Neue Sammlung der schönsten Sagen und Märchen von dem Berggeiste im Riesengebirge
Personen:
Rübezahl
Elisabeth
Vater Thomas
Gustav
Die Mutter
Rübezahl - steigt während eines Gewitters aus der Erde empor und sieht sich neugierig überall um
Ich, Herr Johannes, im Riesengebirge
Mit Furcht und Zittern nur genannt,
Weil ich mit Lust die Bösen würge,
Sie oft gestraft mit harter Hand;
Ich zeige nach ein paar hundert Jahren
Mich wieder einmal auf den Bergen hier,
Um etwas Neues zu erfahren,
Und zu durchreisen mein Revier.
Musäus hat von mir geschrieben
So manches Märchen wunderlich;
Doch wenn die Menschen wie sonst geblieben,
Sind sie viel närrischer als ich.
Sie machen sich durch Hass und Neid,
Durch Falschheit selbst das Leben sauer,
Sie schätzen sich nur nach dem Kleid
Und machen sich die Welt zur Trauer.
Zwar sind gar viele hochgelehrt
Und wissen wunderkluge Sachen,
Doch fragt nur, was dazu gehört,
Um sich das Leben leicht zu machen,
Und, selbst von groben Fehlern rein,
Es andern liebreich zu versüßen,
Im Frieden mit der Welt zu sein,
Da fragt einmal, ob sie das wissen?
Denk ich der Jugend jetz'ger Zeit,
Juckt's in den Fingern mich zur Stelle,
Die macht sich gar gewaltig breit,
Hält Kränzchen gar und Kinderbälle.
Wenn sie französisch nur versteht,
Glaubt sie schon Wunder was zu können,
Sie kann wohl, wie der Ebro geht,
Doch nicht der Heimat Flüsse nennen!
Es sagt manch Kind dir auf ein Haar,
Wer Mutius Scävola gewesen,
Doch frage nur, wer Luther war,
So haben sie's noch nicht gelesen.
Dort sitzt ein Mädchen am Klavier
Und fehlt nicht eine einz'ge Note,
Fast jede Oper kennt sie dir,
Nur leider nicht die zehn Gebote.
So steht es mit der Jugend jetzt,
Die fromme Einfalt ist verschwunden;
Ich aber hab mich in Bewegung nun gesetzt,
Um mich als Herr hier zu bekunden.
Ich werde, nach meiner alten Manier,
Den Guten necken und endlich beglücken,
Den Bösen aber, nach Gebühr,
Recht arg geprellt nach Hause schicken.
Sieh da, das kommt ja wie beschert,
Dort naht sich eine alte Mutter,
Sucht dürres Holz für ihren Herd
Und für die Zieg' ein wenig Futter.
Zwei Kinder folgen, jung und zart,
Da will ich mich sogleich verstecken,
Vielleicht kann ich die Sinnesart
Der armen Leutchen so entdecken.
er versteckt sich
Die Mutter, Elisabeth und Gustav - dürres Reisig suchend
Mutter
Gottlob! das Gewitter ist vorüber;Es scheint die Sonne wieder schön.
Elisabeth
Doch, gute Mutter, ihr solltet lieber. Um trockne Kleider jetzt nach Hause gehn.
Mutter
Es ist ja nur ein Rock im Schranke,Und du bist mehr als ich durchnäßt.
Elisabeth
Ei, liebe Mutter, welch ein Gedanke,Ich bin noch jung, gesund und fest!
Mutter
So laß uns nur die Hände rühren,Die Arbeit hier macht wieder warm. Und läßt im Winter uns nicht frieren.
Elisabeth seufzend
Ach, wären wir nur nicht so arm!
Mutter
Sprich, möchtest du denn etwa lieber Reich, wie der Nachbar Töffel, sein?
Elisabeth
O nein, der schließt ja jeden Stüber voll Geiz in seinen Kasten ein!
Mutter
Könnt ich doch, wie der Schulze, schenken Der Tochter ein so stattlich Haus ...
Elisabeth
Da würd ich mich noch sehr bedenken,Dort sieht's nicht eben friedlich aus!
Mutter
Ist Küsters Röse zu beneiden?Sie hat voll Linnen Kist' und Schrank!
Elisabeth
O nein, das wär' ein rechtes Leiden,Jahraus, jahrein ist Röse krank!
Mutter
Die reiche Elsbeth aus der Mühle,Die wärst du aber gern, mein Kind?
Elisabeth
Ha! was du sagen willst, das fühle Ich tief, ihr ist die Mutter blind! Nein, nein, ich schäme mich der Klage,Mit keinem möcht ich tauschen gern,Es hat ein jeder seine Plage; Vertrau'n wir nur auf Gott den Herrn.Um deinetwillen mög' er schenken. Uns bess're Tage, nicht so schwer.
Mutter
Willst du nicht auch des Guten denken? Wenn ich nur Elsbeths Mutter wär'. So bin ich rüstig auf den Füßen, Zur Wette spinn ich noch mit dir, und meine Kinder sie versüßen. Auch kummervolle Tage mir.
Elisabeth schlingt ihren Arm um die Mutter - Gustav kommt herbeigesprungen
Gustav
Hier, seht nur, bring ich reife Beeren,Die Mutter jetzt allein sie essen muß.
Mutter
Wir wollen sie zusammen verzehren,Denn so nur ist's für mich Genuß.
Die Vorigen - Rübezahl als Jäger
Gustav
Sieh, Mutter, da kommt ein fremder Mann.
Mutter
Brauchst darum keine Furcht zu hegen.Was geht der fremde Jäger uns an? Wir sind ja nicht auf bösen Wegen.
Rübezahl
Gott grüß euch!
Mutter
Schönen Dank, Herr!
Rübezahl
Was macht ihr da?
Mutter
Wir sammeln Reiser;Der Winter ist lang und oft gar schwer,Und schlecht verwahrt sind hier die Häuser.
Rübezahl
Wer seid ihr?
Mutter
Eine arme Frau. Mit ein paar guten, frommen Kindern;Wir lebten sonst dem Ackerbau,Der Feind tat uns die Scheuern plündern,Nahm unser bisschen Vieh, zerschlug,Was eben nicht fortzubringen war;So kamen wir um Acker und Pflug,Es geht nun schon ins fünfte Jahr.
Rübezahl
So seid ihr Witwe?
Mutter
Nein, ach nein!Das wolle der liebe Gott verhüten!
Rübezahl
Dann wird der Mann in der Schenke sein,Statt sich um Tagelohn zu vermieten?
Mutter
Bewahre! mein guter Thomas war stets fleißig und lebte eingezogen;Als aber das Vaterland in Gefahr,Da ist er mit in den Krieg gezogen.Fünf Jahr und drüber sind schon verflossen,Seit ich nichts mehr von ihm gehört,Seit ich und meine Unglücksgenossen. Mit Tränen jeden Bissen verzehrt.
Rübezahl
So läßt sich wohl nicht anders glauben,Als daß eine Kugel ihn hingerafft?
Mutter
Wollt ihr die letzte Hoffnung mir rauben?Mit ihr des Lebens Mut und Kraft?
Rübezahl
Doch besser, er schlummert im kühlen Grabe,Als wenn er, ein Bettler, wiederkehrt!
Mutter
O, wenn ich ihn nur wieder habe,Mein treues Herz nicht mehr begehrt.
Rübezahl
Wenn nur nicht etwa gar am Ende. Zum Krüppel ward der arme Mann?
Mutter
Ach, dann gibt's noch vier fleißige Hände,Und auch der Gustel wächst heran!
Rübezahl
Ihr wagt euch so auf diese Straße,Wie, wenn der Berggeist euch erschreckt?
Mutter
Hab ich doch immer gehört, er lasse die guten Menschen ungeneckt!
Elisabeth
Ja, Herr! wir haben ein gutes Gewissen;Er mag nur kommen, wenn's ihm beliebt.
Rübezahl
Vielleicht würd' er dich zu trösten wissen,Du schienst vorhin mir sehr betrübt.
Mutter
Wir haben schon viel Zeit verplaudert,Und im Gebirge ist's nicht gut,Wenn man bis in die Dämmerung zaudert.Lebt wohl!
Rübezahl
Auch ihr, und bleibt bei gutem Mut.
Mutter
O ja, was Gott über mich verhängt,Das wird er auch alles zum Guten lenken.
Gustav vertraulich zu Rübezahl
Wenn er einmal ein Eichhörnchen fängt,So könnt' er's wohl dem Gustel schenken!
Rübezahl
Bist du der Gustel? wir wollen sehn!
Gustav
Er sieht zwar etwas grimmig aus,Als wollt er einem den Hals umdrehen;Ich mache mir aber gar nichts daraus.
Rübezahl
Das freut mich, Kleiner!
Mutter
Komm, mein Kind!Noch ist der Korb nicht voll, drum munter!Wir suchen und füllen ihn geschwind;Und dann in unser Dörfchen hinunter.
ab
Rübezahl allein
Die Mutter ist brav,
die Kinder gut,
Man hört es ja aus jedem Worte;
Schon manchem half ich aus Übermut,
Doch hier ist Hilf' am rechten Orte.
Der Vorige - Thomas auf Krücken, ohne Rübezahl zu sehen
Thomas
Für heute kann ich nun wohl nicht weiter,Ich armer Krüppel! was soll ich tun? Die Luft ist warm, der Himmel heiter. Hier will ich unter dem Baum ruhn. Den Berg herauf mußt' ich schon keuchen,Doch morgen hab' ich neue Kraft,Die liebe Heimat zu erreichen,Die mir die letzte Ruh' verschafft.Zwar komm' ich, ach, mit leeren Händen,Und bin ein Krüppel obendrein,Kann nur verzehren, nur verschwenden,Und nichts erwerben, welche Pein!Warum fand nicht den Weg zum Herzen. Die Kugel, die mein Knie gefaßt!So wär' ich ledig aller Schmerzen,Und meinen Kindern nicht zur Last.Zur Last? Ach nein, sie werden gerne hilfreich dem Vater zur Seite stehen; Und der da droben regiert die Sterne, Läßt mich, wohl auch nicht untergehn. Könnt' ich denn nichts, gar nichts erwerben? Sind doch die Hände noch wohl geschickt;Und gerne, gerne will ich sterben,Hab' ich nur die Meinen noch erblickt.
er hat sich unter einem Baum gelagert
Rübezahl beiseite
Er ist's! ... fürwahr auf diese Höhen hat ihn ein guter Geist, geschickt; Er mag im Traum die Kinder sehen, bis er sie wach an den Busen drückt.
geht, nachdem er nach einigem Nachsinnen dem Thomas die Krücken weggenommen hat
Thomas erwachend, greift um sich und sucht sie vergebens
Wo sind meine Krücken? Guter Gott! Ein Bösewicht hat sie mir genommen, wer trieb mit mir so bitteren Spott. Wie soll ich nun nach Hause kommen?
Rübezahl als Köhler - Thomas
Rübezahl
Was wimmert denn da?
Thomas
Ach, guter Freund, seid mir tausendmal willkommen! Ihr wie ein Engel mir erscheint, ein Bube hat mir die Krücken genommen, sucht doch im Strauchwerk, guter Mann, vielleicht warf er sie weg.
Rübezahl
Der Bärenhäuter!
Thomas
Ich bin ein lahmer Kriegesmann und ohne Krücken kann ich nicht weiter.
Rübezahl beiseite
Ich will dir deinen Schmerz bezahlen.
laut
Wer seid ihr denn? Wo kommt ihr her?
Thomas
Ich heiße Thomas, komm aus Westfalen, Im Kriege ward ich verwundet schwer. Dort unten im Tal liegt meine Hütte, Wo mir in guter Kinder Mitte, Das treue Weib zur Ruhe winkt, Da bin ich denn bis hierher gehinkt.
Rübezahl
Seid ihr der Thomas, der vor fünf Jahren geplündert unter die Soldaten ging?
Thomas
Der bin ich. Habt ihr was erfahren,Wie es indes den Meinen ging?
Rübezahl
Die Tochter ist im Bach ertrunken; Den Jungen haben die Pocken hinweggerafft;Und endlich ist die Mutter ins Grab gesunken, wie ein dürrer Baum, ohne Saft und Kraft.
geht
Thomas
Gott! Gott! dann brauch' ich keine Krücken,Keinen Trost und keine Hilfe mehr! O Kugel, die mich lahm geschlagen,Warum nicht höher herauf ins Herz!Ich habe alles mit Mut ertragen;Jetzt unterlieg' ich meinem Schmerz.
Gustav - Thomas
Gustav der einen Schmetterling haschen will
Wart! wart! Ich will dich doch wohl fangen, Und wärst du schneller als der Wind!
Thomas
Wie wird mir, welch ein heimlich Bangen. Ach, welch ein liebes, schönes Kind!
Gustav
Ach! sieh ... ein Fremder ...
Thomas
Darfst nicht erschrecken,Mein Kind, ich bin kein böser Mann.
Gustav
Ich werde mich nicht vor ihm verstecken, Hab' ich doch ihm auch nichts getan.
Thomas
Hast du das Gebirge nicht gescheut? Wie kommst du so allein in den Wald?
Gustav
Nicht doch, die Mutter ist ja nicht weit.
Thomas
Ach Gott, mein Gustel wär' auch so alt!
Gustav
Wir sammeln für den Winter Reisig.
Thomas
Ihr guten Leute seid wohl arm!
Gustav
Ei freilich, aber die Mutter ist fleißig; Wär' nur im Winter der Ofen warm.
Thomas
Der Vater schafft euch warme Betten.
Gustav
Ja, wenn wir noch einen Vater hätten!
Thomas
Du hast den Vater schon verloren?
Gustav
Er zog in den Krieg, kaum war ich geboren.
Thomas
Wie mir das durch die Seele geht!Wie alles seltsam sich muß treffen, Mich Armen schadenfroh zu äffen. Mein Gustel! Meine Elisabeth!
Gustav
Was wollt ihr von uns?
Thomas
Von euch? wieso?
Gustav
Ich und die Schwester, wir heißen ja so.
Thomas
Ha! treibt denn hier in seinem Grimme, mit mir sein Spiel ein böser Geist?
Mutter hinter der Szene
He! Gustel!
Thomas
Das ist meines Weibes Stimme!
Mutter noch immer hinter der Szene
Wo bist du, Gustel? Um Gottes Willen!
Gustav
Gleich, liebe Mutter! ich komme gleich!
Thomas
O, könnt' ich mein Verlangen stillen. O, könnt' ich kriechen durchs Gesträuch!
Gustav
Will er die Mutter sehen, so sitze er nicht so faul, und rühr' er sich.
Thomas
Kind, ich bin lahm, hab' keine Stütze.
Gustav
Nun denn, so stütz' er sich auf mich.
Thomas
Du willst mich ihr entgegenführen? Ihr, wag' ich zu hoffen? Süßer Betrug.
Gustav hilf ihm auf und stützt ihn
Nur auf! Er soll gemächlich spazieren; Ich bin wohl klein, aber stark genug.
Die Vorigen - Mutter - Elisabeth
Mutter setzt ihren Korb nieder
Wo bleibst du? Hast du dich verirrt?
Thomas
Sie ist's! O halte mich, Kind! halte!
Mutter
Was seh' ich! sind meine Sinne verwirrt. Mein Mann!
sie stürzt sich ihm in die Arme
Thomas
Mein Weib!
Elisabeth hängt sich an ihn
Der Vater!
Gustav verwundert
Dieser Alte?
Mutter
Du bist nicht tot?
Thomas
Ihr seid nicht gestorben?
Mutter
Dich hab' ich wieder?
Thomas
Ich umarme dich.
Elisabeth
Wir haben's durch unser Gebet erworben.
Gustav
Bist du der Vater, so küß auch mich.
Thomas tut es
Ja dich, den Gott als Engel sandte;
zu Elisabeth
Und dich, die mir so hold erscheint
Mutter
Wo kommst du her?
Thomas
Aus fernem Lande.
Mutter
Wir haben lang um dich geweint!
Thomas
Ach, weinen werdet ihr auch wieder! Der liebe Gott mir alles nahm! O, setzt mich unter dem Baum nieder, Ich bin ein Bettler und bin lahm!
Mutter
Ein Bettler? nein! nenn' es gelinder; Sechs Hände sind, Dich zu nähren, bereit, Du hast dein Weib und deine Kinder, Die werden dich stützen jederzeit.
Thomas
O höre, Gott, mein dankbar Beten! Ich fand euch wieder, ihr habt mich lieb. Doch soll ich meine Hütte betreten als ein unnützer Tagedieb! Soll ich von euch mich lassen füttern?
Mutter
Willst du uns die schöne Stunde verbittern? Du brauchst ja nur zum Gehn die Krücken, Kannst drum die Hände dennoch rühren. Wir wollen es sogleich probieren; Komm, hilf den Korb mir auf den Rücken; Dann wandeln wir getrost und munter den wohlbekannten Pfad hinunter.
Thomas dem seine Kinder aufgeholfen haben
Ja, liebes Weib, du gibst mir neues Leben; Wie wohl mir der Gedanke tut, Ich sei doch noch zu etwas gut. Wo ist der Korb? Ich will ihn heben!
Elisabeth unterstützt ihn dabei, die Mutter stellt sich mit dem Rücken gegen ihn, und er versucht, den Korb auf ihre Schultern zu heben
Thomas
Von mir gewichen ist die Kraft des Lebens;Auch dieser Korb ist mir zu schwer!
Elisabeth
Ich will auch helfen, Vater; gebt her!
sie will den Korb aufheben
Seltsam; auch ich versuch' es vergebens.
Thomas
Um mich zu trösten, stellst du dich schwach.
Elisabeth
Nein, wahrlich, Vater! ich heb' und hebe;Allein umsonst.
sie blickt in den Korb
Ach, Mutter! Ach, Die Reiser sind Gold! so wahr ich lebe!
Mutter wendet sich um
Was sagst du?
Gustav hüpft um den Korb
Gold, Gold, lauter Gold!
Mutter
Ich bin erschrocken, daß ich bebe.
Thomas sinkt wieder unter den Baum
O Kinder, der Berggeist ist uns hold; Gewiß von ihm kommt das Geschenk.
Mutter
Nun sieh', es leuchtet ein neuer Morgen!
Thomas
Nun darf der Krüppel nicht mehr sorgen!O, seid der Wohltat eingedenkt!
Gustav
Dank dir, du guter Rübezahl!
Mutter
Mein Dank ist stumm und ohne Wort.
Elisabeth
Wie bringen wir aber den Korb nun fort? Der Weg ist weit hinab ins Tal. Wir müssen auch den Vater führen; Denn eher lass' ich die goldene Beute.
Die Vorigen - Rübezahl als wandernder Chirurgus
Rübezahl
O sagt mir doch, ihr guten Leute, Kann ich hier nicht den Weg verlieren?
Mutter
Wo kommt er her? Wo will er hin?
Rübezahl
Aus fremden Ländern ward ich verschrieben,Weil ich ein berühmter Wundarzt bin,Meine Kunst in Hirschberg auszuüben;Dort, sagt man, lebt ein reicher Mann,Dem ist einmal vor vielen Jahren,Als er im Kriege sich hervorgetan,Eine Kugel in das Knie gefahren;Ein Ignorant hat es schlecht kuriert,Davon ist der Fuß ihm steif geblieben;Weil er nun nicht gern auf Krücken marschiert,So hat er mich aus Paris verschrieben.Über Hals und Kopf komm' ich von dort,Bin auf der Reise schon viele Wochen;Soeben ist mir der Wagen zerbrochen,Da wollt' ich denn zu Fuße fort.
Mutter
I nun, die Beschwerde ist noch erträglich; Hirschberg ist eben nicht mehr weit.
Thomas
Ach, sag er mir, Herr! ist das wohl möglich, daß er den Fuß von der Lähmung befreit,Wenn schon eine geraume Zeit verstrichen. Und alles schon verwachsen ist?
Rübezahl
Freund, das ist mir eine Kleinigkeit;
Mutter
Ach Gott, welch' neuer Hoffnungsstrahl!
Rübezahl
Doch freilich ist mein Balsam teuer.
Elisabeth
Befreit den Vater von seiner Qual, Und was wir besitzen, sei flugs euer.
Rübezahl lachend
Blutwenig ist wohl, was ihr besitzt?
Mutter rasch
Hier, dieser Korb ...
Thomas
O nicht doch, Kind! Ein gesunder Fuß euch ja weit minder, Als dieser Schatz im Korbe nützt.
Mutter
Mit Freuden wollen wir alles missen.
Rübezahl
Was habt ihr denn im Korbe dort?
Mutter
Gold! lauter Gold!
Rübezahl
Das schenkt ihr fort, als wären's Schalen von Haselnüssen?
Mutter
Ach, Herr! für ein Weib, das redlich liebt, auf Erden kein größer Glück es gibt, als wenn sie für einen wackern Mann. Das Beste und Liebste opfern kann.
Elisabeth
Hilft er, so spring' ich Decken hoch.
Gustav
Und Gustel ihm ein Liedchen singt.
Thomas
Nicht wahr, Herr, wenn's auch nicht gelingt. Ein glücklicher Vater bleib' ich doch?
Rübezahl beiseite
Bin, ich doch sonderbar bewegt, Fast scheint's, trotz meinem geistigen Wesen ... daß Neid sich gegen die Menschen regt.
laut
Wohlann, mein Freund, ihr sollt genesen!
Mutter
Ist's möglich, Herr!
Rübezahl
Ja, eure Krücken. Werft nur in Gottes Namen weit,Es tut in wenig Augenblicken. Mein Balsam seine Schuldigkeit.
er setzt sich zu Thomas, zieht ein Büchschen hervor und reibt ihm das Knie
Mutter
O Rübezahl! jetzt fühlen wir erst den ganzen Wert von deinem Geschenke.
Thomas
Ha! diese zerschmetterten Gelenke. Wie ist mir, neues Leben zuckt durch jede Muskel, jede Nerve ... Die Last, die mich zu Boden gedrückt, Wie leicht ich sie von der Schulter werfe!
Gustav faltet die Hände
Ach, Mutter! ich bete Sprüch' und Psalter, Das wird vielleicht von Nutzen sein.
Thomas
Geschmeidig wird mein Fuß.
Rübezahl
Nun, Alter? Versucht? einmal und steht allein!
Thomas
Es ist geschehen! ich bin gesund! Gott! Gott! ich danke dir; und ihm!
Mutter und Elisabeth umarmen Rübezahl von beiden Seiten
O Herr!
Gustav
Gott wollt's ihm segnen alle Stund'.
Rübezahl
Nun, nun, nur nicht so ungestüm. Mein Balsam hat den Dienst verrichtet; Doch schwebt euch auch wohl noch im Sinn, Zu welchem Geschenk ihr euch verpflichtet?
Elisabeth
Da steht der Korb!
Mutter
Nehmt alles hin!
Rübezahl
Zuweilen die Menschen sich hoch vermessen, zu geben und schenken, was es auch sei; ist aber die Gefahr vorbei, so wird das Gelübde gar oft vergessen.
Mutter
Nein, zieh er nur hin mit der goldnen Bürde.
Elisabeth
Auch nicht ein Blättchen nehmen wir an!
Thomas
Nun fühl ich erst wieder des Hausvaters Würde,Da ich für die Meinigen arbeiten kann.
Mutter und Kinder umschlingen den genesenden Thomas; währenddessen verwandelt sich Rübezahl
Alle
Ha! Rübezahl! Der gute Geist!
sie heben die Hände zu ihm empor und er verschwindet
Einleitung
Woher Rübezahl seinen Namen hat
Der Kräutersammler
Die Musterreiter
Der Meckerfriede
Die Anleihe
Der Wundertaler
Der Goldmacher
Rübezahl straft einen Spötter
Die Perücken
Mutter Else
Glücks-Männlein
Die drei besten Menschen
Der böse Vogt
Rübezahl straft einen Unwissenden
Wie Rübezahl vor Prellerei warnt
Rübezahl betrügt die Geldmäkler
Die Springwurzel
Der gefundene Esel
Der Spieler
Rübezahl und der Schneider
Rübezahl und der lügenhafte Knecht
Der reiche Bäcker
Das Zauberbuch
Wie Rübezahl einem Bauer hilft
Der kleine Peter
Die Reise nach Karlsbad
Wie Rübezahl die Übertretung seiner Gesetze bestraft
Das Rad
Wie Rübezahl sich eines armen Studenten annimmt
Wie Fischbach durch Rübezahls Hilfe erbaut worden
Rübezahl macht einem Förster einen Zopf
Der alte Schäfer
Die drei Tischlergesellen
Wozu es nützt, schweigend Unrecht zu ertragen
Der Wanderstab
Die gefärbten Badegäste
Der verzauberte Stab
Der böse Edelmann
Grünmantel
Rübezahl - Schauspiel in einem Akt
Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene
Fünfte Szene
Sechste Szene
Siebente Szene
Achte Szene
Neunte Szene
Das Riesengebirge, das euch, meine jungen Freunde, aus der geographischen Lehrstunde wohl bekannt ist, ja welches einzelne von euch schon besucht haben, ist derjenige Teil der Sudeten des preußischen Staates, wo sie am höchsten und engsten verbunden sind und Schlesien von Böhmen und Mähren scheiden. Die hervorragenden Spitzen derselben sind von ansehnlicher Höhe, die Riesen-, auch Schneekoppe genannt, welche 1.605 m über dem Meeresspiegel liegt; ferner der Reifträger, das hohe Rad und die Sturmhaube; auch haben starke Flüsse, z. B. die Elbe und der Bober, ihren Ursprung zwischen felsigen Höhen. Dort nun war ehemals der Aufenthalt eines mächtigen Berggeistes. Sein Gebiet umschrieb auf der Oberfläche des Riesengebirges nur wenige Meilen, breitete sich aber im Innern desselben desto weiter und tiefer aus. Der Gnom herrschte oft jahrhundertelang still in seinem unterirdischen Reiche, und erhob sich nur selten auf die Oberwelt, um dort sein Wesen zu treiben.
Zur Zeit, als noch kein menschlicher Fußtritt das verkümmerte Knieholz und die spärliche Vegetation der Berge betrat, ehe die Gegend bewohnt war, begnügte sich der Herr der Riesenberge damit, wilde Tiere aufeinander zu hetzen, oder sie aus ihrem Lager aufzuschrecken, und sie in wilder Jagd durch das Gehölz zu treiben.
Als er aber nach langer Zeit wieder einmal das Tageslicht der Oberwelt aufsuchte, fand er zu seinem Erstaunen alles so sehr verändert, daß er fast sein eigenes Gebiet nicht wiedererkannte. Grünes Saatenfeld erhob sich, wo früher ein finsterer Wald gestanden hatte, und auf Wiesen weideten Schafe und Rinder, unter der Obhut singender Hirten und schützender Hunde. Da lagen einzelne Hütten in den Tälern, aus deren Schornsteinen der Rauch lustig emporstieg und vor deren Türen muntere Kinder spielten, mit fröhlichem Geschrei. Der Gnom wunderte sich nicht wenig über diese neuen Erscheinungen; seine größte Aufmerksamkeit aber erregten die Gestalten der Menschen, die er nie zuvor gesehen hatte. Seine Neugier ward rege, und er beschloß, diese fremden Wesen näher kennen zu lernen, indem er ihre Gestalt annahm und einige Zeit unter ihnen lebte.
Zuerst trat er als Knecht in die Dienste eines Landwirtes und verrichtete seine Arbeit aufs beste. Was er unternahm, das gelang, und er schaffte seinem Herrn so großen Nutzen, daß dieser leicht ein reicher Mann hätte werden können. Aber er war ein Verschwender und verjubelte leichtsinnig alles, was der fleißige und geschickte Knecht erwarb, dem er für seine treuen Dienste nicht einmal dankte. Darüber ward denn der Berggeist ärgerlich und suchte sich einen andern Herrn, bei dem er sich als Schafhirt vermietete. Und wieder gedieh unter seiner Aufsicht die Herde aufs beste; kein Schaf erkrankte, keins zerriß der Wolf, solange der Gnom sie hütete. Aber der Herr war ein Geizhals, der niemals genug hatte, dem treuen Knechte kaum satt zu essen gab und ihm, so oft er konnte, den bedungenen Lohn verkürzte. Darum ging dieser auch bald wieder aus diesem Dienst und kam als Gerichtsdiener zu einem Amtmann. Er versah auch diesen Dienst mit allem Eifer, und in kurzer Zeit war im ganzen Kreise kein Dieb oder Straßenräuber mehr zu finden. Als aber der Berggeist sah, daß der Amtmann ein ungerechter Richter war, der sich durch Geschenke und Schmeicheleien bestechen ließ, mochte er ihm nicht länger dienen und lief davon. Da er nun durch Zufall an lauter schlechte Menschen geraten war, glaubte der Gnom, daß sie alle nicht anders wären, und ohne Lust, weitere Proben davon zu machen, nahm er sich vor, so weit sein Gebiet reichte, die Menschen zu necken und zu plagen, damit sie sich wenigstens aus dieser Gegend entfernen sollten. Später freilich sah er auch diesen Irrtum ein und lernte manchen tugendhaften und guten Menschen kennen und schätzen und hat denn auch, wie wir sehen werden, mit seinen Zauberkünsten manchem armen Schelm aus der Not geholfen.
Wenn er nun wieder von Zeit zu Zeit die Oberwelt besuchte, neckte er die Reisenden und mischte sich in ihre Geschäfte. Er leitete die Fremden irre, die sein Gebiet betraten oder trieb Regenwolken zusammen, um sie durch Sturm und Gewitter zu erschrecken. Er stellte oft in der ödesten Gegend ein Wirtshaus, oder einen wundervollen Palast auf und äffte die hungrigen und ermüdeten Wanderer auf alle Weise damit. Wenn betrügerische Roßtäuscher sein Gebiet betraten, zeigte er sich nicht selten auf einem schönen Pferde als ein vornehmer Herr; ließen sie sich nun verleiten, ihm das Roß abzukaufen und ritten weiter damit, so verwandelte es sich nach kurzer Zeit in einen Strohwisch. Traf er dagegen einen unbemittelten Edelmann, der auf einem mageren Klepper traurig durch das Gebirge ritt, so kam er ihm wohl als ein stattlicher Reiter entgegen, ließ sich in irgend ein Gespräch mit ihm ein, und suchte ihn zu irgend einer Wette zu veranlassen. Er selbst verlor dann, und gab dem glücklichen Gewinner sein schönes Pferd, steckte ihm auch wohl noch heimlich eine Rolle mit Gold in die Tasche.
Solche Vorfälle wurden aber bald bekannt, und lockere Burschen oder Abenteurer, die davon hörten, suchten nun die Wohltätigkeit des Berggeistes auf ähnliche Weise in Anspruch zu nehmen. Aber da wurden sie empfindlich getäuscht; wenn sie auch glücklich das Pferd erlisteten, so verwandelte es sich doch bald genug in einen dürren Stock, auf dem sie immer weiter ritten, ohne es zu bemerken und zum Gespött in Stadt und Land wurden, wohin sie kamen.
So trieb er sein Wesen oberhalb des Gebirges, bald als neckender Spuk, bald als Wohltäter der Armen, je nachdem seine Laune eben war. Die Märchen, welche über den Berggeist Rübezahl noch im Munde des Volkes fortleben, findet ihr, meine jungen Leser, hier größtenteils gesammelt und neu bearbeitet. Die Autoren, von denen ein Teil derselben entnommen worden, sind: Musäus, Lehnert u. a. m.
Unsichtbar schlich der Berggeist einmal von seinem Felsen ins Tal hinab, und lustwandelte zwischen grünem Gesträuch und blühenden Hecken. Da gewahrte er die Gestalt eines überaus lieblichen Mädchens, welches die Tochter eines Fürsten war, der im schlesischen Gebirge herrschte, und die sich mit ihren Gespielinnen ins Gras gelagert hatte. Sie pflegte oft mit den Jungfrauen ihres Hofes in diesen Büschen zu lustwandeln, für ihren Vater Erdbeeren zu pflücken oder Wohlgeruch duftende Kräuter und Blumen zu sammeln. "Ei," dachte der Berggeist, "dies schöne, heitere Wesen wär' eine gar erfreuliche Gesellschaft in meinem einsamen Reiche," und alsbald entführte er als ein Sturmwind die schöne Emma, indem er die Augen der Gespielinnen durch Staub und Sand blendete, die nun mit ihrem Wehklagen Berg und Tal erfüllten und ohne Unterlaß nach der geraubten Prinzessin suchten.
Der König, ihr Vater, war sehr betrübt darüber, nahm die goldene Krone von seinem Haupte und verhüllte sein weinendes Angesicht in den Purpurmantel.
Am traurigsten aber war die Prinzessin selbst, als sie sich plötzlich in dem Palaste des Berggeistes befand, den er im Augenblicke aufgebaut und mit soviel Reichtum und Glanz ausgeschmückt hatte, wie es die Königstochter selbst am Hofe ihres Vaters nicht gesehen. Sie selbst war auf das kostbarste gekleidet, und eine ganze Reihe Kisten und Schränke standen mit allerlei Putz und Schmuck für sie angefüllt. Ein schöner Lustgarten umgab den Palast von drei Seiten, die Obstbäume darin trugen purpurrote und goldene Früchte, und auf den Rasenplätzen, die von den seltensten Blumen eingefaßt waren, lag der erquickendste Schatten. Der Berggeist, bemüht, daß es seinem schönen Gaste gefallen solle, ernannte die Prinzessin zur unumschränkten Herrin dieser Besitzung und folgte jedem ihrer Winke wie einem Befehl. Aber bei alledem fühlte sich Emma doch unglücklich, denn sie sehnte sich nach ihrem Vater und ihren Gespielinnen zurück.
Der Gnom bemerkte bald die Traurigkeit der holden Prinzessin und dachte: Es mangelt ihr nur an Unterhaltung, denn der Mensch ist an Geselligkeit gewöhnt, gleich der Biene und Ameise. Und flugs ging er hinauf aufs Feld, zog auf einem Acker ein Dutzend Rüben aus, legte sie in einen zierlich geflochtenen Korb und brachte sie der Prinzessin.