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Hermann Schladt (Hrsg)

Unerwartete Gäste - Von Werwölfen und anderen Gestaltwandlern Band 2





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Vorspann

Düstere Welten – Band 9

Hermann Schladt – Unerwartete Gäste – Von Werwölfen und anderen Gestaltwandlern, Band 2

1. eBook-Auflage – April 2015

© vss-verlag Hermann Schladt

Titelbild: Lothar Bauer

Lektorat: Hermann Schladt

 

 

Hermann Schladt (Hrsg.)

 

Von Werwölfen und anderen Gestaltwandlern

 

Anthologie zum Story-Wettbewerb des vss-verlag

 

Band 2

 

Unerwartete Gäste

Vorwort


“Von Werwölfen und anderen Gestaltwandlern” ist der zehnte und bisher erfolgreichste Story-Wettbewerb des vss-verlags. Und das nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Sicht.

So sah sich die Jury vor die Mammutaufgabe gestellt, 118 Beiträge bewerten zu müssen. Die meisten trafen erst kurz vor Einsendeschluss ein; viele bewegten sich in ihrer Länge am vorgegebenen Limit. Kein Wunder, dass es fast ein halbes Jahr gedauert hat, bis endlich das Ergebnis verkündet werden konnte.

Und zu den zehn platzierten Storys wurde weitere vierzig Geschichten für würdig befunden, in der Anthologie – besser gesagt in den Anthologien – veröffentlicht zu werden. Ein Beitrag wurde leider vom Autor zurückgezogen, sodass in den fünf Anthologiebänden jetzt 49 Kurzgeschichten veröffentlicht werden.

Wenn man auf das Teilnehmerfeld schaut, ergibt sich ein sehr buntes Bild. Alle „Altersklassen“ sind vertreten, von ganz jungen Autorinnen und Autoren, bis hin zu lebenserfahrenen älteren Schriftstellern und Schriftstellerinnen. Für etliche ist die Story in diesen Bänden ihre erste Veröffentlichung, andere haben eine Bibliografie, deren Umfang schon fast die Länge eine Shortstory erreicht.

Und ich bin sicher und hoffe von ganzem Herzen, das auch in diesen Anthologien wieder der ein oder andere Name auftaucht, der in der Zukunft einen guten Klang in der deutschsprachigen Literaturszene erlangen wird.

In diesem Sinne nochmals ein herzliches Dankeschön an alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer an unseren Wettbewerb, und alles Gute und viel Erfolg beim künftigen Schreiben.


Hermann Schladt

Herausgeber


Die Top-Ten des Wettbewerbs


1. Melanie Brosowski In ihrem Bann

2. Daniel Huster Die letzten Gesichter

3. Karin Jirsak * H *

4. Heike Pauckner Mörder am Fluss

5. Holger W. Jörg Die Geschichte vom Wolfstöter

6. Corinne Hocke Die Farbe der Unschuld

7 Matthias Bäßler Der Ruf des Wendigo

8 Carola Ruder Nachts

9 Nora Spiegel Das Seehundfell

10 Rahel Meister Hungrig


Und hier die neunuddreißg Storys, die ebenfalls veröffentlicht werden:


Schirin Abomaali Der sterbende Wolf

Leonie Arnold Ben

Elisa Bergmann Es ist ein Band von meinem Herzen

Thomas Bilicki Das Tier in mir

Kathrin Breimeier & Sophie Großmann Der Weihnachtsstern

Norbert Faulhaber Terror auf dem Campus

Katharina Glas Agonie

Caroline Gützer Streuner

Ernst-Diedrich Habel Werwölfe im Harz

Andreas Haider Hell in Purgatory City

Bianca Heidelberg Die Füchsin

Marina Heidrich G2 Alpha

Klaus Held Das rauchlose Feuer

Jessica Iser Wolfstod

Philip C. Kasten Blutmond über dem Ebertal

Monika Klein Hallo Fetty

Kerstin Kramer Valeria

Doris Krüger Seelenwechsler

Barbara Ulrike Laimer Einsatz auf CeBaRem

Violetta Leiker Wer einmal lügt

Manfred H. Lipp Feuersturm

Katharina Lohmann Zyklus

Katharina Ludwig Mitena – Das Schattenkind

Gabriel Maier Die Wolfsfalle

Tanja Rosenbaum Schimmer

Paul Sanker Unerwartete Gäste

Maren Schaefer Von Holzpuppen und anderen Menschen

Erik Schreiber Werwolf

Martin Spiegelberg Schwein ist mein ganzes Herz

Ylva Spörle Gerufen

Katharina Stein Erwachender Instinkt

Patricia Strunk Zimmer 26

Björn Sünder Abdrücke

Hagen van Beeck Ein Vampirmädchen Namens Rosalie

Bianca Volz Schattenwein

Wanda Wälich Roter Schnee

Elisa Bergmann - Es ist ein Band von meinem Herzen



Leise fluchend humpele ich durch die Dunkelheit. Ich werde einfach zu alt für diese Späßchen. Wenige Minuten vorher, hatte ich mich mühevoll an der Mauer des kleinen Parks hinaufgezogen und war dann wie ein nasser Sack auf der anderen Seite hinunter geplumpst. Das hatte ein aufgerissenes Hosenbein und einen verstauchten Knöchel zur Folge gehabt. Warum konnte es nie ein bisschen einfacher laufen? Als ich mit dem Schuh gegen eine Wurzel stoße, schreie ich beinahe laut auf vor Schmerz, kann es mich dann aber gerade so beherrschen… denn ich bin vielleicht ein alter Tollpatsch, aber dumm bin ich nicht! Auch wenn es vielleicht gerade nicht so danach aussieht. Denn wer bricht schon freiwillig in finsterer, kalter Nacht in den gut bewachten Schlosspark der Fürstenfamilie ein?

Naja, jedenfalls habe ich nun beinahe mein Ziel erreicht. Als ich es leise plätschern höre, suche ich mir einen großen Busch und beginne mich auszuziehen. Sofort überzieht sich mein Körper mit einer Gänsehaut und meine Zähne klappern. Was für eine Schweinekälte, hoffentlich lohnt sich die ganze Mühe!

Ich knülle meine Kleider zu einem festen Bündel zusammen und stopfe sie unter einen der Rhododendronbüsche, die hier überall wachsen. Ich will gerade aus meine Deckung verlassen, da taucht ein Licht zwischen den Bäumen auf, und sofort lasse ich mich zu Boden fallen.

Der alte Parkwächter kommt den Weg entlang geschlendert. Gemächlich dreht er seine Runden, summt leise vor sich hin und raucht dabei ein Pfeifchen. Langsam geht er an dem Gebüsch vorbei, hinter dem ich im kalten Matsch liege und meine Beine vor Kälte nicht mehr spüren kann. Verdammt, kann sich der Opa nicht ein bisschen beeilen?

Nach einer gefühlten Ewigkeit verschwinden Wächter und Licht wieder zwischen den Bäumen und ich stehe vorsichtig auf. Meine Gelenke knacken und meine Knie tun weh, ja, ich werde definitiv zu alt für den Job!

Müde und unterkühlt schleppe ich mich auf eine kleine Lichtung auf der ein kleines, Wasserbecken angelegt wurde. Ich betrachte die blühenden Seerosen im hellen Mondeslicht. Perfekt, Seerosen sorgen für die richtige Stimmung und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass das Mädchen bald wieder zum See kommt. Ich sehe auch mein eigenes Gesicht blass im Wasser schwimmen. Meine Schläfen sind grau geworden und mein einst so volles Haar hat sich im Laufe der Zeit ziemlich gelichtet. Ich seufze. Jedes Mal sage ich mir, dass es das letzte Mal ist, und jedes Mal stelle ich fest, dass ich dieses Leben einfach nicht aushalte und fliehe. Nur um dann bald wieder Geld zu brauchen und dann mache ich mich erneut auf die Jagd.

Ich setze mich auf den Rand des Brunnens und lasse mich ins Wasser gleiten. Eiskalte Brühe umfängt mich, und sobald ich den Grund erreiche, spüre ich den Schlamm zwischen meinen Zehen. Bibbernd stehe ich nun im Schlossteich. Und es ist nicht nur die Kälte die mich zum Zittern bringt. Ich habe Angst. Denn jetzt kommt der Schlimmste Teil an der ganzen Sache. Egal, Augen zu und durch. Ich habe das hier schließlich schon etliche Male gemacht.

Und dann schließe ich tatsächlich die Augen und konzentriere mich. Zunächst höre ich noch leise den Wind in den Bäumen rascheln, dann schließe ich auch dieses letzte Geräusch aus und höre nur noch meinen eigenen Herzschlag. Und dann beginnt es. Zuerst ist es so als würde sich meine gesamte Haut mit dem Schlamm aus dem Tümpel überziehen. Kalt und weich, und eigenartig riechend. Dann beginnt das Ziehen. Zunächst gar nicht so unangenehm, ein bisschen so, als würde man sich nach einem langen Nickerchen strecken. Tatsächlich passiert aber genau das Gegenteil. Und dann wird es schmerzhaft, so richtig schmerzhaft! Es ist als würde mir jeder Knochen im Leib gebrochen werden. Meine Muskeln brennen wie Feuer und meine Innereien scheinen sich zu verflüssigen. Und genau in dem Moment, in dem ich glaube, dass ich es nicht mehr aushalte und einfach sterben werde, weil mein Herz zerspringt, hört es plötzlich wieder auf. Und dann sitze ich, ein kleines, hässliches Etwas am Grund des Teiches und muss mich von der qualvollen Anstrengung erholen.

Aber nun ist es fast geschafft. Und dann raffe ich mich ein letztes Mal auf und tauche nach dem goldenen Ding. Denn es gibt immer einen verlorenen goldenen Gegenstand, einen Kamm, einen Ring, einen Ball… und wenn ich ihn schließlich gefunden habe, dann warte ich erschöpft auf den beginnenden Tag und die wärmende Sonne, und darauf, dass die Show beginnt… denn jede Prinzessin liest Märchen und jede glaubt fest daran, dass der Prinz auf dem weißen Pferd kommt und sie wach küsst oder dass sie ihn nur von seinem schrecklichen Fluch befreien muss und dann für immer und ewig glücklich sein wird… und ich muss nur noch brav mein Sprüchlein aufsagen und schon sind sie hin und weg… und wieder lasse ich mich von einer Königstochter an die Wand klatschen! Was für ein harter Job!