliegen

Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen, sagt das Gesetz. Sie kann aber auch geschieden werden, wenn sie „gescheitert“ ist. Das ist sie – nach dem Gesetz –, wenn die Eheleute sich auf Dauer getrennt haben und nicht zu erwarten ist, dass sie in absehbarer Zeit wieder zusammenfinden werden.

„Auf Lebenszeit“ – für viele ist das gleichbedeutend mit dem in der christlichen Trauung gegebenen Versprechen, beieinander zu bleiben, „bis dass der Tod euch scheidet“. Tatsächlich aber besteht die Ehe nur dann auf Lebenszeit, wenn sie nicht schon vorher aufgekündigt wird.

Diese Erkenntnis ist für viele Paare der Grund, überhaupt nicht mehr zu heiraten, sondern es beim Zusammenleben ohne rechtliche Regelung und ohne ausdrückliche Übernahme von Verantwortung bewenden zu lassen. Aber auch ohne rechtliche Bindung bringt das Zusammenleben Erwartungen und Verantwortung mit sich. Die Trauer über den Verlust einer Partnerschaft fragt nicht nach deren Rechtsgestalt. Gelingt die Trennung nicht im Guten, so ähneln die Verhaltensmuster und die Versuche, den Konflikt mit rechtlichen Mitteln auszutragen, sehr denen bei der Beendigung einer Ehe.

Der ausdrückliche Wunsch, Verantwortung füreinander zu übernehmen, ist wiederum die Grundlage der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. Auch sie werden dadurch begründet, dass die Partnerinnen oder Partner „erklären, miteinander eine Partnerschaft 2auf Lebenszeit führen zu wollen“. Die Lebenspartnerschaft kann nur durch Richterspruch aufgehoben werden.

Die verschiedenartigen Formen der Partnerschaft und des Zusammenlebens sind Ausdruck des Spannungsverhältnisses zwischen Freiheit und Bindung.

Die Vorstellungen von Partnerschaft und Ehe als Besitz – als etwas, das jemandem gehört – sind noch längst nicht ausgestorben. In ihnen erscheinen Krise und Trennung wie Einbruch und Diebstahl. Solche Denkformen sind weit entfernt von der Fähigkeit zum Loslassen, zum Abschied, zur Trauer und zum Akzeptieren eines Verlustes; doch diese Fähigkeit ist Voraussetzung für das eigene Lebensglück.

Abschied, Trauer, Verantwortung – das sind Elemente jeder Trennung. Im Streitfalle suchen sie ihre mehr oder minder adäquaten rechtlichen Ausdruckformen.

Das hier vorgestellte Konzept einer „versöhnlichen Scheidung“ mit integrierter Darstellung typischer Konfliktlagen und hierfür maßgeblicher Rechtsvorschriften soll Paaren in der Krise, bei Trennung und Scheidung helfen, in Frieden loszulassen.

Der klassische Typus einer Partnerschaft ist die Ehe. Auch die Beziehungen der nicht verheirateten Paare werden zunehmend rechtlich den Regelungen für die Ehe angeglichen. Das Lebenspartnerschaftsgesetz für gleichgeschlechtliche Partnerschaften knüpft ebenfalls an die für die Ehe geltenden Regelungstypen an. Deshalb behandelt dieses Buch als zentrales Thema die Trennung und Scheidung von Eheleuten. Auf die Besonderheiten für nicht verheiratete sowie für gleichgeschlechtliche Paare wird dann jeweils eingegangen.

Der Alltag – über Jahre und Jahrzehnte hinweg – bringt Gewöhnung und Belastungen, Einschränkungen und vielleicht auch Entbehrungen mit sich. Die Menschen entwickeln sich weiter. Ein Paar, das in jungen Jahren miteinander harmonierte, kann sich auseinanderleben. Die Partner entfalten neue Interessen oder entdecken längst vorhandene Bedürfnisse, die sie sich früher nicht bewusst gemacht hatten.

Manches kann durch Verständigung und gegenseitige Rücksichtnahme aufgefangen werden. Gelingt das nicht, so können die Eheleute 3hierauf mit verschiedenen Verhaltensmustern reagieren: Das erste ist der offene Konflikt, der Krieg in der Ehe, das zweite die Unterwerfung eines Partners, das dritte die Trennung und Scheidung.

Bis vor wenigen Jahrzehnten war die Unterwerfung (meistens der Frau, seltener des Mannes) eine zwar gewiss nicht optimale, aber immerhin mögliche Lösung. Das Dulden wurde durch soziale Anerkennung belohnt, das Davonlaufen durch soziale Missbilligung bestraft.

Die sozialen Zwänge haben mit der Verstädterung und dem Wandel der Moralvorstellungen nachgelassen. Neben die Pflichten ist im allgemeinen Bewusstsein das Recht auf das „Streben nach Glück“ oder auf „Selbstverwirklichung“ getreten. Hieraus hat die staatliche Rechtsordnung die Konsequenz gezogen und die Möglichkeit der Trennung und Scheidung als realisierbare Alternative eröffnet. Die Ehe ist rechtlich in der Weise umgestaltet worden, dass sie einseitig aufgekündigt werden kann. Es mag im Einzelfalle – und besonders mit Rücksicht auf gemeinsame Kinder – sehr bedauerlich sein, wenn ein Paar es nicht schafft, zusammenzubleiben. Aber gegenüber Unterwerfung und Ehekrieg wird die Trennung doch meistens für alle Beteiligten die weniger belastende Lösung des Konflikts sein.

Die Scheidung der Ehe muss keineswegs – wie das Gesetz meint – deren „Scheitern“ bedeuten. Das ergibt sich bereits aus einer aufmerksamen Lektüre des Gesetzestextes: „Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.“ Ohne das gedankliche Zwischenglied „Scheitern“ würde der Text lauten: „Eine Ehe kann geschieden werden, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht ….“ Die Formel vom „Scheitern“ enthält eine negative Bewertung, die der Realität oft nicht (mehr) entspricht. Scheitern kann ein Unternehmen, ein Plan. Gescheitert wäre also der Plan, lebenslang beieinander zu bleiben. Aber ist damit auch „die Ehe“ gescheitert? Ist das bisher Erreichte, die gemeinsame Vergangenheit nichts wert? Die Kinder, die Ersparnisse, die gemeinsamen Freunde, die Fotos und Erinnerungen?

Oft genug sind in der Krise zunächst beide – Mann und Frau – voller guter Absicht: Selbstverständlich wollen sie einander das gönnen 4und lassen, was jedem zusteht. Was das aber im Einzelfall ist – darüber kann Streit entstehen. Wenn der Mann heimkommt und berichtet, er habe sich beim Anwalt informiert, dann bleibt der Frau gar nichts anderes mehr übrig, als auch ihrerseits juristischen Rat zu suchen. Die Informationen beider sind vermutlich nicht identisch, obendrein durch die Interessenlage gefärbt. Aus dem arglosen Bemühen, die Rechtslage zu klären, kann unversehens eine eskalierende Auseinandersetzung werden, die beide nicht gewollt hatten. Es darf gar nicht erst dazu kommen, dass ein Partner das Gefühl hat, einen Informationsvorsprung des anderen aufholen zu müssen.

Beide sollten beizeiten gemeinsam eine Check-Liste der Dinge aufstellen, die beim Auseinandergehen geregelt werden müssen. Dabei sollten sie sich nicht scheuen, unbefangen jeweils ihre eigenen Interessen und Bedürfnisse zu formulieren. Sie zu benennen, bedeutet ja noch nicht, sie auf Kosten des Partners oder der Partnerin durchsetzen zu wollen. Es ist doch auch denkbar, dass beide bereit sind, Wünsche und Bedürfnisse des anderen zu akzeptieren. Solch ein Erlebnis kann in dieser emotional schwierigen Phase von unschätzbarem Wert sein.

Nächster Schritt wäre dann, sich gemeinsam in den Grundzügen über die rechtlichen Regelungen kundig zu machen und auf deren Grundlage einen für beide akzeptablen Interessenausgleich zu suchen.

Das Familienrecht bietet Rahmenbedingungen für Konfliktmanagement und Interessenausgleich. In diesem Buch werden die für Krise, Trennung und Scheidung maßgeblichen Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit den Interessen und Konflikten der beteiligten Personen dargestellt. Das Recht ist immer im Fluss, es ist nie endgültig. Seit der grundlegenden Neuregelung des Familienrechts im Jahre 1977 haben politische, soziale und ökonomische Entwicklungen zu Änderungen der Rechtsprechung und zu neuen gesetzlichen Regelungen geführt. Das war auch jeweils nach dem Erscheinen der früheren Auflagen dieses Buchs der Fall. Die Darstellung beschränkt sich auf den aktuellen Rechtszustand, soweit nicht ausnahmsweise dessen Verständnis auch einen Blick auf die vorangegangene Entwicklung erfordert.

5Dieses Buch kann und will fachkundigen qualifizierten Rat nicht ersetzen. Nach der Lektüre wird nicht nur manche Frage offen geblieben, sondern manche neue hinzugekommen sein, mit der sich die Leserin und der Leser an Rechtsanwälte/-innen und Psychologen/ -innen, Steuer- und Eheberater/-innen wenden. Doch es ist schon viel gewonnen, wenn die Eheleute nur deren Rat und Informationen einholen und nicht die Lösung ihrer Probleme auf die Fachleute delegieren. Ihre Entscheidungen müssen sie in eigener Verantwortung für sich selbst und füreinander treffen. Dazu soll das Buch eine Hilfe sein.

I. Ernüchterung

Schwierigkeiten, die sich oft nach der Geburt des ersten Kindes einstellen, sind den Eheleuten oder dem nicht verheirateten Paar zunächst meistens gar nicht so recht bewusst.

Gerade diese Zeit ist anfällig für Frustrationen, aus denen Aggressivität und Konflikte entstehen können. Der Mann, der bisher seine Frau ganz für sich hatte, muss nun ihre Zeit und Zuwendung mit dem Kind teilen. Ihre sexuelle Aktivität wird obendrein in den ersten Monaten nach der Geburt oft stark reduziert sein. Wenn er jetzt frustriert und eifersüchtig reagiert, so kann das bei der Frau Schuldgefühle oder Rechtfertigungszwänge, vielleicht sogar Abwehr und Aggression auslösen. Häufig wird die Frau ihre Berufstätigkeit einschränken oder gar aufgeben. Bisher standen zwei Einkommen für zwei Personen zur Verfügung, Nun muss plötzlich ein Einkommen für drei Personen reichen. Das bringt Einschränkungen mit sich, die leicht zu Spannungen führen können.

Vielleicht ist es auch schon zuvor zu offenen oder latenten Unstimmigkeiten gekommen. Die Frage einer Eheschließung stellt sich für viele Paare erst dann, wenn ein Kind unterwegs ist. Vielleicht war der bisherige Verzicht auf Bindung nur der Versuch, einer Klärung der Beziehung aus dem Wege zu gehen. Nun stellt sich für beide unausweichlich die Frage, welchen Grad der Bindung sie für die Zukunft eingehen wollen. Sie haben die Wahl zwischen verschiedenen 6Alternativen: Die erste ist die Eheschließung mit allen rechtlichen Folgen einer umfassenden Verantwortung – nicht nur für das Kind, sondern auch füreinander. Das Paar kann sich auch auf eine gemeinsame elterliche Sorge ohne Eheschließung verständigen. In Betracht kommt weiterhin die Variante, dem Kind ohne Eheschließung den Namen des Vaters zu erteilen, im Übrigen aber der Mutter die alleinige Sorge zu belassen. Schließlich bleibt auch noch die Möglichkeit, dass die Mutter die elterliche Sorge allein ausübt und – abgesehen von der Verwandtschaft zwischen Vater und Kind und den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten – keine weiteren familiären Bindungen geschaffen werden. Wenn die künftigen Eltern nun insgeheim unterschiedliche Erwartungen an die Partnerschaft hatten, dann mag es durchaus vorkommen, dass Erwartungen enttäuscht und Enttäuschungen nicht ausgesprochen werden. Das wiederum kann der Nährboden für weitere Sprachlosigkeit und künftige Konflikte sein.

Der gemeinsame Start in die verbindlichere Form der Partnerschaft, die Ehe, kann durch Abhängigkeiten oder sonstige Asymmetrien der Beziehung belastet sein. In binationalen Ehen etwa kann es vorkommen, dass der ausländische Partner sich seiner deutschen Frau unterlegen fühlt, die sich kulturell und ökonomisch besser orientieren kann als er und vielleicht den Lebensunterhalt für das Paar und die künftige Familie verdient. Konflikte mit der Gefahr einer Trennung kann er sich nicht leisten, wenn sein eigenständiges Aufenthaltsrecht von einem wenigstens dreijährigen Bestand der ehelichen Gemeinschaft abhängt. Asymmetrisch ist auch die Beziehung zwischen dem künftigen Ehemann und seiner schwangeren Frau, der er – mit der Drohung, sonst die Heirat abzusagen – noch schnell einen für sie nachteiligen Ehevertrag vorlegt.

Das Paar wird sich darüber verständigen müssen, welchen Nachnamen das Kind haben soll. Nach dem Gesetz ist es der Ehename der Eltern. Führen sie keinen gemeinsamen Ehenamen, so müssen sie einen ihrer beiden Nachnamen zum Nachnamen des Kindes bestimmen. Geschieht dies nicht innerhalb eines Monats nach der Geburt des Kindes, so überträgt das Familiengericht das Bestimmungsrecht einem Elternteil. Eltern, die es dazu kommen lassen, erweisen 7sich nicht nur als unfähig, sich über den Namen zu einigen, sondern überhaupt als unfähig zum Konfliktmanagement. Darunter werden sie dann wohl auch bei späteren Auseinandersetzungen zu leiden haben. Auch im weiteren Verlaufe kann das Gericht beim Streit um Fragen der Verantwortung für die gemeinsamen Kinder (wie etwa die Wahl der Schule), die Entscheidung einem Elternteil übertragen.

Ebenso gut wie bei der Auseinandersetzung um Angelegenheiten, die das Kind betreffen, kann die Notwendigkeit, sich zu verständigen, für das Paar auch bei anderen Entscheidungen – beispielsweise über die Haushaltskasse, Anschaffungen und andere Ausgaben – zu einer Herausforderung werden.

Für einige Konflikttypen enthält das Gesetz Regelungen, für andere nicht. Wenn es darum geht, ob beide in der Ehe ihre Berufstätigkeit fortsetzen oder wer von ihnen die Berufstätigkeit einschränken oder aufgeben soll, dann sieht das Gesetz nur vor, dass sie diese Frage einvernehmlich zu regeln haben. Können sie sich nicht einigen, so bleibt am Ende nur die Trennung. Wie viel Haushaltsgeld der berufstätige Ehemann der Hausfrau zu geben hat, kann im Streitfalle vom Familiengericht entschieden werden. Keine Rechtsgrundlage findet der nicht berufstätige Ehepartner für seinen Anspruch auf Taschengeld oder seinen Wunsch nach Information über die Einkünfte des berufstätigen Partners. Teilweise sind derartige Lücken historisch zu erklärende Reste von Diskriminierung und damit eine Herausforderung für den Gesetzgeber.

Im Übrigen aber setzt sich im Familienrecht zunehmend die Erkenntnis durch, dass selbstbestimmte Konfliktregelungen allemal besser funktionieren als fremdbestimmte.

1. Ernüchterung – Tipps und Hinweise

a) Spiel statt Streit

Das Gericht kann „in einer einzelnen Angelegenheit, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist“ (wie beispielsweise die Wahl des Kindergartens oder der Schule), die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Realistischerweise können beide 8Eheleute sich nur eine Chance von je 50% ausrechnen. Steht aber diese Chancenverteilung schon fest, so gibt es auch andere Verfahren mit gleicher Chance, die weniger Aufwand mit sich bringen als ein gerichtliches Verfahren: das Los, den Münzwurf (Wappen oder Zahl) oder den Würfel (gerade oder ungerade und Abstufungen). Dabei würfeln die Eltern nicht „um das Kind“; vielmehr suchen sie gemeinsam einen Ausweg aus einer Situation, in der oft auch eine gute Portion Rechthaberei im Spiel ist. Diese Verfahren funktionieren schnell, kostenlos und ohne fremde Hilfe, und zwar in vielen Lebensbereichen. Für die Beteiligten haben sie den Vorteil, dass es am Ende nicht Sieger und Besiegte eines Konfliktes gibt, sondern Partner, die miteinander ein Spiel gespielt haben. Ein Spiel zu verlieren, fällt leichter als in einem Konflikt zu unterliegen. Auf den ersten Blick mögen solche Überlegungen befremdlich oder gar frevelhaft scheinen, weil ihnen die Ernsthaftigkeit der gerichtlichen Auseinandersetzung fehlt. Aber es gibt keine Gewähr dafür, sich mit den vermeintlich besseren Argumenten bei Gericht auch durchzusetzen; denn genau das beabsichtigt auch die Gegenseite, und beide können nicht wissen, wessen Argumente beim Gericht schwerer wiegen.

b) Eheverträge

Wenn ein Partner (meist der Mann als der wirtschaftlich Stärkere) den Abschluss eines Ehevertrages wünscht, dann sollte er nicht ein schwer verständliches Schriftstück präsentieren, sondern einen umgangssprachlich formulierten Text. Die andere Seite sollte sich auf nichts einlassen, solange sie nicht alle Einzelheiten verstanden und fachkundigen Rat eingeholt hat. Wenn es nicht möglich ist, den Text allgemeinverständlich zu erklären, dann ist vermutlich etwas nicht in Ordnung. Für die Seite, die den Vertrag wünscht, besteht außerdem das Risiko, dass später einmal ein Gericht ihn nicht anerkennt, weil die Chancengleichheit nicht gewahrt gewesen sei.

Die neuere Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Eheverträgen berücksichtigt die Belange der im Konflikt schwächeren Seite stärker als das bisher geschah. Diese zuvor oft vermisste Sensibilität bringt nun eine gewisse (Rechts-)Unsicherheit mit sich, ob ein Ehevertrag 9nach Jahren oder Jahrzehnten vor den Gerichten Bestand haben wird (s. dazu auch 4. Kap. III).

Dieses Problem wird sich nicht allein mit Kriterien der Gerechtigkeit lösen lassen, sondern eher mit dem Blick auf die Fairness. Je größer der Verzicht einer Seite ist, desto mehr Zeit und Gelegenheit muss sie haben, die Konsequenzen ihrer Entscheidung zu bedenken. Deshalb empfiehlt es sich, einen ausgehandelten Vertragsentwurf nicht gleich zum Notar zu tragen, sondern eine „Auszeit“ zu vereinbaren, in der beide Seiten sich parteiisch informieren und beraten lassen. Wenn danach eine Seite vom Vertrag Abstand nimmt oder Änderungen verlangt, so ist dies das kleinere Übel im Vergleich zu späteren Konflikten und zum Streit um die Gültigkeit des Vertrages. Werden hingegen die vertraglichen Nachteile auch nach parteiischer Beratung und Information in Kauf genommen, so besteht wohl kaum noch ein Risiko, dass der Vertrag später als ungültig angesehen werden kann.

2. Paragrafen für Konflikte in der Phase der Ernüchterung

Beruf und Haushalt:

§ 1356 BGB Haushaltsführung, Erwerbstätigkeit

(1) Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen. Ist die Haushaltsführung einem der Ehegatten überlassen, so leitet dieser den Haushalt in eigener Verantwortung.

(2) Beide Ehegatten sind berechtigt, erwerbstätig zu sein. Bei der Wahl und Ausübung einer Erwerbstätigkeit haben sie auf die Belange des anderen Ehegatten und der Familie die gebotene Rücksicht zu nehmen.

§ 1360 BGB Verpflichtung zum Familienunterhalt

Die Ehegatten sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Ist einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen, so erfüllt er seine Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts.

§ 1360 a BGB Umfang der Unterhaltspflicht

(1) Der angemessene Unterhalt der Familie umfasst alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten 10und die persönlichen Bedürfnissen der Ehegatten und den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen.

(2) … Die Ehegatten sind einander verpflichtet, die zum gemeinsamen Unterhalt der Familie erforderlichen Mittel für einen angemessenen Zeitraum im Voraus zur Verfügung zu stellen.

§ 5 LPartG Lebenspartnerschaftsunterhalt

Die Lebenspartner sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die partnerschaftliche Lebensgemeinschaft angemessen zu unterhalten. §§ 1360 Satz 2, … 1360 a BGB … gelten entsprechend.

Elterliche Sorge:

§ 1626 BGB Grundsätze

(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).

(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Erkenntnisstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.

(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.

Elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern:

§ 1626 a BGB Elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern; Sorgeerklärungen

(1) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen die elterliche Sorge dann gemeinsam zu, wenn sie

1. erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen), oder

2. einander heiraten,

3. soweit ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge gemeinsam überträgt.

(2) Das Familiengericht überträgt … auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. …

(3) Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge.

11Die Namen der Kinder:

§ 1617 BGB Geburtsname bei Eltern ohne Ehenamen und gemeinsamer Sorge

(1) Führen die Eltern keinen Ehenamen und steht ihnen die Sorge gemeinsam zu, so bestimmen sie durch Erklärung gegenüber dem Standesamt den Namen, den der Vater oder die Mutter zur Zeit der Erklärung führt, zum Geburtsnamen des Kindes. …

(2) Treffen die Eltern binnen eines Monats nach der Geburt des Kindes keine Bestimmung, überträgt das Familiengericht das Bestimmungsrecht einem Elternteil. …

Betreuung und Erziehung der Kinder:

§ 1627 BGB Ausübung der elterlichen Sorge

Die Eltern haben die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohle des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen.

§ 1628 BGB Gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern

Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit …, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden.

II. Der Weg in die Trennung

Wenn das Trennende die Gemeinsamkeiten des Paares zu überwiegen beginnt, wenn eine Partnerin oder ein Partner sich gar anderweitig verliebt, dann kommt der Gedanke an Trennung auf. Am leichtesten wird sie denen fallen, die nur ein Stück Weges gemeinsam durchs Leben gegangen sind, ohne sich aneinander zu binden. Ihre Wege trennen sich, keiner hat etwas vom anderen zu beanspruchen.

Schwieriger kann es schon werden, wenn sie gemeinsames Eigentum erworben haben oder gar nach einer längeren Zeit des Zusammenlebens 12überhaupt nicht so recht wissen, wem was gehört. Ist das aber geklärt und das gemeinsame Eigentum geteilt, dann können beide endgültig voneinander Abschied nehmen.

1. Trennung und Verantwortung

Eine ganz andere Qualität bekommt die Trennung, wenn beide einander durch eine besondere Verantwortung verbunden sind. Das kann die Verantwortung für ein gemeinsames Kind sein, aus der zugleich auch eine Verantwortung des Elternpaares füreinander resultiert, oder eine ausdrücklich durch besondere rechtsverbindliche Erklärungen übernommene Verantwortung des Paares füreinander.

Die klassische Form, in der ein Paar füreinander Verantwortung übernimmt, ist die Ehe:

§ 1353 BGB Eheliche Lebensgemeinschaft

(1) Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung. …

Mit der Übernahme dieser wechselseitigen Verantwortung hat das Paar es auch akzeptiert, im Falle einer Trennung zunächst weiterhin miteinander verbunden zu sein. Die familienrechtlichen Vorschriften bilden einen rechtlichen Rahmen für das Konfliktmanagement. Sie verteilen Chancen, sie begründen – und begrenzen zugleich – Rechte und Pflichten.

2. Ehe ohne Trauschein

Hat das Paar ausdrücklich davon abgesehen, sich durch eine Eheschließung rechtlich zu binden, so hat diese Entscheidung zur Folge, dass im Konfliktfalle kaum Rechtsvorschriften zur Verfügung stehen.

Die Lebensform, die ein Paar für sich wählt, ist von der Rechtsordnung zu respektieren. Nicht alles im Leben muss rechtlich geregelt sein. Andererseits darf die Entscheidung der Eltern gegen eine rechtliche 13Bindung möglichst nicht zu Lasten gemeinsamer Kinder gehen. Für die Kinder hat neben den Eltern auch die Allgemeinheit eine Verantwortung. Auch für das nicht verheiratete Elternpaar mit gemeinsamen Kindern gilt der im Grundgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleistete Schutz der Familie.

Art. 6 GG Ehe, Familie, nichteheliche Kinder

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Art. 8 EMRK Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, …

Dieser Verantwortung ist der Gesetzgeber dadurch nachgekommen, dass die allgemeinen Vorschriften des Kindschaftsrechts in gleicher Weise für die Kinder verheirateter wie unverheirateter Eltern gelten. Außerdem verpflichtet das geltende Recht die nicht miteinander verheirateten Paare zu einem Mindestmaß an gegenseitiger unterhaltsrechtlicher Verantwortung nach der Geburt eines gemeinsamen Kindes.

Ein emotional und ideologisch aufgeladenes Thema ist die elterliche Sorge. Hier tobt der Kampf zwischen den Geschlechtern. Solange die Eltern keine übereinstimmende Sorgerechtserklärung abgegeben haben, steht die elterliche Sorge allein der Mutter zu. Weigert sie sich, der gemeinsamen Sorge zuzustimmen, kann der Vater nach der seit Mai 2013 geltenden Rechtslage beim Familiengericht einen Antrag auf gemeinsame elterliche Sorge stellen, dem das Gericht stattzugeben hat, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Die gesetzgeberischen Entscheidungen hierüber sind von weltanschaulichen Wertungen und politischen Kräfteverhältnissen beeinflusst, die sich in der Vergangenheit geändert haben und wohl auch in der Zukunft ändern werden.

143. Lesben und Schwule sind gleichberechtigt: Das Bekenntnis zur Verantwortung

Während in der sozialen Wirklichkeit die Partnerschaften zunehmen, die ausdrücklich die rechtliche Bindung einer Ehe und die damit verbundene Übernahme von Verantwortung ablehnen, gibt es auch eine gegenläufige Erscheinung: den Wunsch gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, eben diese gegenseitige Verantwortung durch Eheschließung zu dokumentieren. Belgien, die Niederlande und Spanien haben die gleichgeschlechtliche Ehe gesetzlich eingeführt.

Es gibt gewiss gute Gründe, am klassischen Bild der Ehe festzuhalten, zwischen ihr und gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu unterscheiden; es gibt aber auch sehr gute Gründe, die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung zu honorieren und solche Partnerschaften rechtlich abzusichern. Das ist in Deutschland in einem ersten behutsamen Schritt geschehen durch das „Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft“ (Lebenspartnerschaftsgesetz) aus dem Jahre 2001, dem ein entschlossener zweiter Schritt im Jahre 2005 folgte, das „Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts“. Mögen auch noch manche Wünsche unerfüllt geblieben sein, so ist doch in vielen Bereichen eine weitgehende Gleichstellung mit der Ehe sowie den Rechtsfolgen bei Trennung und Scheidung erfolgt.

§ 2 LPartG Partnerschaftliche Lebensgemeinschaft

Die Lebenspartner sind einander zu Fürsorge und Unterstützung sowie zur gemeinsamen Lebensgestaltung verpflichtet. Sie tragen füreinander Verantwortung.

III. Trennung und Konflikt

Haben die Eheleute, Partnerinnen und Partner es nicht mehr geschafft, ihr Leben auf Dauer gemeinsam zu gestalten, und haben sie sich getrennt, so ist es müßig, zu rekonstruieren, ob die Zuneigung 15wegen der zwischen ihnen bestehenden Differenzen abgeklungen ist oder ob es umgekehrt war. Jede vermeintlich gefundene Ursache wirft die Frage nach den weiteren davor liegenden auf. Jeder Partner wird solche Erklärungen vorziehen, die es ihm ersparen, nach seinem eigenen Anteil an der Entwicklung zu fragen; denn die Trennung ist von Trauer, Enttäuschung und Schmerz begleitet, auch wenn diese Gefühle gelegentlich verdrängt werden.

Abschiede bedeuten Trauer – auch wenn Abschied genommen wird, um zu neuen verlockenden Perspektiven, vielleicht in eine neue Partnerschaft aufzubrechen. Neben dem Abschied von Menschen und Lebensumständen ist der Abschied von einer Idee zu verarbeiten, nämlich der Idee, in dieser Partnerschaft eine Familie gegründet zu haben, die für die Zukunft und das Alter einen verlässlichen Bezugsrahmen abgeben könnte.

Wenn die Trauer nicht als legitimes Gefühl akzeptiert wird, dann werden daraus leicht Vorwürfe gegen den Partner oder die Partnerin. Wer verlassen worden ist, fühlt sich in seinem Selbstwertgefühl gekränkt und wird vielleicht versucht sein, die Partnerin oder den Partner die eigene Trauer und Enttäuschung entgelten zu lassen. Wer sich vom anderen abgewandt hat, ist anfällig für Schuldgefühle, aus denen Rechtfertigungsbedürfnisse resultieren können, bis hin zu Gegenvorwürfen zur Entlastung des eigenen Gewissens.

Die in Aggression umgesetzte unverarbeitete Trauer ist der Stoff, aus dem vielleicht nicht alle, aber doch viele familienrechtliche Auseinandersetzungen sind.

Auch der Rechtsstreit ist eine Form der Kommunikation. Wer sich verlassen fühlt, wer auf seine Fragen keine Antwort bekommt, wem jegliche Kommunikation verweigert wird: Die Prozessordnung bietet noch eine letzte Möglichkeit, zumindest eine Begegnung herbeizuführen.

Dabei erfolgt eine doppelte Transformation des Konflikts: Von der Emotion zum Interesse, vom Interesse zum Rechtsfall.

Zuneigung lässt sich nicht erzwingen. Aber das Interesse an einem Menschen (oder auch der Wunsch, ihn zu bestrafen) lässt sich gelegentlich in ein ökonomisches Interesse und dieses manchmal in 16einen Rechtsanspruch transformieren. Der verschmähte Partner erinnert sich seiner finanziellen Aufwendungen und verlangt Ersatz. Um seinen Anspruch zu begründen, muss eine Rechtsgrundlage gefunden werden. Die ehemalige Partnerin ist zu Zahlungen nicht bereit und teilt auch seine Rechtsauffassung nicht. Es kommt zum Rechtsstreit. Die Entscheidung des Gerichts hängt schließlich von Rechtsfragen ab, von denen beide nichts verstehen und an die sie nicht im Entferntesten gedacht hätten.

Das Familienrecht ist für derartige Transformationen besonders anfällig und geeignet. Wer Genugtuung für enttäuschte Erwartungen verlangt, kann zumindest die Auseinandersetzung erzwingen. Die für den gerechten Interessenausgleich gedachten Rechtsvorschriften über die Nachwirkungen der Ehe oder Partnerschaft eröffnen die Möglichkeit zu Begegnungen vor Gericht, in denen an die früher einmal übernommene Verantwortung appelliert werden kann.

In einer solchen Konstellation wird die Lösung des Rechtsfalles nur wenig zur Lösung des Problems beitragen.

Es mag sein, dass den Eheleuten, Partnerinnen und Partnern in der aktuellen Krise, aus der sich die Trennung ergibt, eine Verständigung besonders schwer fällt. Der Preis für den unterlassenen Versuch kann aber unverhältnismäßig hoch sein.

Mit zunehmendem zeitlichem Abstand mag die unmittelbare Betroffenheit nachlassen; das gilt aber ebenso für das vielleicht noch vorhanden gewesene Bewusstsein der gegenseitigen Verantwortlichkeit. Gegenüber der bisherigen – wenn auch problematischen und streitbelasteten – Partnerbeziehung tritt zunehmend die Selbstbezogenheit oder auch eine neue Partnerschaft in den Vordergrund, und die Bereitschaft zur Verständigung nimmt ab. Das ist zwar keine zwangsläufige Entwicklung; sie ist aber nicht minder wahrscheinlich als der mit zeitlichem Abstand gelegentlich eintretende Beruhigungseffekt.

Bereits anlässlich der Trennung können die Paare sich um die dringlichsten Regelungen bemühen. Vor allem wird es um die – insbesondere für die Kinder bedeutsamen – Fragen gehen, wer dem anderen die Wohnung überlässt und selbst auszieht, bei welchem Elternteil 17die Kinder ihren Lebensmittelpunkt haben werden und wie ein möglichst enger, lebendiger und spontaner Kontakt des künftig abwesenden Elternteils zu den Kindern erhalten bleibt. Der Lebensbedarf der Kinder und des sie betreuenden Elternteils muss sichergestellt werden. Mit dem Auszug ergibt sich ein Anlass oder gar die Notwendigkeit, den gemeinsamen Hausrat zu teilen. Lebt das Paar im eigenen Haus oder einer eigenen Wohnung, stellt sich die Frage, wie sie es künftig mit dem gemeinsamen Eigentum halten wollen. Es kann sich auch empfehlen, beizeiten an die Teilung eventueller Ersparnisse und die Regulierung von Schulden zu denken, ehe beides durch fortschreitende Entsolidarisierung erschwert wird.

Hilfreich kann es in dieser Phase sein, über die dargestellten unmittelbar aktuellen Fragen hinaus auch einige Gedanken auf das soziale Umfeld der Familie zu verwenden, das von den bevorstehenden Veränderungen nicht unberührt bleibt. Die Geschwister und Eltern des sich trennenden Paares sind – und bleiben – Onkel und Tanten, Großeltern der Kinder und Schwiegereltern. Die Frau ist vielleicht Patin der Nichte des Mannes. Soll die Patin von der Konfirmation oder Firmung des Kindes ausgeschlossen sein, nur weil sie nicht mehr mit dem Onkel des Kindes verheiratet ist? Die Patenschaften und verwandtschaftlichen Beziehungen bleiben weiterhin bestehen. Soll das alles Schaden nehmen, nur weil das Paar sich trennt?

Auch ein Blick auf den gemeinsamen Freundeskreis kann hilfreich sein. Manche Freunde und Bekannte, die sich nicht in die Auseinandersetzungen hineinziehen lassen wollten, haben die Kontakte einschlafen lassen und sind gar nicht glücklich damit. Vielleicht sind die Eheleute, Partnerinnen oder Partner Mitglieder in Gruppen und Vereinen, wo sie sich mit ihren gemeinsamen Interessen zu Hause fühlen. Wollen sie in Zukunft alle Begegnungen vermeiden, oder gelingt es ihnen, die Trennung so zu gestalten, dass beiden die Kontakte in der Gruppe, im Verein erhalten bleiben?

Und wenn gar nichts mehr geht – das Paar könnte zumindest noch versuchen, ein gemeinsames Fernziel zu definieren: Spätestens zu dem oder jenem Ereignis – Einschulung, Konfirmation, Abitur, Hochzeit eines Kindes, Taufe der Enkel, Jubiläumsfeier des Vereins – wollen wir so weit sein, dass wir beide dort erscheinen können.

18Die Rechtsvorschriften für die Phase der Trennung verweisen im Eherecht und dem Recht der eingetragenen Partnerschaft weitgehend auf die für die Ehescheidung und Aufhebung der Partnerschaft geltenden Regelungen.

Für nicht verheiratete Paare gibt es keine speziellen Rechtsvorschriften für die Trennung. Ihre Beziehung ist ja gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie rechtliche Bindungen vermeiden wollten.

192. Kapitel

Der Übergang zum Recht

Freiheit, Bindung, Verantwortung – diese menschlichen Grundbefindlichkeiten haben auch eine rechtliche Dimension. Die Rechtsordnung schützt unsere Freiheit und nimmt uns in die Pflicht. In welchem Umfang und in welcher Weise familiäre Beziehungen rechtlich geregelt werden, ist zunächst eine Frage der Kultur. Es ist aber auch eine Frage gesellschaftspolitischer Verteilungskämpfe zwischen den Geschlechtern, zwischen den Generationen, zwischen den Einzelnen und ihrer Familie einerseits und der Allgemeinheit andererseits.

Knappheit in öffentlichen Kassen führt beispielsweise dazu, dass Eltern kleiner Kinder oft an einer Berufstätigkeit gehindert sind, weil Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder fehlen. Das wiederum hat unmittelbare Auswirkungen auf die Chancenverteilung und das Gleichgewicht in der Partnerschaft und auf eventuelle Unterhaltsansprüche.

Der Wandel der Anschauungen und der gesellschaftlichen Realität hat zu einer noch vor wenigen Jahrzehnten unvorstellbaren rechtlichen Stärkung der Partnerschaft nicht verheirateter Elternpaare und zur rechtlichen Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft geführt.

Für die Menschen in ihren partnerschaftlichen und familiären Beziehungen hat das Recht mehrere Perspektiven:

Die erste und sinnfälligste besteht darin, dass die Menschen ihre Lebenssituation rechtsverbindlich gestalten. Bestimmte Familienbeziehungen 20können nur durch Rechtshandlungen mit Beteiligung öffentlicher Gerichte oder Behörden geschaffen werden. Beispiele hierfür sind die Eheschließung und Ehescheidung, die Begründung und Aufhebung einer Lebenspartnerschaft, die Anerkennung einer Vaterschaft, die Sorgerechtserklärung nicht miteinander verheirateter Eltern und die Erklärung nicht miteinander verheirateter Eltern über den Nachnamen des Kindes.

Eine andere Perspektive der Rechtsordnung besteht darin, dass sie einen Orientierungsrahmen bietet, der im Konfliktfalle hilfreich sein kann. Den Paaren und Familien steht es frei, ihre Verhältnisse und ihre Lebensweise nach ihren Bedürfnissen zu regeln. Kommt es aber zum Streit, dann wollen die Menschen wissen, was sie dürfen und was nicht; sie wollen vor allem wissen, „was ihnen zusteht“. Das kann ihnen helfen, ihre Chancen und Grenzen im Falle einer Auseinandersetzung einzuschätzen und einander Zumutungen zu ersparen, die zur Eskalation des Konflikts führen würden und rechtlich doch nicht durchsetzbar wären. Ein Fundus an gemeinsamen Gerechtigkeitsvorstellungen kann eine gediegene Basis für eine Verständigung im Streitfalle und für vernünftige Regelungen sein.

Schließlich gewinnt das Recht dann seine Bedeutung, wenn den Beteiligten eine Verständigung nicht mehr gelingt, sie sich Rechtsrat holen und ihren Konflikt vor Gericht austragen. Dort gelten gesetzlich festgelegte Verfahrensregeln. Gerichte haben nicht auf der Grundlage von Empathie und Hilfsbereitschaft zu entscheiden, sondern nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften.

I. Zum Umgang mit Rechtsvorschriften – die Juristensprache

Wer sich in rechtlichen Dingen nicht auskennt, ist leicht in der Gefahr, sich von Paragraphen und juristischen Fachausdrücken einschüchtern zu lassen. Die Beziehung der Rat und Hilfe suchenden Menschen zu ihren Rechtsanwälten/-innen liegt oft zwischen sich anvertrauen und sich ausliefern. Zwar leuchtet ihnen das, was ihnen 21als „Recht“ präsentiert wird, manchmal nicht ein; doch schließlich fügen sie sich resignierend den Fachleuten. Das muss nicht so sein. Wie in anderen Lebensbereichen auch, geht es im Rechtswesen nicht ohne Fachausdrücke und standardisierte Formulierungen ab; diese hingegen sind kein Selbstzweck, sondern nur gleichsam technische Hilfsmittel zur Vereinfachung der Kommunikation und zur Systematisierung der Argumente. Eine Vorschrift oder ein juristisches Argument kann den Anspruch, „Recht“ zu sein, immer nur dann erheben, wenn es auch umgangssprachlich möglich ist, den Sinn und Gerechtigkeitsgehalt zu erläutern. Oft genug ist das nicht der Fall. Wer sich gleichwohl darauf beruft, nutzt eine formale Machtposition aus, statt auf die friedensstiftende Überzeugungskraft des Rechts zu bauen.

Wer etwas am Rechtssystem ungerecht findet, der sollte sich nicht gleich mit dem Hinweis auf die Rechtslage abspeisen lassen, sondern von den Juristen verlangen, dass sie sich mit seinen Argumenten auseinandersetzen. Tagtäglich kommt es vor, dass Gerichte ihre Rechtsauffassung ändern. Der Anstoß hierzu kann immer nur von denen kommen, die nicht bereit sind, sich mit einer angeblichen Rechtslage, die ihnen ungerecht erscheint, abzufinden.

Rechtsvorschriften gelten als allgemeine Regeln für eine unbegrenzte Zahl von Fällen. Für viele Probleme und Konflikte bieten die Vorschriften des Familien- und Scheidungsrechts Lösungsansätze, die eine Chance haben, von allen Beteiligten akzeptiert zu werden. Das geht nicht ohne gedankliche Arbeit mit dem Willen, gemeinsam zu vernünftigen Ergebnissen zu kommen. Nur selten ist die Sprache des Gesetzes eindeutig. Eine Sprache, die der sozialen Wirklichkeit und den Bedürfnissen der Menschen gerecht werden will, kommt nicht ohne unbestimmte Begriffe aus, die in der Anwendung auf den konkreten Fall mit Leben gefüllt werden müssen – wie etwa „Angemessenheit“, „Rücksichtnahme“, „Unzumutbarkeit“ oder „Wohl des Kindes“. Zuweilen begnügt sich das Gesetz sogar damit, dem Gericht die Entscheidung nach seinem „billigen Ermessen“ zu übertragen. Allerdings müssen die Entscheidungen durchaus nicht von den Gerichten getroffen werden. Die Beteiligten können selbst versuchen, sich darüber zu verständigen, was für ihre spezielle Situation 22die angemessene Regelung ist. So bekommen sie eine maßgeschneiderte Regelung statt normativer Massenware und geben die Entscheidung über ihre Geschicke nicht aus der Hand.

Durch kritiklose Unterwerfung unter gesetzliche Vorgaben können die Beteiligten nicht nur die Herrschaft über ihren Konflikt, sondern auch ihr eigenes Selbstverständnis gefährden. Das mag ein kurzer Blick auf die Verfahrensvorschriften deutlich machen: Für das Ehescheidungsverfahren galt bis August 2009 die Zivilprozessordnung (ZPO), die eigentlich für Rechtsstreitigkeiten gedacht ist, in denen es prozessuale „Gegner“ gibt. Sie macht aus „Herrn und Frau X“, „Antragsteller“ und „Antragsgegnerin“, aus „Eheleuten“, macht sie „Parteien“, die das Verfahren nicht mit-, sondern „gegen“-einander betreiben. Da hieß es dann

Muster

In dem Ehescheidungsverfahren

des Herrn Markus X (Antragsteller)

gegen

Frau Katrin X (Antragsgegnerin)

wird beantragt:

Die Ehe der Parteien wird geschieden.

Unvermutet sind aus den Eheleuten zumindest sprachlich Gegner geworden, aus Menschen Parteien. Die Eltern des Kindes sind nicht mehr Vater und Mutter, sondern Antragsteller und Antragsgegnerin. Nicht selten strahlt diese Verrechtlichung der Begriffe auch auf das Verhalten und die weitere Beziehung aus. Jene Frau hatte ganz recht, die sich in einem Brief ans Gericht über die prozessuale Bezeichnung „Antragsgegnerin“ beschwerte: Sie wolle zwar nicht mehr mit ihrem Manne zusammenleben, habe sich aber im Guten von ihm getrennt und weigere sich, als seine „Gegnerin“ bezeichnet zu werden. Wo dieser Hinweis ernst genommen wird, da heißen die Beteiligten in Anwaltsschriftsätzen, gerichtlichen Verhandlungsprotokollen und Urteilen nicht mehr „Parteien“, sondern „Eheleute“, und es ist nicht mehr das Verfahren des Herrn Markus X „gegen“ Frau Katrin X, sondern das Verfahren der Eheleute Markus „und“ Katrin X. Wer eine Anwältin oder einen Anwalt beauftragt, kann 23beizeiten der Gedankenlosigkeit entgegenwirken und darum bitten, schon durch die Wortwahl zu signalisieren, dass nicht beabsichtigt ist, als Parteien gegeneinander zu prozessieren, sondern als Eheleute gegenüber dem Gericht einen gemeinsamen Willen zum Ausdruck zu bringen. Dann heißt es:

Muster

In dem Ehescheidungsverfahren

des Herrn Markus X (Antragsteller)

und

Frau Katrin X (Antragsgegnerin)

wird beantragt:

Die Ehe der Eheleute Katrin und Markus X wird geschieden.

Schon durch ihr erstes Schreiben an die „Gegenseite“ prägen die Rechtsanwälte/-innen den Stil der Kommunikation und vielleicht auch des weiteren Konfliktverlaufs. Wenn der Mann einen Brief erhält, in dem es heißt „meine Mandantin fordert Sie auf …“, dann ist damit eine Zuordnung vorgenommen. Die Frau, die er bisher als „meine Frau“ bezeichnet hat, wird durch die Bezeichnung „meine Mandantin“ jetzt nicht mehr ihm, sondern dem Rechtsanwalt zugeordnet. Mag die Ehe noch so sehr in der Krise sein – diese Formulierung ist eine Kränkung für den Empfänger der Nachricht. Darunter werden die weiteren Bemühungen um Verständigung leiden. Dabei war die Wortwahl des Anwalts nicht einmal unkorrekt. Sie war nur unsensibel.

An dieser Stelle setzt wieder die Verantwortung all derer ein, die in ihrem Konflikt anwaltlichen Beistand suchen. Sie können und sollten sich die Schreiben an die Gegenseite vor Absendung vorlegen lassen und sich fragen, wie sie selbst sich fühlen würden, wenn sie solch ein Schreiben bekämen. Noch ist es nicht zu spät, durch sensiblere Wortwahl die Weichen in Richtung Verständigung und nicht in Richtung Konflikt zu stellen.

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