5. »Nicht wahr? Dir geht es genauso.«
Wer sagt denn so was?
Frauen und Männer, die als vermeintliche Seelenverwandte punkten wollen.
Wie ist die
Geschlechterverteilung?
♀♀♂♂
Was steckt dahinter?
Es ist nun mal so: In der Anbahnungsphase sind Gemeinsamkeiten gefragt. Gleiche Interessen, gleiche Abneigungen, vor allem aber die gleiche Lebenseinstellung. Leute, die uns ähnlich sind, finden wir sympathisch, wir vertrauen ihnen und fühlen uns verstanden. Wir können stundenlang mit ihnen reden, und sie wissen immer ganz genau, was wir meinen. Im Unterschied zu den späteren Jahren, in denen wir – womöglich mit der gleichen Person – nur noch ein paar Minuten am Tag sprechen. Die reichen jedoch völlig aus, um ein Maximum an Missverständnissen zu produzieren (siehe Kapitel 6).
Auf jeden Fall ist das mit der Lebenseinstellung so eine Sache. Denn im Unterschied zu oberflächlichen Merkmalen wie einer blonden Mähne, einer interessanten Nase oder einem weit geschnittenen Jackett kann man eine Geisteshaltung nicht direkt beobachten. Sondern muss sie erschließen, aus den Äußerungen, die unser Gegenüber von sich gibt.
Und das führt uns zu Satz Nummer 5. Wie kaum ein anderer ist er imstande, unserem Gesprächspartner klarzumachen, dass zwischen seiner und unserer Einstellung ein dickes Gleichheitszeichen steht. Dabei muss man gar nicht warten, bis man auf die bedeutsamen Fragen des Lebens zu sprechen kommt. Alles, was den anderen irgendwie beschäftigt, jede Angelegenheit, bei der er einen eigenen Standpunkt formuliert, kommt für Satz 5 als Schlüsselreiz infrage. Wichtig ist nur, dass das Wörtchen »ich« drin vorkommt.
Geeignete Steilvorlagen sind zum Beispiel: »Ich genieße es, einfach so in den Tag hineinzuleben.« – »Ich könnte das nicht, einfach so in den Tag hineinzuleben.« – »Den ganzen Tag rumsitzen: furchtbar. Ich muss mich bewegen.« – »Ich kann auf mein Handy nicht mehr verzichten.« Oder: »Morgens brauch ich erst mal ’n Kaffee. Sonst nichts.«
Welche Varianten sollten Sie kennen?
»Das ist doch seltsam. Wir kennen uns erst eine halbe Stunde …«
Den Satz unvollendet lassen, da der Gesprächspartner ohnehin weiß, wie er aufhört.
»Das war jetzt Gedankenübertragung.«
Man tut so, als ob man den Satz, den der andere geäußert hat, auch gerade sagen wollte.
»Ich weiß genau, was du meinst.«
Diese Variante bietet sich an, wenn der andere in abgebrochenen Sätzen spricht und zu vermuten ist, dass nicht mal er selbst ganz genau weiß, worauf er hinaus will.
Was meint der Experte?
Sehr gerne wird Satz Nummer 5 auch im Anschluss an eigene Betrachtungen geäußert. Vor allem wenn diese etwas ausufernd geraten sind. Dann gibt einem dieser Satz Gelegenheit, den Ball noch einmal elegant hinüberzuspielen. Man hat nicht einfach so vor sich hin monologisiert, sondern nur stellvertretend ausgesprochen, was beiden durch den Kopf gegangen ist.
Mit der wahren Lebenseinstellung hat dieses Geplänkel natürlich nichts zu tun. Denn die zeigt sich erst, wenn es darum geht, seinen Alltag zu meistern. Womöglich sogar zu zweit (siehe Kapitel 4).
Und wie geht es weiter?
Der Satz, der hier benötigt wird, lautet: »Das hast du ganz richtig erkannt.« Oder: »Du kennst mich aber gut – und das, obwohl wir uns erst so kurz kennen.«