Gunter Pirntke

Der Affenprozess und seine Hintergründe

 

Impressum

Covergestaltung: Irene Repp

Bildrechte: Hugo Rheinhold's Affe mit Schädel (by Darwin Monkey), 2008

Digitalisierung: Gunter Pirntke

BROKATBOOK Verlag Gunter Pirntke


BROKATBOOK Verlag Gunter Pirntke 2015

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Gunter Pirntke

Altenberger Str. 47

01277 Dresden

Inhalt

Impressum

Dayton

Butler Act und Darwin

Der Angeklagte

Genesis 1 Schöpfungsgeschichte

Der Prozess

Die Verhandlung

Was geschah danach?

 

Dayton

 

 

Die Menschen aus den Bergen von Tennessee galten als bodenständig, gottesfürchtig und zäh. Fremden steht man hier traditionell eher misstrauisch gegenüber. Ansonsten herrscht Langeweile. Im Sommer 1925 änderte sich das schlagartig für die verschlafene Kleinstadt im Hügelland des östlichen Tennessee nördlich von Chattanooga. Fasziniert schaut die ganze Welt auf das 1800 Einwohner-Städtchen Dayton.

Dort hatten sich die Anhänger einer wortwörtlichen Interpretation der Bibel im Juli 1925 aus Sicht aufgeklärter Nordstaatler lächerlich gemacht. Die Zukunft schien einmal mehr Darwin zu gehören. Zwar war dieser im ausgehenden 19. Jahrhundert unter gläubigen Christen der USA heftig diskutiert worden. Doch die liberale Öffentlichkeit hatte sein bahnbrechendes Werk über die Entstehung der Arten (1859) keineswegs als gefährlich oder gar sündhaft eingestuft.

Die Unterkünfte sind restlos ausgebucht. Journalisten aus aller Welt balgen sich um knappe Telefon- und Telegrafenplätze. Getränke werden den Verkäufern aus der Hand gerissen, denn es herrscht die größte Hitzewelle seit Menschengedenken: 37 Grad Celsius im Tagesdurchschnitt. An jeder Ecke zelebrieren Religionsgemeinschaften und Sekten Gottesdienste; Spruchbänder und Plakate fordern: "Vertraue Jesus" oder "Bekenne deine Sünden." Neben den frommen Traktaten fällt im Stadtbild die weit über das übliche Maß hinausgehende Anwesenheit von Affen ins Auge. Affenfotos an den Fassaden, lebende Schimpansen hinter Schaufensterglas, Karikaturen von Affen, gern zusammen mit dem Bildnis des englischen Naturforschers und Entwicklungsphilosophen Charles Darwin.

Dressierte Schimpansen paradierten in Anzügen vor dem Gerichtsgebäude, der örtliche Getränkehersteller verkaufte eine Limonade namens Affenbrause. Touristen liefen mit Affenpuppen im Arm zwischen Ständen umher, die neben Wassermelonen und Sandwiches Stapel von Biologiebüchern feilboten. "Wir haben alles, nur kein Affenfleisch", erklärte der Metzger auf einer Tafel.

Die amerikanischen Top-Juristen strömten in das Provinzkaff, nebst 5000 Prozesstouristen und Reportern aus aller Welt. Erstmals wurde in den USA ein Prozess im Radio übertragen. "Lauter Hinterwäldler", zürnte vorab ein Kolumnist, eine "Mischung aus Zirkus und Heiligem Krieg", urteilte das "Time Magazine".

"Es war, als ob ein großer Zirkus die Stadt überfallen hätte", erinnerte sich der Prozessbeobachter Harry Shelton 60 Jahre später an die Ereignisse des Juli 1925, als das Verfahren gegen Scopes die Nation für Wochen fesselte. Beide Seiten taten ihr Bestes, um den Prozess möglichst effektvoll zu inszenieren. Mit Clarence Darrow aus Chicago bot die ACLU einen berühmten Strafverteidiger und bekennenden Agnostiker auf. Die Fundamentalisten ihrerseits schickten ihr altes Schlachtross William Jennings Bryan in seinen letzten großen Kampf.

Dieser Prozess war Höhepunkt eines Streites zweier unversöhnlicher Lager im amerikanischen Protestantismus. Auf der einen Seite standen die "Kreationisten", die an ein wortwörtliches Verständnis der Bibel glaubten: "Das Wort Gottes". Auf der Gegenseite fochten die "Evolutionisten". Sie machten sich für Darwins Evolutionslehre stark, wonach auch der Mensch Ergebnis Jahrmillionen währenden Evolution sei, und sein nächster Verwandter - Gott sei's geklagt - eben ein Affe.

 

Nach dem Ersten Weltkrieg hatte eine sich selbst als Fundamentals bezeichnende konservative christliche Bewegung in den USA erheblichen Einfluss erlangt.

Das Wort Fundamentalismus trat erstmals im Zusammenhang mit einer von Reuben Archer Torrey herausgegebenen Schriftenreihe The Fundamentals A Testimony to the Truth auf, die sich gegen liberale Theologie und insbesondere die historisch-kritische Methode wandte. Zu den Autoren gehörten namhafte konservative Theologen wie Benjamin Breckinridge Warfield. Die fünf wesentlichen Punkte ihrer Haltung wurden 1910 von der Generalkonferenz der presbyterianischen Kirche zusammengefasst:

die Irrtumslosigkeit und Autorität der Bibel

die Gottheit Jesu Christi

die Jungfrauengeburt und Wunder

sein Tod für die Sünden der Menschen

seine leibliche Auferstehung und seine Wiederkunft

Die in den Fundamentals vertretene Haltung genügt nicht, um den christlichen Fundamentalismus trennscharf zu definieren. Von anderen Strömungen unterscheidet sich der christliche Fundamentalismus durch eine biblizistische Auslegung der Bibel, die so eng mit dem Heilsglauben verbunden ist, dass andersdenkenden Christen ihr Christsein abgesprochen wird. Ergänzend kommen dazu eine konservative politische Haltung und der Wille, religiös begründete Überzeugungen auch politisch durchzusetzen.

Am 10.Juli 1925 begann, so die Gazetten, die "Schlacht des Jahrhunderts", die als "Affenprozess" ("Monkey Trial") in die Geschichte der US-amerikanischen Justiz einging.

Die Anklage in dem Prozess wurde unter anderem durch den Generalstaatsanwalt des Staates Tennessee vertreten, assistiert wurde sie durch den Politiker William Jennings Bryan, einen der Hauptvertreter des Fundamentalismus.

Als "Sprachrohr Gottes und der Staatsanwaltschaft" war William Jennings Bryan angetreten - ein korpulenter alter Herr, dreimal geschlagener Präsidentschaftskandidat und ehemaliger Außenminister. Der wortgewaltige Eiferer, der Kontrahenten schon mal erkleckliche Summen bot, wenn sie ihm schriftlich versicherten, persönlich von einem Affen abzustammen, nannte die bevorstehende Auseinandersetzung "ein Duell auf Leben und Tod zwischen Ungläubigen und Christen." Auf Bryans Seite waren noch vier weitere Anwälte.

Scopes sollte in dem Verfahren unter anderem durch die bekannten New Yorker Anwälte Arthur Garfield Hays, Dudley Field Malone sowie der berühmteste Strafverteidiger jener Zeit, der ehrwürdige, knittergesichtige Clarence Darrow aus Chicago verteidigt werden.

Die Hauptgegner in diesem Prozess waren also Scopes' Anwalt Darrow und der Assistent des Staatsanwalts, William Jennings Bryan. Die Verteidigung vertrat den Standpunkt, das Gesetz widerspreche der in der Verfassung festgelegten Trennung von Kirche und Staat und der Religionsfreiheit. Außerdem behauptete sie, dass die Evolutionstheorie nicht im Widerspruch zur Bibel stehe. Für Letzteres wollten sie eine Vielzahl von Wissenschaftlern als Sachverständige aufbieten, die sich zu diesem Zweck auch in oder um Dayton aufhielten.

Nun wird Dayton von Hinterwäldlern geradezu überschwemmt, die es den "Ausländern aus dem Norden", die es wagten, ihnen Ignoranz und Bigotterie vorzuwerfen, "mal richtig zeigen wollen".

Das Gerichtsgebäude bot 900 Menschen Platz. Es erwies sich jedoch als viel zu klein und der Fußboden drohte unter der Last der Schaulustigen einzubrechen, so dass das Gericht nach einigen Tagen in einen weitläufigen Park auswich.

Die Satire-Zeitung "The Onion" amüsierte sich noch Jahrzehnte später über den Prozess - mit dieser Meldung über hyperintelligente Schimpansen aus der Zukunft.

 

Die Satire-Zeitung "The Onion" amüsierte sich noch Jahrzehnte später über den Prozess - mit dieser Meldung über hyperintelligente Schimpansen aus der Zukunft Wie kam es zu diesem Prozess, was ging dem Spektakel in Dayton voraus?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Butler Act und Darwin

 

 

Der Butler Act war ein am 13. März 1925 in Kraft getretenes umstrittenes Gesetz im US-amerikanischen Bundesstaat Tennessee, das Lehrkräften unter Androhung einer Strafe zwischen 100 und 500 US-Dollar als Ordnungswidrigkeit verbot, an ganz oder teilweise von Tennessee staatlich finanzierten Bildungseinrichtungen jegliche Theorie zu lehren, denen zufolge der Mensch nicht wie in der Bibel gelehrt göttlichen Ursprungs sei, sondern von einer niedrigeren Ordnung von Tieren abstamme.

Die Evolutionstheorie von Charles Darwin wurde an den meisten US-amerikanischen Schulen und Universitäten gelehrt, bis sich im Jahr 1925 der Farmer John Washington Butler, ein Mitglied des Abgeordnetenhauses von Tennessee, dafür aussprach, das Lehren der Evolutionstheorien an allen Bildungsinstitutionen des Bundesstaates zu verbieten. Daher wurde das am 13. März 1925 verabschiedete Gesetz nach ihm Butler Act genannt.

John Washington Butler, ein baptistischen Laienprediger, wollte, mit dem Gesetz nach eigenen Angaben die Lehre von Evolutionstheorien verhindern, die er für Ungehorsam von Kindern verantwortlich sah.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes wäre es legal gewesen, zu lehren, dass Affen von Einzellern abstammen, die Mechanismen von Variation und natürlicher Auslese zu lehren, oder die vorherrschenden wissenschaftlichen Theorien über Geologie und das Alter der Erde. Es forderte auch nicht, die Schöpfungsgeschichte zu lehren. Verboten war nur, zu lehren, dass der Mensch von einer niedrigeren Art abstamme, oder sonstige Theorien zu lehren, nach denen nicht Gott, wie in der Genesis beschrieben, den Menschen geschaffen habe. Im Klartext: Im Biologieunterricht ist nicht etwas anderes als die Genesis zu verkündigen.

Schauen wir uns die Hintergründe an.

Darwins Evolutionstheorie ist durch Erkenntnisse aus diversen Teildisziplinen der Biologie wie der Paläontologie, Genetik, Morphologie, Anatomie, Zellbiologie, Biochemie, Verhaltensbiologie, Ökologie, Biogeographie und Entwicklungsbiologie immer weiter vervollständigt worden. Auch die Deszendenztheorie zum gemeinsamen Ursprung allen Lebens ist darin integriert.