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Hermann Schladt (Hrsg.)

In ihrem Bann - Von Werwölfen und anderen Gestaltwandlern - Band 1





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80331 München

Vorspann

Düstere Welten – Band 8

Hermann Schladt – In ihrem Bann – Von Werwölfen und anderen Gestaltwandlern, Band 1

1. eBook-Auflage – Juli 2013

© vss-verlag Hermann Schladt

Titelbild: Lothar Bauer

Lektorat: Hermann Schladt

 

 

Hermann Schladt (Hrsg.)

 

Von Werwölfen und anderen Gestaltwandlern

 

Anthologie zum Story-Wettbewerb des vss-verlag

 

Band 1

 

In ihrem Bann

Vorwort

 

“Von Werwölfen und anderen Gestaltwandlern” ist der zehnte und bisher erfolgreichste Story-Wettbewerb des vss-verlags. Und das nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Sicht.

So sah sich die Jury vor die Mammutaufgabe gestellt, 118 Beiträge bewerten zu müssen. Die meisten trafen erst kurz vor Einsendeschluss ein; viele bewegten sich in ihrer Länge am vorgegebenen Limit. Kein Wunder, dass es fast ein halbes Jahr gedauert hat, bis endlich das Ergebnis verkündet werden konnte.

Und zu den zehn platzierten Storys wurde weitere vierzig Geschichten für würdig befunden, in der Anthologie – besser gesagt in den Anthologien – veröffentlicht zu werden. Ein Beitrag wurde leider vom Autor zurückgezogen, sodass in den fünf Anthologiebänden jetzt 49 Kurzgeschichten veröffentlicht werden.

Wenn man auf das Teilnehmerfeld schaut, ergibt sich ein sehr buntes Bild. Alle „Altersklassen“ sind vertreten, von ganz jungen Autorinnen und Autoren, bis hin zu lebenserfahrenen älteren Schriftstellern und Schriftstellerinnen. Für etliche ist die Story in diesen Bänden ihre erste Veröffentlichung, andere haben eine Bibliografie, deren Umfang schon fast die Länge eine Shortstory erreicht.

Und ich bin sicher und hoffe von ganzem Herzen, das auch in diesen Anthologien wieder der ein oder andere Name auftaucht, der in der Zukunft einen guten Klang in der deutschsprachigen Literaturszene erlangen wird.

In diesem Sinne nochmals ein herzliches Dankeschön an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer an unseren Wettbewerb, und alles Gute und viel Erfolg beim künftigen Schreiben.

 

Hermann Schladt

Herausgeber

 

 

Die Top-Ten des Wettbewerbs

 

1. Melanie Brosowski In ihrem Bann

2. Daniel Huster Die letzten Gesichter

3. Karin Jirsak * H *

4. Heike Pauckner Mörder am Fluss

5. Holger W. Jörg Die Geschichte vom Wolfstöter

6. Corinne Hocke Die Farbe der Unschuld

7 Matthias Bäßler Der Ruf des Wendigo

8 Carola Ruder Nachts

9 Nora Spiegel Das Seehundfell

10 Rahel Meister Hungrig

 

Und hier die neunuddreißg Storys, die ebenfalls veröffentlicht werden:

 

Schirin Abomaali Der sterbende Wolf

Leonie Arnold Ben

Elisa Bergmann Es ist ein Band von meinem Herzen

Thomas Bilicki Das Tier in mir

Kathrin Breimeier & Sophie Großmann Der Weihnachtsstern

Norbert Faulhaber Terror auf dem Campus

Katharina Glas Agonie

Caroline Gützer Streuner

Ernst-Diedrich Habel Werwölfe im Harz

Andreas Haider Hell in Purgatory City

Bianca Heidelberg Die Füchsin

Marina Heidrich G2 Alpha

Klaus Held Das rauchlose Feuer

Jessica Iser Wolfstod

Philip C. Kasten Blutmond über dem Ebertal

Monika Klein Hallo Fetty

Kerstin Kramer Valeria

Doris Krüger Seelenwechsler

Barbara Ulrike Laimer Einsatz auf CeBaRem

Violetta Leiker Wer einmal lügt

Manfred H. Lipp Feuersturm

Katharina Lohmann Zyklus

Gabriel Maier Die Wolfsfalle

Tanja Rosenbaum Schimmer

Paul Sanker Unerwartete Gäste

Maren Schaefer Von Holzpuppen und anderen Menschen

Erik Schreiber Werwolf

Martin Spiegelberg Schwein ist mein ganzes Herz

Ylva Spörle Gerufen

Katharina Stein Erwachender Instinkt

Patricia Strunk Zimmer 26

Björn Sünder Abdrücke

Hagen van Beeck Ein Vampirmädchen Namens Rosalie

Bianca Volz Schattenwein

Wanda Wälich Roter Schnee

Marcus Watolla Der Clan der Zigeuner

Günter Wirtz Odins Gabe

Volker Wittmann Landung auf Kepler 186f

 

Melanie Brosowski - In ihrem Bann

 

 

Die Disco war zum Brechen voll. Es war mir viel zu laut, es war verqualmt, stickig - und eigentlich fragte ich mich, was ich hier zu suchen hatte. Discos waren normalerweise nicht mein Ding. Eher gemütliche Kneipen oder kleine Bars, im Zweifelsfalle auch ein nettes Café, wo man einen guten Latte macchiato bekommen konnte. Mit einer großen Schaumkrone und Karamellsoße. Kalorien pur – aber meiner Meinung nach das beste Getränk auf dieser korrupten und staubigen Erdkugel.

Ich hatte gerade einen Wendigo erledigt und mir in meinem billigen Motelzimmer in Wisconsin das Blut von meinem geschundenen Körper gewaschen. Ich hatte dutzende blaue Flecke und mir eine Rippe zumindest geprellt, wenn nicht sogar angebrochen. Wogegen man ohnehin nicht viel tun konnte außer Eis gegen die Schwellung und ein paar Tabletten gegen die Schmerzen. Zusammen mit einem Schluck Whisky hätten sie für einen ruhigen Schlaf gesorgt – unter Umständen sogar für immer.

Es war Samhain, die Nacht der Nächte, eines der vier bedeutenden keltischen Feste und der Beginn des keltischen neuen Jahres. Zumindest für die Menschen, die daran glaubten. Für alle anderen war es eine Nacht wie jede andere.

Nicht jedoch für mich. Denn ich bin eine Jägerin und was in jener Nacht vor einem Jahr geschah werde ich nie vergessen.

Nur zu Samhain steht das Tor zur anderen Welt offen und wer kann, sollte besser zu Hause bleiben und Fenster und Türen verbarrikadieren. Zu groß ist die Gefahr, dem Unterweltsgott Cenn Crúach geopfert zu werden – oder in den Händen eines der zahlreichen Monster sein grausames Ende zu finden.

Aberglaube? Das habe ich auch mal gedacht, vor langer Zeit. Doch ich wurde schon früh eines Besseren belehrt. Nämlich als ein Werwolf vor meinen Augen meine Eltern zerfleischte. Es war im Gunnison National Forest von Colorado. Wir haben dort gecampt. Ich war zehn. Noch heute träume ich in manchen Nächten davon, wie ihr Blut auf mich spritzt und an die Zeltwand. Wie der Schädel meines Vaters mit einem schauderhaften Knacken brach und Gehirnmasse auf den Boden fiel. Wie meine Mutter schrie und dieses Untier ihr mit einem einzigen Hieb den Brustkorb aufriss. Dieser Geruch nach Blut und Eingeweide, nach dem nassen Fell, nach Angst und Erde …

Drei Schüsse beendeten das Grauen. Ich starrte lange auf den Werwolf, der sich in seinem Tod zurück verwandelte in einen Park-Ranger, der, der uns noch vor wenigen Stunden vor den Gefahren des Waldes gewarnt hatte, uns eingeschärft hatte, ja kein offenes Feuer zu machen und den Müll wieder mitzunehmen.

Und so kam ich zu meinen Großeltern, ein verstörtes Kind mit zwei geflochtenen Zöpfen, das angeblich von Werwölfen sprach, weil es den Tod der Eltern nicht verkraftete. Doch ich wusste es besser und als ich alt genug war, ging ich in die Lehre bei dem Jäger, der mein Leben rettete.

Er brachte mir alles bei, was ich wissen und können musste. Wie man Gestaltwandler und Werwölfe bekämpft, wie man schießt und Fallen baut, wie man ungesehen in Gebäude reinkommt, wie man Auto fährt und Telefone abhört, wie man die Polizei beschwichtigt und Kreditkarten fälscht. Denn Geld brachte die Jagd nach Monstern nicht ein und das Ersparte meiner Eltern war schon bald aufgebraucht. Ab und zu kellnere ich oder jobbe an einer Tankstelle. Bis ich genug Geld für eine Weile habe und weiter ziehen kann. Zu meinem nächsten Fall, zum nächsten Vampir, zum nächsten Chupacabra.

Nicht alle sogenannten Monster waren böse. Das lernte ich im Laufe der Zeit, der Jahre. Aber viele. Zu viele von ihnen.

Habe ich Gewissensbisse sie zu töten?

Nein. Nein, das habe ich nicht. Ich zögere nicht, wenn diese Kreaturen mich angreifen oder um ihr Leben flehen. Das kann ich mich nicht erlauben. Skrupel und Mitleid sind in diesem Job fehl am Platz …

Aber die meisten Menschen wissen von dieser Gefahr nichts, und das ist gut so. Um sie zu beschützen gibt es schließlich unsereins. Jäger … Unser Wissen wird von Generation zu Generation weiter gegeben, vom Vater zum Sohn, von Mutter zu Tochter. Familiengeheimnisse. Niemand weiß wie viele es von uns wirklich gibt. Wir arbeiten meist des Nachts, allein, im Verborgenen, im Geheimen. Wir haben keine Lobby, keine Gewerkschaft – höchstens ein Waffenmagazin-Abo, unbezahlte Arztrechnungen und verdammt hohe Spritkosten.

Ich seufzte, ging an die Bar und bestellte mir den ersten Drink dieses Abends. Ich wollte nicht mehr darüber nachdenken. Ich wollte unter fröhlichen Menschen sein, das Leben spüren, wissen, wozu ich das alles tat ... Vielleicht ein kurzes Abenteuer. Ein wenig Spaß. Schneller, unverbindlicher Sex mit einem einigermaßen gutaussehenden Mann. Kein Gequatschte, keine Telefonnummerngetausche, kein „Wann sehen wir uns wieder“ …

Der Wendigo war nicht mein erster Jagderfolg gewesen in jener Nacht. Doch ich hatte irgendwann aufgehört die Leben zu zählen, die ich genommen hatte.

Der Alkohol stieg mir ziemlich schnell in den Kopf. Und dennoch bestellte ich einen weiteren Drink.

Und dann … sah ich sie.

Durch den künstlichen Nebel im wechselnden Licht der Kugel.

Ihre makellose, fast schneeweiße Haut schien die Lichtblitze seltsam zu reflektieren, wie die Schuppen einer Schlange.

Ich schüttelte den Kopf. Zuviel Alkohol, eindeutig. Oder Glitzerspray …

Nie würde ich mich so aufdonnern; eine enge Jeans und ein tief ausgeschnittenes Top war schon das höchste der Gefühle.

Sie tanzte; aufreizend, erotisch, herausfordernd. Die Männer starrten sie an. Sabber lief dem braunhaarigen Muskelprotz neben mir das Kinn hinab. Diese Gier widerte mich an.

Oh ja, sie war eine von jeder Sorte, die jeden haben konnte. Mit nur einem Schlag ihrer garantiert falschen Wimpern. Die konnten einfach nicht echt sein …

Groß, schlank und verdammt gutaussehend. Mit vollen Lippen und langen Haaren.

Der Song, zu dem sie tanzte, passte zu ihr.

 

Dein Blick, der mich gefangen nimmt.

Ein Blick, und alles ist zu spät.

Dein Gift, das in meinen Adern fließt, das mich verzehrt.

Und ich verzehre mich nach dir.

 

Ich grinste. Ich war höchstens der Kumpel-Typ. Absolut kein Vergleich zu ihr.

Aber sie schien an jenem Abend nicht interessiert zu sein. Einen nach dem anderen ließ sie abblitzen. Den Muskelprotz, den guten Tänzer, den John Wayne Verschnitt, den Macho und auch den Möchtegern Cowboy.

Dann strich sie sich plötzlich eine Strähne ihres feuerroten Haares aus der Stirn und kam zu mir rüber an die Bar. Das heißt, sie schritt. Glitt wie eine Katze über das Parkett mit einem Hüftschwung, der seinesgleichen suchte.

Sie trug einen schwarzen Rock und ein Top, hohe Schuhe und ihre Lippen waren so rot wie Blut.

Wie das Blut, das sich vorhin unter der Dusche mit dem Wasser vermischt hatte …

Ich starrte sie an, starrte auf ihre Lippen, die sie sich leckte, in ihre glänzenden Augen, die so grün waren wie Smaragde und so tief wie das Meer.

Sie erinnerten mich mit ihren schmalen Pupillen an Katzenaugen.

Und die mich irgendwie gefangen nahmen.

Noch immer lief dasselbe Lied, offenbar in der Extended Version.

 

Deine roten Lippen, dein Netz, das mich gefangen hält …

Ich will mich wehren, doch ich kann es nicht.

Doch …. Will ich es wirklich?

 

Sie stellte sich neben mich an die Bar und bestellte einen Cocktail. Einen Mai Tai, um genau zu sein. Ich roch den Rum. Der Barkeeper verschüttete Limettensaft auf dem Tresen.

Ich sah sie von der Seite her an. Als sie meinen Blick bemerkte, lächelte sie und blinzelte.

Für einen Moment hatte ich den Eindruck, etwas Weißes, Verschwommenes lege sich über ihre Augen.

„Nette Kette!“ Ihre Stimme war sanft, wie ein Schnurren; leise, und doch übertönte es seltsamerweise die laute Musik und das Stimmengewirr um uns herum.

Sie hatte es also gesehen; meine Silberkette mit dem Kreuz daran.

Ich legte sie nie ab, nicht einmal wenn ich schlief. Sie sollte mich beschützen.

Für einen Moment überkam mich ein seltsames Gefühl. Ich musterte sie genauer – diesmal mit dem geschulten Blick einer Jägerin.

Ich hatte schon mal von so genannten Formwandlern gehört, aber außer dem Werwolf noch nie einen gesehen. Vielleicht …

Sie lachte und ein Schauer raste über meinen Rücken; begann an meinem Hinterkopf, rann über den Nacken hinunter und endete ein ganzes Stück tiefer.

Mit dem Glas in der Hand ging sie an mir vorbei; ihr Parfüm stieg mir in die Nase, betörte mich. Es war ein schwerer, süßer Geruch – Bergamotte, Jasmin, Vanille, Myrrhe …

Heute weiß ich, dass es mich willenlos machte.

Es war kein Parfüm, es müssen Pheromone gewesen sein.

Ich schloss kurz die Augen; spürte, wie sie mit einer ihrer Hände kurz meinen Nacken streifte, ehe sie wieder im Getümmel verschwand. Ich holte tief Luft. Was war nur mit mir los?
Es musste am Alkohol liegen. Bestimmt. Ich stand schließlich nicht auf Frauen.

Ich lehnte mich gegen die Theke und sah zur Tanzfläche.

Sie tanzte wieder, sah mich immer wieder dabei an.

Ich war verlegen, sah weg.

Moment mal, was …? Flirtete sie da etwa gerade mit mir?

Nein … nein … ich musste mich irren!

Ich bestellte mir einen weiteren Drink. Einen teuren Whisky, zur Feier des Tages. Der wievielte war das? Keine Ahnung, egal.

Mir war plötzlich warm …

Ich sollte aufhören zu trinken, dachte ich. Schließlich musste ich auch wieder ins Motel zurück und am nächsten Tag früh raus. In der Nähe von La Crosse hatte es einige ungewöhnliche Todesfälle gegeben. Leichen mit herausgerissenen Herzen waren gefunden wurden, vier bisher. Vielleicht war es das Werk eines Serienkillers, der aus welchen Gründen auch immer einen Hass auf Männer hatte, denn alle Opfer waren männlich und älter als 50 gewesen. Möglicherweise ein Vaterkomplex. Die Polizei hatte bereits ein Sonderkommando gebildet und wie ich gehört hatte sollten auch ein paar FBI Agenten auf dem Weg sein. Es wurde also höchste Zeit, dass ich mich auf den Weg dorthin machte, bevor das Pflaster für mich zu heiß wurde.

Wahrscheinlich bildete ich mir das Ganze ein. Welche Frau würde schon ausgerechnet auf mich stehen? Das taten ja nicht einmal Männer … Jedenfalls nicht viele. Den meisten war ich zu selbstbewusst. Spätestens wenn sie die Waffe unter meinem Kopfkissen bemerkten nahmen sie Reißaus.

Ich sollte gehen. Mich ins Bett legen, ausschlafen. Ich hatte ganz in der Näher ein ansprechendes Diner gesehen. Dort würde ich frühstücken. Danach kurz packen, auschecken, tanken und mich auf den Weg machen.

Ich trank das Glas viel zu schnell leer, bezahlte und wollte aus der Disco stürzen, da stand sie plötzlich wieder vor mir. Und ehe ich reagieren konnte hatte sie ihre Lippen auf meine gepresst. Sie waren warm und weich und sie schmeckten süß. Nach Kandissirup und Rum.

Ihre Zunge fand ihren Weg in meinen Mund, erkundete ihn geschickt; gekonnt, fordernd.

Ich keuchte auf.

„Du willst doch nicht etwa schon gehen, oder?“, raunte sie.

Ich war überrascht. Verwirrt. Wütend. Alles zusammen.

Was erlaubte sie sich eigentlich? Sah ich etwa aus wie eine Lesbe? Und selbst wenn – was ich nicht glaube und es auch bis heute nicht tue – ich war schließlich kein Freiwild.

Andererseits spürte ich, wie das Blut durch meine Adern raste, wie ich rote Wangen bekam und wie sich – verdammt noch mal! – ein Kribbeln zwischen meinen Beinen breit machte.

Sie schien es zu bemerkten, lachte – nahm mich plötzlich bei der Hand, zog mich hinter sich her, die Treppe runter zu den Toiletten. Drängte mich in eine der Kabinen und schloss hinter sich die Tür.

Oh Gott, was tat sie hier mit mir? Was hatte sie vor?

Das war … nicht richtig …

Sie drängte mich mit dem Rücken gegen die Wand; die dünne Trennwand knarrte beunruhigend. Sie küsste mich erneut und meine Lippen öffneten sich bereitwillig für sie, während sie ihre Hand unter mein Oberteil gleiten sie.

Ich ließ den Kopf nach hinten sinken … mein Atem beschleunigte sich; ich spürte den ihren an meinem Hals.

Jeder Fluchtgedanke meinerseits verflüchtigte sich. Mein Denken setzte aus, vollkommen. Nur noch mein Körper schien zu existieren.

Ihre Berührungen erregten mich.

Ich stöhnte leise auf, wusste nicht, wie mir geschah, wie mich eine Frau so anmachen konnte; sie, deren Namen ich nicht einmal kannte.

„Du gefällst mir“, raunte sie und öffnete geschickt meinen BH. Endlich spürte ich ihre Haut auf der meinen. Sie war erstaunlicherweise kalt …

Meine Knie gaben ein wenig nach, doch sie hielt mich.

Wie ein Opfer – wie eine Spinne ihre Beute.

Ich hatte Angst, dass uns jemand hörte, doch sie anscheinend nicht. Für sie existierte offenbar nur ihre Lust …

Sollte ich nicht irgendetwas tun? Ich war eine Frau … eine Jägerin … ich sollte mich wehren, sie von mir stoßen und ihr im Zweifelsfall das Messers durchs Herz rammen …

Aber ich tat nichts von alledem. Das war nicht mehr ich.

Vollkommen willenlos schloss ich die Augen.

Mein Mund war seltsam taub.

Ihre Rechte glitt hinab.

Spitze Krallen fuhren zärtlich über meine Haut, hinterließen einen Schauer.

Ohne zu zögern bahnte sie sich einen Weg in meine Jeans …

Ich spürte raue Schuppen auf meiner Haut. Eine lange, nasse Zunge. Spitze Zähne, die sich vorsichtig in meinen Hals gruben …

Wir fuhren in mein Motel, verbrachten die restliche Nacht miteinander.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war sie fort.

Ich suchte sie, überall, monatelang. Doch ich konnte sie nicht finden, wusste ich doch noch nicht einmal ihren Namen.

Aber selbst wenn ich ihn gekannt hätte, hätte es mir vermutlich nichts genutzt.

Denn ich weiß, sie war nicht von dieser Welt.

In drei Tagen ist wieder Samhain.

Ich werde da sein. In der Disco. An der Theke.

Und auf sie warten.

Meine Hand streicht über meinen Bauch.

Wir … werden auf sie warten.

Wenn sie kommt, um wieder Beute zu machen, werde ich sie aufhalten.

Ich werde sie töten, egal wie.

Zuerst sie und dann dieses … dieses Etwas in meinem Bauch.

Vorausgesetzt es zerreißt mich nicht, wenn meine Zeit als Brutkasten abgelaufen ist.

Ich spüre das Leben in mir, dieses fremde Ding. Dieses Monster. Es bewegt sich, von Tag zu Tag mehr.

Vor ein paar Wochen war ich bei einem befreundeten Arzt. Was ich beim Ultraschall sah ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.

Ein … Etwas. Ein Ding, halb Mensch, halb … was auch immer.

Ich hoffe, dass ich bis dahin durchhalte. Dass mein Körper mir keinen Strich durch die Rechnung macht. Dass sie kommt, um ihr Kind zu sehen.

Ich will Rache für das, was sie mir angetan hat. Und ich werde es auf keinen Fall zulassen, dass sie dieses … Ding bekommt und es mitnimmt.

Ich werde diesem Monster nicht erlauben auf die Welt zu kommen und Angst und Schrecken zu verbreiten.

Es wird zusammen mit mir sterben.

Mark wird mir dabei helfen. Ich weiß, dass es ihm schwer fallen wird mich zu töten und meine Leiche zu verbrennen. Aber es ist der einzige Weg, die einzige Möglichkeit diese Welt zu schützen.

Es ist zu gefährlich zu warten. Solange es noch in mir ist, ist es sicherer.

Ich liege auf dem Sofa, spüre Marks Hand auf meiner Stirn. Ich lächle müde. Sehe zur Uhr. Höre ihr Ticken.

Ein Tritt in meinem Bauch.

Ich zucke zusammen.

Das Warten fällt mir schwer …

Dann ist es endlich so weit.

Mark bereitet alles vor. Er ist still geworden, versucht immer wieder es mir auszureden, geht schließlich hinaus, um eine zu rauchen.

Ich geh duschen, mache mich fertig. Im Bad stelle ich leise das Radio an. Der Sender spielt eines meiner Lieblingslieder, ich summe unwillkürlich mit, obwohl mir nicht danach ist.

Die Tür des Motelzimmers ging wieder auf, ich höre Marks Schritte.

Doch als ich aus dem Bad komme steht sie vor mir.

Ihr Körper befindet sich noch in der Umwandlung. Sie trägt Marks Stiefel – seine geliebten Cowboystiefel, seine abgewetzten Hosen, den breiten, maßangefertigten Gürtel … dann kommt der nackte Oberkörper einer Frau und ein Gesicht, das noch zum Teil mit Schuppen bedeckt ist.

Ihre gespaltene Zunge zuckte über ihre vollen Lippen.

Adrenalin rast durch meinen Körper.

Ich habe damals einen Fehler gemacht und ich habe teuer dafür bezahlt.

Meine Rechte greift zum Messer auf dem Tisch.

Sie ist früher hier, als ich gedacht hatte.

Aus den Augenwinkeln sehe ich Mark, wie er leise das Motelzimmer betritt.

Dann bricht die Hölle los …

Ich höre die Schüsse … Spüre den Schmerz … Hände … warmes Blut … Schreie …

Ein Kratzen über dem Boden, ein Schatten, ein flüchtendes Etwas … Richtung Tür … in die Nacht …

In die Dunkelheit …

Dunkel …