Cover

Über dieses Buch:

Was passiert in einer Stunde, die es eigentlich nicht gibt? Alles! Man verfolgt Engel, trifft auf schreiende Hunde und schläft en passant mit Künstlern, die eigentlich schon tot sein sollten. Am Ende dieser unwirklichen Begegnungen wünscht sich Juli Zehs Protagonistin für ihre geschenkte Stunde lediglich eines: Schlaf!

Der Literatur-Quickie – das schnelle Lesevergnügen für Zwischendurch von Deutschlands besten Autorinnen und Autoren.

Über die Autorin:

Juli Zeh wurde in Bonn geboren. Sie studierte Jura und Literatur. Alleine ihr erster Roman Adler und Engel ist in 29 Sprachen übersetzt worden. 2009 ist ihr Roman Corpus delicti erschienen, einer von vielen.

Der Autorin im Internet: www.schoeffling.de

Der Literatur-Quickie Verlag im Internet: http://www.literatur-quickie.de

***

eBook-Ausgabe April 2013

Die Printversion erschien 2011 bei Literatur-Quickie, Hamburg

Copyright © der Printausgabe 2011 Literatur-Quickie, Hamburg

Copyright © der eBook-Ausgabe 2013 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nicola Bernhart Feines Grafikdesign, München

Titelbildabbildung: Wojtek Sadzik

Bearbeitung der Titelbildabbildung: Sandra Heinrichs

ISBN 978-3-95520-201-9

***

Wenn Ihnen diese Kurzgeschichte gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weiteren Lesestoff aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort Literatur-Quickie an: lesetipp@dotbooks.de

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

www.facebook.com/dergruenesalon

www.twitter.com/dotbooks_verlag

www.gplus.to/dotbooks

www.pinterest.com/dotbooks

Juli Zeh
Die geschenkte Stunde

dotbooks

Bei Magdeburg wird mein Wagen zwischen den Fahrbahnen hin und her getrieben, als hätte er kein Gewicht. Mit angespannten Armen halte ich das Lenkrad wie ein Sportgerät und spüre die eigene Sterblichkeit im ganzen Körper. Regen und Spritzwasser der Fahrzeuge vor mir verwandeln die Autobahn in einen Kanal aus tobender Gischt, in der Rücklichter als schwache rote Punkte schlingern.

Endlich, ein Schild entlässt mich aus „thueringen.de“, und kurz nach der bayrischen Grenze hört der Regen auf. Durch das Beifahrerfenster beobachte ich die letzten Minuten des Tages, einen Himmel mit Goldschnitt am Rand. Ich bin dem Unwetter davongefahren, und wenn es mich einholt, liege ich längst im Bett und merke nichts. Falls ich einschlafen kann.

Schnell fällt die Dunkelheit, Bäume rücken zusammen, Wolken robben über den schwarzen Himmel Richtung Süden. Als in einer Kurve meine Scheinwerfer den Waldrand streifen, werfen die Wipfel eine Handvoll Vögel in die Luft. Ab und zu tanzen die glühenden Reste einer Zigarette vor mir auf dem Asphalt. Eigentlich mag ich Lichter, die sich bei Nacht bewegen, Autos, Züge, Flugzeuge, Straßenbahnen – Hauptsache, es ist dunkel und sie bewegen sich.

Als ich den neuen Job annahm, warnte mein Vorgänger vor dem Reisen: Gerade du, sagte er, als Frau. Ich lachte ihn aus. Es war leicht, ihm nicht zu glauben, er hatte Familie. Was war wohl zuerst da, das Reisen oder die Einsamkeit? Es gibt Tage, da möchte
ich alle Fragen mit meinem eigenen Namen beantworten.