Des Knaben Wunderhorn
Alte deutsche Lieder
Gesammelt von Achim von Arnim und Clemens Brentano
Fischer e-books
Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.
Mit den Autorenporträts aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.
Mit Daten zu Leben und Werk beider Autoren, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT+KRITIK.
Covergestaltung: bilekjaeger, Stuttgart
Abbildung: Ludwig Adrian Richter,»Frühlingsabend« ©Kunstmuseum, Düsseldorf/ The Bridgeman Art Library
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ISBN 978-3-10-400875-2
Ich verstehe hier unter Sentimentalität das Nachahmen und Aufsuchen des Gefühls, das Schauspielen mit dem Edelsten, was nur im Spiele damit verloren gehen kann, nicht verstehe ich darunter jene Sentimentalität, das menschliche Gefühl wie es im Einzelnen sich ausdrückt, wogegen die Neuntödter, die philosophischen Schüler wohl schreiben (auch wohl wirken, wenn kein lebendiger Volksgeist es aufhebt), und darinn zusammen kommen, mit der ersten schimpflichen Sentimentalität zu demselben Mittelpunkte, zur Seligkeit eines Steins in Unempfänglichkeit und Unfruchtbarkeit der Lust. Keine Schule ist hiemit besonders bestimmt, sondern alle, denn wie die Begeisterung der Pythia mit Ermattung verbunden, so den Philosophen die Schüler. Die Philosophen sind ewige Nilmesser einer entwichenen Gottesfluth und Erhebung, ihre Schüler wollen aber das Unmögliche leisten, zu messen was nicht mehr vorhanden ist.
Ich kann mich nicht enthalten die wunderbar herrliche Vorrede Georg Forsters zu seinen frischen Liedlein, Nürnberg 1552, als eines meiner liebsten Herzblätter zur Erläuterung des Gesagten mitzutheilen.
»Freundlicher lieber Singer, und der edlen Musik Liebhaber. Es sind in einigen Jahren unter andern Gesängen so bisher gedruckt worden, mancherley Teutsche Liederbüchlein durch den Druck ausgegangen, wie aber die zum Theil seyn, will ich denen, so des Gesanges einen Verstand haben zu bedenken geben.
Ich übergebe mein Liederbüchlein, damit alte Teutsche Lieder, so doch noch, wenn ich sagen dürfte, schier die besten sind, sammt ihren Meistern, welche mit der Musik auferzogen, umgegangen, und ihr Leben damit beschlossen haben, nicht ganz und gar vergessen, und an ihrer statt nicht viel ungereimte neue Kompositionen, die doch gar keine rechte Teutsche liederische Art haben, gebraucht würden; sondern daß ich auch die mit solchen schlechten Liedern zerstörte, schöne und liebliche Kunst der Musik, welche bey den Alten ehrlich, und in großen Würden gehalten, möchte erhalten und fördern. Insonderheit dieweil bey allen Fröhlichkeiten und Kurzweilen, frische gute Teutsche Lieder zu singen, oder auf den Instrumenten zu brauchen gebräuchlich: Durch welches denn viel unnützes Geschwätz, unflätisch Zutrinken, darzu zänkisch und haderlich Spielen, und andere Laster möchten verhindert werden. Wie ich denn oft von einem trefflichen theuren Manne gehört habe, als er sagt, daß unter allen Kurzweilen, damit man die Zeit zu vertreiben führt, er kein göttlichere, ehrlichere, und schönere Kurzweil wüste, denn die liebliche Musik, daß alle andere Kurzweile, als Spielen, Fechten, Ringen, Springen, dahin gericht wären, daß sich ein jeder nur aufs beste befließe, damit er dem, mit welchem er solch Kurzweil übet, möchte überliegen, angewinnen, und zu bevortheilen, daraus denn mancher Unrath und Zank und Hader entspringe. Die Musik aber hat kein andres Fürhaben, denn daß sie gedächte, wie sie nur die Einigkeit der Stimmen mit allem Fleiß möchte erhalten, und aller Mißhellung wehren.«
Der schönen Auswahl dieses Mannes dankt unsre Sammlung mehrere der besten Lieder, woraus zu ersehen, daß Verdienst nicht untergehen kann.
Lorenz Medicis (Life of Medicis by Roscoe I. 296.) der in der Welt zu Hause, wie ein andrer in seinen vier Wänden, verstand den Werth des Dialekts und schrieb zuerst in der Bauernsprache seines Landes.
Herr Koch, dem ich bey dieser Gelegenheit für manche literarische Mittheilung meinen Dank abstatte, bemerkt den Einfluß der Flagellanten auf den Untergang vieler weltlicher Lieder in seinem schätzbaren Handbuche. Sie entstanden während der großen Pestzeiten. Merkwürdig ist, daß in zwey sehr verschiedenen Chroniken, in der Straßburger und der Limpurger, immer dasselbe ganz schlechte Lied von ihnen angeführt wird. Vielleicht stammen aus den damaligen Gesinnungen die allgemein verbreiteten Todtentänze.
Es würde angenehm lauten, alles durchzugehen, was zu verschiedenen Zeiten genialisch genannt worden, wo aus dem zersplitterten Geiste der lebende Baum entwickelt wurde: Kennen doch viele erst seine Festigkeit aus dem Gewichte, wodurch es zerreißt. Dem Takte nach sezte man Genie in schnelle, stoßweise, wenn gleich noch so unbedeutende Produktion, in pralende Schwatzhaftigkeit, und unvermögende Planmacherey, sein Boden schien der Schmutz jeder Art, den Vorüberziehenden muste es seine Früchte auf den Kopf fallen lassen, in allem Sturm seine Blätter schlaff und jämmerlich senken, in der Ruhe immer rauschen, als wenn ein Sturm ginge. Die Vögel die zutraulich darauf nisteten tückisch hinunter werfen, schnell empor in falsches unbrauchbares Holz muste es schießen, um schnell zu fallen. Wer verwundert sich nach solchen Antichristen Talent verhaßt, Nichtigkeit geehrt zu finden. Die Wortspielerey unsrer Zeit hat Kunst und Genie einander entgegengesezt; viel Kunst und wenig Genie, wird von den elendesten Nachahmereyen gesagt. Keiner ist ohne Genie, wenn gleich manche Werke der Kunst ohne sind, der eine kann die Tropfen zählen, dem andern ists ein Platzregen, der eine steht im Nordlichte, der andre siehts in der Ferne. Wenn Genie das Schaffende genannt werden kann, so ist Kunst die Art der Erscheinung dieses Geschaffenen. Genie ohne Kunst, wäre Luft ohne Beschränkung, Kunst ohne Genie wäre ein Punkt ohne alle Dimension.
Die verkehrten Versuche einiger Gutgesinnten zur Herstellung und Ermunterung des Volksliedes durch Sammlungen, die weder den niedern Ständen gefielen, noch die höheren befriedigten, übergehe ich, meine Achtung in gleichem Sinne ihrem Sinne zu bezeugen.
Sie tragen viele vortreffliche Instrumente bey sich, warum verachten sie Landesinstrumente, wie den Dudelsack: den Hochländern nahm man das Schwerdt, weil sie gewöhnlich das Gewehr wegwarfen und damit fochten, auf den Schiffen weiß man es jezt wieder zu gebrauchen.
Otmars Volkssagen. Bremen 1800. S. 327. Eine Sammlung aus einem kleinen Flecken von Deutschland, die bis auf einzelne Zusätze und Wortüberfluß als Muster ähnlicher aufgestellt werden kann. Es ist wie eine neue Welt schöner Erfindung, aber von den meisten vergessen, weil es weder Veilchensyrup noch Teufelskost, sondern weil es uns führt zu den Veilchen, auch wohl in die Behausung des Teufels.
Ihr Lehrling war Paracelsus.
Wenn ich es verkehrt nenne, wie die Alten in vielen Schulen betrieben werden, so ist es meine Erfahrung. An allen Orten des Altdeutschen war nichts, des Lateins zu viel, des Griechischen zu wenig. Verkehrt nenne ich der Annäherung-Schulen nationale Geschichte, das Eigenste des Volks den Alten nachzubilden, da doch diese nur wegen dieser erschöpfenden Nationalität vortrefflich sind. Bis jezt sind unsre Chroniken unsre einzigen Historiker, alle andern in conventioneller Ziererey und Ansicht versunken, und diese werden in Schulen eben so wenig zugelassen, als die nationalen epischen Gedichte, ja es möchte den meisten Schulmännern sehr wunderlich noch vorkommen, wenn ich ihnen die Volkslieder als lehrreicher zur Deklamation als alle Hallersche Gedichte aufstellte. Aber wie die Jungen in unsrer Zeit ganz alt unter einander thun müssen, um in die Gesellschaft der Alten geführt zu werden, und in aller Schlechtigkeit sich früh abzuglühen, so impft man ihnen einen ästhetischen Ausschlag früh ein, die natürliche Verehrung und das Gefühl dessen zu unterdrücken, was wir selbst nur im glücklichen Augenblicke hervorzubringen vermögen. So möchte freylich mancher dieser Knaben mit edler Herablassung dieser Lieder lächeln.
Dies bezieht sich auf den eigenthümlichen sargartigen Bau des neuen Berliner Schauspielhauses, an andern Orten haben sie vielleicht die Form nicht, aber denselben todten Inhalt, wie viele haben auch nicht die Uhr über der Scene, aber dieselbe Langeweile.
Der gewöhnliche Sonntag wird jezt auch in die Arbeit hinein gerissen, darum sieben Werktage, der Kalender ist wirklich nicht in Frankreich allein geändert.
Phil, von Sittewald Strafschriften. II. B. S. 573.
Bey dem theuren Blutverkaufen der alten Landsknechte ist die Vergleichung mit den heutigen von Land zu Land sich stehlenden und angeworbenen Soldaten sehr traurig; jene kannten ganz den Werth ihres Lebens, ließen es sich wohl bezahlen, dienten ihre Zeit mit Ehre, dem Tode mit Bewustseyn, – diese stürzen sich für einen frischen Trunk in einen frischen Rock, und sehen beym Eintritt in das Thor, wie sie hinauslaufen können, wenn der Krieg sie überrascht, als welchen sie gar nicht ansehen mögen.
Es wäre mir leicht einige zu nennen, bey denen recht gute kräftige alte Bücher verboten, die seichtesten dafür eingeführt, doch hilft das nichts, vielleicht hilft ihnen diese Betrachtung, um schlechte moralische Komödien-Lieder und Schriften dem Volke nicht weiter aufzudringen, daß keiner über das Heilgste schlecht schreiben kann, der nicht selbst schlecht ist, sie werden dann auch den Widerstand des Volks gegen neue Gesangbücher verstehen lernen.
Warum Tiek vor allen frühern Bearbeitern und Herausgebern ein unsterbliches Verdienst zukommt, das wird jedem mitfühlenden Leser seine herrliche Einleitung zu den Laienbürgern bewähren; nicht Neugierde, sondern reiner Sinn für ihren Werth bestimmte ihn, er hielt das Große vom Gemeinen frey. Ich würde der beiden Jahrgänge des von Nicolai besorgten feinen Almanachs mit Lob erwähnen, wenn nicht durch die angehefteten schlechten Spässe, wunderliche Schreibart und Ironie gegen Herder die Wirkung dieser schätzbaren Sammlung aufgehoben worden.
Sie weiß nichts davon, daß die Alten das Schöne gesucht und die Neuen das unterlassen: Ob es wohl einer kann lassen das Schöne nicht zu finden, oder es kann finden, wenn er es sucht! Alles was mit Lust im Gemüthe sich aufthut und findet ist schön, sey es Himmel oder Hölle, nur das Zufällige ist häßlich, aus kindischen Strichen wird nie ein Apollokopf, und ein Mahler der aus willkührlichen Punkten Gruppen zeichnet, macht höchstens eine Klingenprobe seines Genies, so der Dichter aus Endreimen. Der Mahler benuzt was ihm die Erfahrungen über die Farben geben, der Farbe in seinem verschlossenen Auge sich zu nähern, der Dichter was ihm die Sprache giebt, schaffend im widerstrebenden Stoff, der Reimer legt witzig zusammen, was lange schon vorhanden, er leimt eine Blume aus verschiedenen Blättern zusammen, die Fugen nennt er Originalität, die Leute verwundern sich erst darüber, dann sehen sie, daß alles daran welkt.
Assonanz und andre Aeußerungen der Spracheinigung sind den Gebildeten bis auf unsre Zeit fremd gewesen, von den simpeln Recensenten verspottet, von ihren Freunden geheimnißvoll angepriesen, das Volkslied hat sie ohne Anmaßung, erkennt sie ohne Zwang, und zeigt sogar ihren besseren Gebrauch in Werken, die nicht für die Assonanz gewirkt sind, sondern nur in der Assonanz werden konnten.
Sie hat in der Erfindung der Harmonie ein eichenfestes Haus sich erbaut, nicht in der Harmonie, wie sie in Büchern steht, sondern wie sie im Kopfe guter Instrumental-Komponisten, oder solcher Tonkünstler klingt, welche die Stimme als Instrument gebraucht haben, in Kirchenmusiken. Daraus folgt aber nicht die Nothwendigkeit dieser Harmonie, wo die Musik wieder im Worte gebunden erscheint.
Aus einem sehr erklärlichen Misverständnisse bey denen, die einer der Künste nur mächtig sich gern genügen wollten, entstand musikalische Poesie und poetische Musik, wenn aber etwas Poesie werden könnte, wäre es nicht Musik geworden, und umgekehrt. Diese beyden edlen Sinne des Geistes befinden sich dabey wie in der Fabel Storch und Fuchs bey gleicher Schüssel.
Wie nur sehr große Künstler andre fremde Meisterwerke lieben können, so hat auch der Haufe dort eine Abneigung gegen fremdartige Musik. So lieb es mir wäre, wenn der gute Geist der Zeit am Wiedermusiziren der Volkslieder sich rechtschaffen übte, so traurig ist mir, daß ich viele der besten Volksmelodieen aus Unkenntniß nicht mittheilen kann, weil doch vielleicht nur eine große innere Melodie für jedes vorhanden, ob die früher oder später einem Menschen ins Ohr fällt, das kann keiner sagen, aufhorchen kann jeder.
Ein trefflicher Aufsatz über Arbeits- Handwerks- Kinderlieder und Tanzlieder, der besonders den Unterschied zwischen dem deutschen Tanze und dem Reihentanze, so wie die eigene Natur des Schleifers mit Enthusiasmus entwickelt (im Bragur III. T. S. 207–284.) ist leider nicht vollendet, viele der dort erwähnten Lieder wünschte ich gerne ganz mittheilen zu können.
Doch zur Probe einige aus dem Jahre 1802.
1) Aus einem räthselhaften Quodlibet, oder eine Kaskonade:
Potz tausend, schaut fort läuft die Katz,
Geh Plasl lauf, halts auf,
Ein jeder Mensch hat seinen Schatz,
In diesem Lebenslauf.
Als d’ Jungfer noch ein Jungfer war,
Hat’s keine mehr seyn mögen,
Ich wust es alles auf ein Haar,
Ihr Pelz der hing voll Regen.
2) Aus einer Beschreibung der Neuigkeiten im Prater:
Auch ist eine Hütte, wie ihr wohl wißt,
Da läst man sich wägen, wie schwer als man ist,
Ich ging auch einmal hin,
Z’ wissen, wie schwer ich bin?
Der Kerl war ein Flegel, er sprach: Hörts der Herr,
Sie sind gewiß ein Schneider und sind gar nicht schwer.
Wer damit nicht zufrieden, noch mehr sehen will,
Geh grade von da aus zum Ringlspil,
Da drehen sich zwey und zwey
Rund herum in der Reih,
Oft schreien die Medeln, nicht gar so geschwind,
Es ist nicht wegen meiner, es ist wegens Kind.
Das Verhältniß dieser Lieder zu den Nationalopern der dortigen Vorstädte, wird schon aus diesen Proben fühlbar, die meisten dieser Singespiele sind der Anlage nach schön, ungeschickt und leer in der Sprache, gewöhnlich aber nur durch Fortsetzungen unangenehm.
Ungedruckte Reste alten Gesanges von Elwert. Marburg 1781, wo er dieselben Lieder als Herder mittheilt, sind sie besser, Herder konnte sich der Kritik nicht entladen. Elwert sagt sehr klar: Der Mensch nur, der im wehenden Abendwind den Schlafgesang der Vögel belauscht, nur der konnte in voller Wehmuth zum Liebchen seufzen: Wenn ich ein Vöglein wär und nur zwey Flügel hätt, flog ich zu dir. Aber es kamen andre Zeiten und die Volkslieder erstarben in meinem Kopfe unter dem Wuste von wissenschaftlichem Unkraute. Alle Blumen in euren Gärten sind Kinder des Feldes und Waldes. Sie hatten sanfte Farben von der Natur, aber sie luxurirten zulezt und wurden oft grell durch überflüßigen Saft. Tausend solcher Sträußer blühen im hohen Grase, unsre Gelehrten stolpern vorbey, indem sie die hohen Felsen messen, Thürme, Städte und all die großen Wunder der Natur anstaunen.
Götz von Berlichingens ritterliche Thaten. S. 117.
Vergl. Relicks of the Welsh Bards by Ed. Jones.
Zur Ehre der Deutschen kann man sagen, daß sie nicht Erfinder dieser Höllenkünste der Rezensirbuden und des kritischen Waschweibergeschwätzes sind, ungeachtet dergleichen Mode bey ihnen insonders gefaßt. Doch sind hiebey immer noch wie ein Wirthshaus erster Klasse von einem der vierten zu unterscheiden, die ernsthaften Dikasterien, wo freylich auch oft die Akten über Stadtneuigkeiten vergessen werden, von den telegraphischen Büreaus aller literarischen Misere durch ganz Deutschland. Dem freyen Sinne für Kunst und Wissenschaft sind auch diese lezteren an sich lieb als Wiedererscheinung einer gewissen Gelehrsamkeitseinbildung, die wohl jedem als Kind der Gelehrsamkeit vorausgeht, aber dieser freye Sinn ist selten, der gröste Theil der Leser nimmt an Kunst und Wissenschaften gar keinen Theil, ihn reizt nur das Handelnde, das Bewegliche in den Gelehrten, er kommt endlich zu der wohlgefälligen Meinung, daß die ganze Gelehrtenrepublik nichts als ein Ameisenhaufen sey, der alles belaufe, kneife und beschmutze, um einigen armseligen Weihrauch zusammen zu bringen.
Der Schein, was ist der, dem das Wesen fehlt?
Das Wesen, wär es? Wenn es nicht erschiene?
Göthe’s Eugenie.
Auch das ist wahr, jedes an seiner Stelle.
Diese Sammlung sey dem Leser eine Probe von dem, was wir wünschen. Wer der Gelegenheit und Lust ermangelt, was er entdeckt, bekannt zu machen, dem erbiethen wir uns, mein Freund Clemens Brentano in Heidelberg und ich in Berlin (abzugeben im Viereck n. 4.) zur schnellen Herausgabe. Die zahlreichen Schweizer-Lieder (beym Staubbach wurden mir unzählige gesungen, aber ich konnte keines verstehen und herausbringen), verdienten ganz besonders eine treue Aufzeichnung von einem würdigen Gelehrten des Landes, es giebt große Heldengedichte noch unter dem Volke, so liest ein alter Mann in Meiringen ein sehr merkwürdiges Gedicht über die Entstehung des Völkchens den Reisenden vor. Sehr willkommen würden mir klargedachte Zeichnungen zu diesen Gedichten seyn, die in ihrer gestaltreichen bestimmten Darstellung dem Zeichner ein Schatz von Erfindung seyn können, wenn er ihn besprechen und heben kann. Ihn aufmerksam auf solche einzelne Bilder zu machen, würde vielleicht das Vergnügen rauben und ihm nur die Arbeit lassen.
Vergl. die Zueignung des Buches.
Rudolph I. Bischof von Breslau st. 1482.
wollte.
Die Sängerin, ein 76jähriges Bauernweib, wußte sich hier einiger Reimpaare nicht zu erinnern.
Der Dialekt, in der diese Romanzen gesungen wurden, ist nicht ganz die ländliche Volkssprache – des hauensteinischen Schwarzwalds; sondern es ist die Volkssprache, die das Hochdeutsche zu sprechen affektirt.
Die Melodie – nach welcher diese Romanzen gesungen wurden, war mehr rhytmische Deklamation, als Melodie. Ein Linienpaar war der Satz des Rhytmus wovon die erste Linie die Kadenz, die zweite das Finale machte.
cras ist lateinisch, und heißt morgen.
»Auf dem Reichstage zu Augsburg geschah ein guter Schwank von Grünenwald, Singer an des Herzogs Wilhelmen von München Hof. Er war ein guter Musikus und Zechbruder, nahm nicht für gut was ihm an seines gnädigen Fürsten und Herren Tisch aufgetragen ward, sunder sucht sich anderswo gute Gesellschaft, so seines Gefallens und Kopfs wäre, mit ihm tapfer dämpften und zechten, kam so weit hinein, daß alle Geschenke in der Schenken für nasse Waar und gute Bislein dahin gingen; nach mußt die Maus bas getauft werden, er macht dem Wirth bey acht Gulden an die Wand. Als der Wirth erfuhr, daß der Herzog von München sammt andern Fürsten und Herren aufbrechen wollte, so kam er zu dem guten Grünenwald, fodret seine angeschriebene Schuld. Lieber Wirth, sagt Grünenwald, ich bitt euch von wegen guter und freundlicher Gesellschaft, so wir nun lang zusammen gehabt, lassend die Sach also auf diesmal beruhen, bis ich gen München komm, denn ich bin jetzt zumal nicht verfaßt, wir haben doch nicht so gar weit zusammen, ich kanns euch alle Tag schicken, denn ich hab noch Kleinod und Geld zu München, das mir die Schuld für bezahlen möcht. Das gunn dir Gott, sagt der Wirth, mir ist aber damit nicht geholfen, so wölln sich meine Gläubiger nicht bezahlen lassen mit Worten, nemlich die, von denen ich Brod, Wein, Fleisch, Salz, Schmalz, und andere Speisen kaufe; komm ich auf den Fischmarkt, sehen die Fischer bald, ob ich um baar Geld oder auf Borg kaufen wöll; nimm ichs auf Borg, muß ichs doppelt bezahlen. Ihr Gesellen aber setzt euch zum Tisch, der Wirth kann euch nicht genug auftragen, wenn ihr gleichwohl nicht ein Pfenning in der Taschen habt. Drum merk mich eben, was ich auf diesmal gesinnet bin. Willt du mich zahlen, mit Heil, wo nicht, will ich mich dem nächsten zu meins gnädigen Fürsten und Herrn von München Secretarien verfügen, derselbig wird mir wohl Weg und Steg anzeigen, damit ich zahlt werd.
Dem guten Grünenwald war der Spieß an Bauch gesetzt, wußt nicht wo aus oder wo an, dann der Wirth so auch mit dem Teufel zur Schulen gangen, war ihm zu scharf. Er fing an die allersüßesten und glattesten Wort zu geben, so er sein Tag je studieren und erdenken mocht, aber alles umsonst war. Der Wirth wollt aber keineswegs schweigen, und sagt: ich mach nicht viel Umstand, glattgeschliffen ist bald gewetzt, du hast Tag und Nacht wollen voll sein, den besten Wein, so ich in meinem Keller gehabt, hab ich dir müssen auftragen, drum such nur nicht viel Mäus, hast du nicht Geld, so gib mir deinen Mantel, dann so will ich dir wohl eine Zeitlang borgen. Wo du aber in bestimmter Zeit nicht kommst, werd ich deinen Mantel auf der Gant verkaufen lassen, dieß ist der Bescheid mit einander. Wohlan sagte Grünenwald, ich will der Sache bald Rath finden. Er saß nieder, nahm sein Schreibzeug, Papier, Feder und Dinten, und dichtet nachfolgends Liedlein:
»Ich stund auf an eim Morgen,
Und wollt gen München gehn,
Und war in großen Sorgen,
Ach Gott wär ich davon,
Meim Wirth, dem war ich schuldig viel,
Ich wollt ihn gern bezahlen,
Doch auf ein ander Ziel.
Herr Gast ich hab vernommen,
Du wöllest von hinnen schier,
Ich laß dich nicht weg kommen,
Die Zehrung zahl vor mir,
Oder setz mir den Mantel ein,
Demnach will ich gern warten,
Auf die Bezahlung dein.
Die Red ging mir zu Herzen,
Betrübt ward mir mein Muth,
Ich dacht, da hilft kein Scherzen,
Sollt ich mein Mantel gut
Zu Augsburg lassen auf der Gant
Und blos von hinnen ziehen,
Ist allen Singern ein Schand.
Ach Wirth nun hab Gedulte
Mit mir ein kleine Zeit,
Es ist nicht gros die Schulde,
Vielleicht sich bald begeit,
Daß ich dich zahl mit baarem Geld,
Drum lasse, mich von hinnen,
Ich zieh nicht aus der Welt.
O Gast! das geschieht mit nichten,
Daß ich dir borg dießmal,
Dich hilft kein Ausred-Dichten,
Tag Nacht wollst du seyn voll,
Ich trug dir auf den besten Wein,
Drum mach dich nur nicht müßig,
Ich will bezahlet seyn.
Der Wirth, der sah ganz krumme,
Was ich sang oder sagt,
So gab er nichts darumme,
Erst macht er mich verzagt,
Kein Geld wußt ich in solcher Noth,
Wo nicht der fromm Herr Fuker
Mir hilft mit seinem Rath.
Herr Fuker laßt Euch erbarmen
Mein Klag und große Pein
Und kommt zu Hülf mir Armen,
Es will bezahlet seyn
Mein Wirth von mir auf diesen Tag,
Mein Mantel thut ihm gefallen,
Mich hilft kein Bitt noch Klag.
Den Wirth thät bald bezahlen
Der edel Fuker gut,
Mein Schuld ganz über alle,
Das macht mir leichten Muth,
Ich schwang mich zu dem Thor hinaus,
Adie du kreidiger Wirthe,
Ich komm dir nimmer ins Haus.«
Dies Liedlein faßt Grünenwald bald in seinen Kopf, ging an des Fukers Hof, ließ sich dem Herrn ansagen; als er nun für ihn kam, thät er seine gebührliche Reverenz, demnach sagt er: Gnädiger Herr, ich hab vernommen, daß mein gnädiger Fürst und Herr allhie aufbrechen und auf München zu ziehen will. Nun hab ich je nicht von hinnen können scheiden, ich hab mich dann mit Euer Gnaden abgeletzet. Habe Deren zu lieb ein neues Liedlein gedicht, so Euer Gnad das begehrt zu hören, wollt ichs Deren zu letze singen. Der gute Herr, so dann von Art ein demüthiger Herr war, sagt: Mein Grünenwald ich wills gern hören, wo sind deine Mitsinger, so dir behülflich seyn werden, laß sie kommen. Mein Gnädiger Herr, sagt er, ich muß allein singen, dann mir kann hierin weder Baß noch Diskant helfen. So sing her, sagt der Fuker. Der gute Grünenwald hub an und sang sein Lied mit ganz fröhlicher Stimm heraus. Der gut Herr verstund sein Krankheit bald, meinet aber nit, daß der Sach so gar wär, wie er in seinem Singen zu verstehn geben hat, darum schickt er eilend nach dem Wirth; als er nun die Wahrheit erfuhr, bezahlt er dem Wirth die Schuld, errettet dem Grünenwald seinen Mantel, und schenkt ihm eine gute Zehrung dazu. Die nahm er mit Dank an, zoge demnach seine Straße, da erhob sich ein Wind, der selbigen Mantel recht lustig vor dem Hause des armseligen Wirthes aufblies, war aber dem Wirthe entgegen, warf ihm auch die Fenster zusammen: darum Kunst nimmer zu verachten ist.«
»(Aus dem Rollwagenbüchlein.)«
Wir sprechen aus der Seele des armen Grünenwald, das öffentliche Urtheil ist wohl ein kümmerlicher Wirth, dem unsre Namen als Mantel dieser übelangeschriebenen Lieder die Schuld nicht decken möchten. Das Glück des armen Singers, der Wille des reichen Fuker geben uns Hoffnung, in Eurer Exzellenz Beifall ausgelöst zu werden.
L. A. von Arnim. C. Brentano.
I 13
Ein Knab auf schnellem Roß
Sprengt auf der Kaisrin Schloß,
Das Roß zur Erd sich neigt,
Der Knab sich zierlich beugt.
Wie lieblich, artig, schön
Die Frauen sich ansehn,
Ein Horn trug seine Hand,
Daran vier goldne Band.
Gar mancher schöne Stein
Gelegt ins Gold hinein,
Viel Perlen und Rubin
Die Augen auf sich ziehn.
Das Horn vom Elephant,
So gros man keinen fand,
So schön man keinen fing
Und oben dran ein Ring,
Wie Silber blinken kann
Und hundert Glocken dran
Vom feinsten Gold gemacht,
Aus tiefem Meer gebracht.
Von einer Meerfey Hand
Der Kaiserin gesandt,
Zu ihrer Reinheit Preis,
Dieweil sie schön und weis’.
Der schöne Knab sagt auch:
»Dies ist des Horns Gebrauch:
Ein Druck von Eurem Finger,
Ein Druck von Eurem Finger
Und diese Glocken all,
Sie geben süßen Schall,
Wie nie ein Harfenklang
Und keiner Frauen Sang,
Kein Vogel obenher,
Die Jungfraun nicht im Meer
Nie so was geben an!«
Fort sprengt der Knab bergan,
Ließ in der Kaisrin Hand
Das Horn, so weltbekannt;
Ein Druck von ihrem Finger,
O süßes hell Geklinge!
I 15
Altes fliegendes Blatt aus Kölln.
Der Sultan hatt’ ein Töchterlein,
Die war früh aufgestanden,
Wohl um zu pflücken die Blümelein
In ihres Vaters Garten.
Da sie die schönen Blümelein
So glänzen sah im Thaue,
Wer mag der Blümlein Meister seyn,
Gedachte die Jungfraue.
Er muß ein großer Meister seyn,
Ein Herr von großen Werthen,
Der da die schönen Blümelein
Läßt wachsen aus der Erden.
Ich hab’ ihn tief im Herzen lieb,
O dürft ich ihn anschauen!
Gern ließ ich meines Vaters Reich
Und wollt sein Gärtlein bauen.
Da kam zu ihr um Mitternacht
Ein heller Mann gegangen,
»Thu auf, thu auf, viel schöne Magd,
Mit Lieb bin ich umfangen.«
Und schnell die Magd ihr Bettlein ließ,
Zum Fenster thät sie gehen,
Sah Jesum ihr viel schönes Lieb
So herrlich vor sich stehen.
Sie öffnet ihm voll Freudigkeit,
Sie neigt sich tief zur Erden,
Und bot ihm freundlich gute Zeit,
Mit sittsamen Geberden.
»Woher, woher, o Jüngling schön?
In meines Vaters Reichen
Mag keiner dir zu Seite gehn,
Sich keiner dir vergleichen.«
»Viel schöne Magd, du dachtest mein,
Um dich bin ich gekommen
Aus meines Vaters Königreich,
Ich bin der Meister der Blumen.«
»O Herr, o Herr, wie weit, wie weit
Ists zu des Vaters Garten?
Dort mögt ich wohl in Ewigkeit
Der schönen Blumen warten.«
»Mein Garten liegt in Ewigkeit
Und noch viel tausend Meilen,
Da will ich dir zum Brautgeschmeid
Ein Kränzlein roth ertheilen.«
Da nahm er von dem Finger sein
Ein Ring von Sonnengolde
Und fragt, ob Sultans Töchterlein
Sein Bräutlein werden wollte.
Und da sie ihm die Liebe bot,
Sein Wunden sich ergossen.
»O Lieb, wie ist dein Herz so roth,
Dein Hände tragen Rosen.«
»Mein Herz, das ist um dich so roth,
Für dich trag ich die Rosen,
Ich brach sie dir im Liebestod,
Als ich mein Blut vergossen.
Mein Vater ruft, nun schürz dich Braut,
Ich hab dich längst erfochten.«
Sie hat auf Jesus Lieb vertraut,
Ihr Kränzlein war geflochten.
I 17
Abgeschrieben vom Giebel eines Hauses in Arth in der Schweiz, durch Arnim, s. Französische Miszellen III. B. S. 82.
Zu Ury bey den Linden
Der Vogt steckt auf den Huth,
Und sprach: Ich will den finden,
Der dem kein Ehr anthut.
Ich that nicht Ehr dem Huthe,
Ich sah ihn kühnlich an,
Er sagt: Du traust dem Muthe,
Will sehn, ob du ein Mann! –
Er faßt den Anschlag eitel,
Daß ich nun schieß geschwind
Den Apfel von dem Scheitel
Meinem allerliebsten Kind.
Ach Vater, was hab’ ich gethan,
Daß du mich also bindest an?
Mein Kind schweig still, mein Herz schonst groß,
Ich hoff, es soll mein Pfeilgeschoß
Kein Schaden dir bereiten,
Du trägst kein Schuld und ich kein Sünd,
Ruf nur zu Gott mit mir mein Kind,
Gott wird den Pfeil schon leiten.
Halt auf dein Haupt, richt dich nur auf,
In Gottes Namen schieß ich drauf,
Der gerechte Gott soll leben!
Ach Vater mein, Gott mit uns hält,
Der Apfel von dem Scheitel fällt,
Gott hat den Segen geben.
I 19
Aus mündlicher Ueberlieferung in Maria’s Godwi. Bremen 1802. II. B. S. 113. abgedruckt.
Maria, wo bist du zur Stube gewesen?
Maria, mein einziges Kind!
Ich bin bey meiner Großmutter gewesen,
Ach weh! Frau Mutter, wie weh!
Was hat sie dir dann zu essen gegeben?
Maria, mein einziges Kind!
Sie hat mir gebackne Fischlein gegeben,
Ach weh! Frau Mutter, wie weh!
Wo hat sie dir dann das Fischlein gefangen?
Maria, mein einziges Kind!
Sie hat es in ihrem Krautgärtlein gefangen,
Ach weh! Frau Mutter, wie weh!
Womit hat sie dann das Fischlein gefangen?
Maria, mein einziges Kind.
Sie hat es mit Stecken und Ruthen gefangen.
Ach weh! Frau Mutter, wie weh!
Wo ist dann das Uebrige vom Fischlein hinkommen?
Maria, mein einziges Kind!
Sie hats ihrem schwarzbraunen Hündlein gegeben,
Ach weh! Frau Mutter, wie weh!
Wo ist dann das schwarzbraune Hündlein hinkommen?
Maria, mein einziges Kind!
Es ist in tausend Stücke zersprungen.
Ach weh! Frau Mutter, wie weh!
Maria, wo soll ich dein Bettlein hin machen?
Maria, mein einziges Kind!
Du sollst mir’s auf den Kirchhof machen.
Ach weh! Frau Mutter, wie weh!
I 20
Von Martin Luther. Aus dem J! neueröffneten Schatze der Kinder Gottes. Zittau 1710. S. 393.
Jesaia dem Propheten dies geschah,
Daß er im Geist den Herren sitzen sah
Auf einem hohen Thron und hellen Glanz,
Seines Kleides Saum den Chor füllet ganz,
Es stunden zween Seraph bey ihm dran,
Sechs Flügel sah er einen jeden han,
Mit zween verbargen sie ihr Antlitz klar,
Mit zween bedeckten sie ihre Füße gar,
Und mit den andern zween sie flogen frey,
Gegenander ruften sie mit großem Schrey:
Heilig ist Gott der Herr Zebaoth,
Sein Ehr die ganze Welt erfüllet hat.
Von dem Geschrey zittert Schwell und Balken gar,
Das Haus auch ganz voll Rauchs und Nebels war.
I 21
Mündlich.
Zigeuner sieben von Reitern gebracht,
Gerichtet verurtheilt in einer Nacht,
Sie klagen um ihre Unschuld laut,
Ein Jud hätt ihnen den Kelch vertraut.
Die Rathsherrn sprechen das Leben leicht ab
Sie brachen dem sechsten schon den Stab,
Der siebent ihr König sprach da mit Ruh:
»Ich hör’ wohl in Lüften den Vögeln zu!
Ihr sollt mir nicht sengen ein Härlein vom Kleid,
Bald krähet der rothe Hahn so weit!«
Da bricht die Flamme wohl über wohl aus,
Aus allen vier Ecken der Stadt so kraus.
Der rothe Hahn auf die Spitze gesteckt,
Er krähet, wie jener, der Petrum erweckt,
Die Herren erwachen aus Sünden Schlaf,
Gedenken der Unschuld, der harten Straf.
Die Herren sie sprechen zum Manne mit Flehn,
Er möge besprechen das feurige Wehn,
Er möge halten den feurigen Wind,
Sein Leben sie wollten ihm schenken geschwind.
Den Todesstab da entreist er gleich,
Den Herren damit giebt Backenstreich,
Er ruft: »Was gießet ihr schuldlos Blut?
Wie wollet ihr löschen die höllische Glut?
Das Kindlein vom Stahle die Funken gern zieht,
Der Fromme im Steine das Feuer wohl sieht,
Was spielt ihr mit Dingen, die schneidig und spitz,
Der rothe Hahn wohl unter euch sitzt.«
Jezt spricht er: »Willkommen du feuriger Gast,
Nichts greife weiter, als was du hast,
Das sag ich dir Feuer zu deiner Buß,
Im Namen Christi, des Blut hier auch floß.
Ich sage dir Feuer bey Gottes Kraft,
Die alles thut und alles schafft,
Du wollest also stille stehn,
Wie Christus wollt im Jordan stehn.
Ich sag dir Feuer, behalt dein Flamm,
Wie einst Maria die heilge Dam
Hielt Jungfrauschaft so keusch so rein,
So stelle Flamm deine Reinigung ein.«
Da flog der rothe Hahn hinweg,
Da nahm der Wind den andern Weg,
Das Feuer sank in sich zusamm,
Der Wundermann ging fort durch die Flamm.
I 22
Frische Liedlein. Nürnberg 1563. Quer 8. mit Musik.
Ich kam vor einer Frau Wirthin Haus,
Man fragt mich, wer ich wäre,
Ich bin ein armer Schwartenhals,
Ich eß und trink so gerne.
Man führt mich in die Stuben ein,
Da bot man mir zu trinken,
Die Augen ließ ich umher gehn,
Den Becher ließ ich sinken.
Man setzt mich oben an den Tisch,
Als ich ein Kaufherr wäre,
Und da es an ein Zahlen ging,
Mein Säckel stand mir leere.
Da ich des Nachts wollt schlafen gahn,
Man wieß mich in die Scheuer,
Da ward mir armen Schwartenhals,
Mein Lachen viel zu theuer.
Und da ich in die Scheuer kam,
Da hub ich an zu nisteln,
Da stachen mich die Hagendorn,
Dazu die rauhen Disteln.
Da ich zu Morgens früh aufstand,
Der Reif lag auf dem Dache,
Da mußt ich armer Schwartenhals
Meins Unglücks selber lachen.
Ich nahm mein Schwerd wohl in die Hand,
Und gürt es an die Seiten,
Ich armer mußt zu Fuße gehn,
Weil ich nicht hatt’ zu reiten.
Ich hob mich auf und ging davon
Und macht mich auf die Straßen,
Mir kam ein reicher Kaufmanns-Sohn,
Sein Tasch mußt er mir lassen.
I 24
Fliegendes Blat aus Cölln.
Es ging ein Mägdlein zarte
Früh in der Morgenstund
In einen Blumengarten,
Frisch, fröhlich und gesund,
Der Blümlein es viel brechen wollt,
Daraus ein Kranz zu machen,
Von Silber und von Gold.
Da kam herzu geschlichen
Ein gar erschrecklich Mann,
Die Farb war ihm verblichen,
Kein’ Kleider hatt’ er an,
Er hatt’ kein Fleisch, kein Blut, kein Haar,
Es war an ihm verdorret
Sein Haut, und Flechsen gar.
Gar häßlich thät er sehen,
Scheußlich war sein Gesicht,
Er weiset seine Zähne
Und that noch einen Schritt,
Wohl zu dem Mägdlein zart,
Das schier für großen Aengsten,
Des grimmen Todes ward.
»Nun schick dich Mägdlein, schick dich,
Du must mit mir an Tanz!
Ich will dir bald aufsetzen,
Ein wunderschönen Kranz,
Der wird dir nicht gebunden sein
Von wohlriechenden Kräutern,
Und zarten Blümelein.
Der Kranz, den ich aufsetze,
Der heißt die Sterblichkeit;
Du wirst nicht seyn die letzte,
Die ihn trägt auf dem Haupt;
Wie viel allhie gebohren seyn,
Die müssen mit mir tanzen
Wohl um das Kränzelein.
Der Würmer in der Erde
Ist eine große Zahl,
Die werden dir verzehren
Dein Schönheit allzumahl,
Sie werden deine Blümlein seyn,
Das Gold, und auch die Perlen,
Silber und Edelstein.
Willst du mich gerne kennen
Und wissen, wer ich sey?
So hör mein Nahmen nennen,
Will dir ihn sagen frey:
Der grimme Tod werd ich genannt,
Und bin in allen Landen,
Gar weit und breit bekannt.
Die Sense ist mein Wappen,
Das ich mit Rechte führ,
Damit thu ich anklopfen
Jedem an seine Thür,
Und wenn sein Zeit ist kommen schon,
Spät, früh, und in der Mitten,
’S hilft nichts, er muß davon!«
Das Mägdlein voller Schmerzen,
Voll bittrer Angst und Noth,
Bekümmert tief im Herzen,
Bat: »Ach du lieber Todt,
Wollst eilen nicht so sehr mit mir,
Mich armes Mägdlein zarte
Laß länger leben hier!
Ich will dich reich begaben,
Mein Vater hat viel Gold,
Und was du nur willst haben
Das all du nehmen sollt!
Nur lasse du, das Leben mir,
Mein allerbeste Schätze,
Die will ich geben dir!«
»Kein Schatz sollt du mir geben,
Kein Gold noch Edelstein!
Ich nehm dir nur das Leben,
Du zartes Mägdelein,
Du must mit mir an meinen Tanz,
Daran noch kommt manch Tausend,
Bis daß der Reihn wird ganz.«
»O Tod, laß mich beim Leben,
Nimm all mein Hausgesind!
Mein Vater wird dirs geben,
Wenn er mich lebend findt,
Ich bin sein einzigs Töchterlein,
Er würde mich nicht geben
Um tausend Gulden fein.«
»Dein Vater will ich holen
Und will ihn finden wohl,
Mit seinem Hausgesinde,
Weiß, wenn ich kommen soll,
Jetzund nehm ich nur dich allein:
O zartes Mägdlein junge,
Du must an meinen Reihen.«
»Erbarm dich meiner Jugend,«
Sprach sie mit großer Klag,
»Will mich in aller Tugend,
Ueben mein Lebetag.
Nimm mich nicht gleich dahin jetzund,
Spar mich noch eine Weile,
Schon mich noch etlich’ Stund!«
Drauf sprach der Tod: »Mit nichten,
Ich kehr mich nicht daran,
Es hilft allhier kein Bitten,
Ich nehme Frau und Mann!
Die Kinderlein zieh ich herfür,
Ein jedes muß mir folgen,
Wenn ich klopf an die Thür.«
Er nahm sie in der Mitten,
Da sie am schwächsten was,
Es half bey ihm kein Bitten,
Er warf sie in das Graß,
Und rührte an ihr junges Herz
Da liegt das Mägdlein zarte,
Voll bittrer Angst und Schmerz.
Ihr Farb that sie verwandlen,
Ihr Aeuglein sie verkehrt
Von einer Seit zur andern
Warf sie sich auf der Erd,
All Wollust ihr vergangen war,
Kein Blümlein mehr wollt holen
Wohl aus dem grünen Graß.
I 29
Narren-Nest von Abraham a St. Clara. Wien 1751. III. T. S. 89.
Hier sind wir arme Narrn
Auf Plätzen und auf Gassen,
Und thun die ganze Nacht
Mit unsrer Musick passen.
Es giebt uns keine Ruhe
Die starke Liebes-Macht,
Wir stehen mit dem Bogen
Erfroren auf der Wacht;
Sobald der helle Tag
Sich nur beginnt zu neigen,
Gleich stimmen wir die Laut,
Die Harfen und die Geigen.
Mit diesen laufen wir
Zu mancher Schönen Hauß,
Und legen unsern Kram,
Papier und Noten aus.
Der erste gibt den Tackt,
Der andre bläßt die Flöten,
Der dritte schlägt die Pauck’,
Der viert stößt die Trompeten.
Ein andrer aber spielt
Theorb und Galischan
Mit gar besonderm Fleiß,
So gut er immer kann.
Wir pflegen auch so lang
An einem Eck zu hocken,
Bis wir ein schön Gespenst
Hin an das Fenster locken;
Da fängt man alsbald an
Vor der Geliebten Thür
Verliebte Arien
Mit Pausen und Suspir.
Und sollten vor der Wacht
Wir endlich weichen müssen,
So macht man statt der Händ’,
Die Läufe mit den Füßen.
Und also treiben wirs
Oft durch die lange Nacht,
Daß selbst die ganze Welt
Ob unsrer Narrheit lacht.
Ach schönste Phillis hör
Doch unser Musiciren,
Und laß uns eine Nacht
In deinem Schoos pausiren.
I 30
Bei Elwert. S. 17.
Ich eß’ nicht gerne Gerste,
Steh auch nicht gern früh auf,
Eine Nonne soll ich werden,
Hab keine Lust dazu;
Ei so wünsch ich dem
Des Unglücks noch so viel,
Der mich armes Mädel
Ins Kloster bringen will.
Die Kutt ist angemessen,
Sie ist mir viel zu lang,
Das Haar ist abgeschnitten,
Das macht mir angst und bang;
Ei so wünsch ich dem
Des Unglücks noch so viel,
Der mich armes Mädel
Ins Kloster bringen will.
Wenn andre gehen schlafen,
So muß ich stehen auf,
Muß in die Kirche gehen,
Das Glöcklein leiten thun;
Ei so wünsch ich dem
Des Unglücks noch so viel,
Der mich armes Mädel
Ins Kloster bringen will.
I 32a
Limpurger Cronik. »In selbiger Zeit (1359.) sang und pfif man dieses Lied.«
Gott geb ihm ein verdorben Jahr,
Der mich macht zu einer Nonnen,
Und mir den schwarzen Mantel gab,
Den weißen Rock darunter,
Soll ich ein Nönnchen werden
Dann wider meinen Willen,
So will ich auch einem Knaben jung
Seinen Kummer stillen,
Und stillt er mir den meinen nicht,
So sollt es mich verdrießen.
I 32b
Mündlich.
Es waren drey Gesellen,
Die thäten, was sie wollen,
Sie hielten alle drey
Viel heimlichen Rath,
Wer wohl in dieser Nacht
Das beste Mädel hätt.
Der Jüngste der darunter,
Der sprach da auch sehr munter,
Wie ihm noch gestern spät
Ein Mädel zugeredt.
Er stiege diese Nacht,
Wohl in ihr Federbett.
Das Mädel kam geschlichen
Und wäre fast verblichen,
Sie hörte an der Wand,
Nur ihre eigne Schand,
Sie weinte heimlich aus,
Sie lief zurück nach Haus.
Die Nacht war bis zur Mitten,
Der Ritter kam geritten,
Er klopfet freundlich an,
Mit seinem goldnen Ring:
»Ey schläf’st du oder wachst,
Mein auserwähltes Kind.«
»Was wäre, wenn ich schliefe,
Und dich heut nicht einließe?
Du hast mir gestern spät
Ein falsche Red gethan.
Ich schlafe heute Nacht,
Wenn du vorm Fenster wachst.«
»Wo soll ich denn hinreiten?
Es regnet und es schneiet,
Es geht ein kühler Wind,
Nun schlafen alle Leut
Und alle Bürgers Kind,
Mach auf du süßes Kind!«
»Reit du nach jener Straße,
Reit du nach jener Heyde,
Wo du gekommen bist,
Da liegt ein breiter Stein,
Den Kopf darauf nur leg,
Trägst keine Federn weg.«
I 34
Fliegendes Blat.
Es blies ein Jäger wohl in sein Horn,
Wohl in sein Horn,
Und alles was er blies das war verlorn.
Hop sa sa sa,
Dra ra ra ra,
Und alles was er blies das war verlorn.
Soll denn mein Blasen verloren seyn?
Verloren seyn?
Ich wollte lieber kein Jäger seyn.
Hop sa sa sa, u.s.w.
Er zog sein Netz wohl über den Strauch,
Wohl über den Strauch,
Sprang ein schwarzbraunes Mädel heraus.
Hop sa sa sa, u.s.w.
»Schwarzbraunes Mädel entspringe mir nicht,
Entspringe mir nicht,
Hab’ große Hunde die holen dich.«
Hop sa sa sa, u.s.w.
»Deine großen Hunde die holen mich nicht,
Die holen mich nicht,
Sie wissen meine hohe weite Sprünge noch nicht.«
Hop sa sa sa, u.s.w.
»Deine hohe Sprünge die wissen sie wohl,
Die wissen sie wohl,
Sie wissen, daß du heute noch sterben sollst.«
Hop sa sa sa, u.s.w.
»Sterbe ich nun, so bin ich todt,
So bin ich todt,
Begräbt man mich unter die Röslein roth.«
Hop sa sa sa, u.s.w.
»Wohl unter die Röslein, wohl unter den Klee,
Wohl unter den Klee,
Darunter verderb ich nimmermehr.«
Hop sa sa sa, u.s.w.
Es wuchsen drey Lilien auf ihrem Grab,
Auf ihrem Grab,
Die wollte ein Reuter wohl brechen ab.
Hop sa sa sa, u.s.w.
Ach Reuter, laß die drey Lilien stahn,
Die Lilien stahn,
Es soll sie ein junger frischer Jäger han.
Hop sa sa sa, u.s.w.
I 36
Kurzgefaßte Nachrichten von denen in den Ringmauern der Stadt Regensburg gelegenen Stiftern. Reg. 1723. S. 172. u. 173.
Es ritt ein Türk aus Türkenland,
Er ritt gen Regensburg in die Stadt,
Da Stechen ward, vom Stechen ward er wohl bekandt.
Da ritt er vor des Kaysers Thür,
»Ist jemand hier, der komm herfür,
Der stechen will um Leib und Seel, um Gut und Ehr
Und daß dem Teufel die Seele wär.«
Da waren die Stecher all verschwiegen,
Keiner wollt dem Türken nicht obliegen,
Dem leidigen Mann
Der so treflich stechen kann.
Da sprach der Kayser zorniglich:
»Wie steht mein Hof so lästerlich,
Hab ich kein Mann,
Der stechen kann
Um Leib und Seel, um Gut und Ehr,
Und daß unserm Herrn die Seele wär?«
Da sprang der Dollinger hervor,
»Wohl um, wohl um, ich muß hervor,
An den leidigen Mann,
Der so treflich stechen kann.«
Die führten gegen einander
Zwey scharfe Speer,
Das Eine ging hin, das Andere her.
Da stach der Türk den Dollinger ab,
Daß er an dem Rücken lag.
»O Jesu Christ steh mir jetzt bey,
Steck mir ein Zweig, sind ihrer drey.
Bin ich allein, und führ mein Seel ins Himmelreich.«
Da ritt der Kayser zum Dollinger so behend,
Er führt ein Kreutz in seiner Händ,
Er strichs dem Dollinger übern Mund
Der Dollinger sprang auf, war frisch und gesund.
Da stach der Dollinger den Türken ab,
Daß er auf dem Rücken lag.
»Du berühmter Teufel nun steh ihm bey.
Sind ihrer drey, bin ich allein
Und führ sein Seel in die bittere Pein.«
I 37
Feiner Almanach II. Band S. 100.
Es ritt ein Ritter wohl durch das Ried,
Er hob wohl an ein neues Lied,
Gar schöne thät er singen,
Daß Berg und Thal erklingen.
Das hört des Königs sein Töchterlein
In ihres Vaters Lustkämmerlein,
Sie flochte ihr Härlein in Seiden,
Mit dem Ritter wollte sie reiten.
Er nahm sie bey ihrem seidenen Schopf
Und schwung sie hinter sich auf sein Roß.
Sie ritten in einer kleinen Weile
Wohl vier und zwanzig Meilen.
Und da sie zu dem Wald ’naus kamen,
Das Rößlein das will Futter han.
»Feins Liebchen, hier wollen wir ruhen,
Das Rößlein, das will Futter.«
Er spreit sein Mantel ins grüne Gras,
Er bat sie, daß sie zu ihm saß,
»Feins Liebchen, ihr müsset mich lausen,
Mein gelbkrauß Härlein durchzausen.«
Des härmt sich des Königs sein Töchterlein,
Viel heiße Thränen sie fallen ließ,
Er schaut ihr wohl unter die Augen,
»Warum weinet ihr, schöne Jungfraue?«
»Warum sollt ich nicht weinen und traurig seyn,
Ich bin ja des Königs sein Töchterlein;
Hätt ich meinem Vater gefolget,
Frau Kayserin wär ich geworden.«
Kaum hätt sie das Wörtlein ausgesagt,
Ihr Häuptlein auf der Erden lag,
»Jungfräulein hättst du geschwiegen,
Dein Häuptlein wär dir geblieben.«
Er kriegt sie bey ihrem seidenen Schopf,
Und schlenkert sie hinter den Hollerstock:
»Da liege feins Liebchen und faule,
Mein junges Herze muß trauren.«
Er nahm sein Rößlein bei dem Zaum,
Und band es an einen Wasserstrom.
»Hier steh mein Rößlein und trinke,
Mein jung frisch Herze muß sinken.«
I 39
Mündlich.
Der Winter ist ein scharfer Gast,
Das merkt ich an dem Dache;
Mein Lieb gab mir ein Kränzelein
Von Perlen fein,
Das hab ich von ihr tragen
An meinem Bart und Kragen.
Der Sommer ist ein sanfter Gast,
Es tröpfelt von dem Dache;
Mein Lieb gab mir ein Kränzelein
Im Sonnenschein,
Da ist es aufgethauet,
Von Eis war es erbauet.
Ja traue nur dem Schleicher nicht,
Viel lieber scharfe Worte;
Der Sommer giebt wohl Kränzelein
Von Blumen fein,
Zu ihr kann ich nicht gehen,
Vom langen Tag gesehen.
Zu Ostern, als die Fasten aus,
Da längerten die Tage;
Mein Lieb gab mir ein Unterpfand,
Zween Aermlein blank,
Darin sollt ich mich rüsten,
Zu unsres Winters Lüsten.
Was acht ich der Waldvöglein Sang,
Und aller Kläffer Zungen;
Lieg ich in meinen Aermlein blank,
Ich weiß ihr Dank,
Ich kann von ihr dann träumen;
Wie lange wird sie säumen?
I 40
Hallorenlied in Halle, wahrscheinlich noch aus ihren frühern Wohnplätzen. Herr Buchhändler Hendel soll mehrere derselben haben.
Ein Magd ist weiß und schone,
Gott führt den höchsten Preiß,
Und die ihm dient, zum Lohne
An Künsten wird sie reich,
Geht jungfräulich bei Frauen
Dort auf den grünen Auen,
Glück zu mein edler Zweig!
Ihr Leib war angebildet
Mit Keuschheit übergroß,
Schwang sich in ihren Willen,
Schwang sich in ihren Schooß,
Er war so stark von Kräften,
Von meisterlichen Geschäften –
Gott schuf wohl Himmel und Erd.
Ein Kind nach Adams Weise
An ihren Brüsten lag,
Es war ein alter Greise,
Erschuf den ersten Tag,
Es ward ein starker Ritter,
Sein Leiden ward ihm bitter,
Erlitt groß Ungemach.
Sein Seit ward ihm zerschnitten
Mit einem scharfen Speer,
Damit hat er zersplitten
Die Hölle samt der Erd.
Gott tröstet den Gefangnen,
Drey Wünsche waren ihm ergangen
Gegen diese heilige Zeit.
Gott stieg aus seinem Grabe,
Ein Fürst war Wohlgemuth,
Mit seinem Kreuz und Stabe,
Drey Fähnlein schwenkt er roth,
That sich gen Himmel kehren,
Nach tugendlichen Ehren
Stand ihm Herz, Muth und Sinn.
O Stern, o Glanz! o Krone,
O Himmel aufgethan!
Was gab ihr Gott zum Lohne,
Drey Chorengel Lobgesang,
Bekleidet ihn mit Sonne,
Maria war voll Wonne,
Wie hell scheint uns der Mond!
I 42
Bragur VI. B. II. Ab. S. 77.
Es fuhr ein Mägdlein übern See,
Wolt brechen den Feiel und grünen Klee,
Mit ihm schneweissen Händen,
Der Sommer hat schier ein Ende.
Ein Ritter kam dort her geritten,
Er grüßte sie nach Schwäbschen Sitten,
Er grüßt sie da alleine:
»Ich führ euch mit mir heime.«
»Ach Ritter, ihr seyd hochgeborn,
So fürcht ich meines Vaters Zorn,
Ich fürcht ihn alzusehre,
Verliere vielleicht mein Ehre.
Ach Vater lieber Vater mein,
So weck mich bei dem Mondeschein,
Ich weiß gut Lämmer-Weide,
So fern auf jener Haide.«
»Die Lämmerweid die du wohl weist,
Macht mir mein Lämmer und Schaf nicht feist,
Du must hier heime bleiben,
Must spinnen die braune Seiden.«
»Die Seide, die ich spinnen muß,
Bringt meinem Herzen schwere Buß,
Der Ritter muß mir werden,
Sein gleich lebt nicht auf Erden.«
Der dieß Lied neu gesungen hat,
Durch Lieb kam er in große Noth,
Er ist gar kaum entronnen,
Die Magd hat er gewonnen.
I 43
Fliegendes Blat aus dem letzten Kriege mit Frankreich.
Es ist nichts lustger auf der Welt,
Und auch nichts so geschwind,
Als wir Husaren in dem Feld,
Wenn wir beym Schlachten sind.
Wenns blitzt und kracht dem Donner gleich
Wir schießen rosenroth,
Wenns Blut uns in die Augen läuft,
Sind wir sternhagelvoll.
Da heists: Husaren insgemein
Schlagt die Pistolen an,
Greift durch, den Säbel in der Hand
Haut durch den nächsten Mann.
Wenn ihr das Fransche nicht versteht,
So macht es euch bequem,
Das Reden ihm sogleich vergeht,
Wie ihr den Kopf abmäht.
Wenn gleich mein treuer Kammerad,
Muß bleiben in dem Streit,
Husaren fragen nichts darnach,
Sind auch dazu bereit;
Der Leib verweset in der Gruft,
Der Rock bleibt in der Welt,
Die Seele schwingt sich durch die Luft
Ins blaue Himmelszelt.
I 44
Mündlich.
»Wer ist der bunte Mann im Bilde,
Er führet Böses wohl im Schilde,
Er pfeift so wild und so bedacht;
Ich hätt mein Kind ihm nicht gebracht!«
In Hameln fochten Mäus und Ratzen
Bey hellem Tage mit den Katzen,
Es war viel Noth, der Rath bedacht,
Wie andre Kunst zuweg gebracht.
Da fand sich ein der Wundermann,
Mit bunten Kleidern angethan,
Pfif Ratz und Mäus zusamm ohn Zahl,
Ersäuft sie in der Weser all.
Der Rath will ihm dafür nicht geben,
Was ihm ward zugesagt so eben,
Sie meinten, das ging gar zu leicht
Und wär wohl gar ein Teufelsstreich.
Wie hart er auch den Rath besprochen,
Sie dräuten seinem bösen Pochen,
Er könnt zuletzt vor der Gemein
Nur auf dem Dorfe sicher seyn.
Die Stadt von solcher Noth befreyet,
Im großen Dankfest sich erfreuet,
Im Betstuhl saßen alle Leut,
Es läuten alle Glocken weit.
Die Kinder spielten in den Gassen,
Der Wundermann durchzog die Strassen,
Er kam und pfif zusamm geschwind
Wohl auf ein hundert schöne Kind.
Der Hirt sie sah zur Weser gehen,
Und keiner hat sie je gesehen
Verloren sind sie an dem Tag
Zu ihrer Aeltern Weh und Klag.
Im Strome schweben Irrlicht nieder,
Die Kindlein frischen drin die Glieder,
Dann pfeifet er sie wieder ein,
Für seine Kunst bezahlt zu seyn.
»Ihr Leute, wenn ihr Gift wollt legen,
So hütet doch die Kinder gegen,
Das Gift ist selbst der Teufel wohl,
Der uns die lieben Kinder stohl.«
I 46
Frische Liedlein.