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Hermann Schladt (Hrsg.)

Von Menschen und Aliens - Erstkontaktgeschichten

Amazing SF - Band 8





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Titel

 

Amazing SF – Band 8

Hermann Schladt (Hrsg.) – Von Menschen und Aliens - Erstkontaktgeschichten

Anthologie zum Storywettbewerb „Kontakt“des vss-verlag

1. eBook-Auflage – November 2013

© vss-verlag Hermann Schladt

 

Titelbild: Armin Bappert unter Verwendung eines Fotos von http://www.freepik.com/

Lektorat: Hermann Schladt

 

Udo A. Kiehne Paul, der Auserwählte

 

Also, ich heiße Paul. Das ist natürlich nicht mein richtiger Name. Wie man an meinen grauen Haaren und meinem kleinen Bauchansatz erkennen kann, bin ich inzwischen schon etwas über Fünfzig. Ich habe einen mittelmäßigen Realschulabschluss und bin seit der Schule Landwirt aus Leidenschaft in dritter Generation. Ich habe einen kleinen Bauernhof in Norddeutschland. Es ist nicht in der Nähe von Bielefeld. Mehr verrate ich natürlich nicht. Mein Hof liegt sehr einsam und ist umgeben von Ackerland, das mir gehört und von mir und meiner Familie selbst bewirtschaftet wird. Der eigentliche Hof hat die Form eines Hufeisens. Wenn man in das Hufeisen hineinblickt, ist auf der linken Seite das Wohnhaus. Rechts ist eine große Halle, in der unsere wichtigsten Geräte und Fahrzeuge abgestellt werden, wie Mähdrescher und Güllewagen. In der Mitte ist das Stallgebäude. Wir haben ungefähr zwanzig Hühner und zwei Schweine, die wir nur für den Eigenbedarf halten. Zusätzlich halten wir noch fünf Kühe wegen der Subventionen von der EU. Vor diesen Gebäuden stehen unser alter Familienkombi, ein Mercedes-Diesel, und der ebenso alte Traktor. Reich sind wir also nicht.

So, das muss zunächst zu meiner Person genügen. Was ich gleich erzählen werde, hört sich zwar wie Science-Fiction an, entspricht aber der Wahrheit. Möglicherweise springe ich bei meinen Ausführungen etwas hin und her, aber das ist nun mal meine Art.

Meine Geschichte beginnt im Sommer 2010. Meine Frau war mit den beiden Kindern für ein paar Tage zu ihren Eltern gefahren.Es waren ja schließlich Ferien und die Kinder hatten Zuhause nur Langeweile und saßen stundenlang vor der Glotze oder vor dem PC.

Ich hatte also meine Ruhe und es lief die Fussball-Weltmeisterschaft in Südafrika, die ich ohne Diskussionen und Vorhaltungen genießen konnte. Unsere Nationalmannschaft hatte gerade Argentinien mit vier zu null abgeledert. Und so hatte ich nach dem Spiel schon die üblichen vier Bier und Korn intus. Kurz vor Mitternacht ging ich dann ins Bett und schlief sofort ein. Normalerweise schlafe ich durchgehend tief und fest. Aber in dieser Nacht schlief ich sehr unruhig und nach etwa zwei Stunden wurde ich durch ein Geräusch geweckt. Es hörte sich nach einem Brummen wie von einer elektrischen Pumpe an. Mein erster Gedanke war, dass die Nachbarn mal wieder heimlich versuchten, den Diesel aus dem Traktor zu zapfen. Es wäre ja nicht das erste Mal und bei den heutigen Dieselpreisen für die Nachbarn durchaus lohnenswert und für mich ein großer Schaden. Darum setzte ich mich im Bett auf, lauschte nochmals und stand schließlich doch auf, ohne jedoch das Licht anzumachen. Im Dunkeln schlüpfte ich in meine Gartenschuhe und zog den Morgenmantel an, der immer griffbereit an einem Haken neben dem Nachttisch hängt. Ich ging vom Schlafzimmer im ersten Stock ins Erdgeschoss. Kurz vor der Haustür griff ich ein Stück Zaunlatte, das dort zufällig stand, eigentlich aber schon seit ich wusste, dass die Nachbarn scharf auf meinen Diesel sind. Leise öffnete ich die Haustür einen Spalt weit und schaute nach Draußen. Aber es war nichts zu sehen, auch nicht beim Traktor. Ich öffnete nun die Haustür ganz und trat hinaus. Doch plötzlich hörte ich wieder ein Geräusch, das eindeutig aus dem Stallgebäude kam.

Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, packte die Zaunlatte etwas fester und ging zum Stallgebäude. Aus dem verdreckten Fenster im Stallgebäude schien ein schwaches grünes Leuchten, das hin und wieder flackerte. Mit klopfendem Herzen öffnete ich mit einem Ruck die Stalltür, hob die Zaunlatte und ließ sie sofort wieder sinken. Ich war völlig verdutzt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Vor mir standen drei Gestalten wie ich sie noch nie gesehen hatte. Sie standen mit dem Rücken zu mir und betrachteten die Kühe. Das grüne Leuchten hörte auf und die Wesen drehten sich zu mir um. Gleichzeitig hörte ich die Worte “Fürchte dich nicht“. Die Worte waren etwas undeutlich und Hören trifft es eigentlich auch nicht. Vielmehr waren diese Worte plötzlich in meinem Kopf. Irgendwie war mir aber sofort klar, dass ich keine Angst haben musste. Trotzdem war mir schon mulmig zumute und mit fester Stimme fragte ich “Wer seid ihr und was macht ihr in meinem Stall?“ Nach kurzem Zögern war die Antwort wieder in meinem Kopf „Wir sind Plejaner. Mein Name ist Osoriel.“ Dabei deutete das links stehende Wesen auf sich und zeigt anschließend auf das rechts neben ihm stehende Wesen. Mit einer kleinen Verzögerung vernahm ich nun: „Das ist Tesom und das ist Koralis.“ Nachdem keine weitere Erklärung folgte brachte ich ein fragendes „und?“ hervor. Offensichtlich verstand mich das Wesen mit dem Namen Osoriel sofort und antwortete prompt und diesmal kamen die Worte schon klar und deutlich und ohne Verzögerung: “Wir werden dich untersuchen, deine Nahrung und dein Umfeld analysieren und schließlich deinen Lebensverlauf auswerten.“ Natürlich war ich zunächst erstaunt darüber, daß Osoriel plötzlich gut deutsch verstehen und sprechen konnte. Merkwürdigerweise konnte ich jedoch bei ihm keine Lippenbewegungen erkennen. Aber andererseits war mir auch sofort klar, dass es sich bei den Dreien bestimmt um Außerirdische handelte und die können so was. Gedanken lesen können die sowieso. Und außerdem duzte er mich schon. Dass Osoriel und die beiden anderen Wesen Männer waren, war offensichtlich, weil sie keine Brüste, aber eine Glatze hatten. Alle Drei waren etwa gleich groß und mehr als einen Kopf kleiner als ich. Ich schätze, sie waren zirka einssechszig groß. Ihre Haut war sehr hell, ungefähr so, wie wenn man monatelang die Bude nicht verlassen hätte. Die Kleidung war dagegen schon unterschiedlich. Osoriel, den ich als den Kopf der Gruppe gesehen hatte, trug einen schwarzen Overall, der ihm jedoch etwas zu groß zu sein schien. Tesom hatte eine zu kurze schwarze Hose und ein kurzärmliges graues T-Shirt ohne Aufdruck an. Koralis trug einen eng sitzenden schwarzen Overall mit vielen Taschen. Alle Drei hatten schwarze Stiefel an, die bis kurz über die Knöchel gingen. Zusätzlich hatte Osoriel einen silbernen Gürtel um die Taille, an dem ein kleines dunkelblaues Kästchen befestigt war. Das Kästchen hatte ungefähr die Größe einer Zigarettenschachtel und erzeugte von innen heraus ein bläuliches Leuchten. Bevor ich weitere Fragen stellen konnte, kam schon die nächste Nachricht in meine Gedanken. “Du musst jetzt schlafen, sofort!“ Ich konnte nicht mehr erkennen, von wem diese Nachricht kam. Jedenfalls überkam mich plötzlich eine große Müdigkeit, und mir fielen sofort die Augen zu. An mehr kann ich mich dazu leider nicht erinnern.

Als ich wieder wach wurde, machte ich sofort die Augen auf, aber es war so dunkel, dass ich nichts sehen konnte. Ich drehte den Kopf etwas nach rechts. Daraufhin wurde Licht eingeschaltet und langsam herauf gedimmt. Offensichtlich gab es einen Bewegungsmelder, der auf meine Kopfbewegung reagierte. Woher das Licht kam, war zwar nicht erkennbar, aber nun war es hell genug, sodass ich mich umsehen konnte. Als ich mich dazu aufrichten wollte, musste ich allerdings feststellen, dass ich nur den Kopf bewegen konnte. Ich lag auf einem Tisch und meine Arme, Beine und der Oberkörper waren mit breiten Bändern fixiert, die mir jedoch etwas Bewegungsspielraum ließen. Also versuchte ich, zuerst den Kopf zu heben. Es gelang mir zwar, aber was ich dann sah, gefiel mir überhaupt nicht. Über meinem Unterkörper schwebte ein metallisches Gerät, das wie ein Melkbecher einer Melkmaschine aussah, an dem ein dünner Schlauch befestigt war. Also, vereinfacht ausgedrückt, der Melkbecher ist das Ding, das beim Melken über die Zitze gestülpt wird. Der Umstand, dass ich auch noch nackt und erregt war, beunruhigte mich dann schon sehr. Die Vorstellung der Möglichkeiten dieser Melkmaschine machten mir mächtig Angst. Außerdem war mir die Situation ziemlich peinlich und ich möchte darum darauf nicht weiter eingehen.

Im nächsten Moment öffnete sich links von mir eine Art Schiebetür wie bei einem Kaufhaus und einer der Außerirdischen kam herein. Welcher es war, konnte ich nicht erkennen, weil sie für mich alle gleich aus sahen.. Er sagte etwas, das ich nicht verstand und die Bänder um meinen Körper lösten sich und verschwanden im Tisch.

Schnell stand ich auf, streckte mich und sah mich um. Ich war in einem niedrigen Raum, der vielleicht gerade mal knapp zwei Meter hoch und zirka dreieinhalb Meter lang und drei Meter breit war. Bis auf den Tisch war der Raum leer.

Der Außerirdische kam an den Tisch und reichte mir ein Bündel, das er unter dem Arm gehalten hatte. Ich nahm es und faltete es auseinander. Es war ein grauer Overall, den ich mir schnell anzog. Erstaunlicherweise passte der Overall perfekt. Natürlich hätte ich lieber meine eigenen Klamotten gehabt, aber die konnte ich nicht finden, sie waren wohl nicht in diesem Raum.

Eigentlich wollte ich erst einmal wissen, wo ich war und warum. Aber bevor ich nachfragen konnte, sagte mir der Außerirdische wieder telepathisch: “Ich bin Osoriel. Du kennst mich. Ich bin ab jetzt dein Betreuer. Folge meinen Anweisungen.“ Daraus schloss ich, dass er ein Raumschiff meinte, was mich allerdings nicht besonders wunderte. Wie ich in dieses Raumschiff gekommen war, war mir jedoch ein Rätsel. Aber auf eine mögliche Schiffsführung war ich schon sehr gespannt. Insbesondere interessierte mich die Raumschiffzentrale und vielleicht gab es auch einen Transporterraum wie im Raumschiff Enterprise. Damit wäre dann vielleicht auch geklärt, wie ich hierher in dieses Schiff gekommen war.

Dann nahm Osoriel meine rechte Hand und zog mich durch die Schiebetür. Wir kamen in einen niedrigen Gang, der eine leichte Biegung hatte, und gingen nach links. Wand-, Decken- und Bodenfarbe waren gleich und in hellem Grau gehalten. Fenster oder Bilder gab es nicht. Nach ungefähr zehn Metern hielten wir vor einer Schiebetür, die sich auf der linken Seite befand. Osoriel ließ meine Hand los und öffnete mit einem gesprochenen Befehl die Tür. Nachdem sich die Schiebetür geöffnet hatte, zog er mich in den Raum. Sofort ging dort das Licht an. Dieser Raum hatte etwa die gleiche Größe wie der Raum in dem ich aufgewacht war. Es war allerdings nicht die erwartete Zentrale des Raumschiffs. Dieser Raum war eine Art Büro. Es gab einen Schreibtisch mit Bürostuhl und einen kleinen runden Tisch, um den vier Stühle standen. Mich erinnerte das Mobiliar an unsere Sparkasse. Es fehlten nur die üblichen Urkunden an den Wänden, die Ständer mit den Prospekten der Bausparkassen und ein PC-Monitor auf dem Schreibtisch.

Osoriel deutete auf einen Stuhl am runden Tisch und ich setzte mich vorsichtig. Der Stuhl hielt zwar mein Gewicht aus, war aber für mich viel zu niedrig. Ich fühlte mich wie beim Elternabend in der dritten Klasse meiner Kinder. Das Mobiliar war offensichtlich nicht für Menschen gemacht. Aber ich versuchte, es mir halbwegs bequem zu machen. Mittlerweile hatte sich Osoriel ebenfalls gesetzt und einen weiteren Sprachbefehl erteilt. Daraufhin wurde das Licht gedimmt und es war fast so dunkel wie im Kino. Gleichzeitig erschien über meinem Kopf eine kleine runde Scheibe mit einem dünnen schwarzem Rand, die ein dunkelgrünes Licht ausstrahlte. Der Durchmesser war ungefähr dreißig Zentimeter. In der Mitte der Scheibe befand sich ein zirka fünf Zentimeter durchmessender Kreis mit einer leichten Verdickung. Außerdem hatte sich aus dem Tisch ein Flachbildschirm ausgerollt und automatisch aufgestellt. Das Gerät war ziemlich flach. Vergleichbar mit einer Folie. So ein Teil hätte ich Zuhause auch gern gehabt. Osoriel entschuldigte jedoch sich kurz für die etwas veraltete Technik.

Nachdem sich der Bildschirm stabilisiert hatte, wurde erstaunlicherweise ein Kinderbild von mir angezeigt. Dann begann Osoriel mit seiner Analyse. So nannte er es jedenfalls. Ich hätte es eher als Verhör bezeichnet. Zuerst fragte er nach meinem Namen, Geburtsdatum, Geburtsort und Schuhgrösse, um angeblich meine Identität zu bestätigen. Dabei nannte ich ihm natürlich meinen richtigen Namen. Name, Geburtsdatum und Geburtsort konnte ich ja noch nachvollziehen. Warum er allerdings meine Schuhgröße wissen wollte, war mir schleierhaft. und machte aus meiner Sicht auch keinen Sinn. Aber wahrscheinlich waren diese ersten Fragen nur eine Formalität, wie sie auch bei jedem deutschen Formular üblich sind. Aber er machte sich keine Notizen und ein Aufnahmegerät konnte ich auch nicht entdecken. Er gab mir nur die Anweisung, dass ich mich bei den noch folgenden Bildern auf die damaligen Ereignisse konzentrieren sollte. Nach meinen Antworten wurde ein anderes Bild von mir auf dem Bildschirm angezeigt. Es zeigte mich in meiner Jugend im Konfirmationsanzug. Allerdings kannte ich dieses Bild nicht und konnte mir auch nicht vorstellen, wer es gemacht haben könnte. Auf meine entsprechende Frage, antwortete Osoriel einfach nur mit “Ich“.

Nach dieser Antwort war ich erst einmal sprachlos und auf seine Erklärungen gespannt. Er gab aber keine Erklärung, sondern es kam schon die nächste Überraschung. Diesmal war es ein Foto meiner Schulabschlussfeier der Realschule. Das muß etwa im Jahr 1978 oder 1979 gewesen sein. So genau kann ich mich nicht mehr erinnern. Danach kamen noch einige Bilder aus meiner Ausbildungszeit und auch immer mehr Bilder aus meinem Alltagsleben. Das letzte Foto war von unserer Hochzeit.. Es war 1984 und wir waren damals noch sehr jung. Es begann dann eine schwierige Zeit für uns. Daran erinnere ich mich noch sehr genau. Ich musste damals, das war 1985, plötzlich den Hof von meinem erkrankten Vater übernehmen.

Zwischendurch stellte Osoriel immer wieder Fragen zu den einzelnen Bildern und ich musste einige Erläuterungen zu den Ereignissen und kirchlichen Ritualen geben. Insbesondere interessierten ihn dabei unsere verwandtschaftlichen Verhältnisse. Die meisten Fragen bezogen sich auf meine Eltern. Ich musste ihm alles über sie erzählen. Über die Eltern kamen wir schließlich noch zu meinen Brüdern. Und auch darüber fragte er mich ausführlich aus. Die Familie meiner Frau interessierte ihn hingegen weniger. Aber das sind aus meiner Sicht sowieso nur Verlierer, die ihr Leben nicht auf die Reihe kriegen.

Nach gefühlten drei Stunden erklärte Osoriel die Analyse für beendet. Die Scheibe schwebte nach oben und blieb unter der Decke hängen. Das dunkelgrüne Licht in der Scheibe erlosch. Der Bildschirm rollte sich wieder ein und verschwand im Tisch. Gleichzeitig wurde es wieder heller im Raum. Eigentlich hätte ich jetzt gern selbst einige Fragen gestellt und Erklärungen verlangt, aber in meinem Kopf hörte ich einfach nur ein “später“ mit einem drohenden Unterton. Daher hielt ich mich lieber zurück. Stattdessen erhob sich Osoriel und bedeutete mir, ebenfalls aufzustehen. Also erhob ich mich, stand dann etwas unschlüssig herum und wartete auf Anweisungen.

Osoriel nahm daraufhin wieder meine Hand und zog mich durch die Tür, die er durch einen Sprachbefehl geöffnet hatte, auf den Gang hinaus. Wir gingen nach links und nach ungefähr fünfundzwanzig Metern bogen wir nach wieder nach links in einen geraden Gang ab, der zu einem Mittelpunkt zu führen schien. Allerdings kamen wir schon nach wenigen Metern auf einen runden Platz. In der Mitte des Platzes befand sich eine kreisförmige Fläche, die von einem Ring umgeben war und dunkelgrün leuchtete. Es erinnerte mich sofort an die kleine Scheibe im Verhörraum. Wir betraten diese dunkelgrüne Scheibe und Osoriel erteilte wieder einen Befehl. Daraufhin setzte sich die Scheibe in Bewegung und glitt langsam aufwärts. Inzwischen überraschte mich jedoch nichts mehr, ich gab mich einfach geduldig und stellte keine Fragen. Schon nach kurzer Zeit hielt die Scheibe an.

Und wieder stand ich unschlüssig herum. Und wieder nahm Osoriel meine Hand und zog mich von der Scheibe herunter. Dann drehte er sich einmal um die eigene Achse und zog mich weiter in den nächsten Gang. Langsam hatte ich zwar das Ziehen und Zerren satt, aber ich fügte mich und folgte ihm. Der von Osoriel gewählte Gang endete schon nach wenigen Metern und wir standen vor einer verschlossenen Tür, die sich jedoch diesmal auf einen Sprachbefehl von Osoriel nicht öffnete. Stattdessen erschien auf der Tür ein kleiner Bildschirm auf dem ein Plejaner wild mit den Armen gestikulierte. Osoriel und der andere Plejaner unterhielten sich kurz, der Bildschirm erlosch und die Tür öffnete sich.

Wir traten ein. Gleich hinter dem Eingang blieb ich stehen und sah mich um. Dieser Raum, man hätte es auch locker als Saal bezeichnen können, war wesentlich größer als die beiden Räume, in denen ich bisher gewesen war. Beeindruckender als die Größe war allerdings die Einrichtung des Raumes. Sie bestand aus kleinen schwebenden Wannen. Nach meiner ersten groben Schätzung gab es davon in diesem Raum 6 Reihen mit jeweils 8 Wannen. Macht nach Adam Riese insgesamt 48 schwebende Wannen. Die Wannen waren alle gleich groß. Sie waren ca. 1 m lang, 50 cm breit und vom Boden bis zum oberen Rand ca. 40 cm. hoch. Osoriel forderte mich telepathisch auf, die Wannen anzusehen. Also ging ich zu der Wanne, die mir am nächsten stand. Der Boden der Wanne leuchtete dunkelgrün und sorgte wahrscheinlich für das Schweben. Ich sah hinein und war verblüfft. In der Wanne lag ein nacktes menschliches Kind. Es war ein Junge, den ich auf etwa 2 Jahre schätzte. Schnell ging ich zur nächsten Wanne. Es war ein Junge. Nächste Wanne, wieder ein Junge. Ich übersprang einige Wannen und Reihen und gelangte fast an das andere Ende des Raumes. Ich blickte in die vor mir stehende Wanne. Wie erwartet, war es ein Junge, der meinem jüngsten Sohn ähnlich sah.

Osoriel stand noch immer am Eingang des Raumes und schien zu grinsen. Zumindest kam es mir so vor. Nachdem sich meine Aufregung etwas gelegt hatte, ging ich zu ihm und sah ihn fragend an. Offensichtlich verstand er mich auch mal wieder ohne Worte und setzte sofort zu einer Erklärung an. Er sagte: “Es sind alles Klone, die aus deinem Genmaterial gefertigt wurden. Oder vereinfacht ausgedrückt, es sind deine Kinder, deine Söhne.“ Nach dieser Eröffnung war ich sprachlos und wütend zu gleich. Ich packte Osoriel an den Schultern seines Overalls, hob ihn hoch und drückte ihn gegen die inzwischen geschlossene Tür. Durch diese Aktion schien Osoriel wohl zu merken, dass ich langsam die Geduld verlieren und ziemlich sauer werden würde. Daher sagte er: “Lass mich runter. Ich werde dir gleich Einiges erklären. Du wirst überrascht sein. Hier hast du genug gesehen. Komm mit.“ Wie aus einem inneren Zwang heraus ließ ich ihn los und schwieg, obwohl mir das schwer fiel. Er schüttelte sich kurz, packte mich dann mal wieder am Arm und zog mich in den Gang. Dann gingen wir den Weg zurück und gelangten nach kurzer Zeit wieder in den Verhörraum. So nannte ich jedenfalls diesen Raum.

Ohne Aufforderung setzte ich mich an den Tisch und wartete gespannt auf Osoriels Erklärungen. Dabei wurde mir erstmals bewusst, dass Tisch und Stühle nicht schwebten, sondern mit den gewohnten vier Beinen auf dem Boden standen. Plötzlich öffnete sich die Tür und ein weiterer Plejaner trat ein, den ich natürlich nicht erkannte. Er stellte ein kleines Tablett mit drei Gläsern und einem Krug auf den Tisch. Ohne zu fragen, nahm ich mir ein Glas und schenkte mir aus dem Krug ein. Die Flüssigkeit im Glas sah aus wie Bier, was mich schnell versöhnlich stimmte. Der Geschmack ließ dann leider etwas zu wünschen übrig. Es schmeckte ziemlich fad. Kein Wunder, vernünftiges Bier können eben nur wir Deutschen brauen.

Der andere Plejaner setzte sich zu uns. Er stellte sich telepathisch als Tesom vor. Osoriel ergänzte, dass Tesom der für die Erde zuständige Konfliktmanager sei. Manager scheinen offensichtlich weit verbreitet zu sein. Dann nahm er sich ebenfalls ein Glas und schenkte sich ein. Osoriel verzichtete auf ein Getränk und erteilte einen kurzen Sprachbefehl. Daraufhin rollte sich der Bildschirm wieder aus dem Tisch und stellte sich auf. Auf dem Bildschirm wurde nur der Mond angezeigt. Daher dachte ich zunächst, es wäre ein Bildschirmschoner.

Doch dann wischte Osoriel kurz mit einer Hand über den Bildschirm. Der Mond erschien nun etwas größer und es war ein Fleck darauf zu sehen. Telepathisch hörte ich: “Pass gut auf und achte auf den Schatten auf der Mondoberfläche.“. Er wischte wieder über den Bildschirm. Der Mond wurde nochmals größer und füllte die gesamte Bildschirmfläche aus. Der vermeintliche Fleck wurde dabei deutlicher und entwickelte sich zu einem Quadrat. Nun gab Tesom einen Sprachbefehl. Daraufhin begann das Quadrat zu rotieren und jetzt erkannte ich deutlich einen Würfel.

Ich fragte: “Was ist das?“ Tesom antwortete telepathisch: “Das ist ein neranischer Kampfwürfel. Er ist aus siebenundzwanzig weiteren kleineren Würfeln zusammengesetzt. Jeder dieser kleinen Würfel hat eine Kantenlänge von etwa drei Kilometern. Der gesamte Kampfwürfel hat somit eine Kantenlänge von insgesamt neun Kilometern. Ich hoffe, du kannst dir diese gewaltigen Dimensionen vorstellen. Nur zum Vergleich, unser Schiff hat einen Durchmesser von ungefähr einhundertfünfzig Metern. Wir wissen, dass sowohl die einzelnen Würfel als auch die Gesamtkonfiguration aus einem geschützten Würfel in der Mitte gesteuert werden können.“ Nach einem weiteren Sprachbefehl erschien neben dem Würfel ein kleines Symbol, das aussah wie die klassische Untertasse. Es sollte wohl ein plejanisches Raumschiff darstellen und die Größenverhältnisse verdeutlichen. Es war erschreckend.

Ich unterbrach Tesom und fragte: “Warum haben unsere Leute diesen riesigen Würfel noch nicht bemerkt , und was macht er hier?“

Diesmal antwortete Osoriel: “Der Würfel kann weder von irdischen Militärs noch von Wissenschaftlern mit den derzeitigen technischen Möglichkeiten von der Erde aus erfasst werden. Der Würfel ist von einem einfachen Tarnfeld umgeben, das für uns natürlich kein Problem darstellt. Die Neraner verlassen sich auf das Tarnfeld. Sie wissen jedoch nicht, dass wir auch hier sind. Unsere Schiffe verfügen ebenfalls über Tarnfelder, die wesentlich besser sind als die der neranischen Kampfwürfel.“

Tesom ergänzte: “Dieser Würfel hat die Aufgabe, Informationen zu sammeln. Dies bezieht sich zunächst auf eure militärischen Möglichkeiten. Es ein typischer Aufklärer. Aber dieser Würfel ist noch nicht das eigentliche Problem.“

Er unterbrach sich, trank einen Schluck aus seinem Glas und fuhr fort: “Ich habe die Nachricht erhalten, dass weitere fünfzehn Kampfwürfel hierher unterwegs sind. Dazu kommen noch zwei Kommandowürfel. Sie sind vergleichbar mit den zentralen Steuerungswürfeln der Kampfwürfel. Jeder Kommandowürfel ist für die Steuerung von acht Kampfwürfeln verantwortlich. Die angekündigten siebzehn Würfel werden in knapp fünf Jahren schon hier eintreffen. Viele weitere Würfel werden später noch folgen. So war es leider schon an vielen Orten.“

Nun sagte Osoriel: “Zu deinem Verständnis, die Erde ist unser Projekt, das nicht gefährdet werden darf. Daher beobachten und beschützen wir sie schon seit vielen Jahrhunderten. Vergleichbar mit einem Gärtner, der seine jungen Pfanzen hegt und pflegt und von Schädlingen frei hält. Das erklärt mit wenigen Worten unsere Aufgabe.“

Zu dem von Osoriel angeführten Vergleich mit dem Gärtner musste ich allerdings denken, dass ein Gärtner seine Pflanzen oder die Früchte seiner Arbeit irgendwann mal ernten möchte. Ich verkniff mir jedoch eine Frage dazu, weil ich die Antwort darauf jetzt lieber nicht wissen wollte. Stattdessen fragte ich nochmals nach: “Aber was wollen denn diese Neraner ausgerechnet hier und von uns?“

Darauf antwortete Tesom knapp: “Euch. Sie wollen euch, weil sie Besatzungen für die Kampfwürfel benötigen. Menschen sind grundsätzlich gut dafür geeignet, weil sie körperlich ähnlich gebaut sind. Außerdem können sie euch gut anpassen und umprogrammieren. Auf diese Weise können sie die Erde langfristig entvölkern.“

Diese Aussage machte mir doch ein wenig Angst und daher fragte ich“ Warum schießt ihr diesen Scheiß Würfel nicht einfach ab und das Problem ist erledigt?“

Es schien Tesom etwas unangenehm zu sein, als er antwortete: “Das geht nicht, unser Schiff hat keine Bewaffnung und langfristig wäre es keine Lösung.“

Diese Aussage machte mir noch mehr Angst und erst einmal sprachlos. Für einige Minuten herrschte Stille im Raum. Dann stellte ich die Fragen, die mir ohnehin schon seit meiner Begegnung mit den Dreien auf der Zunge lagen: “Wozu bin ich hier? Was habt ihr mit mir vor? Und wie geht es nun weiter?“

Tesom und Osoriel sahen sich kurz an. Dann sagte Osoriel, wie immer telepathisch: “Also gut, wir werden dir jetzt noch weitere Informationen geben. Dazu muss ich jedoch etwas weiter ausholen. Seit vielen Jahren sind unsere Sensoren ständig auf der Suche nach Menschen mit sehr außergewöhnlichen Fähigkeiten. Dafür stehen uns jedoch nur noch sieben weitere Schiffe zur Verfügung. Diese Menschen sollen uns helfen, die Erde zu schützen und zu bewahren. Du gehörst zu den wenigen Menschen, die über auffallende außergewöhnlichen Fähigkeiten verfügen und damit gut geeignet sind. Daher wurdest auch du auserwählt. Leider ist unsere Suche ansonsten jedoch nicht besonders erfolgreich. Es gibt offenbar nicht sehr viele Menschen, die unseren Anforderungen genügen. Wir mussten schon vor einiger Zeit feststellen, dass die Zahl nicht ausreichen wird. Daher haben wir schon vor ungefähr zehn Jahren mit einem Klonprogramm begonnen, um die Zahl zu erhöhen. Wie du schon sehen konntest, bist du ein Teilnehmer des Programms. Dazu mussten wir dir in unregelmäßigen Abständen Genmaterial entnehmen. Wie diese Prozedur aussieht, möchte ich dir lieber nicht erläutern. Aber dir ist dabei kein Schaden entstanden. Mit den Kindern konnten wir damit jedenfalls schon ein gutes Ergebnis erreichen. Es wird jedoch wahrscheinlich trotzdem nicht ausreichen. Außerdem wird die Zeit langsam knapp. Wir werden also das Wachstum und die geistige Entwicklung der Kinder beschleunigen müssen.“

Dann machte er wieder eine Pause, trank einen Schluck und fuhr fort: “Dann müssen wir prüfen, über welche Fähigkeiten du noch verfügst. Das ist keine einfache Aufgabe. Bis jetzt wissen wir nur, dass du empfänglich bist für telepathische Nachrichten und gewisse Impulse, die allerdings derzeit noch verstärkt werden müssen.“

Dabei deutete er auf das kleine Kästchen an seinem Gürtel, dessen Aufgabe damit geklärt war. So wie ich es verstanden habe, war es ein Gedankenverstärker, der gleichzeitig auch noch für meine Beeinflussung sorgte. Nun war mir auch klar, warum ich relativ gelassen war und mich nicht besonders aufregte. Wahrscheinlich stand ich unter permanenter Kontrolle und Beeinflussung.

Leider können wir die Ursache oder den Auslöser deiner Fähigkeiten nicht finden. Während der Unterhaltung vorhin, du nennst es ja Verhör, haben wir deine im Gehirn gespeicherten Erinnerungen ausgelesen. Dieser Vorgang ist vergleichbar mit dem Lesen der Daten von einer Festplatte eurer Computer. Einzelheiten dazu kann und darf ich dir nicht nennen. Um das Auslesen zu beschleunigen und deine Konzentration auf deine Erinnerungen zu binden, habe ich dir Bilder mit besonderen Ereignissen aus deinem Leben gezeigt. Koralis, den du bereits gesehen hast, führt nun in unserem Labor eine Analyse der ausgelesenen Daten durch. Natürlich analysiert Koralis auch dein Lebensumfeld, deine Gewohnheiten und deine Ernährung. Ein Ergebnis gibt es noch nicht. Du wirst in der nächsten Zeit also noch oft hier sein.“

Irgendwie überraschte mich diese Aussage nicht. Bevor ich jedoch etwas dazu erwidern konnte, fuhr diesmal Tesom die Erläuterungen fort: “Wir haben dich diesmal gründlicher untersucht als bei deinen vorherigen Besuchen, an die du dich nicht mehr erinnern kannst. Natürlich gibt es auch etwas Positives für dich. Koralis hat gleichzeitig dein Erinnerungsvermögen gesteigert. Du wirst bald über eine Art fotografisches Gedächtnis verfügen. Mehr können wir jetzt noch nicht tun. Wir werden dir auch deine Erinnerungen an diesen Besuch nicht nehmen. Du wirst dich an viele Dinge erinnern können.“

Weil ich an dieser Stelle eine für mich wichtige Frage los werden wollte, unterbrach ich Tesom: “Ihr wollt mich einfach so gehen lassen? Was ist, wenn ich mit allen Informationen zur Polizei oder zu unserer Regierung gehe?“

Die Antwort von Tesom kam prompt und war kurz: “Versuch es.“ Dabei hatte ich den Eindruck, dass er dabei lächeln würde. Dann erhob er sich langsam von seinem Platz und sagte: “Jetzt ist es Zeit, zu gehen. Schließ deine Augen und schlaf ein.“ Das tat ich, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte.

Als ich erwachte, lag ich in meinem Bett, war jedoch nicht zugedeckt, was für mich eher untypisch war. Ich sah sofort auf den Wecker. Es war kurz vor sechs Uhr und somit höchste Zeit zum Aufstehen. Also richtete ich mich auf und sank sofort wieder zurück, weil sich in meinem Kopf alles drehte, als ob ich die ganze Nacht durchgezecht hätte. Wie ich in mein Bett gekommen war, daran konnte ich mich absolut nicht mehr erinnern. Aber ich hatte wieder meinen Schlafanzug an. Nur mein Morgenmantel lag auf dem Fußboden und hing nicht am Haken.

Gegen Mittag stand ich dann doch auf. Mit gemischten Gefühlen ging ich zur Polizeistation unserer Gemeinde und erzählte mein Erlebnis. Daraufhin musste ich pusten, also Alkoholtest. Als das Ergebnis fest stand, schickten mich die beiden Beamten nach Hause mit dem Hinweis, es werde sich jemand um den Fall kümmern.

Schon nach wenigen Tagen kam tatsächlich jemand und kümmerte sich. Nach vielen Befragungen und monatelangen Untersuchungen von Behörden, Instituten und sonstigen komischen Vereinen, bin ich nun hier gelandet und erzähle mal wieder meine Geschichte.

Und nochmal ganz deutlich, es gab keine Strahlenpistolen oder Laserschwerter, keinen Mister Spock oder Yedi-Ritter, und geblitzdingst wurde ich auch nicht. So, das war es, und ich habe mir wirklich nichts davon ausgedacht. Mal abgesehen vom Morgenmantel. Das habe ich mal in einem Science-Fiction-Film gesehen und fand es ziemlich witzig. Darum weiß ich echt nicht, warum ich hier in dieser Gruppe sitze. Ich bin doch nicht verrückt. Osoriel braucht mich und wird mich bald holen. Ich bin ja schließlich ein Auserwählter. Der nächste bitte.

Damit stand Paul auf, verneigte sich kurz und verließ ohne ein weiteres Wort mit schnellen Schritten den Raum. Er schloss die Tür hinter sich, auf der ein handgeschriebener DIN-A4-Zettel mit der Aufschrift “Gruppensitzung Pseudologia phantastica“ stand.