Cover

Angela Goldbach (Hrsg.)

Die Weisheit der Indianer

img1.jpg

Die Informationen, Empfehlungen und Anwendungen in diesem Buch wurden nach bestem Wissen zusammengestellt. Verfasser und Verlag können jedoch für gleich welche Schäden keinerlei Haftung übernehmen.

Dieses Buch basiert auf der Originalausgabe, die unter dem gleichen Titel 1999 im Verlag Droemer Knaur, München, erschienen ist.

Copyright © 2013 MayaMedia GmbH Verlag Dr. Andreas Gößling, Coburg

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Druck, Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, digitale Medien aller Art, ganz oder auszugsweise, sowie der Übersetzung, sind vorbehalten.

ISBN 978-3-944488-15-8

www.mayamedia.de

Inhalt

Einleitung

Leben und Denken der nordamerikanischen Indianer

Als der Mensch noch ganz war: Einheits-Empfinden

Indianer und Natur

Der Dualismus der Seelen

Totemtiere

Der „Große Manitu“

Weisheit aus Träumen

Vision durch rituelles Fasten

Gesunderhaltung von Körper und Geist

Die Autorität der Tradition

Der Wert des gesprochenen Wortes

Mythen

Talismane und „Heilige Bündel“

Die Wirkkraft der Schamanen

Leben in der Gemeinschaft

Kinder

Stille und Schweigen

Besitz

Rituale

Übergangs- und Initiationsrituale

Die Würde der Alten

Umgang mit dem Tod

Rituale zur Steigerung der Fruchtbarkeit

Das Grünmaisfest

Das Sonnenfest

Skalpe

Krieg und Frieden

Umgang mit Krieg

Friedensrituale

Der Kalumettanz

Begegnung mit den Weißen

Pocahontas (1594-1617)

Sitting Bull (Tatanka I’yotanka – 1837-1890)

Crazy Horse (Tashunka Witko – 1844-1877)

Wounded Knee

Was bedeutet die indianische Weisheit für uns?

Das Einheitsgefühl stärken

Bewusster Umgang mit der Natur

Die Sprache des Herzens lernen

Körper und Geist reinigen

Traditionen achten

Gesundung als ganzheitlichen Prozess betrachten

Die Stille suchen

Abstand zu den materiellen Besitztümern gewinnen

Alter und Tod annehmen

Die „indianischen Zehn Gebote“ beachten

Einleitung

Das Interesse an den Indianern Nordamerikas wächst stetig. Zunehmend verbreitet sich die Erkenntnis, dass mit der brutalen Ausrottung der amerikanischen Ureinwohner nicht nur furchtbares Unrecht begangen wurde, sondern auch Wissen und Werte für immer verlorengingen.

Manche Errungenschaften weißer Zivilisation erweisen sich allmählich als Schritte in eine falsche Richtung. Hilflos erleben wir die Zerstörung unserer Umwelt als Folge gedankenloser Profitgier: selbstgeschaffene Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Stürme, verseuchte Erde und giftige Lebensmittel, nuklearer Fallout nach Reaktorkatastrophen, ein Mangel an sauberem Wasser und mit Giften und Strahlen belastete Luft.

Der Luxus, den begüterte Menschen in der westlichen Welt genießen, ist hoch – doch um den Preis der Armut anderer Völker, wachsender Zivilisationskrankheiten und des Aussterbens von Pflanzen und Tieren.

Wir haben begonnen, uns zu fragen: Ist es das wirklich wert? Die bislang unangefochtene Forderung nach immer mehr Wachstum weicht einem neuen Denken.

Das Interesse an den nordamerikanischen Indianerkulturen spiegelt einen Aspekt dieses Umdenkens wider: Wir suchen einen neuen Lebenssinn, der nicht auf die Befriedigung materieller Wünsche begrenzt, sondern tiefer und spirituell ist. Die Menschen sehnen sich danach, sich mit der Natur verbunden zu fühlen, die Einheit von Welt und Selbst zu erleben.

Welche Völker und welche Religionen bieten Entwürfe für ein erfülltes Leben, in dem der Mensch seinen Platz im Kosmos, in der Natur und in der menschlichen Gesellschaft findet? Dies ist eine spannende Frage. Die indianischen Völker geben spannende Antworten darauf.

Ich möchte Sie in dieser Anthologie mit den wichtigsten Aspekten indianischer Weisheit bekannt machen. Dabei gehe ich auch auf die Geschichte ihres verlorenen Kampfes und einige ihrer bedeutenden Persönlichkeiten ein. Vor allem aber möchte ich wissen, welche Lehren wir aus den indianischen Weisheiten ziehen können.

Eigentlich gibt es „die Indianer Nordamerikas“ nicht. Dieser Sammelbegriff ist deshalb unsinnig, weil zu den Indianern – bereits diese von Christoph Kolumbus geprägte Bezeichnung beruht ja bekanntermaßen auf einem Irrtum – Hunderte von Völkern gehören, die sich auf über fünfzig Sprachfamilien, also weit mehr als etwa in Europa, aufteilen.

Ursprünglich kamen die indianischen Völker nach der Eiszeit in verschiedenen Wellen aus Asien nach Nordamerika, wo sie sich ihrer neuen Umgebung anpassten.

Je nach Lebensbedingungen wurden sie Nomaden oder sesshaft. Einige lebten isoliert in kleinen Familiengruppen, andere entwickelten bis zu mehrere tausend Menschen umfassende, politisch differenzierte und demokratisch organisierte „Staaten“. Das Leben der Eskimos in der Arktis war in kaum einer Hinsicht zu vergleichen mit dem der Bisonjäger in den Prärien und Plains.

Und doch gibt es Gemeinsamkeiten: etwa die soziale und politische Ordnung innerhalb der Stämme, die nach Verwandtschaftsgrad gestaffelt war, oder die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen. Bei keinem Stamm sind Schriften überliefert. Herdenviehzucht wurde nirgendwo praktiziert und die Nutzung des Rades war unbekannt.

Klingt ziemlich primitiv. Worauf also gründet sich der Mythos von der „indianischen Weisheit“?

Leben und Denken der nordamerikanischen Indianer

Als der Mensch noch ganz war: Einheits-Empfinden

Über Jahrhunderte hinweg gaben die Indianer von einer Generation zur nächsten ihr Wissen, ihre Traditionen und ihre Mythen weiter. Da dies ausschließlich in mündlicher Übermittlung geschah, wandelten sich die Darstellungen vermutlich im Laufe der Zeit, doch im Kern blieben sie unverändert.

Die Indianer erlebten sich in einem immerwährenden Kreis aus Werden und Vergehen, in dem ihre Ahnen ebenso wichtig waren wie sie selbst und alle anderen Wesen. Jeder und jedes hatte seinen Platz und erfüllte einen Sinn in einer geregelten kosmischen Ordnung.

Das Universum ist von demselben Atem beseelt – in Menschen, Tieren, der Erde, dem Gras, Bäumen und Felsen.
Weisheit der Hopi-Indianer

Diese kosmische Ordnung bestimmte das alltägliche Leben und Handeln, das untrennbar mit Spiritualität – „Übernatürlichem“, Transzendenz, im weitesten Sinne Religion – verbunden war.

Für die Indianer gab es die bei uns vorhandene Trennung zwischen dem materiellen und dem spirituellen Bereich nicht. Niemand bezweifelte die Existenz des Übernatürlichen, vielmehr war dessen Kenntnis notwendig zum Überleben.

Das Übernatürliche offenbarte sich dem Einzelnen vor allem in Visionen und Träumen. Manche Menschen waren dabei „begabter“ als andere und wurden deshalb zu „Spezialisten“, Medizinmännern, Schamanen u. ä.

Auch der Alltag war erfüllt von spirituellen Erfahrungen. Jeder einzelne Jäger war bei der Jagd gleichzeitig ein religiös Handelnder. Sein Jagderfolg hing stark davon ab, dass er seine Handlungen in ihrer spirituellen Bedeutung erfasste und entsprechend handelte.

Dass Jagd und Religion untrennbar miteinander verknüpft waren, zeigt ein überlieferter Ausspruch von Indianern, die im 18. Jahrhundert auf die Frage eines Missionars, warum sie nicht in die Kirche oder an ähnliche sakrale Orte gingen, antworteten: „Wir jagen und beten.“

Gebet

Unser Vater, höre uns!
Auch alle Wesen, hört uns.
Ihr guten Sterne, der gute Wind,
das gute Wasser und die gute Erde.
Alle Tiere, hört uns.
Wir essen eure Nahrungsreste. Mögen sie gut sein.
Gebt langen Atem und Leben.
Unterstützt uns Menschen,
schenkt uns Fruchtbarkeit.
Eure Nahrung wird uns stärken,
solange die Sonne sich bewegt.
Höre uns, Vater!
Schenk uns Nahrung, Freundschaft, Glück.
Wir werden essen.

Wurde ein Tier erlegt, so dankte man seiner Seele. Dieses Tier wurde vollständig verwertet, das Fleisch gegessen, Felle gegerbt und weiterverarbeitet, Sehnen zum Nähen oder zum Spannen von Bögen verwendet, der Talg zum Einreiben von Köderhaken ...

Reste zu hinterlassen hätte eine Missachtung des natürlichen Zyklus bedeutet. Fällte man einen Baum, so betete man zu ihm, bat ihn um Verzeihung, erklärte ihm in rituellen Gebeten seinen Nutzen für die menschliche Gemeinschaft, dankte ihm dafür und bat des Weiteren um seinen Schutz.

Indianer und Natur

Die Erde ist meine Mutter, und an ihrem Busen will ich ruhen.
Tecumseh vom Stamm der Shawnee-Indianer

––