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Nr. 251

– ATLAN exklusiv Band 112 –

 

Der Eiskerker

 

Kristallprinz Atlan auf Akon XII – unter Sträflingen und Verrätern

 

von Harvey Patton

 

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Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muss sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen. Gegen diese inneren Feinde ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindliche Rückschläge entmutigen ihn nicht und hindern ihn und seine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol III., den Diktator und Usurpator, mit aller Energie fortzusetzen.

Gegenwärtig ist Atlan allerdings nicht in der Lage, an diesem Kampf mitzuwirken, da er und ein paar Dutzend seiner Gefährten von der ISCHTAR im Sinne Akon-Akons, des Psycho-Tyrannen, handeln mussten, dessen Befehle keine Auflehnung zuließen.

Akon-Akon, der mit Atlans und Fartuloons Hilfe den »Stab der Macht« in Besitz nehmen konnte, treibt die von ihm beherrschte Gruppe von einem gefährlichen Platz zum anderen, bis sie schließlich die Hauptwelt der Akon erreichte.

Hier wird der mysteriöse junge Mann in allen Ehren aufgenommen, doch seine unfreiwilligen Begleiter gelten als unedel und verabscheuungswürdig. Atlan und seinen Gefährten wird der Prozess gemacht – und auf sie wartet DER EISKERKER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan und Fartuloon – Der Kristallprinz und sein Lehrmeister im Eisgefängnis der Akonen.

Sarsoolor – Ein Schläger zieht den kürzeren.

Alleyskamon – Ein »Gefangenenbefreier«.

Myruun von Bislaar – Eine Akonin, die sich in einen Arkoniden verliebt.

Kaara Olsaar – Kommandoführer von Eisgrube 14.

1.

 

»Wir sind keine Verbrecher!«, protestierte Fartuloon. Es hatte empört und entschieden klingen sollen, aber es hörte sich nur wie ein Stöhnen an. Das war allerdings kein Wunder.

Als er den Mund zu diesem Protest geöffnet hatte, befanden wir uns noch auf der fünften Welt des Blauen Systems. Doch im gleichen Augenblick hatte man uns in einen Transmitter gestoßen, und nun tobte der Entzerrungsschmerz nach der Rematerialisierung in der Gegenstation durch unsere Glieder. Es dauerte immer einige Sekunden, bis sich der Körper davon erholte und die Sinne ihre normalen Funktionen wieder aufnahmen.

Natürlich teilte ich die Meinung meines Lehrmeisters voll und ganz. Wir waren schließlich nicht freiwillig ins Akon-System gekommen, sondern unter dem suggestiven Einfluss Akon-Akons, der ausschließlich seine eigenen Ziele verfolgte!

Die Akonen, in deren Gewalt wir daraufhin geraten waren, hatten darüber jedoch ganz andere Ansichten. Allein schon die Tatsache, dass wir als Arkoniden zu den verhassten Abkömmlingen ihrer alten Rasse gehörten, stempelte uns automatisch zu minderwertigen Geschöpfen ab. Dass wir beide es gewagt hatten, ihrer »Obhut« zu entfliehen, hatte alles noch viel schlimmer gemacht.

Es war uns gelungen, zu entkommen und uns einige Zeit vor den Häschern der Akonen zu verbergen. Leider vergebens, denn dann hatte Daalmors von Borgool es durch einen schmutzigen Trick geschafft, uns wieder in seine Gewalt zu bekommen. Man hatte uns zwar nicht getötet, aber erneut in einem Schnellverfahren zur Deportation nach Horaan verurteilt.

Horaan war, wie wir inzwischen wussten, der zwölfte Planet des Blauen Systems. Eine öde, vollkommen vereiste Welt – ein Strafplanet ohne Wiederkehr, auf dem sich unsere Gefährten bereits befanden. Dort waren wir nun angekommen, und der Empfang entsprach voll und ganz der Verabschiedung auf der Hauptwelt.

Hinter uns erlosch der schimmernde Bogen des Transportfelds. Mit dumpfem Grollen liefen die zu seiner Erstellung erforderlichen Konverter irgendwo in der Tiefe aus. Wir blinzelten in grelles Licht und sahen in eine große, aber vollkommen leere Halle, irgendwo unter dem ewigen Eis der Gefangenenwelt.

Zeit für weitere Feststellungen bekamen wir nicht.

Dicht vor der Transmitterplattform standen sechs akonische Wächter, die uns bereits erwartet hatten. Sie trugen Kampfanzüge und schussbereite Strahler, aber Fartuloon griff trotzdem in einer Reflexbewegung nach seinem Skarg. Man hatte ihm das Schwert und seine zerbeulte Rüstung gelassen, weil niemand in dieser anachronistischen Ausrüstung eine ernstliche Gefahr sah. Dass das Skarg gewisse geheime Eigenschaften besaß, konnte niemand ahnen.

Doch schon auf halbem Wege stockte die Hand des Bauchaufschneiders wieder. Die Waffen der Akonen ruckten hoch, ihre Gesichter verfinsterten sich noch mehr. Die schimmernden Abstrahlpole der Energiegewehre zeigten direkt auf uns – es wäre glatter Selbstmord gewesen, dagegen angehen zu wollen! Das hatte auch Fartuloon blitzartig erkannt.

Ich atmete auf, denn wir hatten es nicht nur mit den Männern allein zu tun. Im Hintergrund der Halle standen außerdem noch zehn Kampfroboter. Sie stellten eine noch viel ernster zu nehmende Bedrohung dar. Selbst wenn es uns entgegen aller Wahrscheinlichkeit gelungen wäre, die sechs Wächter zu überrumpeln, die Maschinen hätten uns unweigerlich zur Strecke gebracht.

»Gut, dass Sie so vernünftig sind«, sagte einer der Männer. Er sprach Akonisch, aber wir beherrschten diese Urform unserer eigenen Sprache gut genug, um alles verstehen zu können. Der unverkennbare Hass in seinen Zügen sagte uns allerdings, dass es ihm kaum etwas ausgemacht hätte, uns im Fall der Gegenwehr über den Haufen zu schießen.

»Elender Sklaventreiber!«, murrte Fartuloon, aber man beachtete ihn nicht. Vier Wächter fassten uns an den Armen und stießen uns vorwärts. Die beiden anderen hielten sich hinter uns und richteten ihre Waffen auf unsere Rücken. Ich knirschte mit den Zähnen, aber ich musste mich der Gewalt fügen. Seit ich Akon-Akon begegnet war, wurde ich immer aufs neue gedemütigt – ich, der Kristallprinz von Arkon!

Auch ein Prinz muss so etwas ertragen können!, belehrte mich mein Extrasinn lakonisch. Warte nur ab, bis du wieder bei den Gefährten bist. Vereint habt ihr vielleicht die Möglichkeit, etwas für eure Befreiung zu tun.

Das war ein schwacher Trost, aber besser als gar keiner.

Die Gruppe war bereits nach unserer ersten Verurteilung auf den Strafplaneten befördert worden. Zwar besaß keiner davon Waffen, aber zweifellos hatten sie sich im Rahmen des Möglichen bereits umgesehen, um einen Weg zum Entkommen zu finden. Ich konnte mich in dieser Hinsicht fest auf Ra verlassen, und auch der Magnetier Vorry war ein vorzüglicher Kampfgefährte. Wohl waren die Frauen in der Überzahl, aber unter ihnen war schließlich auch Karmina Arthamin. Sie als frühere arkonidische Flottenkommandantin war ebenfalls nicht zu unterschätzen. Da keiner der 25 wusste, wo wir uns zur Zeit befanden, würden sie zweifellos auf eigene Faust zu handeln versuchen.

Ich sah Fartuloon an und erkannte an seinem Gesichtsausdruck, dass er ähnliche Gedanken hegte.

Man trieb uns aus der Halle durch hell erleuchtete, mit einer Kunststoffmasse ausgekleidete Korridore. Sie waren geräumig und warm, hier war nichts davon zu bemerken, dass wir uns unter dem ewigen Eis von Horaan befanden. Dafür standen aber an allen Kreuzungspunkten bewaffnete Wachroboter, die zweifellos sehr gut zwischen Wächtern und Gefangenen zu unterscheiden wussten. Dafür sorgten die kleinen bläulichen Leuchtplaketten, die von den Bewaffneten getragen wurden. Sie sandten vermutlich irgendwelche Impulse aus, die von den Maschinen aufgefangen wurden.

Ein wichtiger Anhaltspunkt!, raunte mir mein Logiksektor zu. Vor einem Ausbruchsversuch muss es euch gelingen, eine Anzahl dieser Plaketten zu erbeuten. Sie könnten für euch wichtiger als Waffen sein.

Allerdings sah ich auch verschiedentlich die Linsen von Beobachtungskameras. Sie waren hervorragend getarnt, aber doch nicht gut genug, um erfahrenen Augen zu entgehen. Mein fotografisches Gedächtnis registrierte ihre Lage und sorgte so dafür, dass wir sie später gegebenenfalls umgehen oder zerstören konnten.

Doch vorläufig war das noch Zukunftsmusik. Zuerst mussten wir einmal mit unseren Gefährten zusammenkommen und Gelegenheit zum Pläneschmieden erhalten. Erst dann konnten wir weitersehen.

Aber gerade in dieser Hinsicht erwartete uns eine herbe Enttäuschung!

 

*

 

Die Anlagen mussten eine gewaltige Ausdehnung besitzen. Wir waren mindestens zehn Minuten unterwegs, ehe wir an ein Gittertor gelangten, das den Gang vor uns versperrte. Ein Wächter betätigte einen Impulsschlüssel, das Gitter rollte zur Seite und man trieb uns weiter vorwärts. Rechts und links des Korridors gab es in regelmäßigen Abständen Türen aus Metall, die mit akonischen Beschriftungen versehen waren. Schließlich hielten wir vor einer dieser Türen an.

»Endstation für euch«, verkündete einer der Wächter lakonisch. »Hier ist euer Quartier, merkt euch seine Lage. Für den Rest des Tages und die Nacht habt ihr frei, also noch etwa sechzehn Stunden. Morgen wird man euch zusammen mit den anderen zur Arbeit einsetzen. Aufsässigkeit wird bestraft, meist durch den Entzug von Mahlzeiten, vergesst das nicht!«

Ich hörte kaum hin, sondern wartete darauf, dass die Tür geöffnet wurde. Bestimmt machten sich unsere Gefährten bereits Gedanken um uns. Sie konnten ja nicht wissen, ob unsere Flucht erfolgreich gewesen war. Bestimmt würde es zuerst lange Gesichter geben, wenn wir uns nun auch noch hier einfanden, dachte ich.

Dass ich falsch gedacht hatte, wurde mir wenige Sekunden später klar.

Fartuloon und ich waren es, die lange Gesichter machten! Als sich die Tür hinter uns schloss, erblickten wir in dem Raum nicht unsere Leute, wie wir selbstverständlich angenommen hatten. Vierzehn Männer sahen uns entgegen, und es waren ausschließlich Akonen ...

»Wenn das nicht lustig ist!«, knurrte der Bauchaufschneider, den dieser Schlag nicht weniger hart traf als mich.

»Wirklich sehr lustig«, gab ich heiser zurück. »Ich lache mich gleich tot. Verdammt, was fangen wir jetzt an?«

Fartuloon zuckte mit den Schultern und kraulte überlegend seinen Bart. Er kam aber nicht mehr dazu, etwas zu sagen.

»Was redet ihr da für unverständliches Zeug?«, fuhr uns einer der Akonen an. »Sprecht gefälligst in unserer Sprache, oder es gibt Ärger!«

Ich wollte auffahren, aber eine Handbewegung meines Lehrers hielt mich zurück. »Bleib friedlich, Sohn«, meinte er halblaut. »Der Bursche will uns nur provozieren. Es wäre ein schlechter Einstand für uns, gleich in der ersten Minute einen Streit anzufangen.«

Ich befolgte seinen Rat und sah mich nun rasch in dem Raum um. Er war ziemlich groß, aber relativ niedrig, seine Decke wurde von einer Anzahl von Streben gestützt. In seiner Mitte standen zwei große Tische, von Plastikhockern umgeben. An den Wänden gab es zwanzig niedrige primitive Liegen, dazwischen Regale mit Essgeschirren, Toilettensachen und den wenigen persönlichen Habseligkeiten der Insassen.

Das war eine mehr als spärliche Einrichtung, gegen die sich arkonidische Gefängniszellen wie Luxusquartiere ausnahmen. Es gab nicht die kleinste Bequemlichkeit, sondern nur die allernotwendigsten Dinge. So aufwändig die Akonen sonst auch lebten, ihre Gefangenen schienen sie ausgesprochen schlecht zu behandeln.

Auch die Männer schienen nicht in bester körperlicher Verfassung zu sein. Die meisten waren erschreckend mager, ihre normalerweise samtbraunen Gesichter wirkten grau und ungesund. Nur der eine, der uns so rüde angefahren hatte, machte hier eine Ausnahme.

Er war nicht sehr groß, dafür aber breit und stämmig. Sein rundes Gesicht wirkte zwar primitiv, dafür aber ausgesprochen wohlgenährt. Er trug zwar die gleiche graue Kombination wie alle übrigen, schien hier aber eine Art von Sonderstatus zu besitzen. Darauf deuteten auch die verschüchterten Blicke der anderen Gefangenen hin.

Ein typischer Muskelprotz, der infolge seiner körperlichen Überlegenheit seine Genossen tyrannisiert!, urteilte mein Extrasinn. Wer sich gegen ihn stellt, wird zweifellos erbarmungslos verprügelt, bis er kuscht. Ohne die Duldung der Wachen könnte er sich das wohl kaum erlauben. Es ist also anzunehmen, dass er mit ihnen zusammenarbeitet und dafür gewisse Vergünstigungen erhält.

Das war bestimmt richtig. Ähnliche Subjekte gab es in allen Gefängnissen und Straflagern der Galaxis. Sie sorgten auf die einzige ihnen geläufige Weise für »Ordnung« und nahmen so den Wächtern einen Teil ihrer Arbeit ab. Sie wurden zwar von diesen verachtet, aber als nützlich angesehen und für ihre »Mühen« honoriert. Kein Wunder also, dass er auch jetzt sofort damit begann, uns gegenüber seine Einschüchterungstaktik anzuwenden.

Er kam mit wiegenden Schritten auf uns zu und baute sich in drohender Pose vor uns auf. Damit konnte er natürlich weder mich noch den Bauchaufschneider beeindrucken, wir waren schon mit ganz anderen Männern fertig geworden. Trotzdem lenkte Fartuloon nun ein. Nur ich sah das Blitzen seiner Augen unter den halb gesenkten Lidern, das diesem Burschen für die Zukunft nicht viel Gutes verhieß.

»Entschuldigt bitte«, sagte er auf Akonisch, das so flüssig über seine Lippen kam, als hätte er es von klein auf gesprochen. »Natürlich wollen wir keinen Streit, schon gar nicht mit Leidensgenossen. Wir waren nur etwas enttäuscht, denn wir hatten damit gerechnet, hier Bekannte zu treffen.«

»So ist es schon besser«, gab der Stämmige mit unangenehmem Grinsen zurück. »Trotzdem lassen eure Manieren aber immer noch zu wünschen übrig! Oder ist es bei euch arkonidischem Gesindel nicht üblich, dass man sich vorstellt, wenn man als neuer Gast in ein vornehmes Hotel kommt?«

Ich musste mich nun doch sehr zusammennehmen, so sehr ging mir die widerliche Art des Mannes auf die Nerven. Von einem, dem man den schwer Kriminellen sofort ansah, als Gesindel bezeichnet zu werden, ließ mich rot sehen. Doch ein scharfer warnender Impuls meines Extrasinns bewahrte mich vor einer unbesonnenen Handlung. Fartuloon dagegen bewahrte seine scheinbare Gelassenheit. Er nannte unsere Namen, während ein ängstlicher Ausdruck auf seinen Zügen erschien.

Er spielte wieder einmal vollendet den hilflosen verfetteten alten Mann! Nun, der andere würde sich wahrscheinlich noch sehr wundern müssen, wenn die Zeit der Abrechnung kam ...

Vorläufig grinste er aber immer noch wohlgefällig. Er ließ sich sogar dazu herab, uns seinen Namen zu nennen.

»Ich bin Sarsoolor und führe die Aufsicht über den verkommenen Haufen hier. Selbst die Wächter erkennen meine Qualitäten an. Denkt daran und fügt euch, wenn es euch hier in Eisgrube vierzehn nicht schlecht ergehen soll.«

»Wir werden daran denken«, versprach ich, um auch einmal etwas zu sagen, doch Sarsoolor achtete nicht darauf. Sein Blick hing an dem Skarg, das an der Hüfte des Bauchaufschneiders baumelte, und ein begehrlicher Ausdruck trat in sein Gesicht.

»Gib mir die Waffe!«, forderte er kategorisch. »Ich kann nicht zulassen, dass du dich bei unvorsichtigem Umgang damit schneidest, alter Mann ... Auch die Wächter würden das gar nicht gern sehen – du sollst hier schließlich noch eine Zeit lang arbeiten, ehe es dich erwischt.«

Mir stockte der Atem.

Bis jetzt hatte Fartuloon sich mustergültig verstellt und das böse Spiel mitgemacht, aber nun musste es kommen! Niemand wusste besser als ich, wie sehr er an diesem uralten, mehr als geheimnisvollen Schwert hing. Dass er es freiwillig diesem bösartigen Akonen übergab, war einfach ausgeschlossen.

Tatsächlich – angesichts dieser höhnenden Herausforderung schien der Bauchaufschneider all seine guten Vorsätze zu vergessen. Blitzartig zuckte seine Rechte zur Hüfte und riss das Skarg hervor. Ich schloss unwillkürlich die Augen und wartete auf das Bersten von Knochen und einen gellenden Schrei.

Doch alles blieb still, und so öffnete ich die Augen wieder. Was ich sehen musste, ließ mich fast an meinem Verstand zweifeln: Fartuloon stand ruhig vor dem Akonen und hielt ihm mit einer demütigen Geste das Schwert entgegen! Ich konnte nur noch mit dem Kopf schütteln, denn so etwas von Selbstverleugnung hatte ich bei meinem Pflegevater noch nie erlebt.

Auch Sarsoolor schien erschrocken zu sein. Er war instinktiv einen Schritt zurückgewichen, sein Grinsen hatte einer angstvollen Grimasse Platz gemacht. Doch er fing sich schnell wieder, während ein enttäuschtes Raunen durch die Reihen der anderen Männer im Hintergrund ging. Nur sein Lachen klang noch etwas heiser, als er Fartuloon das Skarg aus der Hand riss.

»So ist es gut, alter Mann«, lobte er ihn. »Wenn ihr beide immer so brav seid, werden wir vielleicht ganz gut miteinander auskommen. Vielleicht, sage ich ...«

Er dehnte diese letzten Worte so, dass sie praktisch genau das Gegenteil besagten, aber für den Augenblick schien er befriedigt zu sein. Mit einer herrischen Geste wies er uns zwei freie Liegen im Hintergrund zu und schwang das Schwert wie eine Kriegstrophäe, ehe er es in das Regal neben seinem Lager legte.

2.

 

»Wie konntest du das nur fertigbringen?«, flüsterte ich dem Bauchaufschneider zu. Wir hatten uns einige Minuten lang still verhalten, und die Aufmerksamkeit der anderen Männer hatte sich wieder den für sie normalen Dingen zugewandt. Sie saßen um die Tische und waren mit primitiv angefertigten Brettspielen beschäftigt. Diese waren offenbar die einzige Zerstreuung in ihrer freien Zeit.

Fartuloon zuckte mit den Schultern und schob sich unauffällig noch etwas näher zu meiner Liege hinüber.

»Es ist mir nicht leicht gefallen, aber es musste einfach sein. Taktik, lieber Kristallprinz! Sicher, Sarsoolor ist ein übler Zeitgenosse, aber einige Tage lang werden wir ihn wohl ertragen können. Das ist immer noch besser, als wenn uns die Wächter ihre besondere Aufmerksamkeit widmen oder gar ganz isolieren würden. Dann bekämen wir wohl nie mehr eine Gelegenheit, etwas über unsere Leute zu erfahren. Sie müssen sich hier in der Nähe befinden, und ohne sie möchte ich nicht gern eine Flucht wagen.«

»Du denkst an Flucht?«, staunte ich. »Das hier ist nicht nur ein gewöhnlicher Strafplanet, Fartuloon! Er ist nicht nur erstklassig durch Wächter und Roboter gesichert, sondern außerdem auch noch eine Eiswelt. Ich habe keine Ahnung, wie es auf der Oberfläche aussieht, aber es ist bestimmt schlimm genug. Ohne umfangreiche Hilfsmittel könnten wir uns dort nie behaupten. Auch die Aussichten, irgendwo ein Raumschiff zu finden, sind mehr als gering. Die Akonen benutzen fast nur Transmitter, vergiss das nicht.«

»Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg«, philosophierte der Bauchaufschneider mit stoischer Ruhe. »Abwarten und die Augen offen halten, das muss unsere Devise für die nächste Zeit sein. Im Moment bin ich aber mehr dafür, sie zu schließen. Wir müssen uns ausruhen, um für alle Fälle frisch zu sein.«

Er ließ dem Wort augenblicklich die Tat folgen und rollte sich auf die andere Seite. Wenig später begann er bereits leise zu schnarchen, und schließlich schloss auch ich die Lider. Seit unserer Flucht auf Akon V hatten wir viel erlebt, und nun forderte die Natur ihr Recht.