Helma Ritter

PHIL,
DER VIEHDOKTOR

Jugendbuch

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2015

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Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Titelfoto Junge mit Huhn © Pictures4you

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015

www.engelsdorfer-verlag.de

Mein herzlicher Dank gilt

Christel Fischer, Günther Franz,

Bärbel Freytag, Uwe Glöckner,

Gudrun Harzbäcker.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Dank

Phil, der Viehdoktor

Gib nicht auf, wir sind gleich da.“

„Pff, pff, Phil, du hast gut reden, ich habe keine Gangschaltung.“

„Bloß noch ein paar Meter, dann wirst du sehen, dass es sich lohnt.“

Als sie da waren, staunte der Vater: „Hier kann man ja weit blicken, über das ganze Tal, die Mulde und in der Ferne Hügel und Wald.“

„Zweimal schon bin ich mit Seb hier langgefahren. Es ist einfach schön auf der großen Brücke vor Wurzen.“

Sie stellten ihre Fahrräder ab und setzten sich auf einen großen Stein.

„Willst du was trinken?“, fragte Phil.

„Na gut, Cola trinke ich zwar selten, aber jetzt bin ich ziemlich aus der Puste.“

„Wenn wir eine Pause einlegen, schaffen wir es trotzdem bis zum Mittagessen nach Hause.“

„Guck mal, ein großer Vogel, ein Fischreiher. Sicher will er frühstücken.“

„Wirklich, er taucht blitzschnell ins Wasser und hat schon einen Fisch gefangen.“

„Bloß gut, dass es nicht so heiß ist, aber selbst die dünne Jacke war mir zu warm.“

„Wir sind ja auch fünfzehn Kilometer gefahren. Sonst fährst du mit dem Auto.“

„Das strengt auch an, aber anders.“

„Arbeitest du gerne in deinem Beruf?“

„Manchmal ist es stressig oder die Kollegen nerven. Aber es geht schon. Warum fragst du?“

„Seb will was mit IT studieren. Aber ich möchte lieber was Soziales tun.“

„Sozialarbeiter oder so?“

„Nein, eher Tierpfleger. Ich weiß noch nicht genau, im Zoo, in einem Tierheim oder bei einem Tierarzt.“

„Du hast aber außer mit Minka mit Tieren noch nichts zu tun gehabt.“

„Das stimmt, aber ich habe in Bio eine Zwei.“

Sein Vater stand auf, streckte den Körper und blickte auf das Wasser. „Ja, so fängt es an. Man interessiert sich für ein Fach.“

Sie radelten zurück. Es ging bergab, also fuhr es sich leichter. „Da werden wir nachher aber Hunger haben, hoffentlich kocht Mum etwas Gutes. Meistens schmeckt es ja bei ihr. Auf alle Fälle besser als in der Schule.“

Sie kamen jetzt auf die Landstraße, wo sie den Lenker festhalten mussten, weil der Wind stärker geworden war. Phil versuchte etwas langsamer zu fahren, damit sein Vater nicht abfiel. Schließlich fuhr er täglich mit dem Rad zur Schule.

Zu Hause angekommen, rief Phil: „Hallo, Mum, wir haben einen saumäßigen Hunger!“

„Na, dann mal los, damit habe ich gerechnet. War es schön?“

„Ach, ich konnte kaum die Hügel hochfahren. Ich brauche eine Gangschaltung“, beschwerte sich der Vater.

„Er übertreibt. Er hat sich wacker geschlagen. Außerdem sind wir weit gefahren, und wir konnten sonst wohin gucken.“

Die Mutter staunte. „So viel war hier nicht zu erleben. Allerdings hat meine Schwester angerufen. Sie fragt, ob wir nicht mal wieder Lust hätten, zu kommen.“

„Das klingt gut. Darüber können wir reden.“

Sie setzten sich an den Tisch und bald war erst mal Ruhe. Jeder war mit sich und seinem Essen beschäftigt.

„Nachher müsste ich noch mal zu Seb. Er will mit mir Mathe lernen.“

„Aber nicht wieder zu laut Musik hören, andere Menschen wollen vielleicht schlafen!“

„Ach, was ihr denkt. Heute hören wir keine Musik.“

„Wann räumst du dein Zimmer auf?“

„Danach, Mathe ist wichtiger!“

„Okay, dann werden wir es uns gemütlich machen.“

Sie trugen ihr Geschirr in die Küche. Phil steckte sich noch einen Apfel in die Hosentasche, den Mathehefter und den Taschenrechner in einen Beutel und ab ging’s mit dem Rad.

Jens Schneider nahm sich die Auto-Zeitung, Mutter Astrid las in einem Roman. Nach einer Weile schaute Jens seine Frau an. Sie lag auf der Couch und war anscheinend ganz vertieft in das Leben anderer Menschen. Er lächelte. Wie konzentriert ihr Gesicht wirkte.

„Kannst du eine Pause einlegen?“

Sie fuhr hoch: „Gibt es was Ernstes?“

„Wie man es nimmt. Phil will Tierpfleger werden.“

„Ach, darauf muss man erst mal kommen. Was stellt er sich denn da vor?“

„Weiß ich nicht. Ihn interessiert Bio.“

„Was meinst du? Dafür braucht man doch kein Abi.“

„Eben. Ich denke, da könnte mehr drin sein.“

„Du hast doch sicher schon etwas geplant.“

„Menschen haben ihren eigenen Kopf. Phil müsste vielleicht mit realem Tierleben konfrontiert werden.“

„Konfrontiert, klingt hart.“

„Ist es ja auch: Ställe ausmisten, füttern, Pferde striegeln.“

„Jetzt macht es klick. Du denkst an Angelika.“

„Wirklich, das war ein toller Tag, als ich dich kennenlernte. Du bist so klug und so schnell im Denken.“

Astrid Schneider prustete los: „Da bin ich ja erleichtert. Was alles an einem Tag passieren kann.“

„Ja, plötzlich sind wir durch Phils Berufswunsch zu einem Besuch bei deiner Schwester verpflichtet.“

„Die wird staunen, dass sie Hilfe bekommt. Wann wollen wir starten?“

„Nächstes Wochenende habe ich Termine. Aber übernächstes können wir fahren.“

„Da ruf ich sie heute Abend gleich an.“

„Lies noch ein bisschen, ich koche Kaffee.“

Astrid Schneider lehnte sich zurück. Schön, dass sie ihre Schwester in zwei Wochen sehen würde, dachte sie. In letzter Zeit hatte sie viel arbeiten müssen. Da käme ein freies Wochenende gerade recht. Sie kuschelte sich in ein Kissen und nahm ihr Buch in die Hände.

Phil war bei Seb. Der klickte sich gerade durchs Internet.

„So schnell, wie du am Computer bist, schaffe ich das nicht.“

„Ach, nur Übung. Die richtigen Profis können noch ganz anderes.“

„Wenn bei mir was nicht klappt, verliere ich die Geduld an der Kiste. Übrigens habe ich meinem Vater erzählt, dass ich Tierpfleger werden möchte.“

„Was sagt er dazu?“

„Eigentlich gar nichts. Jetzt, wo du fragst, fällt mir das auf.“

„Mein Vater wäre wahrscheinlich contra, wenn ich mit etwas anderem als IT käme. Aber deiner hat anscheinend Verständnis, sonst hätte er es dir doch ausgeredet.“

„Na, ich muss jetzt los. Ich hab zu Hause was von Mathe gesagt.“

„Oje, dann bis morgen.“

„Ciao!“

Sie kamen Samstagmittag bei Tante Angelika an. Diese arbeitet als Tierärztin und hat auch selbst Tiere. Ihr Mann Ralf stand auf der Terrasse am Grill. „Gerade war noch ein Hund zur Behandlung da. Aber nun wird sie gleich kommen. Setzt euch. Wollt ihr etwas trinken? Bedient euch! Dann können wir bald essen.“

„Schön habt ihr’s hier. War die Terrasse schon immer so groß oder habt ihr sie erweitert?“

„Ein bisschen. Manchmal sind hier mehrere zu Gast, da war sie zu klein. Hattet ihr eine gute Fahrt, waren viele unterwegs?“

„Es ging, es war ja nicht weit.“

„Wo ist denn Phil?“

„Wahrscheinlich streichelt er die Katzen“, sagte Angelika, die gerade aus dem Haus kam. Sie drückte ihre Schwester und ihren Schwager.

„Schön, dass ihr da seid. Phil ist vorhin in den Pferdestall gegangen. Will er reiten lernen?“

„Davon wissen wir nichts, aber er will Tierpfleger werden.“

„Ach nee, da kann er gleich bei mir anfangen. Manchmal schaffe ich es kaum.“

„Du bist so helle wie deine Schwester. Sie will dir ihren Sohn überlassen.“

Astrid Schneider drohte ihrem Mann: „Bring nichts durcheinander! In den Ferien könnte Phil ein paar Wochen bei dir arbeiten.“

„Jetzt essen wir erst mal. Die Steaks sind fertig.“ Phil kam an den Tisch. Seine Augen strahlten: „Ihr habt viele Pferde.“

„Willst du reiten lernen?“

„Darüber hab ich noch nicht nachgedacht, vielleicht. Wie kommt man denn auf ein Pferd rauf?“

„Erst mal gar nicht. Man lernt es allmählich.“

„Das Pferd will bestimmt nicht geritten werden!“

„Das ist unterschiedlich. Aber wenn das Tier einen kennt, man es füttert und striegelt, hat man es leichter.“

Phil zerkleinerte das Fleisch und aß von dem Salat. Es gab auch seine geliebte Cola. „Kann ich bei dir lernen, wie man füttert und striegelt?“, fragte er seine Tante.

„Willst du die Schule aufgeben und Pferde pflegen?“

„Das wäre zu schön, aber das werden sie nicht zulassen“, meinte Phil und zeigte auf seine Eltern.

Astrid Schneider verschlug es die Sprache, doch ihr Mann sagte ganz ruhig: „Richtig, ein Schritt nach dem anderen. Wir haben jetzt Ende Mai, Ende Juli beginnen die Ferien. Da kannst du vier Wochen hier arbeiten, dann fahren wir alle zwei Wochen in Urlaub.“

„Kann ich nicht die ganzen Ferien hier arbeiten?“

„Ja klar, und im nächsten Jahr bleibst du sitzen!“

„Ach bitte, die Schule stresst zwar, aber die schaffe ich schon.“