Cover

Inhalt


Hör mal, Oma! Ich erzähle dir eine Geschichte von Weihnachten

Das schönste Weihnachtsgeschenk auf der Welt

Papas Weihnachtsfreuden

Ein Wunsch geht in Erfüllung

Der kleine Stern und das Weihnachtswunder

Wie der Stern von Bethlehem

Begegnung auf dem Weihnachtsmarkt

Ein Weihnachtsbaum für Jule und Jan

Rosen für den Weihnachtsbaum

Eine wahre Weihnachtsgeschichte

Das Geschenk des Königs Balthasar

Katharinas Wunschzettel

‚Weihnachtsbotschaft’ an Opa

Janas Weihnachtswunschbrief

Die Weihnachtsfrau und die Weihnachtsfreude

Morgen kommt der Weihnachtsmann

Warten auf den Engel

Das Christkind und das Weihnachtslicht

Friedliche Weihnacht überall

Bärige Weihnacht

Josef und der Muskelmann

Der Kamele-Stau

Die Weihnachtsgeister

Als Eva und Opa dem Christkind zuwinken

Das Christkind im Kirschbaum

Die rechte Weihnachtsfreude

Uropas Weihnachten

Als die Dezemberfee ein Lächeln zauberte

Der Zauber zwischen den Jahren

Die Silvester-Schneesuche

Die Glücksbringer und das Glück

Impressum

Autorin

Bücher


Elke Bräunling


Hör mal, Oma!

Ich erzähle dir eine Geschichte

von

Weihnachten




Weihnachtsgeschichten - von Kindern erzählt










Bild






Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek


Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.








Copyright © 2013/Juni 2017 Elke Bräunling

http://www.elkeskindergeschichten.de

edition art.taeglich

All rights reserved.

ISBN-13: 978-1490930039

ISBN-10: 1490930035





Das schönste Weihnachtsgeschenk auf der Welt


Anna spaziert mit Oma über den Weihnachtsmarkt. Die vielen Buden mit den glitzernden Weihnachtsschmuck und dem Geruch von Bratäpfeln, Zucker und Zimt liebt sie über alles. Was es hier nicht alles zu sehen gibt! Sterne, Weihnachtsmänner, Engel, Kugeln, Pflaumenmännchen, Musikanten und vieles mehr. Anna weiß nicht, wohin sie zuerst blicken soll. Von überall her erklingen Weihnachtslieder und auf einer Bühne wird ein Krippenspiel aufgeführt. Spannend ist das. Ein  Weihnachtsmann kommt vorbei und schenkt ihr einen Lebkuchen.

An einem Flohmarktstand trifft Anna ihre Freundinnen Karin und Gina.

„Auf dem Weihnachtsmarkt ist es schön“, sagt Anna. „Freut ihr euch so sehr auf Heiligabend?“

Gina nickt. „Und wie ich mich freue! Fast nicht mehr abwarten kann ich es. Ich habe mir ein Fahrrad gewünscht, eine neue Barbiepuppe und Bilderbücher und ... Ach, noch viel mehr steht auf meinem Wunschzettel.“

„Ich habe auch eine lange Wunschliste“, sagt Karin. „Weihnachten ist das schönste Fest im Jahr.“

„Und dieses Jahr freue ich mich noch mehr auf die Weihnachtszeit, weil meine Oma aus Amerika zu Besuch gekommen ist“, sagt Anna. Sie blickt zu Oma hinüber, die in alten Flohmarktbüchern blättert. „Acht Wochen wird sie hier bleiben. Ich bin so froh darüber!“

„Toll! Bestimmt hat sie dir viele Geschenke mitgebracht“, meint Karin.

„Geschenke aus Amerika? Wie spannend! Erzähle!“ Auch Karin blickt Anna neugierig an.

Anna aber schüttelt den Kopf. „Geschenke sind nicht wichtig. Meine Oma hat wenig Geld. Aber sie erzählt mir viele Geschichten. Außerdem backen wir gemeinsam Lebkuchen und Weihnachtsplätzchen, wir haben Geheimnisse und wir gehen bummeln, basteln Sterne und Weihnachtsgeschenke und singen Lieder. Mit Oma habe ich immer mächtig viel Spaß. Nie wird mir langweilig. Das ist prima. Oma spielt mit mir auch ganz oft ‚Mensch ärgere dich nicht’ und ‚Memory’ und Monopoly.“

Anna strahlt und winkt zu Oma hinüber. Dann sagt sie leise:

„Sie ist das schönste Weihnachtsgeschenk auf der Welt.“






Papas Weihnachtsfreuden


„Ach, ich freue mich schon sehr auf Weihnachten“, sagte Papa, als wir am zweiten Urlaubstag am Strand lagen und uns sonnten.

Mama heulte auf. „Erinnere mich bloß nicht daran! Lass uns bitte unseren Sommerurlaub genießen, ja?“ Und sie betonte dabei das Wort ‚Sommer’ besonders laut.

Papa lächelte versonnen. „Die Weihnachtszeit ist eben doch die schönste im Jahr.“

„Besonders für eine Kantorenfamilie“, seufzte Mama.

Da musste ich aber doch laut lachen. Mama hatte recht. Weihnachten war alle Jahre wieder eine kleine Katastrophe, und das Schlimmste war: Der ganze Rummel fing bei uns bereits in den Sommerferien an.

„Dieses Jahr“, murmelte Papa und starrte aufs Meer, „habe ich wundervolle Ideen. Ein neues Musiktheaterstück werde ich schreiben. Für den Kinderchor. Für die Kids vom Jugendchor muss auch etwas Neues her. Ja, und der Singkreis und...“

Alles klar: Die Weihnachtszeit hatte begonnen. Schon bald saß Papa mit Papier, Bleistift und einer mit Algen verzierten Kerze am Strand, arbeitete und las oder summte uns irgendwelche stimmungsvollen Texte und Melodien vor, die so gar nicht zu Sommer, Sonne und Meer passten. Also machten wir uns aus dem Staub und genossen unseren Urlaub alleine mit Baden, Sonnen, Spielen, Klettern, Bummeln und anderen Urlaubsfreuden, während Papa fröhlich und gut gelaunt im ‚Weihnachtsland’ weilte.

„Ihr werdet staunen“, erklärte er uns später auf der Heimfahrt. „Ich habe eine großartige Menge an Ideen gesammelt. Weihnachten wird dieses Mal ein besonderes Erlebnis werden.“

Das wurde es dann auch: Gleich nach unserer Rückkehr arbeitete Papa seine Ideen am Klavier aus. Liebliche Klänge hallten weihnachtlich durch Haus und Garten, dass unsere Nachbarn die Augen verdrehten und das Weite suchten. Gleich nach Erntedank dann begannen die Proben. Papa probte ein Krippenspiel mit dem Mini-Chor, ein Weihnachtsmärchen mit dem Kinderchor, ein kritisches Stück mit dem Jugendchor, poppige Weihnachtssongs mit der Kirchenband, ein Oratorium mit Singkreis und Orchester und ... Ach, ich konnte sie mir alle gar nicht merken, so viele Advents- und Weihnachtsaufführungen waren es.

So verging der Herbst, und Mama sagte manchmal, ihr purzelten schon jetzt kleine Weihnachtsglöckchen aus den Ohren.

„Was wollt ihr?“, meinte Papa gelassen. „Es klappt alles wunderbar!“ Dann bat er Mama, Kostüme zu nähen, obwohl er genau wusste, dass Mama mit Nähen nichts am Hut hatte. Also verbrachte er, wenn er nicht gerade mit irgendwem irgendwas für Weihnachten probte, viel Zeit in der Bastelgruppe des Seniorenheims und verteilte Aufträge für Kostüme, Requisiten, Bühnenbilder und all den Kram. Er nervte die alten Herrschaften so sehr, dass einige bestimmt ein Kreuz schlugen und „Danke, oh Herr!“, sagten, wenn Papa wieder von dannen eilte.

Der November zog ins Land, und Papas freudiges Weihnachtslächeln verwandelte sich allmählich in ein gramgebeugtes Grinsen, und seinem Munde entwichen jämmerliche Töne wie: „Die Zeit ist zu knapp!“ oder „Heute hat wieder die Hälfte vom Mini-Chor geschwänzt“ oder „Der Sopran schafft seine Partie nicht“ oder „Wo kriege ich einen Bachtrompeter her?“ und so weiter. Je näher die Adventszeit rückte, desto weniger weihnachtlich tönten die Flüche aus Papas Mund.

Dann war es soweit. Der Advent kam, und unser Weihnachtspapa ging: zu Proben und Singstunden, zu Adventsnachmittagen und -feiern, zu Krippenspielen und Chorgesängen, zu Serenaden und Weihnachtsmarktsingen, zu Kerzenlichtfeiern und Krankenhausgesängen, zu Orgelnachmittagen und offenen Singabenden, zu ... ich weiß nicht mehr, wohin noch alles.

Uns schien er vergessen zu haben. Ob er dieses Mal an die Geschenke dachte? Im letzten Jahr lagen die nämlich an Heiligabend einsam und vergessen im Kaufhaus, wo Papa sie bereits im Sommer vorsorglich hatte zurücklegen lassen. Wir waren gespannt, wie er das mit den Geschenken dieses Jahr managte. Gar nicht nämlich. An Heiligabend stand er plötzlich beim Frühstücken aufgeregt auf und jagte aus dem Haus.

Mama grinste mitleidslos. „Eben ist’s ihm eingefallen, dass er noch keine Geschenke für uns besorgt hat“, murmelte sie. „Na, heute ist besonders viel los in der Stadt, aber das geschieht ihm ganz recht, unserem Weihnachtsmann.“

In meinem Bauch begann es zu kribbeln. Ich wagte nicht, mir vorzustellen, was Papa in aller Eile zusammenkaufte.

„Hoffentlich vergisst er die Umtauschzettel nicht!“, sagte ich, doch Mamas Blick ließ auch diesen Hoffnungsschimmer in mir verblassen.

Als Papa von seinem Einkauf-Horrortrip heimkam, lagen seine Nerven blank.

„Nein, ich mag nichts essen“, knurrte er und telefonierte die Bande vom Mini-Chor zusammen. „Wir müssen noch einmal für das Krippenspiel proben. Mann, bin ich aufgeregt!“ Schon stand er wieder an der Tür. „Vergesst nicht! Um 15.00 Uhr beginnt das Krippenspiel, der Jugendchor ist mit seinem Stück um 17.00 Uhr an der Reihe!“

„Und deine Eltern kommen um 16.00 Uhr“, fauchte Mama gereizt. „Es wäre nett, wenn du ...

Doch da hatte Papa schon das Weite gesucht. Erst abends, als wir mit Oma und Opa am festlich gedeckten Abendbrottisch saßen, sahen wir ihn wieder. Blass sah er aus, seine Hände zitterten.

„Du siehst aber schlecht aus, Junge!“, meinte Oma und sah Mama vorwurfsvoll an. „Gibst du ihm nicht genug zu essen?“

Papa stierte Oma an. „Ich arbeite!“, knurrte er.

„An Heiligabend? Junge, das ist nicht recht!“

„Nun lasst uns erst einmal essen!“, sagte Mama besänftigend.

„Ich krieg’ keinen Bissen herunter“, stöhnte Papa. „Übel wird mir, wenn ich an die Christmesse denke. Die Sopranweiber schaffen mich noch! Oh, ich könnte...“ Er zerknüllte seine Serviette, sprang auf und telefonierte die Damen aus dem Sopran zu einer Sonderprobe zusammen.

„Und die Bescherung?“, fragte ich. „Wann ist Bescherung?“

Bescherung? Also, dazu hatte Papa nun überhaupt keinen Bock. Wir sollten das doch verstehen, nicht? Er hockte sich ans Klavier und übte sein Orgelvorspiel, während wir stumm in das Christbaum-Kerzenlicht starrten.

Ein doofes Weihnachtsfest war das wieder! Oma war beleidigt, Opa motzte und Mama goss sich ein Glas Rotwein nach dem anderen ein.

Dann fing Oma auch noch an zu heulen. Schluchzend hielt sie Papa ein Päckchen vor die Nase. „Es ist doch Weihnachten!“, flehte sie und heulte noch mehr, weil Papa angewidert das Gesicht verzog, als er den Pullover mit dem aufgestickten Elch aus Omas Päckchen herausgerupft hatte. Oma weinte, Opa brummelte so etwas wie „Undankbarkeit“, und Mama kippte noch ein Glas Rotwein hinunter.

Da machte sich Papa schnell zur Sopranprobe davon. Endlich gingen auch Oma und Opa, nachdem sie noch gründlich geschimpft hatten über Papa, der sich so ungezogen aufführte, und über Mama, weil sie Papa nicht im Griff hatte.

An diesem Abend sah ich Papa nicht mehr, und als ich am nächsten Morgen zum Frühstück kam, war er auch schon wieder unterwegs. Zum Weihnachtsgottesdienst mit dem Kinderchor-Krippenmärchen.