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Heliosphere 2265

- Das Marsprojekt -

 

Band 4

 

Wiederauferstehung“


von Andreas Suchanek

 

Was bisher geschah

 

Nach der Havarie der JAYDEN CROSS im September 2267 steht die Crew vor zahlreichen Herausforderungen. Die Mannschaft muss sowohl eine Verstrahlung des Maschinenraums verhindern als auch Verletzte versorgen. Gleichzeitig stellt Captain Kristen „Kirby“ Belflair überrascht fest, dass sie scheinbar in einer Kopie des Sol-Systems gelandet sind. Hier ist die Mars-Diktatur nie gestürzt worden. Freeman ist noch am Leben, Terra entvölkert, und ein gigantisches Schild umgibt das gesamte System.

Als wäre das nicht genug, erinnert die Kommandantin der JAYDEN CROSS sich wieder an eine Begegnung in ihrer Vergangenheit. Einst traf sie auf Terra mit Yuna Ishida zusammen. Ein Kontakt, der ihr Leben für immer veränderte. Die mysteriöse japanische Frau scheint mehr über das Mars-2-System zu wissen und mit Kirbys Leben in Verbindung zu stehen.

Das Schiff wird von einem marsianischen Raumschiff entdeckt. Den folgenden Kampf kann die JAYDEN CROSS nur knapp für sich entscheiden und in den Kuipergürtel des Systems fliehen.

Bevor Kirby überlegen kann, wie es weitergeht, findet sie die Leiche eines Brückenoffiziers im Lift. Es wird klar, dass es einen Saboteur und Mörder an Bord gibt.

Sofort wird Agent Jake Fooley mit der Suche nach dem Täter betraut. Niemand kann verhindern, dass zwei weitere Attacken erfolgen. Sowohl Sienna McCain als auch Kirby kommen nur knapp mit dem Leben davon. Am Ende entpuppt sich Jake Fooley selbst als der Verantwortliche. Er nimmt Kirby gefangen und flieht mit ihr auf die Erde. Hier, am Nordpol, sucht er nach etwas. Und Kirby soll endlich Antworten erhalten. Doch bei seiner Flucht setzt er auf der JAYDEN CROSS ein Betäubungsgas frei. Das Raumschiff trudelt führerlos einem Trümmerteil im All entgegen.

Gleichzeitig befinden sich Commander Nymba, Fähnrich McAllister, Corporal Kowalczyk und zwei Marines im menschenleeren Paris. Es stellt sich heraus, dass für die Entvölkerung der Erde Naniten verantwortlich sind, die im Erde-Mars-Krieg entwickelt und nun eingesetzt wurden. Zwar kann eine Attacke der dahinterstehenden K.I. vereitelt werden, doch am Ende lässt diese ganze Gebäude auf die Bunker niedergehen, in denen die überlebenden Terraner hausen. Werden diese beschädigt, bedeutet dies das Ende allen Lebens auf Terra. Nymba, McAllister und Kowalczyk fliehen gemeinsam mit Sylv in eine der verlassenen Wissenschaftsstationen an die Oberfläche. Sie setzen alles auf eine Karte und infiltrieren die Festung, in der sich der Computerkern der entarteten Intelligenz befindet. Es gelingt ihnen, die Algorithmen zu säubern. Fortan steht IAN mitsamt der Naniten auf der Seite der Menschheit. Die überlebenden Terraner können die Bunker verlassen und machen sich an den Wiederaufbau der Gesellschaft.

Auch die Crew der JAYDEN CROSS überlebte: Dank Außenminister Chang, der von dem Betäubungsgas nicht betroffen war, konnte die Crew einer Kollision entgehen. Um einem marsianischen Angreifer zu entkommen, bleibt jedoch nur eine Option: Das Raumschiff wird in die Atmosphäre gesteuert. Der Liberty-Kreuzer findet sein Grab im ewigen Eis der Arktis, während die Crew mit den Rettungskapseln landet.

Am Nordpol liefert sich Kirby unterdessen einen heftigen Kampf mit Jake Fooley. Dieser entpuppt sich als einer von sechs sogenannten Schicksalswächtern, die in begrenztem Maße den Verlauf der Geschichte alternieren können. Einzeln können sie nur Minuten beeinflussen, doch im Verbund sind sie ungleich mächtiger. Auch Yuna Ishida ist eine von ihnen. Durch Yunas Manipulationen an Kirbys Vergangenheit führte alles hin zur Havarie der JAYDEN CROSS. Jake kann geschlagen werden und flieht zum Mars.

Am Ende überbringt Yuna Kirby eine schreckliche Nachricht. Durch die Veränderungen an ihrer Geschichte und den Kontakt zu alternierten Quantenzuständen wurde Belflair – genau wie Jayden Cross – zu einem personellen Fixpunkt. Das bedeutet: Einer von ihnen wird in naher Zukunft sterben.

So kommt die überlebende Crew zusammen, um den Terranern beim Wiederaufbau zu helfen. Einstweilen sind sie auf Terra gestrandet. Und besitzen keine Möglichkeit, ins heimatliche Alzir-System zurückzukehren.

Prolog

 

Mars-2-System, Terra, Nordpolregion, 9. Mai 2268, 09:30 Uhr

 

(Sechs Monate nach der Befriedung der Künstlichen Intelligenz IAN)

 

Captain Kristen „Kirby“ Belflair zog die Thermojacke enger um sich und war dankbar für die integrierten Wärmegelpacks. Bei jedem Atemzug kondensierte die Luft vor ihren Lippen. Da die Touch-Konsolen durch die dicken Fellhandschuhe nicht bedienbar waren, musste sie sie immer wieder abstreifen. Ihre Haut wurde rissig.

Eine weitere Gestalt stapfte herbei. Unter der Kapuze erkannte sie das dunkle Antlitz von Commander Aliou Nymba, ihrem I.O. an Bord der mittlerweile zerstörten JAYDEN CROSS. „Captain“, grüßte er. „Wir haben es fast geschafft.“

„Das höre ich bereits seit etlichen Wochen.“

„Ich zitiere Fähnrich Ian McAllister: ‚Dieses Mal aber echt‘.“ Er grinste.

Wenigstens einer hat seinen Humor noch nicht verloren. Sie nickte nur. „Na, hoffentlich.“

„Alles in Ordnung?“ Er neigte leicht den Kopf, um unter die Kapuze schauen zu können.

Kirby streifte sich die Handschuhe wieder über. „Seit sechs Monaten ist Terra von den Nanocrushern befreit. Die K.I. – IAN – hilft tatkräftig beim Wiederaufbau. Ich hätte mir nur gewünscht …“

„… dass es schneller geht?“, vollendete Aliou den Satz.

Sie nickte. „Mittlerweile wurden die Stasetanks zu gut einem Drittel geöffnet. Laut Sylv sind damit zwei Millionen Terraner aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht, fehlen also noch vier Millionen. Dank IAN konnte die notwendige Infrastruktur rasend schnell wachsen.“

Sie hatte mit Staunen dabei zugesehen, wie die auf Nanotechnologie basierenden winzigen Roboter innerhalb kürzester Zeit Fabriken, Häuser und Straßen hochzogen. Das Grundmaterial konnte problemlos abgebaut werden. Immer wenn ein Stadtareal vollendet war, wurde eine weitere Gruppe Terraner aus dem Staseschlaf geholt.

Der Widerstandsrat wuchs langsam zu einem Regierungsrat heran, kontrollierte den Aufbau, erließ erste Gesetze, bildete Gremien. Es herrschte eine ausgelassene, ja freundliche Stimmung. Bedauerlicherweise standen Kirby und ihre Crew auf der Prioritätenliste nicht sehr weit oben. Ihnen blieb nur auszuharren, zu helfen, wo sie helfen konnten – und Pläne zu schmieden.

„Wir müssen wohl einfach mehr Geduld haben“, sagte Aliou.

„Wunderbar. Während wir hier drin sind, geht die Solare Republik zum Teufel.“ Sie ballte die Fäuste in den Handschuhen. „Das hier ist nicht unser Kampf.“

Er ließ sich auf der Kante der Touch-Konsole nieder, deren unteres Ende im Eis verschwand. „Mit unserem Auftauchen haben wir es zu unserem Kampf gemacht. Und Regierungen sind, wie sie eben sind. Der Rat konzentriert sich auf naheliegende Aufgaben. Hatten Sie noch einmal Kontakt zu Yuna Ishida?“

Sie schüttelte verneinend den Kopf. „Sie hat mir ein paar Informationsbrocken zugeworfen, aber seitdem nichts mehr. Genaugenommen ist es ja der Quantenzustandsschatten von Yuna Ishida, was immer das auch heißen mag. Ehrlich gesagt haben mir die wenigen Happen bezüglich der Ash’Gul’Kon-Sache schon gereicht.“

„Klingt ziemlich ungemütlich. Kaum zu glauben, dass Meridian gestorben ist, seinen Plan aber doch noch vollenden konnte.“

Sie kam nicht dazu, etwas zu erwidern. In diesem Augenblick erwachten die Konsolen ringsum zum Leben, Licht sickerte aus der Wand, ein Summen erklang.

Seit sie den abgestürzten Kreuzer der Schicksalswächter kurzerhand annektiert hatten, wartete Kirby auf diesen Augenblick. Das Schiff musste seit gut zwei Jahrhunderten hier im ewigen Eis liegen. Nach der Zerstörung der JAYDEN CROSS bot die Technologie dieses Interphasenkreuzers – wie Yuna ihn genannt hatte – einen ersten Ansatz zur Flucht aus dem Mars-2-System. Und nicht nur das: Auch der Projektor war für Kirbys Plan von elementarer Bedeutung.

„McAllister an Captain Belflair.“

Sie zuckte zusammen. Seine Stimme schien von überallher gleichzeitig zu kommen. „Belflair hier.“

„Ma’am, wir haben das Energieverteilungsnetz vollständig reaktivieren können.“ In der Stimme des jungen Fähnrichs, der aufgrund der Umstände zum Chefingenieur aufgestiegen war, lag Stolz. „IAN hat die Schiffswände repariert, ebenso einen großen Teil der Innenleitungen. Am Rest arbeiten alle mit.“

Kirby spürte bereits, wie die Luft sich erwärmte. „Gute Arbeit.“

IAN hatte deutlich gemacht, dass es auf einen Großteil des Schiffes nicht zugreifen konnte, weil eine unbekannte Strahlung es fernhielt. Die Hülle sowie die interne Energieversorgung waren allerdings kein Problem gewesen. Da die K.I. ihre Freiheit Ian McAllister verdankte, hatte sie kurzerhand dessen Namen adaptiert und half ihm, wo sie nur konnte.

„Wollen wir?“, fragte Aliou.

Sie gingen gemeinsam in Richtung Projektionsraum. Kirby streifte ihre Kapuze zurück. „Darauf können Sie unseren letzten ViKo-Vorrat wetten.“

„Wir haben keinen mehr“, sagte er trocken.

„Seit wann?“

„Gestern“, gestand er. „Ihre Laune ist momentan so unterirdisch, dass ich das lieber für mich behalten habe.“

Kirby verzichtete lediglich aus einem Grund auf einen bösen Kommentar: Sie erreichten das Ziel.

Ian McAllister kroch soeben unter einer Konsole hervor. Seine roten Stoppelhaare und das breite Kreuz verliehen ihm das Aussehen eines Football-Spielers. Kombiniert mit der bleichen Haut und zahlreichen Sommersprossen wies das sofort auf die irischen Wurzeln hin. „Ma’am“, grüßte er freundlich, „wir können wieder projizieren.“

Kirby fühlte neuen Tatendrang in sich aufsteigen. Diese Maschine unterschied sich grundlegend von den Translokatoren, die sie aus der Republik kannten. Anstelle eines Wurmlochs wurde der zu Transportierende in eine Wolframsphäre gehüllt, die dann mittels einer Quantenzustandsübertragung an einen anderen Ort versetzt wurde. Die Sphäre verhinderte den Zerfall eines Menschen auf molekularer Basis, der andernfalls unweigerlich geschah. Jake Fooley hatte gerade noch mit dem Projektor fliehen können, bevor die Energiereserven aufgebraucht gewesen waren. Der Mörder von Fähnrich Bai Yun, der sie alle überhaupt erst in diesen Schlamassel gebracht hatte, befand sich auf dem Mars.

Vor der Steuerkonsole saß Petro de Silva. Der schlaksige, bleiche Fähnrich aus dem portugiesischen Sektor von Terra verrichtete normalerweise seinen Dienst am Sensorpult der Kommandobrücke, wo er Bai Yun ersetzte. „Ma’am, ich habe mir das mal angesehen. Wow.“ Er riss die Hände zurück, als einige Zentimeter über dem Pult holografische dreidimensionale Icons erschienen. Vorsichtig verschob er sie in der Luft. „Krasses Menü.“

Kirby trat neben ihn. Neugierig beobachtete sie die halb durchscheinenden Steuerelemente. „Die Technologie hier ist beeindruckend. Das beginnt im Kleinen und reicht bis hoch zu diesem Projektor.“

„Leider kommen wir an das Innenleben der Aggregate nicht heran“, warf McAllister ein. „Sie sind verkapselt. Falls also etwas kaputtgeht, ist eine Reparatur unmöglich. Nur jene Komponenten, die bisher aufgrund von Energiemangel ihre Funktion eingestellt hatten, laufen wieder. Alles andere bleibt tot.“

Kirby nickte. Sie hatte keine Zweifel daran, dass Yuna Ishida es ablehnte, diese Technologie in fremde Hände fallen zu lassen. Sie waren hier geduldet und durften den Projektor benutzen, aber das war es auch schon. Wenn sie das Mars-2-System verlassen wollten, mussten sie wohl oder übel einen anderen Weg finden. „Können Sie jemand transl… projizieren?“

De Silva berührte Icons, worauf Skalen und Daten in der Luft vor ihnen manifestierten. „Das sieht gut aus. Ja, Ma’am, der Vorgang ist recht einfach auszulösen. Interessanterweise hat sich das gesamte Menü kurz nach Aktivierung auf Terranisch umgestellt. Ich muss also lediglich die Koordinaten und die Größe des Areals eingeben, das in den Transfervorgang mit einbezogen werden soll.“

Kirby lächelte. In den ersten Tagen nach der Zerstörung der JAYDEN CROSS hatte sie immer wieder der gleiche Albtraum heimgesucht. Sie stand im zerfallenen, zerstörten Paris. Der Himmel war so blau wie die Augen eines Ketaria-Assassinen. Dann kamen Nanocrusher, flogen in die Luft und zerfetzten ihr Schiff. Schreiend ging Kirby in die Knie. Erst dann bemerkte sie, dass sie nahe der Seine saß. Jenem Punkt in Paris, an dem sie zum ersten Mal auf Yuna Ishida getroffen war. An diesem Punkt erwachte sie.

Mittlerweile kam der Albtraum nur noch selten.

Aliou trat neben sie. „Damit wären wir wohl wieder im Spiel.“

„Oh ja, I.O., das sind wir. Und ich habe vor, das zu nutzen.“ Sie bedachte den Projektor mit einem grimmigen Lächeln. Jake Fooley würde nicht so einfach davonkommen.

 

 

Im interstellaren Leerraum, an Bord des Leichten Kreuzers SEARCHER, 01. Januar 2258, 12 Uhr

 

(Vor zehn Jahren)

 

Die Schreie der Männer und Frauen vermischten sich mit dem Geräusch elektrisch geladener Pulserpartikel. Das Getrappel von Stiefelsohlen auf Deckplatten erklang. Der Geruch ionisierten Sauerstoffs lag in der Luft.

Vor ihnen tauchte ein Vertreter der schiffsinternen Sicherheit auf. Es zischte, der Mann fiel betäubt zu Boden.

„Mach die Augen auf, Timur“, fauchte Rick neben ihm. „Das hier ist kein Spielplatz.“

Er nickte nur und brachte den Pulser in Anschlag. Sie gehörten zum letzten Entertrupp, der auf die SEARCHER übergewechselt war. Der Leichte Kreuzer hatte sich verbissen gewehrt, jedoch keine Chance gegen die beiden überlegenen Eriin-Raumer gehabt.

Trupp eins war soeben dabei, die Kommandobrücke unter seine Kontrolle zu bringen. Trupp zwei kümmerte sich um den Maschinenraum. Er selbst war mit Rick und Martin der Krankenstation zugeteilt. Dort sollten sie alles an medizinischen Dingen stehlen, was nicht fest in das Raumschiff integriert war.

Timur gehörte erst seit wenigen Wochen zu den Entergruppen. Jeder einzelne Tag hatte sich in seinen Geist gebrannt. Er hasste es. Unschuldige Menschen starben, Offiziere wurden gemeuchelt, Schiffe gesprengt. Ein paar der anderen ließen ihrer Gier freien Lauf, schlugen Navy-Leute zusammen, vergewaltigten, verstümmelten.

Nacht für Nacht lag er wach in seiner Koje, durchdachte die Situation, das Erlebte, wollte aussteigen. Doch er gehörte zu den Eriin-Welten, war dort geboren. Sein Vater war ein einflussreicher Gouverneur, dem gute Chancen ausgerechnet wurden, in den Rat aufzusteigen. Timur bezweifelte keinen Augenblick, dass er eines Tages ein Weltengouverneur sein würde. Von ihm selbst erwartete man nicht weniger.

Bedauerlicherweise war er weder kaltblütig noch rücksichtslos.

Rick machte sich an der Versiegelung der Krankenstation zu schaffen. Die roten Leuchtstreifen, die aufgrund des Gefechtsalarms pulsierten, wirkten wie flüssiges Blut. Hinzu kam die nervende androgyne Stimme des Schiffscomputers, die vor Eindringlingen warnte.

Endlich rollte das Schott zur Seite.

Rick bildete die Vorhut, ihm folgten Martin und Timur.

Die Krankenstation war nahezu leer. Nur ein einzelner Offizier stand vor einer Steuerkonsole. Er war etwa in Timurs Alter, erst Mitte zwanzig. An seinem Kragen prangten die Abzeichen eines Lieutenants. Er hob die Arme. „Mein Name ist Lieutenant Czem Özenir, es gibt keinen Grund, Gewalt anzuwenden.“

„Das entscheiden wir!“, rief Rick. „Weg von der Konsole.“

Timur registrierte, dass sie nicht gesperrt war. Sie hatten den Offizier überrascht.

„Wo sind die medizinischen Module?“, fragte Martin.

„Die Krankenstation war bei unserem Start noch nicht vollständig fertiggestellt, das gelang erst heute. Die Biobetten und Medikamente befinden sich auf der Behelfsstation, einem Frachtraum.“

„Verstehe“, sagte Rick. „Dann bist du wohl nutzlos, Czem.“ Er hob den Pulser.

„Nein!“ Timur handelte instinktiv. Er rempelte Rick an.

Der Schuss ging nicht, wie beabsichtigt, in die Stirn des Offiziers. Stattdessen schlug er in dessen Oberkörper ein.

Martin schlug Timur die Waffe aus der Hand, verpasste ihm einen Knietritt in den Magen und warf ihn zu Özenir auf den Boden. „Endlich.“

„Wurde auch verdammt noch mal Zeit“, sagte Rick. „Wir dachten schon, du machst nie einen Fehler, Weichei.“

„Was?“ Timur starrte verdutzt von einem zum anderen.

„Oh, ist kein Daddy da, um dir aus der Patsche zu helfen, hm?“ Rick lachte. „Sieht so aus, als hätte dein Dad mächtige Feinde. Uns wurde aufgetragen, dich bei Gelegenheit zu entsorgen. Und hey, Verrat eignet sich dafür doch wunderbar.“

„Mach‘s gut.“ Martin hob den Pulser.

Im gleichen Augenblick zog der verwundete Özenir einen Pulser hervor, der unter der Konsole angebracht gewesen war. Der Schuss traf Martin ins Gesicht. Er bracht tot zusammen.

Timur rollte sich herum, griff nach seinem zu Boden gefallenen Pulser und feuerte auf Rick. Der ehemalige Kampfgefährte krachte sterbend auf die Deckplatten.

Es war vorbei.

„Konsole“, stieß Özenir hervor.

Timur sprang zu dem Display. Mit wenigen Berührungen rief er die Daten des Mannes auf. „Okay. Was jetzt? Mister …?“

Doch Özenir stierte mit offenen Augen ins Nichts. Er war tot.

Timur ballte die Fäuste. Es war vorbei. Ein brutaler Einsatz ohne Nutzen. Er erkannte auf einem kleinen Sub-Display, dass die stille Selbstzerstörung aktiviert war. Der Kommandant der SEARCHER wollte seine Feinde mit in den Untergang reißen.

Der Offizier, dessen Leben er hatte retten wollen, war tot. Der nächste Sicherheitsoffizier, der diesen Raum betrat, würde ihn als Verursacher ausmachen und umbringen.

Kraftlos sank er auf dem Sitz zusammen. Sein Blick fiel auf die Anzeige. Lieutenant Özenir war erst vor zwei Tagen an Bord gekommen. Das machte es noch tragischer. Die SEARCHER war scheinbar halbfertig aus dem Dock ausgelaufen, um Notfallmedizin zu einer der Randkolonien zu transportieren. Der Lieutenant hatte seinen Dienst als Sekundäroffizier der Delta-Schicht begonnen, also mitten in der Nacht. Weil alles so hektisch zuging, waren seine Daten laut der Angaben erst seit ein paar Stunden in der Datenbank eingetragen.

Timurs Blick wanderte zwischen dem liegenden Offizier und der Konsole hin und her. Kaum jemand an Bord kannte den Toten.

Schnell warf er einen Blick auf die interne Überwachung. Beinahe hätte er sich übergeben, als er das Gemetzel sah, das Trupp eins auf der Kommandobrücke veranstaltet hatte. Im Maschinenraum sah es nicht anders aus. Gleichzeitig war es der Crew jedoch gelungen, eines der verbliebenen beiden Schiffe der Eriin zu vernichten. Nun trudelte die SEARCHER, schwer angeschlagen, auf das zweite zu.

Timur stoppte sein logisches Denken. Es war offensichtlich, wie das hier ausgehen würde. Er musste diese Chance einfach ergreifen. Koste es, was es wolle.