Cover

Über dieses Buch

Nick macht sich große Sorgen: Seine Oma liegt im Krankenhaus und sagt keinen Ton mehr. Wie kann Nick sie aufheitern? Zum Glück weiß er aus einer von Omas Geschichten, dass sie in der Kindheit die Gänse Peter und Silie sehr gernhatte. Gemeinsam mit Nachbar Paul startet Nick die »Aktion Oma« und geht auf Gänsejagd. Doch das ist nicht so einfach wie gedacht und wird schnell zu einem gefährlichen Abenteuer …

Die Autorin und Illustratorin

Antje Damm wurde 1965 geboren und studierte Architektur in Darmstadt und Florenz. Nach der Geburt ihrer ersten beiden Töchter begann sie Geschichten für sie zu erfinden und zu zeichnen. Mit der Zeit sind viele Bücher daraus geworden, die bei verschiedenen Verlagen erscheinen. Heute hat Antje Damm vier Töchter und wohnt mit ihrer Familie, einer Katze und einer Schildkröte in einem Fachwerkhaus in der Nähe von Gießen.

Inhalt

Spätzle

Wochenende und fast nichts los

Omabesuch, PeterSilie und Pralinen

Pläne mit Paul und eine Reiseerlaubnis

Käferfahrt und wieder mal Aldi

Eveline, Napoleon und eine Entdeckung

Graue Hallen und Brennnesseln

Der Tag vor der Nacht

Angstschweiß und Gänseglück

Impressum

Für Ida und Mia,
die die Welt retten möchten!

 

Wenn ich mit Oma in der Küche stehe und Spätzle hobeln darf, dann fühle ich mich ein bisschen wie ein Sternekoch. Das sind die Köche in den feinen Restaurants, in die wir nie gehen, weil schon eine winzige Vorspeise viel zu teuer ist. Meine Oma ist nämlich die beste Spätzleköchin der Welt und gleich danach komme ich.

»Auf geht’s, Nick!«, sagt sie, grinst und ihre vielen Runzeln tanzen in ihrem Gesicht umher. Sie gibt mir den Spätzlehobel und füllt den Teig hinein. Und dann kommt mein Job und ich schabe den zähflüssigen Teig ganz vorsichtig in den Topf mit kochendem Wasser. Das ist eine sehr schwierige Angelegenheit, denn man kann sich leicht am Wasserdampf verbrennen, und man muss den Hobel in einer bestimmten Geschwindigkeit hin und her bewegen, sonst werden die Spätzle zu klein oder zu dick. Echte Spezialistenarbeit eben. Und es ist jedes Mal ein kleines Wunder, wenn die ­flüssigen ­Teigtropfen ins Wasser plumpsen und nach einer Weile als fertige Spätzle langsam wieder auftauchen.

»Wir sind doch richtige Zauberer!«, sagt Oma dann und gibt mir einen Löffel, mit dem ich ein paar Spätzle aus dem Topf fischen und probieren darf.

Zum Mittagessen versammeln sich Mama, Joschi – mein großer Bruder –, Oma und ich am gedeckten Tisch. Manchmal kommt Papa in der Mittagspause auch nach Hause und isst mit. Mama verteilt die dampfenden Spätzle auf den Tellern. Oma schüttet langsam und vorsichtig die Bratensoße drauf.

Oma wohnt bei uns im Haus im ersten Stock, seit Opa tot ist. Das ist jetzt schon bestimmt vier Jahre her. Sie ist zu uns gezogen, damit sie nicht so alleine ist. Vorher hat sie mit Opa in einem Haus in einem kleinen Dorf gewohnt. Ich finde es schön, dass sie bei uns ist. Ich weiß aber nicht, ob Oma das auch so schön findet. Manchmal merke ich, wie sehr sie den Opa vermisst. Zum Beispiel, wenn ihr Wasserhahn tropft, dann seufzt sie und sagt: »Ach, wenn doch nur der Karl noch da wär …!« Und manchmal erzählt sie von ihrem alten Zuhause in dem kleinen Dorf, in dem jeder jeden kannte und man dauernd eingeladen wurde, zur Hochzeit, zum Geburtstag oder auf Beerdigungen. Da ist Oma immer besonders gern hingegangen, denn dann konnte sie ihr feines schwarzes Kleid anziehen, traf alle Leute und Kuchen gab es auch noch.

»Kann ich mal den Ketchup?«, fragt Joschi, angelt nach der Flasche und stößt dabei ein Glas Apfelschorle um. Mama stöhnt, springt auf und holt einen Lappen. Mama ist sehr ordentlich, und am liebsten würde sie jetzt nicht nur einen Lappen auf den Tisch legen, der die Apfelschorle aufsaugt, sondern gleich den ganzen Tisch neu decken.

»Mensch, Joschi, du und dein Ketchup. Kannst du nicht mal aufpassen?«, schimpft sie.

Joschi schüttet nämlich auf alles Ketchup drauf, egal was auf seinem Teller liegt.

»Du kriegst noch mal eine Tomatenallergie und dann musst du verhungern!«, sage ich.

»Blödmann!«, antwortet Joschi und sieht mich böse an.

Toll, dass er überhaupt mal was sagt!

»Selber! Wie kann man so leckere Spätzle nur so verschandeln!«, antworte ich.

Joschi ist in der Pubertät, das sagt Mama zumindest immer. Ist so eine Art Krankheit. Man merkt es daran, dass er nicht viel redet und überall Pickel im Gesicht hat.

»Habt ihr schon gehört, dass Fürst Albert seiner Frau zum Geburtstag angeblich einen Nachttopf aus Gold mit Herzchen drauf geschenkt hat, damit sie nachts nicht mehr so weit durchs ganze Schloss aufs Klo rennen muss?«, fragt Oma.

»Omaaa!«, sagt Papa. »Du immer mit deinen Klatschgeschichten …«, und er rollt mit den Augen.

Oma kennt sich in der Welt der Reichen und Schönen richtig gut aus. Und beim Mittagessen bekommen wir dann genau erzählt, wer mit wem und wie und so.

»Ach, und habt ihr schon gehört, dass der Pudel von Heino seiner Urologin ans Bein gepisst hat?«, startet Oma einen neuen Versuch und Mama sagt: »Ja, Oma, interessant … also die Spätzle sind heute wieder mal sehr lecker! Habt ihr gut gemacht.« Sie nickt mir kurz zu, klemmt sich eine Haarsträhne hinters Ohr und guckt dabei ein bisschen genervt.

»Ja, lecker … wirklich!«, murmelt auch Papa mit vollem Mund.

»Was ist denn eine Urologin?«, will ich wissen. Aber Mama und Papa geben mir keine Antwort.

Oma grinst, stupst mich unter dem Tisch an und zwinkert mir zu. »Das ist eine Pipiärztin für Männer«, flüstert sie. Wir kichern beide.

Ich mag Omas Geschichten. Manchmal setze ich mich zu ihr in die kleine Küche, auf ihr geblümtes Sofa, das schon immer ziemlich wackelt, weil es nur drei Beine hat, und dann fängt sie an zu erzählen, von früher, als sie ein kleines Mädchen war und lange geflochtene Zöpfe hatte, die ihr bis zum Po gingen.

In Omas Wohnzimmer hängt ein Foto von ihr, als sie ungefähr so alt war wie ich jetzt. Sie sieht lustig aus, mit der großen Schleife auf dem Kopf. Ich höre ihr gerne zu, denn sie vergisst zwar manchmal meinen Namen, aber an früher erinnert sie sich ganz genau. Dann trinkt sie ein Schlückchen Eierlikör aus einem winzigen grünen Glas, und ich darf Marzipanschnittchen futtern, die sie in einer alten Kaffeedose versteckt hat. Ich weiß nicht, wieso, aber die Schnittchen sind nie alle, obwohl Oma so gut wie nie einkaufen geht. Sie ist nicht mehr so gut zu Fuß und Mama bringt ihr alles mit.

»Kann ich nach dem Essen mal zu Paul?«, frage ich in die Runde und hoffe, dass Mama nicht an die Hausaufgaben denkt, die ich eigentlich noch machen müsste.

»Musst du nicht noch …?«, fängt sie an und ich gebe auf.

»Ja gut, erst Hausis, aber dann darf ich, oder?«

»Ja«, sagt Mama. »Und denk dran, morgen ist Samstag.«

Das bedeutet, dass ich mit ihr zu Aldi gehen und die Tüten schleppen muss. Ich hasse Samstage. Aber Mama braucht mich, weil sie es im Rücken hat und kein Auto fährt. Wir haben auch gar keins. Papa fährt mit der Straßenbahn zur Arbeit und Joschi und ich können zur Schule laufen.

Ich trage mit Joschi die leeren Teller in die Küche, setze mich dann in mein Zimmer, packe meinen Rucksack aus und versuche die Mathehausaufgaben zu machen. Sonnenstrahlen fallen auf den Schreibtisch und werfen Streifen auf die Heftseiten, sodass ich kaum was erkennen kann. Aber das wäre auch ohne Sonnenstrahlen so. Ich versteh Mathe einfach nicht!

Also gucke ich ein bisschen aus dem Fenster in ­Pauls Garten. Paul ist unser Nachbar. Er hat ein kleines Haus direkt neben unserem Wohnblock. Meistens ist Paul den ganzen Tag in seinem Garten, sät, gräbt um und pflanzt und erntet natürlich auch ziemlich viel. Und weil er alleine ist und das alles nicht aufessen kann, kriegen wir immer was ab. Im Frühling Erdbeeren, Spargel und Radieschen, im Sommer Zucchini, Salat und Kirschen und im Herbst Kohl, Sellerie und Zwiebeln.

Oma sagt, Paul hat einen grünen Daumen. Und manchmal besucht sie ihn, sitzt auf seiner Gartenbank und unterhält sich mit ihm über Pastinakenanbau, wie man Nacktschnecken vertreibt, wann man die Holunderhecke schneiden soll und wo die Rotschwänzchen am liebsten nisten. Wir haben keinen richtigen ­Garten, nur so einen kleinen Vorgarten, aber da wächst außer Gras nichts und die Hunde kacken immer hin.

Paul weiß fast alles, er ist wirklich der schlauste Mensch, den ich kenne. Man merkt es auch daran, dass er in seinem Haus mindestens eine Million Bücher gehortet hat. Im Grunde könnte er eine Stadtteilbibliothek eröffnen, er müsste nur den ganzen Kram ein bisschen sortieren. Die Bücher stapeln sich nicht nur in den Regalen, sondern auch auf dem Boden, und sogar im Klo liegen sie rum. Paul behauptet, er hätte sie alle gelesen. Rein rechnerisch müsste er also mindestens 300 Jahre alt sein.

Ich klappe das gestreifte Matheheft wieder zu. Mathe ist einfach nicht mein Ding.

»Mama, ich bin fertig!«

»Ja, aber um fünf bist du wieder zu Hause!«, antwortet sie.

Paul gräbt gerade seinen Kartoffelacker um, als ich über den Gartenzaun spähe.

»Soll ich dich drüberheben?«, fragt er, als er mich sieht.

Dann fliege ich über den Zaun und helfe Paul ein bisschen beim Umgraben. Es ist Freitag und das Wochen­ende steht vor der Tür.

 

Morgens wache ich auf und denke an das Wochenende, das vor mir liegt. Wochenenden sind blöd! Das liegt zum einen daran, dass meist nichts los ist, und zum anderen am leidigen Tütenschleppen.

Nach dem Frühstück gehen wir los. Der Aldi liegt zwei Straßen weiter im Industriegebiet neben einem Baumarkt.

Ich kenne mich schon genau aus bei Aldi. Was wo in welchen Regalen liegt.