Im Schatten der Rache

Pamela Gelfert

Verlagshaus el Gato






Besuchen Sie uns im Internet: 

www.verlagshaus-el-gato.de

E-Book Ausgabe

1. Auflage Oktober 2012

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf - auch teilweise - nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Covergestaltung: TomJay Design Bildnachweis: 123rf

Satz: Verlagshaus el Gato 

Lektorat: Andrea el Gato, Claudia Leonhardt

eISBN 9783943596106

***

Kapitel 10

Umso mehr wunderte er sich, als der Veranstalter zurückging und ein lautes »Tatsächlich. Ich hab wohl schon ein Glas zu viel.« verlauten ließ. Die Männer verschwanden in dem Raum.

Im selben Moment entspannte sich sein ganzer Körper, nicht nur äußerlich. Die Erleichterung ging tiefer, als wäre eine schwere Last von seinen Schultern genommen. Kurz senkte Daniel den Kopf, ein Lächeln nicht unterdrücken könnend. Auch ohne Erklärung verstand er, was hier gespielt wurde. »Tz.«

»Lass uns gehen. Sie werden nicht lange brauchen, um zu merken, dass dies nicht ihr Zimmer ist.« Matt ging an ihm vorbei.

Mit gezogener Waffe folgte der junge Mann ihm. Im Vorbeigehen betrachtete er die Nummer, die sie gerettet hatte. Man hatte ihn wohl nicht in den ganzen Plan eingeweiht.

Ein Fehler der Hotelleitung, aus Versehen eine doppelt vorkommende Zimmernummer. Die Erklärung klang nicht alltagstauglich, aber wenn die Hotelleitung ihnen den Rücken deckte, würde niemand sofort an einen Diebstahl denken. Selbst dann nicht, wenn der Schlüssel zufällig für beide Schlösser passte. Wahrscheinlich stand der Veranstalter gerade inmitten der noblen Einrichtung und wunderte sich über seine Umgebung.

Mit großen Schritten ließen sie den Gang hinter sich und kehrten zur Eingangshalle zurück.

Aus dem großen Saal ertönte Musik. Die Party war noch in vollem Gange und sie mussten sich noch für Stunden unters Volk mischen. Aber jetzt, da alles erledigt war, fühlte er sich ungleich freier.

»Soll ich dich aufklären?« Matt grinste ihn verschmitzt an, sichtlich erfreut, dass sein kleiner Trick so gut funktioniert hatte.

Er winkte ab. »Nicht nötig.«

Für einen Augenblick schien sein Lehrer zu überlegen, ob die Antwort ernst gemeint war. Schließlich pfiff er bewundernd. »Wie immer, du hast die Lage schnell durchschaut.« Eine erstaunliche Fähigkeit, die ihm schon öfter bei dem Jungen aufgefallen war.

Daniel zuckte gleichgültig mit den Schultern. Er brauchte kein Lob, keine Bestätigung. Nur allzu gut war er sich seiner Fähigkeiten bewusst. Matt ignorierend, der den Eindruck erweckte, als würde er gleich eine Leckerei aus seiner Tasche zaubern, um ihn zu belohnen, was seine Worte irgendwie wie Spott erscheinen ließ, wandte er sich zum Festsaal.

Sicher wartete Luisa schon auf ihn.

Und sie würde ihn wieder nach einem Tanz fragen und das würde er nicht umgehen können. Begleitet von seinem Lehrer kehrte er zurück, um wieder den reichen, jungen Mann zu spielen, der mit seiner bildhübschen Freundin den Abend genoss.

Licht und Dunkelheit, die aufeinander prallten. Eine unsichtbare Wand, die zwei Welten trennte. Genauso kam ihm die Lehne seines Sitzes vor. Auf der Rückbank saßen Luisa und Marie und lachten ausgelassen über einige Gäste und deren Verhalten. Zwischendurch japsten sie kurz nach Luft, nur um sich dann über die nächste Situation lustig zu machen. Unwillkürlich musste er an zwei Teenager denken. Doch ihre Wärme und Freude erreichte nicht den vorderen Teil des Autos, schien abzuprallen an dem Schweigen der beiden Männer.

Daniel sah auf die Autouhr. Fast zwei Uhr. Diese reichen Leute hatten wirklich lange durchgehalten und nicht alle waren noch ganz nüchtern gewesen.

Glücklicherweise hatte der Veranstalter den Abend schließlich selbst beendet.

Sein nächster Blick flog auf den Tacho. 50. Wunderbar. Da fuhren sie so ein Auto, die Straßen waren leer und Matt hielt sich immer noch an die Geschwindigkeitsbegrenzung. Fast wünschte er sich ans Steuer, damit er das Gaspedal durchtreten und den Rausch der Geschwindigkeit in seinem Körper pulsieren fühlen konnte. Dieses Schneckentempo strapazierte seine Nerven. Mit einem Stöhnen lehnte er den Kopf nach hinten.

Matts Blick bohrte sich wie Nadeln in seine Seite. Kein Wort fiel. Wie so oft. Ständig beobachte der Mann ihn nur schweigend, ließ Situationen kommentarlos vorbeiziehen, obwohl ihm die Worte regelrecht auf der Zunge zu liegen schienen. Doch er verspürte weder die Notwendigkeit noch das Bedürfnis, sie aus dem Agenten herauszukitzeln, auch wenn er sich manchmal fragte, was jener in solchen Momenten dachte.

Kurz dachte er an Matts Blick, bevor sie den Wachposten betäubt hatten, an den Ausdruck in seinen Augen. Misstrauen. Ob irgendein Teil in ihm ahnte, was sein Schüler eigentlich im Sinn hatte? Nein, das konnte nicht sein. Niemand wäre so dumm und würde so jemanden dann noch in seiner Nähe akzeptieren.

Das Auto hielt. Die Frauen verabschiedeten sich und stiegen aus. Noch bevor sie das Hotel betreten hatten, in dem sie heute Nacht schliefen, zog die Landschaft wieder an seinem Fenster vorbei. Eine Vielzahl von Farben strahlte in die Nacht und belebte die undurchdringbare Schwärze, die eigentlich herrschen müsste. Lichter von Leuchtreklamen und hellen Schaufenstern, die die Auslage präsentieren, auch wenn sich um diese Zeit wahrscheinlich sowieso keiner mehr dafür interessierte.

Die Häuser, die Straßen, die Bäume, alles verschwamm zu einer unbedeutenden Masse, während er nach draußen starrte, tief in Gedanken versunken.

Sein Ziel erschien ihm weiter weg denn je. Das lag nicht an den äußeren Begebenheiten. Im Inneren fühlte er sich weniger bereit. Sein Hass klang ab. Die bedrohliche Flutwelle, die sich so lange gehalten hatte, begann kleiner zu werden. Verdammt. Er hasste sich selbst dafür und er war nicht bereit, deswegen einfach aufzugeben. Noch blieben ihm einige Chancen, in denen er seine selbsternannte Mission erledigen konnte.

»Wie geht es jetzt eigentlich weiter?« Seine Augen lösten sich von der Landschaft und richteten sich auf den Fahrer.

»Wir werden die Standorte hochnehmen. Möglichst alle gleichzeitig, damit nicht erst ein Verdacht aufkommt und einer seinen Stützpunkt verlegt. Die Planung dafür wird mein«, er räusperte sich »unser Boss übernehmen. Es bleibt noch Zeit, die Raketen werden nicht heute oder morgen fertiggestellt sein. Laut den Informationen, die ich gesehen habe, werden sie noch einige Monate brauchen. Außerdem können wir über die Leute vielleicht einen Weg zu Laurent finden, oder wenigstens zu neuen Standorten. Ich will nicht den Teufel an die Wand malen, aber auf dem ersten Blick, und vor allem, wenn ich meinem Gefühl folge, befanden sich auf den Dokumenten nur Daten über gerade mal die Hälfte.«

Seine Hand schaltete einen Gang hinunter.

»Das wird nicht lustig.«

Daniel nickte. Das würde es ganz bestimmt nicht werden. Blieb nur zu hoffen, dass es ihnen gelang, wirklich alle Raketen aufzuhalten.

Matt fuhr auf den Parkplatz eines Hotels. Nur für den Fall, dass sie verfolgt wurden, schliefen sie heute Nacht nicht in der Agentur.

Eine reine Sicherheitsmaßnahme.

Der 43-Jährige löste den Sicherheitsgurt, eine Hand wanderte bereits zum Türgriff. »Bis der Plan feststeht, werde ich dir noch einiges beibringen.«

***

Kapitel 18

Mia fuhr dichter an ihn heran. Fast glaubte er, sie wolle ihn am Kragen packen. »Daniel, du Schaf.« Ihre Stimme hatte einen scharfen Unterton. »Du bist ein Anfänger, sogar noch eine Stufe darunter. Ich werde das nicht alleine mit dir durchziehen, das ist zu riskant. Matt hat mich angewiesen, den Rückzug anzutreten, sollte er ausfallen.«

»Dann tu das!« Seinetwegen versuchte er eben alleine sein Glück. Das war alle Male besser, als sich mit eingekniffenem Schwanz zurückzuziehen.

Wieder knackste das Headset.

Daniel lauschte, während sich seine Augen auf die Straße konzentrierten. In einer Schlängellinie ging es nun wieder bergauf, weg vom Strand. Sie umfuhren eine kleine Bucht. Die U-Form der Bucht erlaubte ihm einen Blick zu dem Strandabschnitt am Fuße des steilen Abgrundes, an dem Matt von der Straße abgekommen war. Leider konnte er auf die Schnelle nichts erblicken.

»Mia hat recht. Ihr zieht euch zurück.« Matts Stimme kam so überraschend, dass es Daniel fast vom Motorrad gehauen hätte. Sie klang gebrochen und schwach, aber wenigstens lebte Matt noch.

»Matt.« Mia und er sprachen gleichzeitig und mit demselben erleichterten Tonfall.

Sein Wort schien für die Agentin den Ausschlag zu geben. Langsam fiel sie zurück. Daniel sah ihr nicht nach. Sollte sie doch, seine Entscheidung stand fest.

Mia stöhnte. »Nicht schon wieder.«

Auch ohne Erklärung wusste er, was sie meinte. Seinen Alleingang. Noch vor wenigen Stunden hatte er Matt sein Wort geben, aber angesichts der jetzigen Situation schien ihm das belanglos. Regeln waren dafür da, um gebrochen zu werden. »Ich will die Leute nicht entkommen lassen«, bemerkte er schulterzuckend.

Völlig unerwartet tauchte Mia neben ihm auf und auch sie beschleunigte wieder. Er hörte ein zufriedenes »Gut, ich auch nicht.« Das kam überraschend, so überraschend, dass er ihr hinter dem Schutz des Helmes unwillkürlich ein Lächeln schenkte.

Auch wenn er das niemals zugeben würde, ihre Unterstützung half ihm wirklich weiter und erhöhte ihre Chancen auf einen Sieg wieder.

Noch etwas schätzte er in diesem Moment an ihr. Dass es wohl ebenso ihrem Willen entsprach, ihre Feinde aufzuhalten, anstatt sich zurückzuziehen. Das würde Matt nicht gefallen. Seine Vermutung bestätigte sich kaum eine Sekunde später.

»Lass dich nicht auch noch von ihm anstacheln. Mia, dreh um!« Das war Matt, der sich wieder meldete. Diesmal klang seine Stimme wesentlich fester als noch vor wenigen Minuten, und vor allem auch entschlossener.

Daniel erwartete schon, dass sie wirklich abdrehte. Immerhin war sie von der Agentur ausgebildet worden, und Befehlen zu folgen, widerstandslos, wurde ihr schon als Kind eingetrichtert. Doch die 23-Jährige ignorierte Matt, als hätte dieser nie etwas gesagt.

Stattdessen wandte sie sich an ihren Mitstreiter. »Du fährst vor den Transporter und bremst ihn ab. Dann kann ich besser neben ihn fahren und erstmal den Beifahrer erwischen. Vorausgesetzt der kurbelt nicht auch noch sein Fenster hoch. Aber ich schätze, er versucht lieber mich zu töten. Sie werden kaum wollen, dass wir ihnen bis ins Lager folgen.«

»Gut.« Er zögerte kurz, bevor er weitersprach. Sie würde es falsch verstehen. »Aber pass auf dich auf.«

»Meinst du das ernst?«

»Ja.«

»Lustig.«

Sie ging nicht darauf ein, inwiefern das lustig war, und er wollte es eigentlich auch gar nicht wissen. Möglicherweise fand sie diesen Satz, gerade von ihm unpassend, weil sie ihn als Feind ansah. Sein Motor heulte auf, beschwerte sich über den plötzlichen Geschwindigkeitsschub. Das Auto reagierte aggressiv auf sein Überholmanöver. Wie ein wütender Bulle kam es auf ihn zu, schob seinen massigen Leib unwillkürlich in seine Richtung. Daniel versuchte, nicht nach links in den Abgrund zu sehen und noch weniger, daran zu denken. Ein Sturz wäre fatal. Glücklicherweise rettete ihn eine starke Linkskurve. Der Transporter musste einlenken und der Abstand erhöhte sich wieder.

Dann war er an ihm vorbei. Vor ihm erstreckte sich die freie Straße. Nun führte er die Gruppe an.

»Lass uns loslegen«, wandte er sich an Mia, während er sich entschlossen vor das Auto setzte. Sie würde nicht auf ihn zuhalten und damit riskieren, die Kontrolle über den Transporter zu verlieren, gerade in dieser Landschaft konnten sie sich das nicht erlauben. Seine Berechnung ging auf. Im selben Maße wie er, bremste auch das Fahrzeug ab. Der Tachozeiger senkte sich endlich langsam.

»Reicht«, bellte Mia, als er gerade die 100 erreichte.

Im Rückspiegel sah er den Beifahrer, der sich nach außen lehnte und nach hinten schoss. Nach wie vor war Mia sein Ziel. Nach wie vor verfehlte er. Einen besonders guten Schützen hatten sie ja nicht an die Stelle gesetzt. Aber womöglich hatte es nicht so viele Freiwillige für diesen Auftrag gegeben.

»Mia, Daniel. Kehrt auf der Stelle um. Das ist ein Befehl.« Matt klang diesmal wirklich wütend. Sicher machte er sich Sorgen. Aber sie waren beide erwachsen und hatten sich nun einmal so entschieden.

Zurzeit lenkte Matt sie nur ab. Denn egal was er sagte, sie würden nicht umkehren, nicht ehe das hier nicht beendet war. Mia holte zunehmend auf. Er drückte ihr innerlich die Daumen. Wieder fiel ein Schuss. Der Schütze schien in ihrem Näherkommen die Chance zu sehen, sie erwischen zu können und tatsächlich fehlten nur noch ein paar Millimeter und der Kerl wäre erfolgreich gewesen. Hoffentlich wusste Mia, was sie da tat. Matts Lehren schossen ihm durch den Kopf: dem Team vertrauen. Nicht an den anderen zweifeln. Das lenkte ab. Genau daran musste und würde er sich halten, so schwer es auch fiel.

Mia war inzwischen auf Höhe der Stoßstange. Der Fahrer reagierte noch nicht. Sicher wartete er, bis sie noch weiterfuhr, um sie dann am Felsen zu zerquetschen. Doch sie gab ihm gar nicht erst die Chance dazu, denn überraschenderweise holte sie nicht weiter auf. Der Schütze lehnte sich erneut aus dem Fenster, einen neuen Versuch wagend. Daniel korrigierte sich. Seinen letzten Versuch wagend.

Denn noch bevor er den Abzug drücken konnte, schoss Mia mit einer Geschwindigkeit, die ihm nicht mehr menschlich vorkam. Und diesmal traf sie. Der Mann sackte in sich zusammen. Leblos, wie ein Stein. Direkt auf das Fenster. Das verlangsamte Tempo und der etwas geringere Abstand schienen ihr gereicht zu haben.

Mit ihrem Treffer hatte sie nicht nur die Gefahr ausgeschaltet, sondern ihnen auch einen Weg eröffnet, den Fahrer zu erwischen. So einfach konnte er das Fenster jetzt nicht hochfahren.

Wenn Mia sich beeilte.

Sie handelte schneller, als er denken konnte. Rasant beschleunigte sie, um ihre Chance zu nutzen. Leider schien der Fahrer nicht auf den Kopf gefallen zu sein, denn er lenkte scharf nach rechts, jedes Risiko außer Acht lassend. Nur ein Ziel schien ihm wichtig. Mia auszuschalten, ehe sie ihm zuvorkam.

Der Blick über die Schulter offenbarte Daniel nichts Gutes. Sie würde es nicht schaffen. Der Transporter würde sie gegen den steilen Berg drücken.

Und dann …. Dann wäre er allein. Allein mit seinem Gegner.

Abrupt bremste Mia ab. So stark, dass Daniel staunte, dass sie nicht kopfüber über den Lenker flog. Doch sie hatte die Maschine fest im Griff. Diese Aktion rettete sie, denn nun war sie nicht mehr neben, sondern hinter dem Transporter. Daniel atmete erleichtert auf. Er hatte sie unterschätzt. Gerade wollte er ihr ein Lob aussprechen, als auch der Transporter scharf bremste. Mia blieb nur eine Wahl, wenn sie nicht das Heck des Autos küssen wollte. Ausweichen.

Sie zog ihre Maschine zur Seite. Eine Schrecksekunde lang, in der sein Herz stehen blieb, sah er sie hinter dem Transporter auftauchen. Sie war reflexartig ausgewichen, ihr Überlebensinstinkt hatte sie geleitet und dafür zahlte sie nun einen teuren Preis. Ohne die Möglichkeit zu bekommen, abzubremsen, krachte sie durch die Absperrung, die sie vor dem Sturz in die Tiefe bewahren sollte.

Er sah sie den Abhang hinunter ins Meer fallen und nur ein Gedanke ging ihm durch den Kopf, von dem er niemals gedacht hätte, dass er ihn so denken würde: Mia.

»Verdammt Daniel. Jetzt kehr um.« Matt meldete sich wieder.

Er musste ihren Unfall gesehen haben, denn sie befanden sich genau an der Spitze der U-förmigen Küste.

Daniel spürte, dass ihn jetzt etwas anderes antrieb. Unbändige Wut auf diesen Bastard. »Stör mich jetzt nicht«, entgegnete er, seine Position völlig vergessend.

Dann schaltete er das Headset einfach aus. Er musste sich konzentrieren und Matts mahnende Stimme im Ohr trug nicht gerade dazu bei. Noch hatte er einen starken Vorsprung, da er nicht auf die Bremse gedrückt hatte. Eine Idee durchzuckte sein Gehirn. Ein Einfall, der nicht weniger wahnsinnig war als sein Sprung auf das Frachtschiff damals. Aber vielleicht hatte er wieder Glück.

Er konnte es nur hoffen und alles auf eine Karte setzen. Welche Wahl hatte er auch? Von der linken Seite traf er den Fahrer nicht. Von hinten noch weniger. Blieb nur noch die rechte Seite übrig. Ohne auf seinen Verstand zu hören, der ihn eher zur feigen Flucht animieren wollte, stellte er sich quer auf die Straße.

Das Auto auf sich zukommen zu sehen, war wie in die Mündung einer Pistole zu schauen: Erschreckend. Nur mit Mühe unterdrückte er seine Reflexe und verharrte wartend auf der Stelle, dem Tod ins Auge blickend. Sein Gesicht war hart, kein Muskel zuckte. Jede Faser seines Körpers konzentrierte sich auf den einen Schuss. Der Fahrer hupte lautstark. Drängend. Wahrscheinlich glaubte er, einen Verrückten vor sich zu haben. Aber Daniel wusste, was er tat. Es kam auf das Timing an. Jede Sekunde zählte. Der Fahrer durfte den Plan nicht zu zeitig erahnen, aber er durfte auch nicht zu spät starten.

»Jetzt!« Es war sein Instinkt, der ihn leitete.

Schnell fuhr er wieder an, diesmal dem Transporter entgegen. Wenn sie von hinten nicht rankamen, dann musste es eben von vorne klappen. Der tote Beifahrer lag noch immer auf der Fensterscheibe. So einfach konnte er das Fenster nicht hochkurbeln. Genau das war seine Chance.

Der Transporter hatte kaum Zeit zu reagieren, als Daniel in Höhe des Fensters war und schoss. Als er den Abzug betätigte, kam ihm der Knall unglaublich laut vor. Die Welt hielt den Atem an. Genau wie er. Kein Wind wehte. Nicht einmal ein Vogel sang. Ein Augenblick der völligen Ruhe, der erst durch ein beständiges Hupsignal durchdrungen wurde. Das Gesicht des Fahrers lag auf dem Lenkrad. Er war tot.

Daniel jubelte innerlich.

Es war kein vollkommener Sieg, das war ihm bewusst.

Mitsamt den Insassen würde das Fahrzeug Mia in den Abgrund folgen. Aber zumindest ging diese Runde auch nicht an Laurent, denn unter den Gefangenen befanden sich Wissenschaftler. Ohne sie würde es länger dauern, die Raketen herzustellen.

Das klatschende Geräusch, als der Transporter auf das Wasser traf, war so laut, dass er es selbst hier oben auf der Klippe hörte.

Das Meer hatte Laurents Leute mit einer tödlichen blauen Umarmung in Empfang genommen und damit endete es. Er hatte hier nichts mehr verloren. Sicher wartete Matt schon auf ihn, vor Wut kochend.

Matt rappelte sich schwerfällig auf. Die Räder seiner Maschine drehten sich noch um ihre eigene Achse. Er sah, wie die Hetzjagd für Daniel und Mia weiterging. Durch das Headset drang Mias Stimme, scharf und bestimmt: »Daniel, du Schaf. Du bist ein Anfänger, sogar noch eine Stufe darunter. Ich werde das nicht alleine mit dir durchziehen, das ist zu riskant. Matt hat mich angewiesen, den Rückzug anzutreten, sollte er ausfallen.«

Aufatmend schloss er die Augen. Gut, sie waren vernünftig. Für einen Moment war er beruhigt.

Doch dann meldete Daniel sich zu Wort: »Dann tu das!«

Sofort riss er die Augen wieder auf, erschrocken, entsetzt. Obwohl er noch benommen vom Sturz war, wies er die zwei an:

»Mia hat recht. Ihr zieht euch zurück.«

Leider gehorchten sie nicht.

Langsam erhob er sich. Alles tat ihm weh. Vielleicht sogar mehr als alles. Viel mehr. Doch die Schmerzen waren weniger schlimm als sein gefährlicher Gefühls-Cocktail, bestehend aus Sorge und Wut. Er könnte diese Kinder wirklich verfluchen, vor allem Mia.

Daniels Einzelgänge waren schon schlimm genug, aber wenn er noch andere mit hineinzog, dann war das unverzeihlich.

Wie sollte er ihn davon abhalten? Auf ein Verbot hörte er nicht und seine Versprechen schienen weniger wert als eine 1-Cent-Münze.

Sollte der Junge das überstehen, dann war ein Rauswurf vielleicht die einzige Möglichkeit, ihn vor schlimmerem Schaden zu bewahren. Noch einmal ermahnte er sie. Allerdings wäre ein Schuss mit einer Platzpatrone wirkungsvoller als seine Worte. Sie hörten einfach nicht auf ihn. Als würde er gegen eine Wand reden. Hätte er strenger mit Daniel sein müssen? Das fragte er sich wirklich. Auch wenn es dafür jetzt zu spät war. Im Augenblick konnte er nichts mehr für sie tun. Bis er Neues von ihnen hörte, sollte er sich um sich Gedanken machen. Er hatte allen Gesetzen Murphys getrotzt, sonst würde er gar nicht mehr leben. Sein Unfall hätte nicht günstiger verlaufen können und ganz sicher musste heute auch ein gnädiger Schutzengel über ihn gewacht haben. Seine Glieder taten ihm weh und er würde einige Prellungen und blaue Flecken davon tragen, aber ansonsten keinen nennenswerten Schaden. Der Sand hatte seinen Sturz besser abgefangen, als der harte Asphalt es getan hätte.

Gerade wollte er seine Schutzkleidung ausziehen, um sich seine Wunden anzusehen, da sah er etwas Großes fliegen. Erst dachte er, es wäre ein Vogel, der sich im Sturzflug in die Fluten stürzte, aber dann wurde ihm schlagartig bewusst, dass es so große Vögel selbst in Italien nicht gab. Ruckartig entledigte Matt sich der Schutzkleidung, sämtliche Schmerzen vergessend.

Verdammt!

Er hatte es ja geahnt, die Aktion der beiden hätte auch gar niemals gut gehen können. Während er sich sein T-Shirt über den Kopf streifte, wandte er sich noch einmal übers Headset an Daniel. Wieder stieß er nur auf taube Ohren. Eigentlich war es sogar noch schlimmer, Daniel schaltete das Headset einfach aus. Was erlaubte sich der Bursche überhaupt? Was glaubte er, wer er war? Ein Profi? Jemand, der das durfte?

Matt schüttelte fassungslos den Kopf über diese Dreistigkeit. Gleichzeitig rannte er Richtung Wasser, seine Schuhe noch im Gehen abstreifend.

Hoffentlich kam er nicht zu spät.

Die Kälte des Mittelmeeres übertraf nach seinem Empfinden die einer kalten Dusche. Im Normalfall würde er sich nur langsam reinwagen, oder wohl eher im Spezialfall, denn wann verbrachte er schon einmal Ferien am Meer? Doch nun drängte die Zeit. Jede Sekunde, jeder Atemzug konnte über Leben und Tod entscheiden. Seine Hose sog sich unangenehm mit Wasser voll, trotzdem stieß er schnell wie ein Fisch durch die Wellen.

Die Kälte, die Strömung, die Schmerzen, nichts zählte. Alles blendete er aus, seine Gedanken richteten sich nur auf ein Ziel aus: Mia retten, falls das irgendwie möglich war. Endlich erreichte er die Klippe. Aber bis auf die unruhige See sah er nichts. Keinen schwarzen Haarschopf. Sollte er zu spät sein? Bitte lebe, flehte er innerlich, ein Stoßgebet zu einem Gott schickend, an den er nicht glaubte. Konnte sie nicht denselben Schutzengel wie er haben. Denn der machte seinen Job heute wirklich gut. Tief holte Matt Luft. Wenn sie nicht hier oben war, nicht die Luft atmen konnte, die er atmete, musste sie in der Tiefe warten. Man ließ eine Frau nicht warten.

Daniel ließ sich Zeit und fuhr langsam zurück. Sein Körper musste wieder herunterfahren, sein Herzschlag sich wieder beruhigen. Obwohl sein Alleingang nur Minuten gedauert hatte, fühlte er eine tiefe Müdigkeit, die ihn so plötzlich überrollte wie eine Flut. Fast so, als hätte er stundenlang körperlich schwer gearbeitet. Die Erschöpfung begrub die Anspannung und die ständig anhaltende Konzentration auf eine angenehme Weise.

Nur eines nahm sie ihm nicht. Die Sorge. Was war mit Mia? Er hatte versucht sie über das Headset zu erreichen, leider vergeblich, und auch Matt meldete sich seit geraumer Zeit nicht mehr.

Dabei wüsste er zu gerne, was los war.

Langsam bremste Daniel und stellte das Motorrad am Straßenrand ab. Seine Bewegungen kamen ihm so unglaublich lahm vor, wahrscheinlich befand er sich noch im Geschwindigkeitsrausch.

Nachdenklich schüttelte er den Kopf und nahm den Helm ab.

Eine frische Brise, die ihm vom Meer entgegen wehte, streichelte sein Gesicht und vertrieb die düsteren Wolken in seinem Kopf ein wenig.

Das Meer glitzerte außergewöhnlich schön in der Sonne. Der Strand war wirklich traumhaft, traumhaft und verlassen. Wo war Matt? Sein Motorrad stand hier und auch seine Sachen lagen wild verteilt im Sand.

»Tz.« Eigentlich konnte er sich die Frage selbst beantworten. Der Agent war schwimmen gegangen, nicht zum Vergnügen, sondern um Mia zu helfen.

Blieb zu hoffen, dass er sich nicht umsonst in die Fluten gestürzt hatte. Er sollte wohl helfen gehen, schon allein aus Pflichtgefühl.

Schnell entledigte sich der 23-Jährige seiner Motorradsachen. Aber nicht schnell genug.

Seine Hände berührten gerade sein T-Shirt, als Matt – nass wie ein Hund – aus dem Wasser kam. Er keuchte schwer, trotzdem zierte ein triumphierendes Lächeln seine Lippen.

Daniel verstand nur allzu gut warum.

In seinen Armen trug er Mia, beschützend presste er sie an seinen muskulösen Oberkörper. Aus der Entfernung sah er nicht, ob sie noch lebte.

Mit großen Schritten ging er Matt entgegen, der auf die Knie sank, scheinbar am Ende seiner physischen Kräfte. Behutsam legte er die Frau auf den warmen Sand. Die Haare klebten ihm im Gesicht, Salz bedeckte leicht seine Haut. Daniel ließ sich ihm gegenüber nieder. Der Sand gab unter seinem Knien nach.

Trotz der Erschöpfung funkelten Matts Augen, als er aufsah. »Ich habe eine Meerjungfrau rausgefischt.«

»Wie geht es dir?«, fragte Daniel nach, die Worte seines Gegenübers einfach übergehend. In dieser Situation war er nicht zum Scherzen aufgelegt.

»Den Umständen entsprechend. Hier ein Wehwehchen, da ein Wehwehchen. Aber ich werde es überleben.« Matt strich sich mit dem Finger über seinen aufgeschürften Arm. Sofort verzog sich sein Gesicht zu einer Grimasse des Schmerzes, zeigte für einen Augenblick, wie es ihm wirklich ging. Aber wie immer kontrollierte er seine Züge streng. Nicht einmal eine Sekunde später wirkte er so normal wie immer. Daniel presste die Lippen aufeinander, um sich einen Kommentar zu verkneifen. Matt war nicht ehrlich. Ihm musste alles wehtun, allein die Wunde am Arm brannte bestimmt wie Feuer und auch seine Schulter machte farblich jedem Regenbogen Konkurrenz, jedenfalls was die Anzahl an Farben anging. Unterschiedliche Lila- und Blautöne färbten seine Haut.

Insgesamt war Matts Sturz jedoch noch recht glimpflich verlaufen.

Und Mias?

Besorgt musterte Daniel ihr Gesicht. Ihre Augen flatterten, aber noch hatte sie die Grenze zum Bewusstsein nicht überschritten. Mit einem schwerfälligen Seufzen legte sie ihren Kopf zur Seite.

Matt strich ihr sanft ein Haar von der Wange. Ihre Atmung wurde tiefer, schneller. Schließlich öffnete sie ihre Lider einen Spalt. »Matt?« Ihre Stimme klang schwach. Sie streckte die Hand nach seinem Gesicht aus, als wollte sie sich vergewissern, nicht zu träumen. Ein Hustenanfall überkam sie und ließ sie Wasser spucken.

Matt drückte ihre Hand. »Ich bin da. Alles okay bei dir?«

Sie antwortete nicht darauf. Leicht benommen blinzelte sie ihn an. »Was ist mit Daniel? Wie geht es ihm?«

Daniel glaubte, sich verhört zu haben. Ein Wunder, dass sie nach ihm fragte. Sie hätte doch froh sein können, wenn es ihn erwischt hätte.

»Keine Sorge, ich habe noch die Chance ihm meine Meinung zu sagen. Er hockt übrigens neben dir«, bemerkte Matt schmunzelnd.

Mias Augen wurden groß. Der Nebel um ihren Verstand schien sich zu lichten, und mit einem Mal war sie wieder die Alte. Ihr Mund verzog sich zu einem schmalen Strich. Ihre Augen fixierten Daniel wie eine Zielscheibe. »Damit du das nicht falsch verstehst, mir ist nur die Erfüllung der Mission wichtig. Hätten sie dich auch noch ausgeschaltet, dann wäre alles vorbei gewesen. Verstanden?«

Er reagierte nicht darauf. Seine Sorge um sie war anscheinend unbegründet gewesen, ihr ging es besser als erwartet.

Hart packte sie ihn am Handgelenk. »Verstanden?«

Von oben blickte er auf sie herab. »Hast du was gesagt?«

Ihr Griff wurde fester. »Du arrogantes …«

»Ich bin froh, dass es allen gut geht.« Matts Stimme schnitt ihr das Wort ab. Mia sah zu ihm hoch. Streng schüttelte er den Kopf. Widerwillig fügte sie sich seinem Befehl.

Dann sah er Daniel an. Sein Blick wurde ungewöhnlich hart. »Du hast so ein Schwein, dass deine Aktionen immer gut ausgehen. Was soll ich jetzt sagen?! Ich freue mich, dass die Leute nicht entkommen sind, aber deine Einzelgänge sind inakzeptabel. Ich kann das nicht ungestraft lassen!«

Drohend hob Matt seine Hand. Daniel rechnete schon mit einer Ohrfeige. Umso überraschter riss er die Augen auf, als er plötzlich am Hinterkopf gepackt und an Matts gesunde Schulter gedrückt wurde. »Meine Güte Junge. Ich bin so erleichtert, dass es dir gut geht.«

Vielleicht war es wirklich nur, weil sie froh über die gelungene Mission war, vielleicht war sie auch noch nicht ganz klar im Kopf, aber Mias Hand wanderte beinahe unbemerkt auf seine. Vertraulich drückte sie zu.

Für diesen einen Moment hatte Daniel zu ersten Mal das Gefühl, zu dieser Familie zu gehören.

***

Kapitel 28

Daniel lag ein ›Wann‹ auf den Lippen, aber er sprach es nicht aus. Viele Optionen blieben sowieso nicht.

Scheinbar hatte nicht nur er eine lange Nacht hinter sich. Matt legte den Stapel Papiere auf den Tisch und seine blauen Augen trafen Daniel. »Alles Okay bei dir?«

Natürlich. Er war das emotional schwache Glied in der Kette, das Sorgenkind. Mit dieser Frage hätte er rechnen müssen.

»Ja«, antwortete er fest. Das stimmte sogar. Nicht, dass er fröhlich war und gerade Purzelbäume vor Freude schlagen könnte, aber langsam lernte er, mit solchen Situationen umzugehen.

Wie jemand, der in einem Schlachthaus arbeitete und zunehmend immer abgehärteter wurde. Das ging schnell bei ihm, aber darüber sollte er sich nicht beschweren.

Mia griff sich ohne zu fragen den Stapel. »Das ist ihr Lager. WOW, die Kerle verkriechen sich tatsächlich in einer Burg. Da würde eine mittelalterliche Belagerung passen«, bemerkte sie nicht ganz ernst.

Daniel betrachtete sie genau. Ihre Augen waren leicht geschwollen und rot. Sie hatte geweint, nicht vor anderen, aber allein.

Verständlich. Der Tod ging jedem nah. Umso mehr schuldeten sie es Tristan, dass sein Opfer nicht umsonst war.

Eine Sache bereitete ihm jedoch Sorgen. »Könnte es sein, dass Tristan gequatscht hat?«

Mias Blick wurde beinahe wütend. Die Katze fuhr ihre Krallen aus, dabei hatte er das nicht beleidigend gemeint.

Dennoch war es nicht sie, die antwortete, sondern Matt. »Die Gefahr besteht, ich halte sie allerdings nicht für hoch. Während solcher Missionen haben wir für den schlimmsten Fall immer eine Giftkapsel einstecken. Sie in den Mund zu werfen, ist eine schnelle Bewegung. Wahrscheinlich ist er diesen Weg gegangen.«

Erstaunlich, mit welcher berechnenden und rationalen Stimme Matt darüber sprach.

Die Vorstellung, dass jemand sich für seinen eigenen Tod entschied, war unangenehm. Daniel setzte sich auf den Stuhl. Seine gesamte Konzentration richtete sich auf den Auftrag. Laurent verschanzte sich also in einer Burg. Sie zu stürmen, dürfte schwer werden.

Glücklicherweise hatte Tristan ihnen bereits gestern ein paar Informationen geschickt. Um die Burg herum gab es zwei Ringmauern. An der äußeren befand sich ein Wassergraben. Der einzige Zugang war eine Zugbrücke am Burgtor, an die man aber erstmal herankommen müsste. Sicher standen in den Schießscharten der Wehrmauer Posten.

Dann gab es noch den inneren Ring, der durch ein Torhaus geschützt wurde. Auf diesen Mauern befanden sich Flugzeugabwehrkanonen. Also konnten sie nicht aus der Luft heran. Würde man ein größeres Team dafür mobilisieren, wären die Verluste enorm. Das kam nicht infrage.

Aber wie sollten sie dann die Sache angehen?

»Wir haben drei entscheidende Probleme: 1. Wir kennen den inneren Aufbau der Burg nicht. 2. Sobald es Aufruhr gibt, wird Laurent sicher die Flucht ergreifen. Und 3. Wir kommen nicht rein«, ergriff Matt das Wort. »Deswegen werden wir nur zu dritt gehen. Mia, ich nehme an, dass du mit willst, richtig?«

Sie nickte verbissen. Würde sie Laurent jetzt gegenübertreten, er hätte wohl nichts zu lachen. Daniel betrachtete sie genau, ihr im Augenblick hartes Profil, die feurig glänzenden Augen, die nach Rache dürsteten. Irgendwie freute er sich darauf, sie in Aktion zu sehen, und das nicht nur auf dem Motorrad.

Wäre die Atmosphäre nicht so angespannt, er hätte ihr ein Lächeln geschenkt, aber so verkniff er sich das.

Zumal eines klar war. Laurent gehörte ihm, nicht ihr und auch nicht Matt. Er würde niemanden anders an den Kerl lassen.

Allein wegen Michelle. Mit einem Mal schoss Jennifer wieder in sein Gedächtnis, und die Gedanken gossen Öl auf das langsam ausgehende Feuer. Ihre letzten Sekunden, er hatte das Gefühl, sich an jede einzelne davon erinnern zu können. Noch immer wusste er nicht ganz genau, wer von beiden geschossen hatte. Matt oder Kevin. Aber beide trugen die Mitschuld am Tod von Jennifer. Ein Grund mehr, dass er sich diesen Verbrecher vorknöpfen wollte.

Matt breitete eine Landkarte auf dem Tisch aus. Um die Burg herum gab es nur Wald und ein paar Wanderwege. »Wir nutzen die gute alte Frauentour. Mia, du wirst uns Eintritt verschaffen, und dann mischen wir den Laden auf.«

***

Kapitel 1

Wie bunte Blumen, die hell am Nachthimmel erstrahlten und sich in herabfallende Funken auflösten, glänzten die Raketen am Firmament. Wieder pfiff es und die Dunkelheit wurde von Tausenden Lichtern erhellt, die kleinen Sternschnuppen gleich zur Erde segelten.

Daniel ergriff die Hand der neben ihm stehenden Frau. Das Feuerwerk warf farbige Schatten auf ihr leicht gebräuntes Gesicht. Liebevoll betrachtete er sie. Ihre Augen funkelten und er verlor sich in dem Smaragdgrün. Sein Griff wurde fester. Sie gehörte zu ihm, für immer. Das Band der Ehe umschlang sie. Schade, dass die Flitterwochen in zwei Tagen endeten. Die Reise war einfach zu schön gewesen, fast wie ein Märchen. Sonne, Strand, Meer, gemütliche Abende auf der kleinen Terrasse ihres Hotels. Und natürlich die Städtetouren. Sie besichtigten beide gern verschiedene Orte, bestaunten Bauwerke und die Geschichte, die manchen Monumenten anhaftete. Und jetzt noch dieses tolle Stadtfest. Alles passte einfach perfekt. Italien hatte sich ihnen von der schönsten Seite gezeigt und selbst das Wetter hatte es gut mit ihnen gemeint. Sein Blick streifte die Etagenbauten rund um den Marktplatz, mit dem Springbrunnen in der Mitte, dessen Wasser in die Höhe sprudelte und im Licht der Raketen glitzerte. Allen Häusern hing ein südländisches Flair an, was wohl schon allein an den Weinranken lag, die sich an den Mauern entlang schlängelten.

»Schatz.« Die warme Stimme seiner Frau erklang direkt an seinem Ohr. Ihr Mund streifte seine Wange. Er wandte sich ihr zu. Ihr Lächeln steckte ihn an, schlimmer als jede Krankheit, die es gab.

»Was gibt´s?«

»Heb mich auf deine Schultern.« Ihre Finger deuteten Richtung des Brunnens. »Ich will die Tänzer sehen.«

Eine leichte Brise ließ ihre blonden Haare im Wind flattern und einzelne Strähnen streichelten sein Gesicht. Er trat an sie heran, küsste sie und ging schließlich vor ihr in die Knie.

»Dann steig auf.«

Sie klatschte erfreut in die Hände. Wie glücklich sie aussah. Er beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Er hätte wirklich keine bessere Frau als Jennifer finden können, sie passten einfach zusammen. Im nächsten Augenblick spürte er ihr Gewicht auf seinem Rücken. Aus den Knien abdrückend erhob er sich und ihre Finger krallten sich in seinem Haar fest.

»Ich kann alles sehen«, hörte er ihre entzückte Stimme nur wenig später. »Es ist so toll.«

Daniel wandte seinen Blick ebenfalls wieder nach vorn, aber inzwischen stand ein bulliger Kerl vor ihm und mehr als einen Rücken mit einem riesigen Schweißfleck auf dem blauen T-Shirt konnte er nicht erkennen. Es störte ihn jedoch nicht, dass er den Brunnen nicht mehr sehen konnte, denn allein die Atmosphäre des Abends reichte ihm aus. Überall brannten Fackeln, baumelten Lampions im Wind und durch die Luft schwirrte die Musik, zu der sich die Tänzer rund um den Brunnen bewegten. An diesem Ort regierte nicht die Dunkelheit der Nacht. Alles leuchtete und strahlte, nicht nur die Lichter, sondern auch die Gesichter der Menschen. Um ihn herum herrschte Freude, und jeder genoss den Augenblick. Wieder pfiff es. Die letzte Rakete schoss in den Himmel und beendete mit roten Funken das Feuerwerk.

Daniel trat zur Seite, damit sich ein Kind nach vorn durchdrängeln konnte. Doch noch, bevor das Licht des Feuerwerkskörpers vollkommen erloschen war, knallte es wieder.

Einmal.

Zweimal.

Schüsse?!

Wie aus Reflex schoss Daniels Blick zu einem Fenster in der zweiten Etage, nicht weit weg von ihm. Verdeckt hinter einer wehenden Gardine erkannte er einen Mann, kräftig, mit dunkelblondem Haar. Hatte er geschossen? Noch ehe er ihn richtig erfassen konnte, trat der Mann vom Fenster weg.

Daniels Kopf ruckte in die entgegengesetzte Richtung. Ein anderer Mann stürmte sichtlich in Panik durch die Menge davon. Seine Bewegungen wirkten trotzdem seltsam überlegt, so als würde er versuchen, kein festes Ziel abzugeben. In seinem Hosenbund steckte eine Waffe. Einer der beiden musste geschossen haben.

Seine Gedanken wurden von einer neuen Tatsache abgelenkt. Die Stimmung um ihn herum hatte ruckartig umgeschlagen.

Jemand schrie.

Der bullige Typ mit dem riesigen Schweißfleck rannte mit nach oben gehobenen Armen davon.

Doch das einzig Wichtige, das was wirklich in diesen Moment zählte, war, dass Jennifers Hände sich von seinem Haar lösten. Ihr Gewicht verlagerte sich nach hinten und er spürte, dass er sie nicht halten konnte. Warum? Was war mit ihr los? Sein Herz beschleunigte. Eine Ahnung schnürte ihm die Kehle zu.

Jennifer befand sich nicht mehr auf seinen Schultern. Ironischerweise fühlte sich das mehr wie eine Belastung als wie eine Erleichterung an. Neben ihm weinte ein Kind, Tränen bedeckten sein Gesicht, die Augen ruhten starr auf einem Punkt hinter ihm. Vielleicht war das der Grund, warum er sich fürchtete, sich umzudrehen. Vielleicht aber auch, weil die Menschenmenge sich um ihn herum sammelte. Niemand lachte. Kein Tänzer bewegte sich mehr. Selbst die Zeit schien still zu stehen. Alles verharrte wartend. Worauf? Plötzlich hatte er Angst, dass wenn er sich umwandte, alles weiterging, aber nicht auf die Weise, die er sich wünschte. Trotzdem blieb ihm keine Wahl. Inzwischen hämmerte sein Herz fast schon schmerzhaft gegen seine Brust und eine innere Stimme flehte ihn an, nicht hinter sich zu sehen. Als ob er könnte. Langsam wandte er seinen Kopf. Die Bewegung fiel ihm so unglaublich schwer. Seine Augen nahmen das Bild auf, sein Gehirn nicht. Oder doch? Immerhin reagierte sein Körper. Nicht mal einen Atemzug später hockte er neben ihr, den Arm unter ihre Schultern schiebend und sie leicht anhebend. Sofort spürte er etwas Feuchtes und Klebriges auf seinem Unterarm. Blut! Blut, das aus einer Wunde aus ihrer Schulter floss. Ihr Brustkorb hob und senkte sich schnell. Sie lebte also. Noch! »Jenny.« Der Name kam ihm unglaublich schwer über die Lippen. Er war sich nicht einmal sicher, ihn wirklich ausgesprochen zu haben, doch ihre Augen begannen zu flattern. Dann öffnete sie ruckartig die Lider und ihr Blick suchte seinen. »Daniel!« Sie rief nach ihm, als stände er nicht direkt neben ihr, sondern wäre weit weg. Er kam sich tatsächlich so vor, so machtlos, so außerhalb. Das hier durfte nicht seine Realität sein. Konnte der Schuss sie wirklich getroffen haben?! Er wollte es nicht glauben. »Daniel!« Sie rief noch einmal seinen Namen, diesmal lauter, hysterischer. Ihre Atmung wurde noch schneller. Beschützend umschloss er eine ihrer Hände.

»Alles Okay, ich bin da. Der Arzt kommt sicher gleich!«, sprach er leise auf sie ein, in der Hoffnung, dass irgendjemand einen Krankenwagen gerufen hatte.

Sie nickte.

Für einen Moment schloss sie die Augen. Er befürchtete schon für immer. Aber plötzlich begannen ihre Beine zu zucken. Beinahe als würde das Leben sie noch einmal durchströmen, das mit jedem Tropfen Blut aus ihr heraus wich.

Tränen glänzten auf ihrem Gesicht. Daniel streichelte sanft ihre Wange.

Sie weinte. Verdammt, sie weinte.

Und er konnte nichts dagegen tun. Wie der letzte Idiot saß er hier rum. Hatte er sie je weinen gesehen?

Erst einmal in ihrer gesamten gemeinsamen Zeit.

Damals, bei ihrer Hochzeit, da waren Tränen geflossen, doch gleichzeitig hatte sie ihn angelächelt. Konnte sie ihn nicht jetzt auch anlächeln, mit derselben Wärme und Liebe?

»Tu was. Bitte, ich flehe dich an, tu was! Es tut so weh. Mach, dass es aufhört.« Jedes ihrer Worte zerriss förmlich sein Herz. Was konnte er denn tun? Eine Kugel hatte sie getroffen. Er war kein Arzt, aber er glaubte nicht, dass sie eine solche Schusswunde überleben konnte. So grausam der Gedanke war, verdrängen konnte er ihn deswegen nicht.

»Tut mir leid!« Wie dumm. Eine Entschuldigung half ihr nicht und Worte waren ihm noch nie so leer vorgekommen. Was würde er geben, um an ihrer Stelle zu sein, um ihre Schmerzen ertragen zu können. Alles! Sein Leben, seine Seele, was auch immer. Nur sie sollte nicht leiden. Aber seine Bereitschaft dafür half ihr auch nicht. Im Gegenteil. Sie litt immer mehr.

Ihre Gesichtszüge spiegelten ihren Schmerz wieder. Tränen bedeckten ihre Wangen. »Ich will nicht sterben! Bitte nicht. Ich möchte noch so viel erleben.« Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern. So schwach. Und er konnte ihr nichts darauf erwidern.

»Hörst du mich?! Ich will leben. Ich flehe dich an. Tu was!«

Ihre Hand erwiderte seinen Druck nicht mehr. Die Kräfte verließen ihren Körper.

Und sie nahmen das Leben mit sich.

»Jenny.« Er wiederholte ihren Namen sinnloserweise noch einmal. Das waren vielleicht ihre letzten gemeinsamen Sekunden auf der Erde. Es gab tausend Dinge, die er ihr sagen wollte, sagen müsste. Gerade in diesen Moment. Er wollte ihr sagen, dass er sie über alles liebte. Wie wichtig sie ihm war. Dass er sie brauchte. Dass sie sein Leben ausmachte. Und das er gerne Kinder mit ihr hätte. Ja, es gab so Vieles, was sie unbedingt wissen sollte. Und er brachte nicht ein Wort davon über seine Lippen.

»Will ... nicht sterben!«

Jeder Film zeigte nur diese rührseligen Abschiede. Solche, in denen der Sterbende zum Schluss noch einmal lächelte. Das schien ihm realitätsferner denn je. Wie sollte sie mit diesen Schmerzen und dieser Angst ein Lächeln zustande bringen?

In der Nähe hörte er Sirenen.

Der Krankenwagen kam.

Zu spät.

Viel zu spät!

die Autorin: 

Pamela Gelfert geb.1989 in Meißen. Seit 2008 studiert sie Informatik in Leipzig. Während sie in ihrem Studium mit Zahlen jongliert, liebt sie in ihrer Freizeit das Spiel mit den Wörtern. Das Ergebnis dieser Wortakrobatik findet sich in einigen bereits veröffentlichen Kurzgeschichten und in ihrer im April 2011 erschienenen Trilogie „Sklavin des Schicksals“. Um auch der Medizin ihren Tribut zu zollen, beschäftigt sie sich gerne mit Homöopathie.

Veröffentlichungen:

-„Der Hamsterfan“ und „Treue Fans?“ ( in Cognac und Biskotten Nr. 31)

- „An meinen Geliebten“ (Anthologie „Herzensangelegenheiten“, net-Verlag)

- „Die Liebe eines Schöpfers“ (Anthologie „Zauberwelt-magische Momente“, net-verlag)

- „Überall und Nirgendwo“ ( „Unterwegs“, Anthologie des Netzkritzler-Schreibwettbewerbs)

- „Das Herz der Welt“ (Anthologie „Meer der Träume“ , Wendepunktverlag)

- „Der Teufel und der Freak“ ( Anthologie „Exodus – das Ende der Welt“ , Luziferverlag)

- Sklavin des Schicksals 1: Brise der Freiheit (AAVAA-Verlag)

- Sklavin des Schicksals 2: Wind der Veränderung (AAVAA-Verlag)

-Sklavin des Schicksals 3: Sturm des Schicksals (AAVAA-Verlag)

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

***

Kapitel 2

Matt strich sich mit den Fingern über die Stirn. Dieser verdammte Bericht! Er hasste es, den Ablauf eines Falles schildern zu müssen. Sein Boss las sich das doch sowieso nicht durch, denn sonst hätte er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schon Beschwerden über seine grausige Rechtschreibung gehört.

Langsam setzte er seine Finger auf die Tastatur. Je schneller er es hinter sich brachte, desto besser. Kaum hatte er den ersten Satz getippt - oder zumindest das erste Wort - da wurde die Tür aufgestoßen. Ein junger Mann trat ein, dicht gefolgt von einer Frau im grauen Blazer und einem knielangen Rock, dessen Stoff bei jeder Bewegung leicht raschelte. Luisa gehörte zu seinen Mitarbeitern, sie war ein Mitglied der BgFS, der Agentur zur Bekämpfung gefährlicher Feinde des Staates. Den Kerl kannte er allerdings nicht und das machte ihn misstrauisch. Fremde Gestalten platzten hier nicht so einfach rein. Fragend hob er eine Augenbraue.

Luisa baute sich zwischen ihm und dem Unbekannten auf, die Arme wütend in die Hüfte gestemmt. »Eine Unverschämtheit ist das von Ihnen. Ich habe Ihnen gesagt, dass die Mitarbeiter in der ersten Etage für Sie zuständig sind. Sie haben hier nichts verloren«, blaffte sie den jungen Mann an.

Der wischte ihre Worte mit einer Handbewegung zu Seite. »Ich möchte mit Herrn Schneider sprechen und mir keine Versicherung andrehen lassen.«

Matt lehnte sich erstaunt in seinem Bürostuhl zurück und auch Luisa drehte verwirrt ihren Kopf zu ihm, denn sie war genauso überrascht wie Matt, dass ein Dahergelaufener seinen Namen kannte. Erfahrungsgemäß war das schlecht und ein Grund mehr, auf der Hut zu sein. Trotzdem verabschiedete er seine Angestellte mit den Worten. »Das geht schon klar … denke ich.«

Den Zusatz hätte er sich lieber sparen sollen. Sie wirkte noch weniger überzeugt als er. »Soll ich nicht den Sicherheitsdienst rufen? Die Sicherheit hat in diesem Versicherungsgebäude höchste Priorität. Gehen Sie kein Risiko ein, Herr Schneider.«

Matt schenkte ihr ein ehrliches Lächeln. »Überlassen Sie das ruhig mir.« Nachdenklich lehnte er sich in seinem Stuhl wieder nach vorne, den Fremden prüfend ins Auge fassend. Auch der junge Mann sah ihn genau an und etwas an seinem Blick gefiel ihm nicht. Hinter Luisa schloss sich die Tür.

»Von wegen Versicherungsgebäude«, hörte er den ungebetenen Gast murmeln. Scheinbar wusste er gut Bescheid, zu gut.

Nachdenklich faltete Matt die Hände. »Also Junge. Was willst du?« Sein Tonfall klang sachlich, fast wie bei einem Vertragsabschluss. Unauffällig musterte er dabei seinen Gesprächspartner. Jung, nicht älter als 25, kurze, dunkelbraune, fast schwarze Haare, durchtrainierter Körper, harte Gesichtszüge. Seine Körperhaltung drückte Selbstsicherheit aus.

»Ich will bei der Agentur anfangen.«

Matt wandte sich wieder seinem Bericht zu, und ohne seinen Gegenüber eines Blickes zu würdigen, tippte er weiter. Eine Weile sagte niemand etwas und nur das leise Klicken der Tastatur erklang im Raum. Schließlich erbarmte Matt sich zu einer Antwort, obwohl ihm die Bitte wie ein Witz vorkam. »Nein!«

Der junge Mann verschränkte die Arme vor dem Körper. »Warum nicht?«

»Du bist zu jung.«

»Zu jung?«

»Und zu alt! Mal davon abgesehen spaziert man hier nicht einfach rein und bewirbt sich. So laufen die Dinge nicht, sorry«, erklärte Matt, ohne von seiner Arbeit aufzusehen.

Sein Besucher gab sich mit der Antwort alles andere als zufrieden. Es kam nicht infrage, dass er sich abwimmeln ließ wie eine lästige Fliege. Zumal ihm die Erklärung lächerlich vorkam.

»Zu jung und zu alt«, wiederholte er die Begründung.

Matt nickte nur, weiterhin in seine Arbeit vertieft.

»Du bist zu jung, um als ernstzunehmender Mitarbeiter anzufangen. Nur Ausnahmetalente haben dafür ausreichende Fähigkeiten. Gleichzeitig bist du zu alt, um noch eine Ausbildung zu beginnen. Unsere Agenten werden von klein auf trainiert. Reicht dir das als Erklärung?« Matt hörte auf zu tippen und sah wieder seinen Gast an.

»Die Frage war nur rhetorisch, also spar dir deinen Atem. Selbst wenn es dir nicht ausreicht, bekommst du nichts weiter zu hören. Dafür fordere ich jetzt eine Auskunft: Warum zur Hölle weißt du über uns Bescheid …« Der Redner stockte kurz und sah auf seinen Computer. Seine Augen flogen schnell über den Bildschirm.

»Daniel, richtig? «

Der Angesprochene runzelte die Stirn. Die Leute hier waren besser als geglaubt. Sein Eintreten lag nicht einmal zehn Minuten zurück und er würde jede Wette eingehen, dass der Typ ihm gegenüber sämtliche wichtigen Fakten über ihn auf dem Bildschirm stehen hatte. Trotzdem ließ er sich davon nicht beeindrucken. Zumindest nicht äußerlich. Mit unbewegter Mimik nickte er. Nicht dass eine Antwort vonnöten gewesen wäre.