Cover

Über dieses Buch:

Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Vesuvia – und ich bin eine gutgelaunte weibliche Brust. Sie können mich auch gerne eine Titte nennen, da bin ich gar nicht empfindlich. Gemeinsam mit meiner Zwillingsschwester Etna führe ich ein abenteuerliches Leben. Darf ich Ihnen verraten, wie das so ist, als kleines Pünktchen geboren zu werden und schließlich als eindrucksvolles C-Körbchen die Männerwelt verrückt zu machen? Und natürlich habe ich mich irgendwann auch verliebt. Machen Sie sich also auf einiges gefasst: So viel wie ich hat Ihnen garantiert noch nie ein Busen erzählt!

»Wenn Sie das Buch von Tina Grube gelesen haben, werden Sie wissen, dass auch Sie Ihren Busen fest im Griff haben müssen.« Wolfgang Joop

Über die Autorin:

Tina Grube, geboren in Berlin, studierte Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation, arbeitete in renommierten Werbeagenturen und begann schließlich, sich ganz dem Schreiben zu widmen. Ihre turbulenten Komödien wurden in mehrere Sprachen übersetzt, die beiden Bestseller Männer sind wie Schokolade und Ich pfeif auf schöne Männer erfolgreich verfilmt. Tina Grube pendelt heute zwischen ihren Wohnsitzen in New York und Mailand und arbeitet bereits an ihrem nächsten Roman.

Die Autorin im Internet: www.tinagrube.com

Bei dotbooks erscheinen Tina Grubes Romane Männer sind wie Schokolade, Ich pfeif auf schöne Männer, Lauter nackte Männer, Schau mir bloß nicht in die Augen und Ein Mann mit Zuckerguss.

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Neuausgabe Februar 2015

Copyright © der Originalausgabe 2002 by Tina Grube, erschienen im Ullstein Taschenbuchverlag.

Copyright © der Neuausgabe 2015 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung einer Illustration von Shutterstock/Leeremy

ISBN 978-3-95824-064-3

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Tina Grube

Das kleine Busenwunder

Roman

dotbooks.

Für meinen Mann

Das Wunderbarste ist, dass ich bei dir verrückt sein kann.

Pünktchen

Unverhohlen starrt er mich an. Seine Augäpfel treten fast aus den Höhlen. Seine buschigen Brauen heben sich, verrutschen in Richtung des stark gelichteten Haaransatzes und scheinen noch widerborstiger abzustehen.

Ich starre zurück. Er gefällt mir nicht. Er gefällt mir ganz und gar nicht!

»Jetzt reicht's langsam, oder?«, fährt Lisa den Kerl an.

»Man wird ja wohl noch gucken dürfen«, mault er.

»Gucken? Na, zwischen Gucken und Glotzen gibt's ja wohl einen kleinen Unterschied«, erwidert Lisa kühl.

Das will ich meinen. Die Kerle glotzen sich fest, als gelte es, Frauen den T-Shirt-Stoff durchzubrennen, um endlich die nackten Tatsachen in aller Ruhe betrachten zu können. Ha, sie schaffen ihn aber nicht, den Supermann-Hitzeblick, sonst wäre die Textilindustrie noch viel reicher, denn alle Mädels müssten immer und überall Ersatzpullis mit sich führen, möglichst gleich im Zweier- oder Dreierpack.

Oh, Entschuldigung, ich philosophiere hier vor mich hin und habe dabei vor lauter Empörung ganz vergessen, mich vorzustellen: Mein Name ist Vesuvia. Und ich bin – Lisas Busenfreundin. Genauer gesagt, ich bin ihre linke Erhebung unter der Bluse und lebe auf dem großen Brustmuskel in Höhe der dritten bis sechsten Rippe. Ja, man könnte mich auch als quicklebendige Titte bezeichnen!

Ich kann sprechen, was viele Leute, die uns Titten verkennen, wundern mag. Hören kann mich allerdings nur Lisa, mit der ich quasi inwendig kommuniziere. Und – fast hätte ich sie unverzeihlicherweise vergessen – hören kann mich natürlich auch meine Zwillingsschwester Etna. Sie ist einen Hauch kleiner als ich und etwas weniger gesprächig. Momentan macht sie gerade ein Nickerchen, was mir tagsüber selten gelingt, weil ich näher am Herzen liege. Die Herzpumpgeräusche in Lisas aktiven Stunden halten leider selbst die müdeste Titte wach. Aber das Gute daran ist, dass ich so wenigstens nichts verpasse.

***

Die Tür des Busses öffnet sich. Sofort strömt heiße Luft herein. Der New Yorker Sommer macht seinem kreislaufschwächenden Ruf mit hohen Temperaturen und schweißtreibender Luftfeuchtigkeit alle Ehre.

»Noch zwei Stationen«, teilt mir Lisa mit.

Weiß ich doch. Von unserem Loft in Brooklyn brauchen wir insgesamt fünf Stationen mit dem Bus, bis wir zur Subway-Linie kommen, die uns nach Manhattan bringt. So ganz klar ist mir zwar nicht, wie wir heute zu unserem Ziel gelangen, aber in jedem Fall müssen wir mitten hinein ins Manhattangetümmel, Richtung Upper West Side.

»Der Busenglotzer steigt aus«, melde ich Lisa.

»So ein Blödmann, so ein Widerling, so ein aufdringlich glotzender Schlappschwanz.«

»Na ja, Starren geht ja noch. Anfassen wäre schlimmer gewesen«, gebe ich zurück. Bei der Vorstellung allein stellt sich mir das Köpfchen auf. Nicht vor Erregung, natürlich, sondern vor Abwehr. Ich wünschte, ich hätte einen Kugelblitzschießer in der Brustwarze. Dann könnte ich den Gierhälsen nette Stromschläge verpassen, genau zwischen die Augen, als Schocktherapie zum Abgewöhnen!

»Hätte der dich angefasst, Vesuvia, ich hätte ihm in die Weichteile getreten. Meine Laune ist nicht die beste, na ja, wahrscheinlich bin ich heute etwas übersensibel.«

Lisa hat schlechte Laune? Lisa ist übersensibel? Na, kein Wunder bei unserem heutigen Tagesplan.

Abgesehen davon ist das Begaffen im Sommer wegen des Mangels an schützenden, panzerartig wattierten Steppjacken stets besonders übel. Bei vierunddreißigkommafünf Grad Celsius im Schatten lebt es sich als Titte besser luftiger. Schließlich hab ich keine Lust, permanent in Schweiß auszubrechen und klebrige Spuren auf Lisas Kleidung zu hinterlassen. So kommt es dann leicht zu diesem Missverständnis: Das andere Geschlecht betrachtet unsere zarte Sommerkleidung als Glotzeinladung.

Irrtum. Irrtum, kann ich da nur sagen.

Natürlich wurden meine Zwillingsschwester Etna und ich nicht von Geburt an so unverschämt beäugt. Unsere Kindheit war eher ruhig, aber von vielen Fragen erfüllt. Ich muss etwa fünf Jahre alt gewesen sein, als ich einem großen Geheimnis der Natur auf der Spur war ...

***

Zwischen Lisas Eltern gab es drei wesentliche Unterschiede: Ihr Papa hatte kurze Haare, ihre Mama lange, die sie regelmäßig eindrehte und danach mit massenhaft Haarspray besprühte.

Ihr Papa hatte eine tiefe, brummige Stimme, ihre Mama eine hohe, melodische.

Und dann war da noch der faszinierendste Unterschied von allen: Papas Hemden saßen gestärkt und glatt auf seinem breiten, flachen Brustkasten. Mamas Pullover dagegen schlugen eine weiche Welle auf der Brust, offenbarten zwei geschwungene, in der Mitte durch eine Trennung unterbrochene runde Hügel.

Lisa sah ihre Eltern stets korrekt und komplett bekleidet. Nur im Urlaub, da trug ihre Mama einen hübschen Badeanzug, der auch den Hügeln ausreichend Platz bot, während ihr Papa in einer Badehose und oben ohne herumlief. Dann konnte Lisa seine Brustwarzen sehen, die platt und dunkel waren.

So stand sie dann eines Tages im Raum, die Frage, was aus Lisa und aus mir und meiner Zwillingsschwester wohl werden würde. Lisa lehnte an Mamas Frisierspiegel, stellte sich dann frontal davor, musterte sich kritisch und unterhielt sich mit ihrer Puppe.

»Ich bin ein Mädchen. Dann werde ich eines Tages eine Frau wie Mama. Obwohl ich das kaum glauben kann«, sagte Lisa zweifelnd und guckte dabei ausgerechnet mich an.

Zugegebenermaßen sah ich nicht beeindruckend aus. Ich räusperte mich. Lisa hatte mich noch nie direkt angesprochen, so dass ich auch noch nie versucht hatte zu reden. Aber alle Worte, die in Lisas Bewusstsein herumschwirrten, gehörten auch zu meinem geistigen Eigentum. Nun musste ich nur noch zu Stimme kommen. Schnell noch ein kleines Räuspern.

»Hey, Lisa. Ich bin's, ja, hier links. Du schaust mich gerade an, Was überlegst du?«

Lisa schien nicht besonders erstaunt zu sein über meine Redekünste. Die Welt war ohnehin voller Wunder und Überraschungen, dies war nur eine mehr an einem langweiligen Sonntag.

»Ich frage mich«, sagte Lisa ernsthaft, »ob ich eines Tages wirklich eine Frau werde wie Mama.«

»Warum nicht? Du hast doch auch so lange Haare wie sie und trägst Kleider und Röcke.«

»Ja, aber hast du gesehen, der Papa hat so Pünktchen auf der Brust. Und du bist doch auch nur ein Pünktchen, oder?«

»Ein Pünktchen? Ich weiß nicht. Jedenfalls sind die Pünktchen vom Papa ganz dunkel und ich bin hellrosa. Meine Schwester auch. Vielleicht zählt das, was meinst du? Ist Rosa nicht eine Mädchenfarbe?«

Lisa zuckte mit den Schultern. »Kann schon sein. Die Jungsfarbe ist doch aber Hellblau und Papas Pünktchen sind nicht hellblau. Irgendwas stimmt nicht.«

Ich überlegte krampfhaft. Fragen über Fragen. »Ich hab eine Idee. Du bist doch viel kleiner als die Mama, deshalb bist du auch ein Kind und Mama ist eine Frau. Also wirst du sicher weiter wachsen. Wenn du wächst, dann wachse ich womöglich auch.«

»Und wann?«

»Keine Ahnung.«

Lisa seufzte. Sie nahm Mamas Augenbrauenstift und malte sich damit einen Schnurrbart über die Oberlippe. Forschend betrachtete sie das Ergebnis und sprach nun mit tiefer, verstellter Stimme: »Mein Name ist Ludwig und ich bin ein Junge. Na, wie findest du das?«

»Doof. Du siehst immer noch aus wie Lisa, nur wie Lisa mit einem angemalten Schnurrbart«, antwortete ich.

Lisa verzog das Gesicht, verabschiedete die Ludwig-Idee und wischte den Schnurrbart wieder ab. Mit Mamas rotem Lippenstift zog sie nun ihr kleines, gespitztes Mündchen nach.

»Wie eine echte Dame«, sagte sie zufrieden. Sie klapperte mit den Augenlidern und versuchte, einen dramatischen Gesichtsausdruck aufzusetzen. Schließlich ließ sie sich auf den kleinen Hocker vor dem Spiegel plumpsen. »Wie die Hügel ohne Pullover aussehen, kann ich mir gar nicht vorstellen, du etwa?«

»Nicht genau«, musste ich zugeben. »Ob sie wohl weich oder hart sind, was glaubst du?«

»Das müsste rauszukriegen sein«, sagte Lisa entschlossen und nickte mir im Spiegel zu. »Wäre doch gelacht!«

***

Beim Mittagessen warf Lisa immer wieder verstohlene Blicke auf die rätselhaften Hügel von Mama. Sie bewegten sich nur, wenn Mama den Oberkörper drehte oder sich nach vorne beugte, um Papa noch etwas von dem Braten nachzulegen.

Also, vom Betrachten allein würden wir hier keine neuen Erkenntnisse gewinnen.

Lisa versuchte, ihre Neugier wenigstens bis nach dem Dessert im Zaume zu halten. Sie schlang das Kirschkompott in sich hinein und wartete ungeduldig, bis auch Mama den letzten Löffel voll genossen hatte. Dann stand sie auf und krabbelte auf Mamas Schoß.

»Na, meine Kleine, hat es dir geschmeckt?«, fragte Mama zärtlich.

»Sehr gut, besonders das Kompott«, antwortete Lisa und lehnte ihren Kopf vorsichtig an die Hügel. Hart fühlten sie sich nicht an. Jetzt richtete sich Lisa wieder auf, wählte den rechten Hügel aus und pikste vorsichtig mit dem Zeigefinger in das pralle Leben.

»Tut das weh?«, fragte Lisa die erstaunte Mama.

»Nein, das tut nicht weh«, antwortete Mama.

Mama hatte also keine Schmerzen. Dieser Hügel, dieses undefinierbare »Es«, hatte nachgegeben. Lisa pikte noch mal, nun in den linken Hügel.

»Tut das auch nicht weh?«

»Nein«, sagte Mama kurz angebunden.

»Es sieht aber so geschwollen aus«, meinte Lisa zweifelnd und streckte beide Hände nach den Hügeln aus.

Mama nahm schnell Lisas Hände und hielt sie fest, um sich vor weiteren Greifaktionen zu schützen. Sie gab Lisa je ein kleines Küsschen in die Handinnenflächen.

»Das sind meine Brüste, Lisa. Bei Frauen nennt man sie auch Busen. Busen sind von Natur aus rund und nicht geschwollen. Wenn du ein bisschen älter bist, erzähle ich dir mehr darüber.«

»Warum nicht jetzt?«

»Weil du das noch nicht verstehst.«

Diese Standardantwort kannten wir schon zur Genüge.

Lisa war aber noch nicht zufrieden. »Darf ich wenigstens noch mal anfassen?«

Mama stöhnte und funkelte Papa an, der unser Gespräch amüsiert verfolgt hatte. »Sag du doch mal was, sie ist ja schließlich auch deine Tochter.«

Papa zog Lisa neckend an einem ihrer Zöpfe. »Lass mal die Mama. Die Titten sind kein Spielzeug.« Dabei musste er grinsen. »Jedenfalls nicht für dich.« Über Lisas Kopf hinweg zwinkerte er der Mama fröhlich zu, die daraufhin errötete und ihn anstrahlte.

Schon merkwürdig, diese Erwachsenen.

Lisa musste sich also vorerst mit den Erkundungen des heutigen Tages zufrieden geben. Einiges war immerhin dabei herausgekommen: Es handelte sich nicht um etwas Geschwollenes und weh tat es auch nicht. So weit, so gut.

Hm, und verschiedene Namen gab es für das Hügelphänomen. Brüste, ja, na ja, Brüste klang nicht so aufregend. Busen war schon hübscher, aber als der Papa von »Titten« gesprochen hatte, da war sein Lächeln ganz breit geworden. Also fasste ich einen Entschluss: Fortan würde ich mich schon mal auf meine Zukunft vorbereiten. Ich war kein Pünktchen, sondern eine Titte, eine winzige zwar, aber eben eine Titte!

***

Ein paar Wochen nach dieser bahnbrechenden Erkenntnis kam Lisa in die Schule. Ihre beste Freundin Marie, die im Nachbarhaus wohnte, kam in dieselbe Klasse. So ging für die beiden engen Freundinnen ein großer Wunsch in Erfüllung, denn sie konnten sich nichts Schöneres vorstellen, als alles Neue miteinander zu teilen, ausgiebig darüber zu quatschen, zu beratschlagen und stundenlang zu kichern.

An diesem Einschulungstag gab es zwei Dinge, die Lisa sehr beeindruckten: Zum einen war es die riesige, rote Schultüte, die sie von ihren Eltern bekam. Zum anderen war es Maries Mutter.

Maries Mutter arbeitete im Gegensatz zu Lisas Mama nicht und deshalb holte sie beide Mädchen gemeinsam nach ihrem ersten Schultag ab. Sie trug ein figurbetontes Kleid mit einem großen Ausschnitt, viel tiefer und größer als normalerweise die Kleiderausschnitte von Lisas Mutter. Und auch ihre Hügel waren größer, viel, viel größer. Statt sanfter Wellen offenbarten sich hier stürmische Wogen. Als sie Marie zur Begrüßung umarmte, verschwand das kleine Kinderköpfchen komplett zwischen den Riesentitten. Das sah sehr gemütlich aus.

Lisa beschloss, ihr Forschungsprojekt »Titten« mit Marie zu teilen. Vielleicht wusste Marie ja schon mehr als sie, hatte Maries Mutter doch die phänomenalsten Exemplare, die Lisa bisher in ihrem ganzen Leben wahrgenommen hatte.

Während beide Mädchen aufgeregt ihre Schultüten öffneten, begann Lisa beiläufig das Gespräch.

»Sag mal, Marie, findest du deine Mutter hübsch ?«

»Ja, klar, sie ist hübsch, oder? Hier, guck mal, ich habe einen rosa Kamm bekommen. So einen wollte ich schon immer haben.«

Lisa bewunderte den schimmernden Kamm und wickelte ihrerseits eine Zopfspange aus, die ein buntes Herzchenmuster zierte. »Oh, die trage ich gleich morgen«, jubelte Lisa. »Ach, also, deine Mutter, ja, die ist sehr hübsch. Und sie hat so schöne große Titten.«

Erstaunt schaute Marie auf. »Titten? Was ist denn das?«

Lisa war stolz, dass sie so etwas Bedeutendes wusste. »Titten sind Brüste oder auch Busen«, klärte sie ihre beste Freundin auf.

»Interessant«, sagte Marie ernsthaft. »Ja, du hast Recht, meine Mutter hat ganz schön große Titten.«

»Die von meiner Mama sind kleiner.«

»Hast du sie schon mal nackt gesehen?«, flüsterte Marie nun fragend.

»Nee. Wenn ich aufstehe, ist meine Mama immer schon angezogen.«

»Klar, sie muss dir ja auch noch Frühstück machen, bevor sie zur Arbeit geht.« Marie nickte.

»Und du?«, fragte Lisa.

»Was?«

»Na, hast du die Titten von deiner Mama schon mal nackt gesehen?«

Marie kicherte. »Ja. Meine Mutter hat morgens meist ihren Morgenmantel an. Manchmal geht er auf. Da hab ich dann mal reingeguckt.«

»Und? Wie sehen sie aus? Erzähl!«

»Groß.«

»Marie, was heißt hier groß? Dass sie groß sind, kann man auch sehen, wenn sie angezogen ist.«

Marie überlegte. »Also, groß und weiß. Die Haut ist ganz weiß, so weiß wie ein Bettlaken, verstehst du? Das ganze Ding, also die Titte, ist irgendwie rund, wie ein Ball ungefähr. Und das da in der Mitte ist größer als das, was wir hier in kleiner haben.« Marie tippte sich dabei auf ihre eigene Brust.

»Aha, das Pünktchen.« Lisa nickte.

»Bei meiner Mama sieht es gar nicht aus wie ein Pünktchen. Eher wie ein großer runder Fleck, so groß wie ein platt gedrückter Kaugummi. Du weißt schon, die dicken aus den Automaten. Und in der Mitte ist dann noch so etwas Rundes, das ein bisschen hoch steht.«

Lisa hörte konzentriert zu. »Interessant. Ach, soll ich dir ein Geheimnis verraten? Ich hab sie neulich angefasst.«

»Die Titten?« Marie riss die Augen auf.

»Ja, ich hab sie angefasst, die Titten von meiner Mama«, erklärte Lisa. »Sie sind ganz weich und geben ein bisschen nach, wenn man hineinpikt.«

»Hm. Nur, warum sind die Titten von meiner Mama größer als die Titten von deiner?«

Beide Mädchen überlegten angestrengt. Dabei machten sie sich über die Lakritzrollen her, die in Lisas Schultüte als Nächstes zum Vorschein kamen. Sie zogen die Rolle mit den Schneidezähnen auf und futterten dann voller Hingabe den Lakritzsenkel.

Plötzlich sprang Marie auf. »Ich glaube, ich weiß es.«

»Ehrlich ?«

»Ja, ist ganz logisch. Nachmittags, wenn deine Mutter noch arbeitet, da kocht meine Mutter sich immer eine Tasse Kaffee.«

»Meine Mutter trinkt auch immer Kaffee, allerdings morgens«, sagte Lisa zweifelnd. »Daran kann es nicht liegen.«

»Ich meine ja gar nicht den Kaffee. Sondern das, was es dazu gibt.«

»Was gibt's denn dazu?«

»Kuchen!«, rief Marie.,

»Kuchen«, wiederholte Lisa. Sie verstand überhaupt nichts.

»Und weißt du, welcher Kuchen der Lieblingskuchen meiner Mutter ist?«

»Nusskuchen, vielleicht?«, rätselte Lisa.

Das war nämlich Lisas Lieblingskuchen. Haselnusskuchen mit Schokoladencreme und einer Glasur aus dunkler Schokolade.

»Käsekuchen. Käsekuchen!«, sagte Marie triumphierend.

Käsekuchen? Käsekuchen! Mir dämmerte es langsam. Hier fügte sich Puzzleteilchen an Puzzleteilchen.

Auch bei Lisa fiel der Groschen. »Moment mal. Käsekuchen macht man aus Quark und Quark ist weich. Deine Mutter isst regelmäßig leckeren, weichen Quark-Käsekuchen. Mensch, so wird es sein. Die Titten sind mit Quark gefüllt, deshalb sind sie so schön weich.«

»Jetzt wissen wir es. Toll!«, jubelte Marie.

»Ist wirklich ganz logisch. Meine Mutter achtet doch immer so auf ihre Figur, sie will unbedingt ganz schlank sein. Darum isst sie auch fast nie Kuchen. Höchstens zwischendurch mal ein Joghurt.«

»Und Joghurt ist eben nicht Quark. Deshalb sind ihre Titten kleiner«, sagte Marie zufrieden und ließ den Rest der Lakritzschnecke in ihrem Mund verschwinden.

***

Während die restlichen kleinen Geschenke aus den Schultüten gekippt wurden, überlegte ich noch einmal, dass ich soeben Wesentliches zur Entwicklung einer beeindruckenden Hügellandschaft gelernt hatte. Zu gegebener Zeit würde ich Lisa auf jeden Fall dazu ermutigen, ihre Nuss-Schokoladenkuchenpassion mal zu vergessen und stattdessen Käsekuchen zu futtern. Regelmäßig und in gewinnversprechenden Mengen, denn von nichts kommt nichts!

Schwimmbad

»Pass bitte auf, dass uns niemand anrempelt«, raune ich Lisa zu. »Nicht dass Etna wieder einen Ellenbogen abbekommt.«

Mein Tittenzwilling Etna, die ihren Namen gehört hat, fragt schläfrig von rechts: »Was ist denn los?«

»Nichts, nichts, Schwester. Wir steigen nur gleich aus dem Bus aus.«

»Meinetwegen«, nuschelt Etna und nickt auch gleich wieder ein.

Lisa wird mehr oder minder von den anderen Fahrgästen, die ebenfalls aussteigen, aus dem Bus herausgeschoben und hält schützend ihre große Tasche vor uns, damit uns in dem Gedrängel nichts passiert. Dann geht sie zielstrebig zum Subway-Eingang und springt die Stufen hinab. Der Bahnsteig füllt sich, aber der Zug lässt auf sich warten. Unruhig läuft Lisa hin und her. Und hin und her und hin und her. Das muss sie sich bei den Tieren im Zoo abgeguckt haben. Ich weiß schon, bald müssen wir wieder zum Schuster, um die Pumps neu besohlen zu lassen. Da haben es die Tiger einfacher. Die laufen sich wahrscheinlich eine gute, solide Hornhaut.

Schon schaut Lisa wieder auf ihre Uhr und hypnotisiert offensichtlich den unschuldigen Sekundenzeiger. Soll er nun schneller oder langsamer ticken? Oder soll die Zeit einfach mal stillstehen? So bis morgen Abend, dann wäre alles vorbei?

Puh, Lisa macht mich nun selbst total nervös. Sehr unangenehm, denn während Lisa ihre Tigerlinien weiterläuft, vibriere ich vor mich hin. Da helfen vielleicht ein bisschen autogenes Training zur Tittenentspannung für Anfängerinnen, Busenyoga für Fortgeschrittene oder eine Farbtherapie für die ganz Sensiblen wie mich. Oder ein paar entspannende Rückbesinnungen. Mal überlegen, wie war das noch gleich, als meine Entdeckungsreise ihren Fortgang nahm? Konzentration, Vesuvia, Konzentration. Atme tief durch und erinnere dich. Ja, ich erinnere mich.

***

Lisas Mama musste wie üblich arbeiten. So hatte uns eines schönen Tages Maries Mutter zum Schwimmbad gebracht. Maries Mutter hasste Schwimmen aus vollem Herzen, wie offenbar alles, was in zu viel Bewegung ausarten konnte. Sie war eben mehr der gemütliche Typ. Trotzdem waren sich Lisas Mutter und Maries Mama aus irgendeinem kühnen Grunde darüber einig, dass ihre Töchter fortan einmal pro Woche zum Schwimmenlernen gehen sollten.

Lisa und Marie hatten nichts dagegen, zumal sich beide extra für diesen Zweck nagelneue Badeanzüge aussuchen durften. Marie hatte sich für ein Modell in Blau mit gelben Butterblümchen entschieden, während Lisa nach reiflicher Überlegung und schier endlosen Diskussionen mit Etna und mir nun stolze Besitzerin eines rosa-weiß karierten Badeanzuges war. Etna schmollte deshalb, denn sie war von Lisa und mir überstimmt worden. Wäre es nach Etnas Geschmack gegangen, dann würden wir jetzt nämlich in einem knallroten Badeanzug mit grellgrünen Krokodilen darauf stecken. Manchmal fragte ich mich, was in meiner Zwillingsschwester so vorging. Grellgrüne Krokodile, kaum zu glauben ...

Bis auf Etna also waren wir alle sehr vergnügt, denn schwimmen lernen, und dies ohne elterliche Argusaugen, hörte sich nach einem großen Spaß an. Maries Mutter lieferte uns bei einem so genannten Bademeister ab und versprach, uns in einer Stunde wieder abzuholen.

»Ihr Gören wollt also schwimmen lernen, was?«, fragte der Bademeister. Er war ein Riese, ein Riese mit muskulösen Armen, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Um seinen Hals hing ein schwarzes Band mit einer baumelnden Trillerpfeife.

»Ist Schwimmen schwer?«, fragte Marie den Riesen.

»Bei mir ist noch keiner ertrunken, haha«, grölte der Riese fröhlich.

Das ließ ja hoffen.

»So, ihr Dreckspatzen, da drüben sind die Räume mit den Schränken für eure Sachen, dahinter die Duschen für Mädchen und Frauen. In fünf Minuten will ich euch hier frisch geduscht wiedersehen, klar?«

Lisa und Marie nickten artig und rannten los. Die Straßenkleidung wurde in einem gemeinsamen Schrank verstaut, die Beutel mit Handtüchern und der Unterwäsche für später flogen hinterher. Beide Mädchen hatten die Badeanzüge bereits am Morgen angezogen und drehten sich nun kichernd um die eigene Achse, um der jeweils anderen die bunte Pracht vorzuführen. Marie bewunderte unsere hübschen Karos, Lisa die Butterblumen ihrer Freundin.

Nur Etna murmelte unzufrieden noch etwas von »doofen Kästchenmustern«, »viel schöneren Blümchen« und »noch viel, viel, viel schöneren Krokodilchen«.

Na, die lieben Krokodilchen hätten eher den Vergleich mit gefräßigen, spitzzähnigen Alligatoren verdient. Aber dieser Kelch war glücklicherweise an uns vorübergegangen.

Lisa und ich ließen uns auf gar keine weiteren Diskussionen mit Etna ein, denn wir hatten Besseres zu tun: Im Laufschritt ging's weiter zum Duschraum. Er war leer. Nur einige Flaschen mit Duschgel und ein paar Bademäntel wiesen darauf hin, dass Lisa und Marie heute im Schwimmbad nicht die einzigen weiblichen Wesen waren. Übermütig drehte Marie gleich fünf Duschen hintereinander auf und die beiden Mädchen sprangen zwischen den warmen Wasserstrahlen hin und her.

»Ich glaub, die fünf Minuten sind um«, sagte Lisa zu Marie schließlich.

»Glaube ich auch«, antwortete Marie atemlos und strich sich eine nasse Haarsträhne aus der Stirn.

So tapsten beide barfuß und erwartungsvoll zu dem riesigen Bademeister zurück. Der hatte es sich derweil in einem Stuhl bequem gemacht und beobachtete das Geschehen im Pool, in dem Männer und Frauen und Jungs und Mädchen ihre Kreise oder Bahnen zogen.

»Habt ihr euch auch anständig gewaschen?«, dröhnte die Stimme des Riesen.

Lisa und Marie wechselten einen kurzen, schuldbewussten Blick. Gewaschen? Von Waschen war nicht die Rede gewesen, nur von Duschen. Ich bin Zeugin, hab es genau gehört.

»Hat's euch jetzt die Sprache verschlagen, oder was? Nicht so schüchtern, wenn ich bitten darf. Na, wenigstens seid ihr nass, dann kann's ja losgehen. Also, passt auf, dieses große Schwimmbecken ist unterschiedlich tief, klar? Das kleinere, abgesperrte Feld bis zu der roten Leine da drüben, das ist das Nichtschwimmerbecken. Da könnt ihr drin stehen.«

Wir waren doch nicht hier, um im Wasser herumzustehen. Wir wollten schwimmen! Etna und ich konnten ewig die Luft anhalten, wie wir aus der heimischen Badewanne wussten. Nichts stand also Lisas Konzentration auf das Schwimmenlernen im Wege.

»Ihr verlasst das Nichtschwimmerbecken nicht, bis ich es euch erlaube, habt ihr das verstanden?«, fragte der Riese drohend.

Lisa und Marie nicken. Lisa schaute sehnsüchtig auf das viel größere Becken rüber, in dem sich auch ein paar Kinder tummelten. Ältere Kinder, aber eben andere Kinder zum Spielen, vielleicht.

»Wann können wir denn in das große Becken?«, fragte Lisa hoffnungsvoll.

»Oho, da will jemand hoch hinaus, ich merk schon«, sagte der Riese. »Aber Schluss jetzt, ab ins Wasser mit euch!«

Beide Mädchen liefen auf die Stufen ins Nichtschwimmerbecken zu. Lisa steckte vorsichtig den großen Zeh ins Wasser, um die Temperatur zu prüfen.

»Igitt, das ist ja eiskalt!«, rief sie.

Marie tat es ihr nach. »Puh, eiskalt vielleicht nicht, aber kalt, echt kalt!«

»Frostbeulen, ihr zwei, was?«, grölte der Bademeister. »Macht keine Faxen, hopp, hopp, rein ins frische Nass.«

Bibbernd standen sie nun im Pool. Auch ich bekam eine picklige Gänsehaut. Bevor ich jemals in irgendein Wachstumsstadium kommen sollte, würde ich höchstwahrscheinlich den Nichtschwimmerbeckenerfrierungstod sterben und sang- und klanglos dunkellila gefroren abfallen. Neben mir japste Etna verzweifelt vor sich hin, bevor sie frierend in eine Art Schicksalsergebenheitsstarre, sank.

»Als Erstes üben wir das Gleiten«, vernahmen die Mädchen von dem Riesen am Beckenrand. »Ihr stoßt euch mit den Füßen ab, streckt die Arme nach vorne, Gesicht flach aufs Wasser, und lasst euch einfach gleiten. Lisa zuerst.«

Lisa streckte die Arme vor und ließ sich gleiten.

Lisa ging unter wie ein Stein.

Marie zog sie an einem Badeanzugträger wieder an die Wasseroberfläche. Nachdem Lisa das Wasser aus ihrem Mund ausgespuckt hatte, funkelte sie den Bademeister böse an.

»Das funktioniert nicht. Kann ja auch gar nicht. Ich bin ja kein Fisch, oder?«

»Nun werd hier mal nicht frech, kleine Dame. Du hast dich mit den Füßen nicht richtig abgestoßen. Gleich noch mal, du auch Marie.«

Nach wie vor war ein Fehler im System. Marie und Lisa husteten abwechselnd und verzogen dabei angeekelt das Gesicht, weil Chlorwasser ganz offensichtlich nicht gerade zur Kategorie köstlicher Delikatessen gehörte.

»Meine Augen brennen«, jammerte Marie. Sie schaute Lisa forschend ins Gesicht. »Deine auch?«

Lisa nickte. »Und wie! Uns brennen die Augen!«, rief sie dem Bademeister mutig zu und zog dabei einen beleidigten Flunsch.