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Über den Autor
Peter Petersen (1884–1952), Pädagoge und Schulreformer, arbeitete von 1920 bis 1923 an der Lichtwarkschule in Hamburg und war ihr erster Schulleiter. Von 1924 bis 1952 war er Professor in Jena und Leiter der Jenaer »Erziehungswissenschaftlichen Anstalt«, an der er die »pädagogische Tatsachenforschung« und sein schulpädagogisches Konzept für die Reform des Schulwesens, den Jena-Plan, entwickelte. Mit seiner Betonung der Lebensgemeinschaftsschule und Gruppenpädagogik war er Wegbereiter einer äußeren und inneren Schulreform.
Über dieses Buch
Inspiriert von den Landerziehungsheimen von Hermann Lietz und den Hamburger Lebensgemeinschaftsschulen entwickelte Peter Petersen den Jena-Plan und stellte ihn 1927 bei einer Tagung des »Weltbundes für Erneuerung und Erziehung« in Locarno vor. Darin verwarf er vor allem vier Schulmerkmale als kinder- und lernfeindlich: Die Jahrgangsklasse wurde zur altersgemischten »Stammgruppe«, der »Fächerfetzenstundenplan« zu einem nach pädagogischen Gesichtspunkten gestalteten »Wochenarbeitsplan«, die Vorherrschaft des lehrerzentrierten Unterrichts abgelöst durch ein gruppenunterrichtliches Arbeitsverfahren mit ausgewogenem Kern-Kurs-Prinzip, den Schülern wurde Raum und Zeit für Selbsttätigkeit und eigenverantwortliches Arbeiten gegeben, aus dem kahlen Klassenraum wurde eine das Lernen anregende »Schulwohnstube«. Gespräch, Spiel, Arbeit und Feier kamen gleichermaßen zu ihrem Recht und sorgten dafür, dass aus dem künstlichen Gebilde Schule ein lebendiges »Haus des Lernens« wurde.
Impressum
Die Abbildungen auf dem Umschlag stammen aus der Jena-Plan-Schule in Jena.
Die vorliegende Ausgabe beruht auf der von Peter Petersen handkorrigierten 15.–17. Auflage von 1949.
Dieses E-Book ist auch als Printausgabe erhältlich
(ISBN 978-3-407-22080-6)
www.beltz.de
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© 2001 Beltz Verlag, Weinheim und Basel
62., neu durchgesehene Auflage
unter Mitarbeit von Tilman Petersen
Umschlaggestaltung: Federico Luci, Odenthal
Umschlagabbildungen: © Team der Jenaplan-Schule
E-Book: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza
ISBN 978-3-407-22550-4
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Inhaltsübersicht

Vorwort des Verfassers zur ersten Auflage (1927)
Vorwort
I.  Die allgemeinen erziehungswissenschaftlichen und pädagogischen Grundlagen
Aufgabe. Verhältnis zu Staat und Gesellschaft. Erziehung und Erziehungskunst. Gemeinschaft und Gesellschaft. Aufbau der Gemeinschaftsgruppe. Das Erziehungsziel der Schule. Menschenschule. Haltung der Elternschaft. »Allgemeine Schule«. Der Bankerott der Jahresklasse. Und die Hilfsschüler? Die Begabten. Soziales. Familienschule.
II.  Äußere Ordnung des Schullebens
Schulgebäude. Verteilung der Schüler. Ausstattung. Platzfrage. Bewegungsfreiheit. Pause.
III.  Das Gemeinschaftsleben der Gruppe
a)  Die Gruppe. Stammgruppen. Jena-Plan und Landschule. Übergänge. Definition der Stammgruppe.
Das freie innere Kräftespiel der Stammgruppe. Organisatorische Vorteile für alle Schulen. Jena-Plan-Schulen im Dienst der Volksgesundheit.
b)  Umgang und Sitte. Räumliche Einordnung. Das Gruppengesetz.
»Abgeschlossenheit«. Beweglichkeit. Schulwohnstube. Pflege und Ordnung der menschlichen Beziehungen. Schule des Schweigens und der Stille.
c)  Die Eingewöhnung in die Besonderheiten des »Schul«lebens und der »Schul«arbeit.
Lehrgespräch. Frage. Gesprächsleitung. Lehrerfrage. Offenheit. Gegenseitige Hilfe in der Erziehung.
d)  Zehn Vorteile der Gruppe. Zusammenfassung.
IV:  Der Umkreis sozialethischer Gegenstandsbildung
Innerhalb der Gruppe. Aus dem Schulganzen. Patenschaften. Die Eltern in der Schule.
V.  Planlegung und Probleme des Unterrichts
A.  Lernformen des Unterrichts
»Elementargrammatik«. Freies Fortschreiten. Werkgrammatik (nach Dr. Arno Förtsch). Das »gruppenunterrichtliche Verfahren«.
Gegenseitige Hilfe im Unterricht. Fremdsprachlicher Unterricht. Übungskurse. Individuelle Entwicklung i. a. Arbeitspläne. Der Wochenarbeitsplan.
B.  Die vier Urformen des Lernen und Sich-Bildens1
Einordnung des Unterrichts in die Schulgemeinde; schematische Übersicht. Bewertung der Leistungen. Eigen- und Fremdbewertung. Gefahr der Zensur. Objektiver und subjektiver Bericht. Die seelsorgerliche Aufgabe des neuen Erziehers.
VI. Zur Entstehungsgeschichte des Jena-Plans
Anhang:
Inhaltsübersicht der Hauptwerke zum Jena-Plan2
A.  Darstellung und Auswertung des Jenaer Schulversuchs von 1924 bis 1934
B.  Erziehungswissenschaftliche Grundlegung
C.  Die Führungslehre des Unterrichts
D.  Übersetzungen
E.  Zur Philosophie und Pädagogik
F.  Sammelschriften

Vorwort des Verfassers zur ersten Auflage (1927)

Seit einem Monat gibt es einen »Jena-Plan«. Ich mache die Damen Miß Cläre Soper und Miß Dorothy Matthews-London für die Namengebung haftbar; denn sie haben ihn aufgebracht und für die Arbeitsgemeinschaften der »IV. Internationalen Konferenz des Arbeitskreises für Erneuerung der Erziehung« geprägt. Mich aber haben sie damit genötigt, einen kurzen Abriß der Grundgedanken in der Versuchsarbeit an der Jenaer Universitätsschule zu geben als Unterlage für die Behandlung und Kritik in den Studiengruppen zu Locarno August 1927. Frühestens zum Herbst des nächsten Jahres war beabsichtigt, mit einer eingehenden, auch die neuen Ergebnisse reichlich belegenden Gesamtdarstellung vor die pädagogische Welt zu treten, und es muß auch freundlichst jeder Leser gebeten werden, von dieser Skizze, die inmitten der sich drängenden Aufgaben am Schlüsse eines Semesters entworfen wurde, nur Andeutungen zu erwarten. Vieles ist nur schlagwortartig gesagt, ist nur Überschrift einer Vorlesung, eines Kapitels oder ein paar Kernsätze aus solchen. Es fehlt die Kennzeichnung aller Anregungen und Abhängigkeiten im wünschenswerten Grade, desgleichen nötige Literaturangaben. Die Darstellung ergänzen einige Aufsätze und Schilderungen des Schullebens wie: Ada Weinel, Aus dem Leben einer Jenaer Schule, Kindergarten 1926; G. Sieveking, Die erziehungswissenschaftliche Anstalt und ihre Schule, im »Werdenden Zeitalter« V. 1926, Heft 4; und »Pour L’Ere Nouvelle«, Sept. 1926; Ad. Ferriere, Die Schule der Selbstbetätigung, Weimar, 1927, S. 281–285; die dänische Zeitschrift »Hjem og Skole« 1927, enthält eine längere Schilderung auf Grund eigenen Studiums von der in den nordischen Ländern wohl bekannten Seminarvorsteherin Rektor Theodora Lang-Silkeborg, »Indtryk fra Jena Universitets-Oevelsesskole«.
In den Aufgabenkreis Neuer Erziehung, wie er sich in der Versuchsschule zu Jena entwickelte, führten bislang drei »Pädagogische Wochen« ein, denen viel wertvolle Kritik und Anregung verdankt wird. Die Schulform ist trotz mancher Mängel, an deren Abstellung wir täglich arbeiten, immerhin soweit gefestigt, daß nun auch zum Wintersemester 27/28 das Schulpraktikum wieder aufgenommen werden kann, das mein Vorgänger, Herr Prof. Wilhelm Rein, mit so großem Erfolg im Rahmen seiner Übungsschule leitete und das ständig von so vielen Seiten, in Universität wie Volksbildungsministerium, von dieser Schule wieder erwartet wird. Es wird demnach in einer für diese neue Schulform geeigneten Gestalt nun wieder bestehen und damit die enge Verbindung von Theorie und Praxis, die meinem Lehrstuhl für Erziehungswissenschaft seit den Tagen Stoys eigen war, auch vor der pädagogischen Öffentlichkeit, insonderheit der akademischen Welt noch deutlicher als bisher aufzeigen.
Zum Schlüsse verweise ich auf die erste Veröffentlichung aus der Arbeit an der Jenaer Universitätsschule: Petersen/Wolff, Eine Grundschule nach den Grundsätzen der Arbeits- und Lebensgemeinschaftsschule, Weimar 1925, die u.a. den Jahresbericht 1924/25 wiedergibt, nach Tagen und Wochen das Werden und Wachsen, Erfolg wie Mißerfolg schildernd, sowie für die allgemeine Begründung auf meine »Allgemeine Erziehungswissenschaft«, Berlin, 1924, und »Die Neueuropäische Erziehungsbewegung«, Weimar, 1926. Zur neuen Unterrichts- und Erziehungslehre enthält erste Beiträge Petersen, Innere Schulreform und Neue Erziehung, 1925, bes. S. 230ff: Neues Schulleben. Diese Schriften mögen als Ergänzung der knappen Darstellung auf den folgenden Seiten demjenigen gelten, der sich weiterhin mit dem »Jena-Plan« auseinandersetzen will.
Ich darf aber nicht abschließen, ohne meinen Mitarbeitern innigst zu danken für all das, was sie an Kraft und Begeisterung in diese neue Schularbeit hineingelegt haben, und für die Gesinnung, mit der sie sie mitheraufgetragen haben und in Treue fortführen.
Jena, den 31. Juli 1927
Petersen

Vorwort3

Dieser sogenannte »Kleine Jena-Plan« dient zur Einführung in den »Großen Jena-Plan«, der sich wie folgt aufbaut:
Jena-Plan I:  Schulleben und Unterricht einer freien allgemeinen Volksschule, 1930, 2. Auflage i.V.
Jena-Plan II:  Das gestaltende Schaffen, 1930, 2. Auflage i.V.
Jena-Plan III:  Die Praxis der Schulen nach dem Jena-Plan, 1934, 2. Auflage i.V.
Jena-Plan IV:  Jena-Plan-Schulen nach 1945, i.V.
Die ihm entsprechende allgemeine Lehre von der Unterrichtsführung enthält das Werk:
Führungslehre des Unterrichts, 1936, 2. Auflage 1950.
Von der Lehrprobe zur pädagogischen Tatsachenforschung, 1950.
Die erziehungswissenschaftliche Grundlegung findet sich in:
Allgemeine Erziehungswissenschaft I, 1924
Ursprung der Pädagogik (Allgemeine Erziehungswissenschaft II), 1931
Mensch und Erziehungswirklichkeit, i.E. 1950 Philosophie, Weltanschauung und Wissenschaft im Urteil der Erziehungswissenschaft, 2. Auflage 1950 i.E. Pädagogik der Gegenwart, 1932, 3. Auflage i.E.
Vgl. die Inhaltsübersichten der hier genannten Schriften.

I.  Die allgemeinen erziehungswissenschaftlichen und pädagogischen Grundlagen

Aufgabe

Den Anstoß zum Versuch, die überlieferte Schulwirklichkeit innerlich so umzugestalten, daß sie erzieherische Funktionen wahrhaft entfalten könne, gab der Besuch des Landerziehungsheims am Ammersee, Herbst 1912, und für die Durchführung des Jena-Plans im besonderen das Studium deutscher Landerziehungsheime in den Jahren um 1922.4 Hinzu kamen die mehrjährigen eigenen praktischen Erfahrungen, Beobachtungen und Aussprachen im Kreise der Lehrerschaft an den Hamburger Lebensgemeinschaftsschulen, die allesamt grundlegende Bedeutung für mich gewonnen haben. Dabei wurde immer festgehalten an der besonderen Aufgabe der Schule in unserer Kultur, Kenntnisse und Fertigkeiten zur Selbstbehauptung und zur Mitbeherrschung der Zivilisation zu übermitteln, angepaßt an die eigentümliche volkliche soziale Arbeitswelt. Somit sollte die alte überlieferte Aufgabe in einer tragbaren, vor der Erziehungsidee zu verantwortenden Form zugleich übernommen werden, und die dem Versuch zugrunde liegende Frage wurde also:
»Wie muß diejenige Erziehungsgemeinschaft gestaltet werden, in welcher sich ein Menschenkind die beste Bildung erwerben kann, d.h. eine Bildung, die seinem, in ihm angelegten und treibenden Bildungsdrange angemessen ist, die ihm innerhalb dieser Gemeinschaft vermittelt wird und die es reicher, wertvoller zur größeren Gemeinschaft zurückfuhrt und dieser als tätiges Glied wiederum übergibt? Oder kürzer: Wie soll die Erziehungsgemeinschaft beschaffen sein, in der und durch die ein Mensch seine Individualität zur Persönlichkeit vollenden kann?«5
Das hieß: nach dem das Ganze eines Schullebens bestimmenden Ethos fragen und untersuchen, mit welchen Mitteln, möglichst auch lehrbaren und überlieferungsfähigen, an der Aufgabe gearbeitet werden kann, um dieses Ethos wirksam zu machen und zu erhalten. Die theoretische Untersuchung im Rahmen des ersten Bandes meiner »Allgemeinen Erziehungswissenschaft« erwies das Ethos der sozial-wirtschaftlichen, staatlichen und kirchlichen Sphären als unzureichend, ja oft eher der erzieherischen Idee entgegen als ihre Stütze, und sie gelangte zur Forderung einer »freien, allgemeinen Volksschule«6, getragen von der Elternschaft und den Erziehern, diese in einer »Gilde der Erzieher« einmütig zusammengeschlossen, beide aber aufs innigste vereint und einander verbunden durch die Idee der Erziehung. Das erweckte die bescheidenere Hoffnung, aus der überlieferten Schule als einem »vom Staat belebten Anstaltskörper« und deswegen einer unselbständigen und unlebendigen Form, zum mindesten einen »durch sich selbst lebendigen genossenschaftlichen Organismus« (O. von Gierke) zu entwickeln, und ließ der höheren Hoffnung Raum, daß unter besonders glücklichen Bedingungen schon heute, wenigstens aber wenn aus der Staatsschule im Laufe von ein paar Generationen wirklich eine Volksschule, vom Volke gewollt und getragen, geworden wäre, die Schulen allgemein echte Lebensstätten der Jugend werden würden.
Diese Forderung ward entwickelt unter schärfster Ablehnung der liberalen Staatsauffassung und des Individualismus, in der Erwartung, daß eine deutsche Selbstbesinnung den Weg zu einem echten Volksstaate bahnen werde.7

Verhältnis zu Staat und Gesellschaft

Es soll eine »Schulgemeinde« gebildet werden, in die der Schulunterricht sich immer als das Zweite einordnet. Die Schulgemeindeidee muß daher innerste Überzeugung der Erzieherschaft werden. Sie muß nun »von unten her« wachsen.
Schülerparlamente und Schülergerichte wären nichts diese Schule Bezeichnendes. Denn die bisherige Erfahrung in echten deutschen »Lebensgemeinschaftsschulen« hat es erhärtet, daß jene Einrichtungen von den Schülern eher abgelehnt werden als bei ihnen beliebt sind. Dagegen wird von Lehrern und Kindern innerhalb der wahren Schulgemeinde das Recht »geschöpft«, im Sinne und in der Form der um ihre Führer gescharten Rechtsgemeinde Freier. In Jena-Plan-Schulen zeigte sich überall, wie in der Wiener Versuchsarbeit: »Kinder haben keinen Sinn für kodifiziertes Recht« (Burger/Steiskal). In diesen Schulen waren Parlamentarismus und formale Demokratie schon nach kurzer Zeit verschwunden.
Die Schulgemeinde nimmt also ihren Anfang innerhalb des vom Staate ihr gesteckten Rahmens, erwartet darum auch keinerlei Sonderaufwendungen. Sie dient dem Staat, insofern er als die oberste Einheitsveranstaltung der Volksgesellschaft den Rahmen der Schule begrenzt, schützt, unterhält und verwaltet und die nationalen Belange durchsetzen will. Sie folgt den »Richtlinien« für die Unterrichtsarbeit als pädagogischen Richtlinien für zeitgemäße, lebendig bewegte Volksschularbeit. Das alles heißt: sie kennt fortan innerhalb ihres Ringes keinerlei »Kampf um die Schule« mehr durch weltliche Mächte wie Staat, Kirche, Sekten, parteipolitische oder andere Weltanschauungen. Die weltanschaulichen Belange derjenigen Eltern, welche ihre Kinder der Schule zuführen, werden von Erzieherschaft und Elternschaft dieser Schule gemeinsam so geordnet, daß die pädagogische Einsicht und der pädagogische Verantwortungswille der Erzieher diesen Kindern und diesen Eltern gegenüber sich behaupten. Praktisch bedeutet das ein kaum je aussetzendes Ringen der Erzieher mit der Elternschaft um die Reinhaltung der Erziehungsidee. Ja, dieser Kampf ist ein im hohen Grade Belebendes, solange er in den Formen des Anstandes und in dem aufrichtigen Bemühen beider Teile, nur dem Wohle der Kinder zu dienen, geführt wird.
Die echte Schulgemeinde will also in dem vom Staate abgesteckten Rahmen für planvolle Einwirkung beruflich ausgebildeter Erzieher auf die noch nicht reife Generation ein Zusammenleben und eine Arbeitswelt darstellen, in denen sich die Erziehungsfunktion so rein wie nur irgend möglich auswirkt und alle Verhältnisse bestimmt, vor allen Dingen auch den Unterricht. Am reinsten wird das dort möglich sein, wo Eltern und Erzieher auch weltanschaulich eins sind.

Erziehung und Erziehungskunst

Unter Erziehung wird hier nicht zuerst die Summe der von Menschen erdachten und ausgeübten Maßnahmen der Erziehungskunst verstanden, sondern jene alle Wirklichkeit durchwaltende Funktion, welche das vollbringt, was wir am Menschen die Vergeistigung, die Humanisierung, sein persönliches Leben, die Persönlichkeit nennen. Erziehung ist in diesem Sinne ebenso eine Tatsache wie das Leben und im Wesensgrunde genau so unerklärlich. Wie aber die beste Lebensführung, auch die beste ärztliche Unterstützung des Lebens, diejenige ist, welche im Einklang mit den Naturgesetzen des Lebens bleibt, so muß sich auch alle Erziehungskunst jener kosmischen Funktion der Erziehung einzuordnen suchen. Wie es eine innere Selbststeuerung des Lebens gibt, eine Selbstregelung des Organismus auf seinen Sinn hin, so auch eine der persönlich-geistigen Entwicklung. Die inneren Ursachen kennen wir auf keiner Seite; es werden nur Ursachenzusammenhänge vermutet, Hypothesen und Hilfsbegriffe verwendet. Leben wie Erziehung sind nicht in ihrem Wesen letztlich zu erfassen, sondern nur in ihren Erscheinungen einigermaßen zu erklären und in wissenschaftlicher Metaphysik zu deuten, zu »verstehen«.8

Gemeinschaft und Gesellschaft

Wo wir es mit Erziehungswirklichkeit zu tun haben, dort ist ihre Erscheinungsform stets die der »tätigen Gemeinschaft«, keine Sozialform, kein Gebilde der Gesellschaft. Darum wird auch eine Gemeinschaftspädagogik der volle Gegensatz zu einer Sozialpädagogik so gut wie zu einer Individualpädagogik. Und zwar liegt der Gegensatz zur Gesellschaft in der Formstruktur, dem Inhalt und dem Ziel einer Gemeinschaft. Da die überlieferte Schule nur Sozialform ist, und da es deren Aufgaben in der neuen Schulgemeinde mit zu erfüllen gilt, so kommt es für die praktische Neuarbeit alles darauf an, diesen Unterschied klar herauszustellen, um für die Arbeit im Schulleben deutliche und feste Richtlinien zu besitzen. Die Idee der Gemeinschaft wird oberste, alles Geschehen innerhalb der Schulgemeinde letzthin normierende Idee. Was heißt das?

Aufbau der Gemeinschaftsgruppe

Jede Sozialform (nur die Formen der Geselligkeit sind ausgenommen, als gewissermaßen Mischformen von Gesellschaft und Gemeinschaft) untersteht äußerem Zwang, der sich irgendwie aus der die Menschen zusammenführenden gemeinsamen Lebensnot, dem Lebenskampfe und der Lebensfürsorge, herleitet, und gewinnt daher eine straffe, geschlossene Organisation. Eine »Gesellschaft« bedarf dieser Geschlossenheit, weil sie ein Kampfverband ist, den die Not des Lebens erzeugte und solange zusammenhält, als er für ihre Bekämpfung geeignet ist. Inhaltlich hat sie es deswegen auch stets mit Machtinteressen zu tun, ihr nächstes Ziel ist die Befriedigung des praktischen Bedürfnisses, um dessentwillen diese Sozialform gebildet wurde. Ein höheres Ziel kennt sie nicht, da sie in keiner Weise Selbstzweck ist, sondern verfallen und ersetzt werden muß, sobald sie dem Bedürfnis, das sie entstehen ließ, nicht mehr entsprechend dient.
Eine »Gemeinschaft«jederseiner