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Dionysius Areopagita

Über alles Licht erhaben

topos taschenbücher, Band 1009

Eine Produktion des Verlages Butzon & Bercker

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Verlagsgemeinschaft topos plus

Eine Initiative der

www.topos-taschenbuecher.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-8367-1009-1

E-Book (PDF): ISBN 978-3-8367-5012-7

E-Pub: ISBN 978-3-8367-6012-6

Der Text der deutschen Übersetzung von Edith Stein ist zugänglich im Intranet des Edith-Stein-Archivs, Köln. Orthografie und Interpunktion wurden den heute geltenden Regeln angepasst. Die Anmerkungen stammen, wenn nicht ausdrücklich anders vermerkt, vom Herausgeber, Bruno Kern.

2015 Verlagsgemeinschaft topos plus, Kevelaer

Das © und die inhaltliche Verantwortung liegen beim

Verlag Butzon & Bercker, Kevelaer.

Umschlagabbildung: © Simbär – photocase.de

Einband- und Reihengestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart

Satz: SATZstudio Josef Pieper, Bedburg-Hau

Herstellung: Friedrich Pustet, Regensburg

Printed in Germany

Inhalt

Die erstaunliche Karriere eines Namenlosen

Mystische Theologie

Von den göttlichen Namen

Himmlische Hierarchie

Kirchliche Hierarchie

Anmerkungen

Weiterführende Literatur

Die erstaunliche Karriere eines Namenlosen

Das Rätsel darum, wer sich hinter den Schriften verbirgt, die heute als Corpus Dionysiacum bekannt sind, wird wohl niemals gelöst werden. Fest steht jedenfalls, dass diese vier Schriften aus der Feder ein und desselben Autors stammen. Man identifizierte ihn zunächst mit jenem Dionysius, der in der Apostelgeschichte (17,23) namentlich als einer der von Paulus in Athen Bekehrten aufgeführt wird. Der Autor der überlieferten Schriften hat sich keineswegs ausdrücklich selbst dieses Pseudonyms bedient, er legte diese Identifizierung allerdings nahe, da er in seinen Schriften die Fiktion der neutestamentlichen Zeitgenossenschaft nährt. Heute gehen die meisten davon aus, dass „Pseudo-Dionysius“ ein syrischer Mönch (manche nehmen sogar einen Bischof an!) gewesen sei, der etwa um 500 gelebt hat. Die zeitliche Einordnung fällt nicht sehr schwer, da jedenfalls der Einfluss des neuplatonischen Philosophen Proklos unverkennbar ist. Zur Zeit Ludwigs des Frommen gelangten die Schriften des Dionysius in den Westen, wo sie bald eine erstaunliche Wirkung entfalten sollten. Ohne Übertreibung lässt sich sagen, dass die mittelalterliche mystische Tradition des Abendlandes ohne das Werk des Dionysius gar nicht denkbar wäre.1 Die spekulativen Grundeinsichten Meister Eckharts etwa, der mit Fug und Recht als der Höhepunkt der mittelalterlichen Mystik gilt, lassen unverkennbar die Spuren der neuplatonischen Interpretation des christlichen Glaubens durch Dionysius erkennen. Nikolaus von Kues hegte eine überaus große Wertschätzung für diese Schriften, aber auch die scholastischen Theologen Albertus Magnus und Thomas von Aquin sind durchaus davon beeinflusst. Wenn man etwa bei Thomas die wunderschöne Definition liest: Bonum est diffusivum sui (Das Gute ist das Sichverströmen seiner selbst), dann steht unverkennbar Dionysius im Hintergrund.

Der Neuplatonismus war in der Spätantike höchst einflussreich, was ja schließlich kein Geringerer als der Kirchenvater Augustinus beweist. Es wäre allerdings verfehlt, von einer neuplatonischen Verfälschung des jüdisch-christlichen Glaubens zu sprechen. Trotz aller aus heutiger Sicht durchaus problematischer Auffassungen bewahrt Dionysius die wesentlichen christlichen Grundauffassungen etwa bezüglich des Schöpfungsglaubens. Alles Seiende, die gesamte Welt der Erscheinungen, fließt aus ein göttlichen Einen, dem ungeteilten Urgrund, hervor, der sich dabei aber nicht selbst verliert sondern in diesem Ausströmen bei sich bleibt, da er dieses Aus-sich-Heraustreten gerade wesentlich ist. Den platonischen Gedanken von der Emanatio der Welt aus dem göttlichen Einen verbindet Dionysius mit der christlichen Grundeinsicht, das Gott die Liebe ist. Die sich aus Liebe verströmende Allursache ist der Grund der Schöpfung. Dieser göttliche Eros, aus dem alles hervorgeht, zieht die Schöpfung wieder an sich. Dionysius vermeidet jede pantheistische Deutung, er vermeidet jede gnostische Abwertung der Materie, er kennt kein mit Gott konkurrierendes böses Prinzip, sondern versteht das Böse als Mangel an gutem (privatio boni), und er bedarf auch keines Demiurgen, keines Zwischenwesens, um die Schöpfung zu erklären, ohne die Einheit des göttlichen Einen zu gefährden.

Die nur wenige Seiten umfassende Schrift Über die mystische Theologie wurde mit Bedacht an den Anfang dieser Neuausgabe des Corpus Dionysiacum gestellt, enthält sie doch die bestimmende Grundeinsicht, dass der göttliche Urgrund alles Sein und Erkennen übersteigt, dass sein unermessliches Licht der menschlichen Fassungskraft nur in der Gestalt der Dunkelheit erscheinen kann. Die angestrebte Vereinigung mit dem, was alles Sein und Erkennen übersteigt, vollzieht sich in der Ekstase, dem Heraustreten aus dem eigenen Selbst.

Über die göttlichen Namen ist wohl diejenige Schrift des Dionysius, die auch in der modernen Theologie ihre unüberholbare kritische Funktion und Relevanz besitzt. Er begründet damit eine „negative“ bzw. „aphantische“ Theologie ausgehend von der Grundeinsicht, dass Gott als der „überwesentliche Eine“ von unserer Sprache nicht ausgesagt werden kann, dass wir vielmehr nur in verneinender, „negativer“ Weise von der Wirklichkeit Gottes sprechen können. Allerdings begründet Gottes Wirken nach außen in Schöpfung, Offenbarung und „Einstrahlung“ die Möglichkeit von positiven Aussagen über Gott, die jedoch, da dem Bereich des Endlichen entnommen, sogleich verneint und wiederum „überstiegen“ werden müssen. Die vielen Namen Gottes, die uns etwa in der Bibel begegnen und die Dionysius in seiner Schrift hymnisch preist, meinen ihn jedoch immer als den Einen und Selben in seiner Unerschöpflichkeit. Damit setzt Dionysius gegen jede Art von dogmatischem Positivismus Maßstäbe für jede verantwortete Rede von Gott. Es lässt sich durchaus eine Linie ziehen von Dionysius’ kritischer Reflexion der Angemessenheit und Grenzen allerAussagen über Gott zur im Vierten Laterankonzil (1215) kirchlicherseits definierten Analogielehre. Die Ähnlichkeit zwischen Gott und Geschöpf werde demnach durch eine je größere Unähnlichkeit überboten. Der große jesuitische Mentor Edith Steins, Erich Przywara, war es, der die Analogielehre ins Zentrum seiner Religionsphilosphie stellte.

Über die himmlische Hierarchie entfaltet den neuplatonischen Grundgedanken, dass alle Wirklichkeit, die geistige und die materielle Welt, eine Stufenordnung aufweist. Alles, was ist, ist Ausfluss (Emanation) Gottes. Dionysius vereint diese neuplatonische Weltsicht mit dem christlich-jüdischen Schöpfungsglauben. In den geistigen Wesen vollzieht sich schließlich die Rückkehr der Wirklichkeit zu ihrem Ursprung. Die Aktualisierung dieses spekulativen Gedankens vor dem Hintergrund der neuen Kosmologie wäre eine anspruchsvolle theologische Aufgabe für die Gegenwart.

Die Entsprechung der hierarchischen Stufenordnung alles Seienden in der Kirche, wie sie Dionysius in der hier an den Schluss gestellten Schrift Über die kirchliche Hierarchie erläutert, darf und muss heute durchaus auch ideologiekritisch betrachtet werden. Die darin enthaltenen Informationen über den konkreten Glaubensvollzug und das liturgische Leben der Christen in der Spätantike lohnen jedoch allein schon die Lektüre.

Das Corpus Dionysiacum Areopagita liegt hier in der sprachlich schönen Übersetzung der christlich-jüdischen Philosophin und Märtyrerin Edith Stein vor und ist damit über den engen Kreis des theologischen Fachpublikums hinaus wieder allen leicht zugänglich gemacht, die die abendländische christliche Tradition an ihren Quellen selbst kennenlernen wollen.

Mainz, Ostersonntag 2014
Bruno Kern

Mystische Theologie

I. Was die göttliche Dunkelheit ist

1. Anrufung der Allerheiligsten Dreifaltigkeit

Übernatürliche, übergöttliche, übergute Dreiheit, die Du über alle Gottesweisheit der Christen wachst, führe uns zum übererkennbaren und überhellen höchsten Gipfel der mystischen Worte, wo die einfachen, absoluten, unwandelbaren Geheimnisse der Theologie in dem überhellen Dunkel des in Geheimes einweihenden Schweigens enthüllt werden: In tiefster Dunkelheit leuchtet es überhell und im Unberührbaren und Unsichtbaren überfüllt es den geblendeten (= augenlosen) Geist mit überschönen Strahlen.

Dies ist nun mein Wunsch. Du aber, lieber Timotheus, übe dich angespannt in mystischer Schau, verlass die Sinneserkenntnis und die Verstandestätigkeit, alles Sinnenfällige und geistig Fassbare, alles Seiende und Nichtseiende, und erhebe dich, soweit es möglich ist, ohne Erkenntnis zur Vereinigung mit Dem, der über allem Wesen und Wissen ist. Durch freie, vollkommene, reine Loslösung von dir selbst und allen Dingen wirst du zu dem über-seienden Strahl der göttlichen Dunkelheit gelangen, wenn du alles abgestreift hast und von allem befreit bist.

2. Die Geheimnisse dürfen Uneingeweihten keineswegs mitgeteilt werden

Sieh aber zu, dass kein Uneingeweihter dies höre: Ich meine aber die, die am (endlichen) Seienden hängen und denken, dass nichts über-seiend über dem Seienden sei, sondern glauben, dass sie mit ihrer natürlichen Erkenntnis von Dem wüssten, der die Dunkelheit zu Seinem verborgenen Aufenthalt gemacht hat. Wenn aber die Einführung in die göttlichen Geheimnisse für sie zu hoch ist, was soll man erst von den noch weniger Eingeweihten sagen, die die höchste Ursache aller Dinge nach dem Letzten unter dem Seienden kennzeichnen und sagen, diese übertreffe in nichts ihre eigenen gottlosen, vielgestaltigen Gebilde; und man muss von ihr alles behaupten und aussagen, was von dem Seienden gilt, weil sie die Ursache von allem ist, und mit noch besserem Recht dies alles für sie verneinen, weil sie über allem über-seiend ist, und darf nicht glauben, dass Bejahendes und Verneinendes im Widerspruch stehe, sondern dass sie vor und über aller Beraubung ist, über aller Verneinung wie über aller Setzung.

3. Die kurz zusammengefasste Theologie

So sagt denn der göttliche Bartholomäus, die Theologie sei zugleich vielumfassend und ganz klein, das Evangelium zugleich weit und groß und kurz zusammengefasst. Mir scheint, in ausgezeichneter Erkenntnis dessen, dass die gütige Erkenntnis aller Dinge zugleich vielsagend ist und sich kurz fasst und doch wiederum ohne Sprache ist, weil ohne Wort und Erkenntnis in ihrem über-seienden Vorrang vor allen Dingen; und unverhüllt und wahrhaft zeigt sie sich nur denen, die alles Unreine und Reine durchschritten haben und über den Aufstieg aller heiligen Gipfel hinausgehen, alles göttliche Licht, alle himmlischen Klänge und Worte hinter sich lassen und sich in die Dunkelheit versenken, in der, wie die Schrift sagt, Der wahrhaft ist, Der über allem ist. Denn nicht so einfachhin hier erhält der göttliche Mose den Befehl, selbst erst sich zu reinigen und dann von den Ungereinigten sich abzusondern, und nach der ganzen Reinigung hört er die vieltönigen Trompeten und sieht viele Lichter, die reine und mannigfaltige Strahlen aussenden; dann trennt er sich von der Menge und gelangt mit auserwählten Priestern zum höchsten Gipfel der göttlichen Aufstiege. Und damit verkehrt er noch nicht mit Gott selbst, er schaut Ihn nicht (Er ist ja unsichtbar), sondern (nur) den Ort, wo Er ist. Dies bedeutet, glaube ich, dass das Höchste von dem, was geschaut und erkannt wird, nur angesetzte Begriffe für das sind, was Dem unterworfen ist, der alles überragt; durch sie wird Seine Gegenwart angezeigt, die über alle Erkenntnis ist, als daherschreitend auf den höchsten geistigen Gipfeln der heiligsten Orte: Und dann löst er sich von allem Geschauten und allen Schauenden und taucht unter in das wahrhaft geheimnisvolle Dunkel der Unerkennbarkeit; demgemäß schaltet er alle Erkenntnishilfen aus und verweilt in dem ganz Unfassbaren und Unsichtbaren, ganz Dem eigen, der über allem ist, er gehört keinem an, weder sich selbst noch einem andern; dem ganz Unerkennbaren ist er geeint durch das Ruhen aller Erkenntnis, mit dem besseren Teil seiner selbst; und dadurch, dass er nichts erkennt, erkennt er über allen Verstand.

II. Wie man dem Urheber aller Dinge, der über allem ist, geeint werden und Lobgesänge darbringen muss

Zu diesem überhellen Dunkel wünschen wir zu gelangen und durch Nicht-Sehen und Nicht-Erkennen zu schauen und zu erkennen, was das Schauen und Erkennen übersteigt, das Nicht-Schauen und Nicht-Erkennen selbst; denn dieses ist das wahre Schauen und Erkennen und der überwesentliche Lobpreis des Überwesentlichen durch Ausschaltung alles (endlichen) Seienden, ähnlich denen, die ein naturgewachsenes Götterbild bearbeiten und alles darum Gelagerte entfernen, was die reine Schau der verborgenen Gestalt hindert, und durch bloßes Entfernen die verborgene Schönheit, die ihm an sich eigen ist, an den Tag bringen. Ich glaube, man muss das Verneinen auf entgegengesetzte Weise rühmen wie das Setzen: Die Behauptungen stellten wir auf, indem wir mit dem Ersten begannen und über das Mittlere zum Letzten hinabstiegen; hier aber steigen wir vom Letzten zum Ersten auf, entfernen alles, um jene Unerkennbarkeit unverhüllt zu erkennen, die von allem Erkennbaren in allem Seienden verhüllt wird, und jene überwesentliche Dunkelheit zu schauen, die von allem Licht im Seienden verdeckt wird.

III. Die bejahenden und verneinenden Aussagen über Gott

Gegenstand der Theologischen Grundlinien

In den Theologischen Grundlinien2 haben wir das Wesentliche der positiven Theologie ausgeführt: In welchem Sinn die göttliche und gute Natur eine einzige genannt wird und in welchem Sinn dreifaltig; was demgemäß Vaterschaft und Sohnschaft besagt und was das Gotteswort vom Geist offenbaren will; wie aus dem stofflosen und ungeteilten Guten die Herzenslichter der Güte ausgeströmt sind und wie jedes in sich und alle in sich und ineinander in gleichewigem Verweilen beharren, ohne zur Ausbreitung aus sich herauszugehen; wie der überwesentliche Jesus in wahrhafter Menschennatur wirklich geworden ist, und was sonst in den Theologischen Grundlinien nach den Worten der Schrift dargelegt worden ist. – In dem Buch über die Göttlichen Namen3 aber: in welchem Sinn Er der Gute genannt wird, der Seiende, Leben, Weisheit und Kraft, und was sonst noch an geistig fassbaren Gottesnamen genannt wird. In der Symbolischen Theologie4 aber, welche Benennungen von den sinnenfälligen Dingen auf das Göttliche übertragen sind: Was die göttlichen Formen und göttlichen Gestalten sind, die Teile, die Werkzeuge, die göttlichen Orte, der Schmuck, die Gemütsbewegungen, Trauer und Zorn, Trunkenheit und Rausch, Eide, Flüche, Schlaf und Erwachen und andere heilige Bildungen sinnbildlicher Gottesdarstellung. Ich glaube, auch du wirst bemerkt haben, wie viel ausgedehnter die letzten Dinge sind als das Erste: Die Theologischen Grundlinien und die Erklärung der göttlichen Namen durften kürzer behandelt werden als die Symbolische Theologie. Je höher wir nämlich hinaufsteigen, desto mehr lassen sich die Worte wegen der Zusammenschau des Erkannten beschränken. So werden wir jetzt, beim Eintauchen in die Dunkelheit über allen Verstand, nicht nur Wortkargheit, sondern vollständige Wortlosigkeit und Verständnislosigkeit treffen. Denn dort, beim Abstieg vom Höchsten zum Niedersten, breitete sich die Rede nach dem Maße des Abstiegs zu einer entsprechenden Weite aus. Nun aber, beim Aufstieg vom Niedersten zum Höchsten, zieht sie sich nach dem Maß des Aufstiegs zusammen, und nach dem ganzen Aufstieg wird sie ganz verstummt sein und ganz mit dem Unaussprechlichen vereint. Wozu aber, wirst du sagen, unternehmen wir überhaupt diese göttliche Verneinung, von dem Niedersten ausgehend, wenn wir göttliche Behauptungen für das Erste aufstellen? Als wir das, was über alle Setzung ist, feststellten, mussten wir den Grund für die Behauptung mithilfe dessen festlegen, was ihm näher verwandt ist. Wenn wir aber verneinend von dem sprechen, was über alle Verneinung ist, müssen wir mit der Verneinung bei dem beginnen, was größeren Abstand von Ihm hat; ist Er denn nicht in höherem Grade Leben und Güte als Luft oder Stein? Und gilt es nicht in höherem Maß, dass Er nicht trunken ist oder nicht zürnt, als dass Er nicht genannt und nicht erkannt wird?

IV. Nichts von dem Sinnenfälligen ist der überragende Urheber alles Sinnenfälligen

Wir sagen nun, die Ursache alles Seienden, die über allem Seienden ist, ist weder ohne eigenes Sein, noch ohne Leben, Vernunft oder Verstand; sie hat aber auch nicht Körper, Gestalt oder Form, nicht Beschaffenheit, Größe oder Masse, sie ist auch an keinem Ort, wird nicht gesehen noch mit dem Tastsinn wahrgenommen, sie nimmt nicht sinnlich wahr und wird nicht mit den Sinnen erfasst, sie erfährt keine Unordnung und Verwirrung durch stoffliche Leidenschaften, sie ist nicht kraftlos und sinnlichen Zufällen unterworfen; sie ermangelt nicht des Lichtes; sie ist weder noch hat sie Veränderung oder Vergehen, Teilung oder Beraubung, noch sonst etwas von dem Sinnenfälligen.

V. Nichts von den geistig fassbaren Dingen ist der überragende Urheber alles Geistigen

Wiederum aufsteigend sagen wir, Er ist weder Seele noch Geist; hat weder Einbildung noch Meinung, Vernunft- oder Verstandeserkenntnis; Er ist weder Wort noch Verstehen, wird weder ausgesprochen noch erkannt; Er ist weder Zahl noch Ordnung, weder Größe noch Kleinheit, weder Gleichheit noch Ungleichheit, weder Ähnlichkeit noch Unähnlichkeit; Er steht weder noch ist Er in Bewegung oder ruht, Er hat weder Vermögen noch ist Er Vermögen oder Licht; Er lebt nicht, noch ist Er Leben; Er ist kein Einzelwesen, nicht Aion oder Zeit, Er ist nicht geistig berührbar, nicht Wissen oder Wahrheit, nicht Königtum oder Weisheit, weder Eines noch Einheit noch Gottheit noch Güte, nicht Geist, wie wir ihn verstehen; nicht Sohnschaft noch Vaterschaft noch sonst etwas von dem, was wir erkennen oder was ein anderes Seiendes erkennt; Er ist nichts vom Nichtseienden oder vom Seienden: Weder erkennt Ihn das Seiende als seiend noch erkennt Er das Seiende als seiend; es gibt für Ihn weder Begriff noch Namen noch Erkenntnis; Er ist weder Dunkelheit noch Licht noch Irrtum noch Wahrheit: Und es gibt für Ihn allgemein weder Behauptung noch Verneinung. Und wenn wir von dem, was nach Ihm kommt, etwas behaupten oder verneinen, setzen wir Ihn weder noch leugnen wir Ihn; denn Er ist über jeder Setzung als die vollkommene und einzige Ursache aller Dinge und über jeder Verneinung als die Überlegenheit des schlechthin Abgelösten von allem und jenseits des Alls.

Von den göttlichen Namen

Der Priester Dionysius an seinen Mitpriester Timotheus

I. Ziel des Buches und was über die göttlichen Namen überliefert ist

1. Nun, du Seliger, will ich mich nach den Theologischen Grundlinien an die Erklärung der göttlichen Namen begeben. Doch auch jetzt soll uns das heilige Gesetz des Wortes Gottes vor Augen stehen, damit wir die Wahrheit dessen, was von Gott gesagt wird, nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit zu zeigen suchen, sondern im Erweis der Kraft, die der Geist den Theologen eingehaucht hat und die uns mit unaussprechlichen und unbekannten Dingen auf unaussprechliche und unbekannte Weise verbindet in einer Vereinigung, die alle Kraft und alles Vermögen unseres schließenden Denkens oder geistigen Verstehens übersteigt. Allgemein also darf man es nicht wagen, über die überwesentliche und verborgene Gottheit etwas zu sagen oder zu denken, was uns nicht in der Heiligen Schrift von Gott offenbart ist. Denn die Unerkennbarkeit ihrer Übernatur, die über alle Vernunft, allen Geist und alles Wesen ist – ihr selbst müssen wir das übernatürliche Wissen zuschreiben: So weit sollen wir nach dem unzugänglichen Licht streben, so weit der Strahl der göttlichen Worte sich in uns herablässt, wenn wir uns mit der dem Göttlichen gebührenden Besonnenheit und Ehrfurcht zurückhalten. Wenn wir nämlich der durchaus weisen und wahrhaftigen Gotteslehre glauben dürfen, so offenbart sich das Göttliche und wird erschaut nach dem Maß der Fassungskraft der einzelnen Geister, da die höchste Güte Gottes, in heilsamer Gerechtigkeit, den abgemessenen Dingen ihre Unermesslichkeit, weil sie unfassbar ist, in wahrhaft göttlicher Weise anmisst. Denn wie das Geistige durch das Sinnenfällige nicht greifbar und nicht sichtbar wird und das Einfache und Unbildliche nicht in Bildwerken, die Formlosigkeit des Unberührbaren und Ungestalteten nicht durch das in Körpergestalten Geformte, im selben Sinne ist die überwesentliche Unendlichkeit über alle Wesen und über alle Geister die übergeistige Einheit und unerforschlich für alles Forschen der Vernunft das übervernünftige Eine und unaussprechlich für jedes Wort das Gute über alles Wort: die alle Einheit wirkende Einheit, das überwesentliche Wesen, der unverständliche Verstand, das unaussprechliche Wort, die Unsagbarkeit, Undenkbarkeit und Unnennbarkeit, die nichts vom Seienden ist [nichts von dem, was ist]: Die für alles die Ursache des Seins ist, selbst aber nicht ist, da sie über alles Seiende hinausliegt, wie sie selbst es von sich selbst in entscheidender, auf Erkenntnis gegründeter Weise aussagen könnte.

2. Über diese, wie gesagt, überwesentliche und verborgene Gottheit darf man nicht wagen, etwas zu sagen oder auch nur zu denken, abgesehen von dem, was uns von Gott in der Heiligen Schrift verkündet ist: Denn wie sie selbst von sich selbst in der Heiligen Schrift gütig mitgeteilt hat, ist die Erkenntnis und Erschauung dessen, was sie ist, allen Wesen unzugänglich, weil sie überwesentlich über alle hinausgehoben ist. Man kann auch viele Theologen finden, die sie rühmen, nicht nur, weil sie unsichtbar und ungreifbar ist, sondern auch, weil sie nicht erforscht und aufgespürt werden kann, denn es gibt keine Spur, die zu ihrer ganz verborgenen Unendlichkeit führen würde. Doch auch von dem, was ist, ist nichts ganz ohne Anteil am Guten. Denn jenen überwesentlichen Strahl, der Ihm bleibend innewohnt, lässt es jedem Ding gütig in ihm angemessenen Erleuchtungen scheinen, und die geheiligten Geister lässt es zu einer ihnen angemessenen Schau, Gemeinschaft und Ähnlichkeit kommen – jene, die Ihm, soweit sie können, zustreben, wofern sie sich nur nicht etwas Höheres anmaßen, als ihnen die göttliche Erleuchtung ihrem Fassungsvermögen entsprechend bringt, und nicht durch eine verkehrte Neigung in die Tiefe gleiten, sondern beständig, ohne die Augen abzuwenden, dem leuchtenden Strahl entgegenschauen und mit einer den ihnen gewährten Erleuchtungen entsprechenden Liebe, in heiliger Ehrfurcht, mit Besonnenheit und frommer Scheu emporfliegen.

3. Folgen wir also jener göttlichen Waage, die alle heiligen Klassen der himmlischen Ordnungen bemisst, ehren wir jenes Geheimnis der höchsten Gottheit, das alles Verstehen und jedes Wesen übersteigt, mit heiliger Scheu, die sich kein Forschen gestattet, und ihre Unsagbarkeit mit geziemendem Schweigen; strecken wir uns ihrem Glanz entgegen, der uns aus der Heiligen Schrift aufleuchtet; durch ihr Licht werden wir dann zu heiligen Gesängen angeregt, die uns überirdisch erleuchten, und durch die göttlichen Lobgesänge werden wir zum Schauen des göttlichen Lichtes herangebildet, das uns in ihnen gewährt wird, soweit es unserm Fassungsvermögen entspricht, und zum Preis des wohltätigen Urquells aller Erleuchtung, soweit er Sich selbst über sich selbst in der Heiligen Schrift ausgedrückt hat. Z. B. dass Er aller Dinge Ursache, Urgrund, Wesen und Leben ist, Rückberufung und Auferstehung derer, die von Ihm abgefallen sind, Neubildung und Neuformung derer, die das göttliche Bild in sich ausgelöscht haben, fester Grund für die in unheiligem Schwanken Bewegten, Sicherheit für die Stehenden, Licht der Erleuchteten, [Leitung der zu Ihm Hinstrebenden], Vollkommenheit gebender Vollendungsgrund der Vollkommenen, das göttliche Wirken in den Gottähnlichen, die Einfachheit der Einfachgewordenen, die Einheit der Einsgewordenen, der überwesentlich-überursprüngliche Urgrund jedes Seinsgrundes und jenes verborgenen Geheimnisses Mitteilung, soweit sie recht ist; einfacher gesprochen: das Leben des Lebendigen, das Wesen des Seienden, alles Lebens und Wesens Urgrund und Ursache wegen Seiner Güte, wodurch Er alle Dinge hervorbringt, damit sie sind, und erhält, damit die nicht zugrunde gehen.

4. Dies haben wir aus der Heiligen Schrift gelernt; und du wirst finden, dass sozusagen fast der gesamte heilige Lobpreis der Theologen, um uns Gott zu zeigen und Ihn zu loben, göttliche Namen entsprechend den Hervorgängen der göttlichen Güte gebildet hat. So sehen wir, dass fast in jeder theologischen Abhandlung die Gottheit heilig gepriesen wird als Monade oder Einheit wegen er Einfachheit und Einheit ihrer übernatürlichen Ungeteiltheit, durch die wir als durch eine einheitschaffende Kraft Eines sind und durch überirdische Verbindung unserer geteilten Verschiedenheiten zu einer gottähnlichen Einheit und Gott nachbildenden Vereinigung geführt werden; als Dreiheit aber wegen der dreipersönlichen Offenbarung ihrer übernatürlichen Zeugungskraft, von der jede Vaterschaft im Himmel und auf Erden herstammt und ihren Namen hat; als Ursache der Dinge, weil alles durch ihre wesenschaffende Güte das Sein erhält; als weise und schön, weil alle Dinge, wenn sie ihre Natur unversehrt bewahren, allen göttlichen Einklangs und heiliger Schönheit voll sind von hervorragender Menschenliebe, weil Er sich uns in einer Seiner Personen in Wahrheit ganz mitgeteilt hat, indem Er die menschliche äußerste Niedrigkeit zu sich zurückrief und aufnahm, aus der Jesus, trotz seiner Einfachheit, in unsagbarer Weise zusammengesetzt war, der Ewige einen zeitlichen Anfang annahm, und der ins Innere unserer Natur hinabstieg, der alle Ordnung der ganzen Natur überwesentlich übersteigt, aber bei unverändertem und unvermischtem Bestand seiner Eigenschaften.

Dieses und was sonst an göttlichen Erleuchtungen, in Einklang mit der Schrift, unsere heiligen Lehrer uns in geheimer Unterweisung übergeben haben, haben auch wir aufgenommen: Dabei verhüllt aber jetzt, unserem Fassungsvermögen entsprechend, die göttliche Menschenfreundlichkeit in gewissen heiligen Schleiern der Worte und hierarchischen Mitteilungen, in sinnlichen Zeichen geistiger Dinge, in wirklichen Wesen die überwesentlichen, umgibt form- und gestaltlose Dinge mit Formen und Gestalten und die übernatürliche Einfachheit macht sie vielfältig und gestaltet sie durch die Mannigfaltigkeit geteilter Zeichen. Wenn wir aber einst unverweslich und unsterblich sind und ein christusähnliches, seliges Los erlangt haben, dann werden wir, wie geschrieben steht, immer bei Gott sein, erfüllt von der ganz heiligen Schau der sichtbaren Offenbarung Gottes selbst, dessen leuchtender Glanz uns überstrahlen wird, wie einst die Jünger bei der göttlichen Verklärung. Dieser geistigen Erleuchtung teilhaft, gemäß einem Geiste, der von leidend erfahrenen Eindrücken und von Stoff frei ist, werden wir durch den unbekannten, seligen Glanz leuchtendster Strahlen zu göttlicherer Nachahmung der überhimmlischen Geister in einer Vereinigung, die alles Verstehen übersteigt, mit ihnen verbunden werden. Dann, wie die wahrhaftige Schrift sagt, werden wir den Engeln gleich und Kinder Gottes sein, wenn wir Kinder der Auferstehung sein werden. Nun aber benutzen wir, soweit wir können, Zeichen, um das Göttliche zu fassen; durch sie werden wir zu jenem einfachen und einheitlichen wahren Sinn der geistigen Schauspiele geführt, wie es unserm Fassungsvermögen entspricht; und nach allem uns möglichen Verstehen göttlicher Dinge lassen wir unsere Verstandestätigkeit ruhen und werfen uns hinein in jenen überwesentlichen Strahl, soweit es recht ist, in dem alle Grenzen aller Erkenntnisse auf unsagbare Weise voraus bestanden haben; wir können ihn weder mit unserm Geist fassen noch mit Worten ausdrücken noch mit Augen sehen, weil er über alles erhaben und in überragender Weise unbekannt ist, weil er alle Abgrenzungen aller wesentlichen Erkenntnisse und Kräfte in sich vorausgenommen hat und über alle himmlischen Geister erhaben in unbegreiflicher Kraft thront. Da nämlich alle Erkenntnisse dem Seienden gelten und nach dem Seienden ihre Grenze haben, ist Er, der über jedes wirkliche Wesen erhaben ist, auch aller Erkenntnis entzogen.

5. Wenn Er aber jedes Wort und jedes Erkennen übersteigt und über jeden Geist und jedes Wesen hinausliegt, da Er alles in sich umgreift und zusammenfasst und vorwegnimmt, ja auch für alle unfasslich ist, weil Er keinem Sein zugänglich ist, da es von Ihm keine Vorstellung gibt, keine Meinung, für Ihn keinen Namen, kein Wort, keine Berührung, keine Erkenntnis – wie können wir da eine Abhandlung über die göttlichen Namen unternehmen, nachdem gesagt worden ist, dass die Gottheit, wie über jedes Wesen, so über jeden Namen und jede Benennung erhaben ist? Doch, wie ich sagte, als ich die theologischen Bilder erklärte, können wir jenes Eine, Unbekannte, Überwesentliche, durch sich selbst Gute, das Ist <sic!>, die Dreieinigkeit, wie ich sagte, die gleicher Gott und gleiches Gut ist, weder in Worten ausdrücken noch mit unserem Denken erreichen: Ja auch die Verbindungen der heiligen Kräfte mit jener mehr als unbekannten und überleuchtenden Güte, die den Engeln zukommen, mag man sie nun Eingießungen oder Aufnahme nennen, sind unaussprechlich und unbekannt und nur denen eigen, die sie – neben der Erkenntnis der Engel und zusammen mit den Engeln – empfangen haben. Gottähnliche Geister also, die in Nachahmung der Engel, soweit es angeht, Gott geeint sind (durch vollkommenes Ruhenlassen aller geistigen Tätigkeit gibt es nämlich bei gottähnlich gewordenen Geistern eine solche Vereinigung mit dem höchsten Licht Gottes), preisen Ihn auf die angemessenste Weise durch Absehen von allen Dingen, da sie aufgrund jener seligen Vereinigung mit Gott über aller Natur und wahrhaft darüber erleuchtet sind, dass Gott Ursache aller Dinge, aber selbst keines von ihnen ist, sondern über alle überwesenhaft hinausgehoben. Diese göttliche Überwesentlichkeit über alles, was ist, diese Übergüte über alle Güte darf man weder als Vernunft oder Macht, weder als Geist noch als wirkliches Wesen oder Leben preisen, wenn man nach der Wahrheit strebt, die über alle Wahrheit ist: Vielmehr muss man sie loben als über alles Gehaben, über Bewegung, Leben, Vorstellung, Meinung, Namen, Wort, Denken, Verstehen, Wesen, Seinsverfassung, Grundlage, Vereinigung, Ziel, Unermesslichkeit, kurz über alles, was nur ist, hoch emporgehoben. Da sie aber als Urquell aller Güte durch ihr bloßes Sein Urquell aller Dinge ist, muss die Gutes wirkende Vorsehung Gottes aufgrund alles Verursachten gepriesen werden. Denn im Hinblick auf sie und um ihretwillen ist alles, und sie ist vor allem, und in ihr hat alles Bestand und Zusammenhang; und ihr Sein bringt alles hervor und macht, dass es ist, und nach ihr strebt alles, das Geistige und Vernünftige wissentlich; was darunter kommt, mit sinnlichem Streben, das Übrige aber mit Lebensbewegung oder substanzieller Bewegung oder gewohnheitsmäßiger Bewegtheit.

6. Da die Theologen das wissen, loben sie Gott sowohl als den Namenlosen als auch aufgrund jedes Namens. Als den Namenlosen, wenn sie sagen, Gott habe in einer der mystischen Visionen sinnbildlicher Gotteserscheinungen den gescholten, der gesagt hatte: Welches ist Dein Name? Und als wollte Er ihn von jeder Gott benennenden Erkenntnis abbringen, habe Er gesagt: Weshalb fragst du nach meinem Namen? Dieser ist wunderbar. Oder ist etwa der Name nicht wahrhaft wunderbar, der über jeden Namen ist, der ohne Namen ist, der über jeden Namen, der in dieser Welt oder der künftigen genannt wird, erhaben ist? Als vielnamigen aber führen sie Gott ein, wenn sie Ihn selbst sagen lassen: Ich bin der Ich bin, Leben, Licht, Gott, Wahrheit, und wenn die Gottesgelehrten selbst Gott, den Urheber aller Dinge, vielnamig preisen aufgrund alles Bewirkten: als gut, als schön, als weise, als geliebt, als Gott der Götter, Herrn der Herren, als den Heiligen der Heiligen, als den Ewigen, den Seienden, den Urheber der Zeiten, als den Spender des Lebens, die Weisheit, den Geist, das Wort, den Erkennenden, als den Überreichen an allen Schätzen aller Wissenschaft, als die Macht, den Mächtigen, den König der Könige, den Alten der Tage, den Nichtalternden und Unveränderlichen, als das Heil, die Gerechtigkeit, die Heiligung, die Erlösung, als den alles an Größe Überragenden und den im sanften Säuseln. Nun sagen sie aber auch, Er sei in den Geistern, in den Seelen und in den Leibern, im Himmel und auf Erden, in allem zugleich als Derselbe, in der Welt, um die Welt, über der Welt, überhimmlisch, überwesentlich, Sonne, Stern, Feuer, Wasser, Wind, Tau, Wolke, Stein, Fels, alles, was ist, und nichts von dem, was ist.

7. Auf diese Weise also entspricht es Dem, der aller Dinge Ursache und über allen Dingen ist, keinen Namen zu haben und wiederum alle Namen aller Dinge, sodass in strengem Sinn [Er] die Herrschaft des Alls der Dinge ist und alles im Hinblick auf Ihn ist und alles von Ihm als von der Ursache, dem Seinsgrund und Ziel abhängt und dass Er, wie die Schrift sagt, alles in allem ist und in Wahrheit gelobt wird als alles erschaffend, beginnend, vollendend und es in Seiner Hut und Heimstätte bewahrend, es auch zu sich hinwendend – und dies in geeinter Kraft, unüberwindlich, über alles erhaben: Denn Er ist nicht nur die Ursache alles Zusammenhangs, alles Lebens und aller Vollkommenheit, sodass Er nur aufgrund dessen oder aufgrund anderer Vorsehung die Güte über jeden Namen genannt würde; sondern Er hat alles einfach und unabgegrenzt in sich vorweggenommen durch die vollkommene Güte Seiner einzigen und alles bewirkenden Vorsehung und wird angemessen aufgrund aller Dinge gelobt und benannt.

8. Nun erwähnen die Theologen nicht nur rühmend diese göttlichen Namen, die von der allgemeinen oder besonderen Vorsehung hergeleitet werden oder von dem, was durch die Vorsehung betroffen wird, sondern auch von gewissen göttlichen Gesichten, die meist in heiligen Tempeln oder anderswo die Lehrer der Geheimnisse oder die Propheten erleuchtet haben; nach vielfachen Ursachen und Kräften nennen sie die göttliche Güte, die jeden Namen und Glanz übersteigt, und schreiben ihr menschliche Formen und Gestalten zu oder die des Feuers oder des Bernsteins; und sie preisen Seine Augen und Ohren, Haare, Antlitz, Hände, Schultern, Flügel, Arme, Rücken und Füße; sie gestalten um ihn Kronen, Throne, Becher, Mischkrüge und anderes, worüber wir in der Symbolischen Theologie5, so gut wir können, sprechen werden. Alles, was zu dieser Abhandlung gehört, wollen wir aus der Heiligen Schrift zusammentragen und das Gesagte als Richtschnur benutzen; und darauf hinschauend wollen wir zur Entfaltung der geistigen Gottesnamen vordringen; und was immer das göttliche Gesetz in der gesamten Theologie vorschreibt: Auf die göttlichen Schaubilder – um es recht zu sagen – wollen wir mit göttlichem Geist schauen, und mit heiligen Ohren wollen wir auf die heiligen Auslegungen göttlicher Namen hören, den Heiligen Heiliges vor Augen stellen, wie es die Heilige Schrift uns übergibt; gegen das Gelächter und den Spott der Uneingeweihten aber wollen wir es schützen, vielmehr wollen wir, wenn es solche Menschen gibt, sie aus dem Krieg, den sie deswegen mit Gott führen, zurückrufen.

Dies nun, bester Timotheus, sollst du nach der heiligsten Anleitung beobachten und göttliche Dinge nicht Unreinen verraten oder zu ihnen hinaustragen. Mir aber möge Gott geben, die Gutes wirkende Vielnamigkeit der Gottheit, die nicht genannt werden kann, Gottes Würde entsprechend zu preisen, und [Er] möge das Wort der Wahrheit nicht aus meinem Munde nehmen.

II. Über die geeinte und unterschiedene Theologie und was göttliche Einigung und Unterscheidung ist

1. Die Heilige Schrift rühmt von der Güte an sich selbst, dass sie das ganze göttliche Wesen bestimmt und erklärt habe, was es eigentlich sei. Denn was anderes ist aus der heiligen Theologie6 zu lernen, wenn sie sagt, Gott selbst habe sich bezeichnet mit den Worten: Was fragst du mich über das Gute? Niemand ist gut als Gott allein: Dies nun ist auch an anderen Stellen von uns ausführlich gezeigt worden, dass alle göttlichen, Gott geziemenden Namen nicht von einem Teil, sondern von der ganzen, vollkommenen, unversehrten, vollen Gottheit durch die Heilige Schrift gepriesen werden und dass sie alle ungeteilt, uneingeschränkt, ohne Beobachtung eines Unterschiedes auf die Gesamtheit der ganz vollkommenen und vollständigen Gottheit bezogen werden. Denn, wie wir in den Theologischen Grundlinien7 erwähnt haben, wenn jemand behaupten wollte, dies sei nicht von der ganzen Gottheit gesagt, so würde er lästern und es wagen, die Einheit über alle Einheit zu spalten. Wir müssen also sagen, dass dies von der ganzen Gottheit zu verstehen sei; denn auch das Ewige Wort, das von Natur aus gut ist, sagt: Ich bin gut, und ein Prophet rühmt, von Gott begeistert, den Geist als den guten. Und ferner: Die nicht zugeben wollen, dass jenes Wort: Ich bin der Ich bin von der ganzen Gottheit gesprochen sei, sondern nur einen abgegrenzten Teil betreffe, wie werden sie jenes andere Wort verstehen: Dies spricht, Der ist, der war und der kommen wird, der Allmächtige; und ferner: Du selbst aber bist Derselbe, und jenes: Der Geist der Wahrheit, der ist, der vom Vater ausgeht? Und wenn sie leugnen, dass die ganze Gottheit Leben sei, wie kann dann jenes heilige Wort wahr sein: Wie der Vater Tote auferweckt und belebt, so belebt auch der Sohn, die Er will; und jenes: Der Geist ist es, der belebt! Dass auch die Herrschaft über die ganze Welt die ganze Gottheit innehat, das darf nicht von dem Gott, der Gott zeugt, oder von dem Sohn ausgesagt werden, wie ich glaube, da so oft in der Heiligen Schrift der Vater und der Sohn als Herr gepriesen wird; aber auch der Geist ist Herr. Schön und weise wird also von der ganzen Gottheit ausgesagt, sowie auch Licht und Ursache und das Vergöttlichende, und was immer sonst noch die ganze Gottheit betrifft, verwendet die Heilige Schrift für das gesamte Gotteslob; zusammenfassend, wenn sie sagt: Alles ist aus Gott; unterscheidend, wenn es heißt: Alles ist durch Ihn und in Ihm gemacht worden; und in Ihm hat alles Bestand und Zusammenhang: und: Du wirst Deinen Geist aussenden, und es wird erschaffen werden: Und, wie man zusammenfassend sagen könnte, sagt das Göttliche Wort selbst: Ich und der Vater sind Eins; und was immer der Vater hat, ist mein, und all das Meine ist Dein und all das Deine ist mein. Und wiederum schreibt Er alles, was Ihm und dem Vater eigen ist, dem göttlichen Geist in Gemeinschaft und Vereinigung zu, das Wirken Gottes, die Verehrung, die sprudelnde, nie versagende Ursache und die Verteilung der dem Guten geziemenden Gaben. Und niemand von denen, glaube ich, die in der Heiligen Schrift mit unverwirrten Begriffen geforscht haben, wird bestreiten, dass alles, was Gott im vollen Sinn der Gottheit zukommt, der ganzen Gottheit eigen ist. Da wir dies nun in der vorliegenden. Schrift in Kürze und teilweise, anderswo aber aus der Heiligen Schrift ausreichend bewiesen und unterscheidend dargelegt haben, müssen wir glauben, dass jeder vollständige Gottesname, dessen Erklärung wir in Angriff nehmen, auf die ganze Gottheit bezogen ist.

2. Wollte aber jemand einwenden, wir führten so entgegen der Unterscheidung, die der Gottheit zukommt, eine Vermischung ein, so glauben wir, dass er die Wahrheit dieses Einwandes wohl niemals beweisen könnte. Denn wäre es jemand, der überhaupt gegen die Heilige Schrift Stellung nähme, dann wäre er auch von unserer Philosophie weit entfernt; und wenn es ihm nicht um die Weisheit der Heiligen Schrift zu tun ist, wie soll es uns darum zu tun sein, ihn zu theologischer Erkenntnis zu führen? Hat er es aber auf die Wahrheit der Schrift abgesehen, so werden auch wir im Vertrauen auf diese Richtschnur und dieses Licht nach Kräften zur Verteidigung vorrücken, ohne auszuweichen, und sagen, dass die Theologie einiges in einheitlichem Sinn lehre, anderes in unterscheidendem; und es sei weder recht, das Einheitliche zu spalten, noch das Unterschiedene zu vermischen, und ihr [der Schrift] folgend müssten wir nach Kräften zum göttlichen Glanz emporstreben. Denn aus ihr erhalten wir göttliche Erklärungen als eine ganz schöne Richtschnur der Wahrheit, wenn wir das darin Niedergelegte ohne Hinzufügung, Abstrich oder Verdrehung in uns zu bewahren streben und unsererseits dabei in der Obhut der Heiligen Schrift bewahrt bleiben und von ihr dazu gestärkt werden, die zu bewahren, die sie bewahren.

3. Die einheitlichen Namen nun für die ganze Gottheit sind, wie wir in den Theologischen Grundlinien aus der Heiligen Schrift ausführlich bewiesen haben: das Über-Gute, Über-Göttliche, Überwesentliche, Über-Lebendige, Überweise, und was noch zur Heraushebung nach dem Übermaß gehört. Dazu wird alles Ursächliche gezählt: das Gute, Schöne, Seiende, Lebenspendende, Weise und was immer zu Seinen dem Guten geziemenden Gaben gehört, nach denen die Ursache alles Guten benannt wird. Unterschieden aber sind des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes überwesentliche Namen und Wirklichkeit; in ihnen ist keine wechselseitige Beziehung oder Gemeinsamkeit eingeführt. Ferner ist unterschieden und getrennt das vollkommene, uns entsprechende, unwandelbare Wesen Jesu, und was immer zu den ihm entsprechenden Geheimnissen seiner Menschenliebe gehört.

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