image

Harald Gröhler

Inside Intelligence –

Der BND und das Netz der großen

westlichen Geheimdienste

Dezember 2015

Harald Gröhler

Inside

Intelligence

Der BND und das Netz der großen
westlichen Geheimdienste

Verlag Neuer Weg

Zum vorliegenden Buch

Die Kapitel

Einleitung: Herrn Gehlens Tempo

Schweizer Gegebenheiten. Schweizer Vergangenheiten aus dem zweiten Weltkrieg, Schweizer Geheimdienste. Die Wikinglinie. Mr. Allen W. Dulles in Bern. Das auf Gehlen ausgesetzte Kopfgeld. Gehlen von Fremde Heere Ost, einer Zivilistin Lazarettzüge empfehlend

1. Die effektive Schlagkraft der Sowjets

Gehlen arbeitet an der Erhaltung seiner Stahlkoffer. Bad-Elster-Treff (Gehlen, Wessel, Baun) 1945 als entscheidende Weichenstellung. Baun: Agentennetz im Gepäck. Gehlen mit dem Amerikaner Sibert. Gehlen in USA 1945/46. In Fort Hunt bereits Fäden spinnend. Baun funkt ab März 1946 nach Osteuropa hinein. Baun und Gehlen stimmen sich ab. Die Atmosphäre in der Organisation Gehlen

2. Die Blue Houses im Taunus

Kuriere. Kennkarten und Amerikaner. Ein Koordinierungsbüro der Central Intelligence Group von Dulles. Dulles und dessen Schweizer OSS-Vorlauf. Covert Action. Bauns Funkanstrengungen durchkreuzt der englische KGB-Spion Philby. Ein Psychogramm

3. Das Pullacher Compound

3,1 Millionen Kriegsgefangene abschöpfen. Sowjetzonenflüchtlinge im Rasterverfahren. »Tote Briefkästen« 1946 und wieder im 21. Jahrhundert. Die Pullacher Umfassungsmauer, und das Leben dahinter. Der Berliner Neubau an der Chausseestraße. Org-Unterabteilung ›Sicherheit‹, alles überwuchernd. Disziplinierungen; hingegen die Ehefrauen. Vertrauenskrisen

4. Adenauer erfindet

Ein später immer verleugnetes häusliches Gespräch. Jahresetats. Filialen für die Organisation Gehlen. Neurosen und Informationsgewinn. Sperrkreise in Pullach. Decknamen, definitiv. Globke, dazu tretend. Die Bestechung der Globke-Vorzimmerdame

5. Der Vatikan

Eine Org-Außenstelle mit im Palais Schaumburg. Spion Felfe wird eingeführt. Wien. Die Neuverwendung der »rat line«; die Rolle von zwei Päpsten und des US-Dienstes CIC. Globke-Bestechung seitens Gehlens. Journalisten, um eine gute Presse zu bekommen. Zaisser, Wollweber, Wolf, MfS. CIA, Org und die übrig gebliebenen Displaced Persons. CIA-Guerilla-Kader, Afghanistan. Der pakistanische ISI. Osama bin Laden. Gehlen bekommt Kenntnis von der NSA. BND arbeitet mit dem Iraqi Intelligence Service zusammen. BND, Mossad

6. Umwandlung in den BND

Geldsummen. Der Treff Strauß, Eberhard Blum, Gehlen. Gesetzwidrige Inlandsaufklärung. NSA und NRO, Edward Snowden. Echelon. Das Geheimste des BNDs. Mira4 und Veras des BNDs. Verwandte einsetzen im BND. Die BNDFiliale in der Bergensgade, Kopenhagen. Die Herkünfte aller BND-Infos. Die Bedeutung von Auslandsagenten. Für mehrere Geheimdienste arbeiten?

7. Der französische SDECE

Die geheime Telefonnummer von Gehlen. Abwehrchef Canaris – Gehlens gefühlte Nähe, Irrtum. Kopenhagener Auslandsfilialen SDECE und CIA, Beziehungen untereinander. Gegenspionage-Phänomene

8. Entsorgungsprobleme

Geheimdienstvernetzung und Animositäten. PCVerbindungen im BND. Gehlens intransigenter Hass auf de Gaulle. SDECE, DGSE, CIA. Homebasing des CIA seit 1996 und die bin-Laden-Einsatzgruppe. Nie ausgezahltes Gehlen-Kopfgeld; das bin-Laden-Kopfgeld. Das Thema Sicherheit bei Geheimdiensten. Das deutsche BSI-Amt. Wirtschaftsspionage, William Binney und die NSA. Snowden, Helfer Snowdens. Medienbewegungen. Schindlers BND-Beteuerung. »Abwerbung« einst in der DDR, der lange Arm des KGBs. BND-Papierabfall

9. »Ehrungen«

Die Zeit einer Sekretärinnenherrschaft. Der unbekannte KGB. Eine Verhaftung; und Warnungen schleunig jetzt zerreißen. Humint, Sigint, Techint. Das Fichtelgebirge contra Satellitenkommunikation. Der BND und das HiROS-6-Satelliten-Projekt. BND-Schindler widerspricht 2014 einem EU-Untersuchungsausschuss

10. Antifolter

Die Gladio-Einheit. Umgang mit ihr unter den verschiedenen BND-Präsidenten. Herbert Wehner töten. Waffen ausschalten; Waffenelektronik heute. »RMA«. Das Veralten der geheimen Informationen. Westliche Geheimdienste und doch Mord-Erlaubnis. BND plus Augstein contra Strauß. Eine Sause Augstein, Strauß

11. Tochter Gehlen spuckt

Die größte Pleite des BNDs? Bei Professor Erhard im Palais Schaumburg: Gehlen. Der BND, die SS. Die Crome-Untersuchung, von Gehlen selber wieder unterlaufen. Zahlen-Belege. Eine Linksverdächtigen-Kartei in Pullach. Paul Thümmel und die SS

12. Geld waschen und Ausspähung

Neue Aufgaben. Lockresidenturen. Vagabundierendes Plutonium. Waffen, BND-Verkäufe aus Bundeswehrbestand und Kanzler Erhards diesbezügliche Interessen. Biologische Waffen und BND. Die gigantischen Informationsmengen. Die NSA findet Uschi. Schlüsselwörter gebrauchen. Ein Handy herumliegen lassen. Sein Handy dabeihaben und sterben. Eine neue Bewusstseinslage. Assange, WikiLeaks. Wieder Snowden-Helfer. Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club. Gesetzgebung vom Transatlantik her ausstrahlend. Angela Merkel

Literatur

Personenverzeichnis

Zum vorliegenden Buch

Das Buch »Inside Intelligence – Der BND und das Netz der großen westlichen Geheimdienste« geht von den Anfängen des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) aus. Daraus leiten sich bis heute das Image, die Präsenz des BNDs sowie die jetzigen Beziehungen des BNDs zu anderen dominierenden westlichen Geheimdiensten ab.

Entscheidend ist, dass das Buch auf Tatsachen basiert: Es baut auf den Dutzenden Gesprächen auf, die der Autor Harald Gröhler mit Uschi Mauve führen konnte, die 15 Jahre lang zu Reinhard Gehlen persönlich Zugang hatte und die Tochter einer Freundin Gehlens aus den Zwanzigerjahren ist. Die Daten und der Text weisen somit eine konkret-persönliche, authentische Seite auf, wie sie sonst inzwischen gar nicht mehr zu haben ist. Andere Bücher über den BND – und die Autoren dieser Bücher – sind nie so nah an die zentrale Person Gehlen herangekommen.

Dass der BND nach wie vor etwas Geheimnisvolles, ja manchmal Unheimliches hat und nicht einfach als ein Netzwerk wie andere begriffen wird, liegt vor allem an der Herkunft des BNDs. Die Strukturen wurden schon durch die Vorgängerorganisation festgeschrieben. Das war die als ›Organisation Gehlen‹ in den Sprachgebrauch eingegangene, in Wahrheit lange unbenannt gewesene Spionagegruppierung, die Gehlen von 1946 an aufzog.

Gehlen wird in diesem Buch nicht gehätschelt. Er wird vor allem spöttisch behandelt. Wo kam Gehlen her? Er war Generalmajor der Wehrmacht und in der zweiten Hälfte des zweiten Weltkriegs Leiter der militärischen Feindaufklärung Fremde Heere Ost.

Am 4. 4. 1945 entwickelten die drei ›Feindaufklärer‹ Gehlen, Baun und Wessel (der später, ab 1968, BND-Präsident war) ein Aktionskonzept für einen neuen deutschen Geheimdienst in der zu erwartenden Nachkriegszeit. Gehlen wurde zwei Wochen nach Kriegsende in den bayerischen Alpen vom CIC, der Abwehrpolizei der US-Army, gefangen genommen; aber Gehlen verstand es dann, sich ganz an die Amerikaner und ab 1946 an den soeben gegründeten CIA anzulehnen. Mit dem Gründer des CIA, Allen W. Dulles, verband ihn allmählich Freundschaft. Der CIA finanzierte vollständig die Organisation Gehlen, und Gehlen ließ den CIA teilhaben an sämtlichem Material, das die Org (Organisation Gehlen) erstellte. Am 1. 4. 1956 wandelte Gehlen sein Spionagenetz mit Adenauers Zutun in den BND um.

Die Org und der frühe BND haben in der westlichen Welt eine komplette Generation beeinflusst und von daher auch viele von uns heute Lebenden. Org und BND gaben an bundesdeutsche Regierungsmitglieder und an den CIA die Spionage- Auswertungen weiter: Diese Informationen waren immer tendenziell ausgesucht und oft mit kalter Hand überzeichnet. Vor allem auf ihnen fußten lange Zeit die US-Außenpolitik – der Sowjetunion gegenüber – und Adenauers Politik. Der BND wusste darüber hinaus immer die überregionale Presse und die großen Medien zu instrumentalisieren, meist über verdeckt honorierte Journalisten. Org und BND prägten auf die Weise die Wertesysteme des Westens im Kalten Krieg mit, bis in die Mitte der Sechzigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts (BND-Präsident Gehlen wurde 1968 pensioniert).

Die Weichenstellungen aus der entscheidenden Anfangszeit werden bis heute weiter verfolgt. Mit eingegangen wird dabei auf Parallelentwicklungen oder konträre Entwicklungen von anderen großen westlichen Diensten, auf die Verzahnung des BNDs mit anderen fremdstaatlichen Geheimdiensten, auf die Überflügelung des BNDs durch die US-Geheimdienste NSA und NRO, die über gigantische finanzielle Ressourcen verfügen. Die neuen Entwicklungen erscheinen in dem Buch in größerem Zusammenhang. Neue Arbeitsfelder des BNDs und die älteren, teilweise schlicht illegalen – wie der BND-Waffenhandel in Spannungsgebiete hinein – werden deutlich gemacht.

Die Reaktion einer breiten Öffentlichkeit auf die geheimdienstlichen Mega-Ausspähungen ist von den Geheimdiensten so nicht erwartet worden. Vor allem seit Edward Snowden (Juni 2013) ist die Allgemeinheit aufgeschreckt, sie fängt ernsthafter an sich zu wehren. Der BND geriet ein weiteres Mal in den Fokus der Medien. Ausgespäht zu werden, das lässt die Bürger nicht mehr gleichgültig.

Der Autor Harald Gröhler hat den dubiosen, schillernden Mann Gehlen mehrere Male auf dessen Privatgrundstück und in dessen Haus in der Waldstraße in Berg treffen können (unter geheimsten Vorkehrungen Gehlens). Mehrmals sprach er mit einem der entscheidenden Gegner Gehlens, mit Markus (›Mischa‹) Wolf vom Staatssicherheitsdienst der DDR. Insgesamt 5 400 Stunden Recherche stellte der Autor an für dieses Buch – und doch nicht zu viel über die mehr denn je uns alle tangierende Geheimdienstwelt.

Einleitung Herrn Gehlens Tempo

»Kemmeriboden-Bad!« ruft der Postbusfahrer nach hinten, ohne seinen Kopf zu wenden.

Kemmeriboden-Bad, das ist ein kleiner, ja winziger Badeort in der deutschsprachigen Schweiz. Südöstlich von Bern, nördlich von Interlaken. Die Badeabteilungen alle in Stein aufzuführen, dazu hat es in Kemmeriboden nicht gereicht. Das Bad ist von der »Krankenversicherung«, den schweizerischen Krankenkassen, vergessen. Und wenn ein Heilbad so sehr vergessen ist, dann vermutet in den holzgebauten Bade-Anlagen auch kein Mensch geheimdienstliche Aktivitäten. Nicht einmal der einheimische schweizerische Armeenachrichtendienst AND wird sich hier betätigen, nicht einmal der schweizerische Strategische Nachrichtendienst SND; der Dienst für Analyse und Prävention DAP argwöhnt hier nichts und nicht das Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces, das mit Unterstützung der Schweizer Regierung arbeitet. Und sonst? Die Herren etwa des Referats Schweiz / Liechtenstein des Amts VI B 3 vom Reichssicherheitshauptamt sind seit 1945 ausgeräuchert. Durch die hatte Herr Gehlen aber noch von Kemmeriboden-Bad Kenntnis erlangt. War deshalb die Vermutung, Kemmeriboden-Bad sei geheimdienstlich belanglos, doch etwas vorschnell? Ein Dutzend Badegäste tummeln sich schon allemal hier.

Bezahlt und gesponsert von Reinhard Gehlen spannen in Kemmeriboden-Bad Helene und deren knapp erwachsene Tochter aus, ein paar Tage lang.

Von Reinhard sprechen sie. Reinhard, dem Geheimdienst-As, dem berühmten und gleichzeitig unbekannten Mann, den Helene Mauve eben doch noch besser kennt als Tochter Uschi. »Das Tempo« – sagt Helene zu ihrer Tochter – »das gibt Reinhard an, das bestimmt der.«

Helene gesteht ihrer Tochter noch anderes; Uschi nimmt sie ins Kreuzverhör, und Uschi wird von Frage zu Frage klüger. Niemals etwa hatte sich Helene Koketterie geleistet. Dabei war, kokett zu sein, flott zu sein, nach dem ersten Weltkrieg schwer in Mode gekommen, besonders bei Großstädterinnen. Überall um Helene herum flirteten Gleichaltrige damals; neben Helene beispielsweise deren eigene Schwester. Ob Helene nicht gewusst hatte, wie das anstellen – zu flirten –, oder ob sie das nur verabscheut hatte, darüber schweigt sich Helene aus, auch vor Uschi. Oder gar dass Helene einen Flirt bis zu der Gegend ihrer Oberschenkel hin verlängert hätte, auf keinen Fall.

Aber irgend etwas, wenn schon nicht süßes verheißungsvolles Petting, musste Helene doch treiben. Sie kletterte; dies anfänglich als kleines Mädchen und versuchsweise, an der Scheibe der Wohnzimmertür, später nicht ganz so steil mehr in den Hirschberger schlesischen Falkenbergen und am Eiger (Nordwand). Hier im Berner Oberland hatte sie sich auch für das Gehen einige Male einen Bergführer genommen, sie war nicht hundertprozentig schwindelfrei, und weil sie immer schnell an das Wohl ihrer Mitmenschen dachte, missbilligte sie Schludrigkeit sogar in der Schweizer Bergwelt, sie hatte an einem Abgrund zu dem Bergführer neben sich gesagt: »So ein gefährlicher Abschnitt hier? Da gehört doch wirklich ein Geländer her!«

»Halten zugute, das gnädige Fräulein: Hatten wir ja früher auch. Aber auf die Dauer ist das einfach dem Kanton zu teuer geworden …«

»Zu teuer. Zu teuer!«

»… die Touristen haben die Geländer immer mit sich in die Tiefe gerissen.«

Uschi will eigentlich nur von den Flirts noch mehr wissen; Helene zögert schon wieder mit Antworten. Helene zögert nicht nur wegen Uschis indiskret werdenden Fragen, sondern sie kommt sich in dieser gottverlassenen Holzwändebadeanstalt unbehaglich vor. Sie denkt auch daran, was für ein Kopfgeld auf ihren Jugendfreund Reinhard ausgesetzt ist. Eine Million. Und ihr dämmert es, dass sie unter dem Schutz dieses so gefährdeten Mannes ungeschützt ist; sie und ihre Tochter. Die Tochter ist vielleicht noch mehr gefährdet, denn die arbeitet jetzt bei Reinhard mit. Helene stellt sich mehrfach vor, eine dieser quietschenden Holztüren geht auf. Öffne sich, von allein. Oder eben nicht von allein, und jemand Unerwartetes erscheint auf der Bildfläche. Sie deutet nun auch vor Uschi an, im zweiten Weltkrieg habe es seltsame Verbindungen gegeben vom deutschen Oberkommando der Wehrmacht (OKW) zu schweizerischen höchsten Dienststellen, und über die immer schon dunkel gewesene so genannte Wiking-Linie des deutschen OKWs zum Schweizer Generalstab sei bis heute noch nicht das letzte Wort gesprochen. Helene merkt dabei, dass ihrer Uschi die Wiking-Linie überhaupt unbekannt ist. Das beunruhigt Helene erneut. Genauso die Beziehungen führender SS-Chargen zu Mr. Dulles, sagt Helene nach einer Stunde nervösen Wasserplätscherns und Badens, lägen noch verflixt im Dunkeln. Dulles war im Herbst 1942 als Sonderbeauftragter des Präsidenten Franklin Delano Roosevelt in Bern eingetroffen, hier nahebei. Allen W. Dulles war, genauer gesagt, der Büroleiter des amerikanischen Geheimdiensts OSS in Europa und Dulles hatte von Bern aus mit seinen Spionen telefoniert. Die Kontakte von Dulles zu leitenden SS-Angehörigen waren auch noch sehr ungeklärt. Kontakte seit 1944. Walter Schellenberg, saarländischer Fabrikantensohn, sehr gewandter Chef des politischen Auslands-Nachrichtendiensts im Reichssicherheitshauptamt, musste da eine Rolle gespielt haben. Diesem noch jungen Schellenberg ging es zurzeit miserabel schlecht; der SS-Mann war krank.

Den Mr. Dulles hatte Uschi von Reinhard Gehlen schon einmal nennen hören. »Indem du mich dauernd hier beruhigst …«, fing Helene vor Uschi wieder an.

Die Antwort, die jugendliche, die ihr zuteil wurde: »SS, Krieg, das ist doch schon Jahre her!«

»… indem du mich egal beschwichtigst, machst du mir erst recht Angst. Um so mehr. Tu mich doch nicht so beruhigen.«

»Ach, aber Mama.«

Um 1943 hatte Reinhard Gehlen vor Helene durchblicken lassen, dass er bei den langmanteligen, eng ledergegürteten Wehrmachtsoffizieren in einer Abteilung »Fremde Heere Ost« sein Wesen treibe. Mehr sagte er ihr nicht und mehr wusste sie damals von dieser Abteilung nicht. Es war schon viel – und knapp am Rande des Erlaubten –, dass Gehlen der Zivilistin die bloße Bezeichnung nannte.

Reinhard Gehlen war in kurzer Zeit hoch aufgestiegen in der Militärhierarchie. Und zielstrebig arbeitete Gehlen weiter an seinem Ruf, er könne besser als jede andere Person westlich der sowjetisch-deutschen Hauptkampflinie voraussagen, was die Sowjets jeweils vorhatten. Der Ruf war auch Hitler zu Ohren gekommen, vor allem hatte Gehlen aber den Ruf bei Heinz Guderian, dem charismatisch trotzigen, dem von Hitler schließlich wieder eingesetzten Panzertruppenorganisator, der so kleinwüchsig war wie Gehlen, nur noch dazu gedrungen.

Als die Rotarmisten stetig westlich vordrangen, monatelang, wusste Reinhard Gehlen in den letzten Januartagen 1945: am zehnten Zweiten etwa würden sie in Breslau sein. Bei dem langen Weg, den die Roten bereits zurückgelegt hatten, konnte einer dieses Datum zum Schluss gut ausrechnen. Sogar Breslauer Muttchen konnten das.

Reinhard Gehlen trug schwer an seinem Wissen. Deshalb telefonierte er der verheirateten Helene durch, der Freundin: »Flieh jetzt schon mal! Ich hätte hier einen Lazarettzug für dich«, und die in Hirschberg lebende Strohwitwe Helene wollte nicht. Gehlen nervte sie mit mehreren fast gleich lautenden Kurzgesprächen, jeweils einen Tag Abstand schaltete er dazwischen ein, und schließlich wandelte er etwas ab: »Das ist jetzt der letzte Lazarettzug, der durch euer Gebiet ins Westreich weiterfährt. Danach geht keiner mehr.«

Er sagte das Helene alles telefonisch, ließ sich selber nicht anrufen und machte auf die Weise Helene ziemlich Angst. Letzter Lazarettzug? Sie packte ein, ihr Mann war weg und stand beim Volkssturm – einer für sie völlig abstrakten Formation, einer Ansammlung von Menschen –, und sie wurde von ihren Schwiegereltern zum Hirschberger Güterbahnhof gebracht. Dort und nicht auf dem Personenbahnhof wartete, im Dunkeln, in der Schwärze, der absonderliche Zug voller Verwundeter. Die Verbundenen würden gleich noch etwas mehr zusammenzurücken haben; die wenigstens, die saßen und nicht lagen. Der Lazarettzug zog sich unwahrscheinlich lang hin. Die Lampen an den Lichtmasten über den Gleisen brannten nicht.

Helene wollte nach Oberfranken hingelangen, dort war Uschi. Ihre große Tochter war nach Tschirn, Oberfranken, als Pflichtjahrmädchen gekommen und in Tschirn in dieser Endphase des Krieges hängen geblieben; die Laune der quertreiberischen, eigensinnigen Erstgeborenen erwies sich nun als zukunftsträchtig.

Hier im Lazarettzug war die Welt anders. Um Helene und ihre zwei Söhnchen waren ausschließlich weiß bandagierte Soldaten; der gesamte Zug war mit denen voll. Sie wurde von den Bandagierten angesprochen und war freundlich von ihnen umgeben, ihre Söhne wurden hochgehoben und herumgereicht. Nur wollte Helene gern einmal einen einzigen nicht irgendwo weiß verbundenen Soldaten sehen.

Gehlen überblickte wohl besser russische Offiziersabsichten als deutsche. Er wusste nicht, dass dieser surreale Mullsoldatenzug in Prag neue Order empfing und seine Route ändern musste: der Zug rangierte auf ein Gleis in den Balkan, damit weitere Verwundete dann dort aufgenommen würden, und rollte auf diesem Gleis immerhin noch bis Ungarn, wo ihn, vom Lokführer bis zum letzten Bandagierten, sein Schicksal ereilte. Der Zug flog in die Luft. In Prag-Hauptbahnhof zuvor stiegen die zwei Kinder mit Helene aus, und Helene schlug sich in überfüllten Flüchtlingszügen, die derzeit voller Slowakinnen waren und in denen sie ihr zweieinhalbjähriges Kind verlor, bis an die Saale durch. Mit dem Kinderwagen kam sie an einer Abteiltür nicht vorbei; so büßte sie außerdem den Kinderwagen ein. Nichts hatte Reinhard vorausgesehen. Wahrscheinlich deshalb gestand Helene noch nach zwölf Jahren: »Ich bereu’ nicht – nein, nein –, den Kurt geheiratet zu haben.« Sie sagte das immer, wenn die Rede auf Reinhard kam.

Reinhard Gehlen war überzeugt davon, sie würde ihm wegen des Lazarettzugs unendlich dankbar sein. Im Vorfeld zu der Kemmeriboden-Erholungsreise, als Gehlen und Helene sich endlich einmal wieder sahen, erschien ihm Helene aber als einigermaßen kühl. Das fuchste den eitlen Mann. Der Geheimdienstboss kannte sich mit dieser Frau nicht richtig aus. Helenes Uschi, die mit dabei war, schüttelte selber über ihre Mutter kurz den Kopf. Reinhard redete dann auch Klartext. »Helene: Also dass ich dich da zu den Lazarettzügen im Januar, im Februar 45 gedrängt hatte und dass ich dich deshalb angeläutet hatte …«

»Ja?«

»Schon dass ich dich nur in Kenntnis gesetzt hatte – weißt du, was das bedeutet hätte, wenn es ’rausgekommen wäre? Ich wäre einen Kopf kürzer gemacht worden. So ist das!«

1. Die effektive Schlagkraft der Sowjets

Gehlen war ein Mann, der gern den geheimen Tätigkeiten anderer nachforschte; wobei er unbedingt geheim bleiben wollte. Sein Wunsch ging in Erfüllung: Reinhard Gehlen ist heute weidlich unbekannt. In den Fünfziger und Sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts kannte den Gehlen fast jeder in der westlichen Bundesrepublik. Allerdings kannte man ihn nicht von Angesicht. Von nahem kannte ihn kaum einer. Er trug eine pechschwarze Sonnenbrille, und im Freien trug er, tief ins Gesicht hinein gezogen, manchmal einen Hut.

Mit seiner Ausforscherei brachte er es zu etwas. Zum Generalmajor befördert worden war er am dritten Dezember 1944. Und was mehr wog – denn General wurde ja so mancher –, er diente als Chef der Stabsabteilung Fremde Heere Ost. Das heißt, er überzog die sowjetischen Armeen mit umfassender Spionage. Mit derartiger Spionage beschäftigte er sich schon seit dem 1. April 1942. Da war er noch Oberst gewesen und – empfohlen von General Adolf Heusinger – damit betraut worden, aus der unzulänglich funktionierenden Abteilung Fremde Heere Ost (FHO) eine effiziente Arbeitsgruppe zu formen. Gehlen kam dem nach mit Kriegsgefangenenvernehmungen, Funk- und Luftaufklärung, geheimem Meldedienst. Frontaufklärung, Gegenspionage, Feindlagenanalyse ermöglichten Herrn Gehlen allmählich, die jeweiligen Absichten der sowjetischen Armeeführer oft zutreffend einzuschätzen und damit vorauszusagen. Über all dem vernachlässigte Gehlen fast völlig die Skandinavien- und die Balkangruppe der FHO, die ihm auch noch unterstanden. Dieser weitere Auftrag Gehlens wird heute ständig vergessen.

Ende März 1945 war die Front, die Ostfront, schon arg nach Westen zurückgenommen worden. Bad Elster liegt freilich nicht im Osten, sondern in Südsachsen, und am vierten Vierten fünfundvierzig traf sich Gehlen in Bad Elster mit noch einem großartigen Frontaufklärer: mit Hermann Baun. Der war Oberstleutnant und sprach Deutsch nach Art eines östlichen Auslandsdeutschen, weich und rollend; dunkler als sie im »Reiche« sprachen, und Baun, aus Odessa, sah sich deshalb oft von grinsenden Offizieren umgeben: Baun erheiterte oft genug die hochnäsigen mitteleuropäischen, kerndeutschen Nachrichtenoffiziere. Unfreiwillig bewirkte er das … was anderen weder beabsichtigt noch unabsichtlich gelang. »Köstlich, köstlich«, bekam er völlig sachfremd von früh bis spät immer wieder zu hören.

Zu dem Bad Elsterschen Treffen schleppte Gehlen außerdem den Oberstleutnant Gerhard Wessel mit an, seinen Stellvertreter – der ein, zwei Jahre vorher noch wie ein Schuljunge so zart ausgesehen hatte (anhand der Fotos ist das auch siebzig Jahre später zu erkennen). Wessel war elf Jahre jünger als Gehlen, Baun damals fünf Jahre älter als Gehlen, und so blieb’s auch fürderhin. Geraume Zeit später sollte Gehlen öffentlich über Baun vermerken, er verfüge über eine diffizile Zweinaturenmentalität, jetzt in Elster war Baun aber eher gewillt, eine Schraube schlicht mit dem Hammer ins Holz zu treiben, und nicht, sie hineinzudrehen; für Differenzierungen war jetzt nicht mehr die Zeit.

Auch Baun hätte sich gerne, Gehlen gegenüber, selbstherrliche Urteile oder Charakterisierungen erlaubt; er verkniff sie sich meistens. Zumindest durch die Achselstücke an Gehlens Uniform wurden die beiden Oberstleutnants Wessel und Baun laufend daran erinnert, dass der schmächtige, man vergebe, der spirrlige, verzeihe, der zierliche Gehlen ihnen über war.

Vor einem Dreivierteljahr hatte der Schmächtige sich sogar schon einmal in Bad Elster aufgehalten, damals nur nicht mit den roten Biesen der Hosen eines Generalstabsoffiziers, sondern, unter den Schlafanzugshosen, mit einem übel roten Strich die Vene entlang, und hatte eine schwere, schmerzhafte Blutvergiftung auskuriert; seinerzeit befand er sich rechts vor dem Elstersäuerling im Hotel Sachsenhof, das als Lazarett diente, jetzt war er hundert Schritte weiter links im Kurhotel Wettiner Hof, und im Moment quälte er sich mit dem Fensterflügel des Besprechungszimmers ab, der nicht aufgehen wollte. Der war wohl gequollen. Der riesige Wettiner-Hof-Kurhotelkasten hatte Feuchtigkeit.

Die drei Herren verplauderten allerhand Zeit; dann, an einem Fenster des Kastens beisammenstehend, schmiedeten die drei langmanteligen Leute einen Plan.

»Jawollja.« Sagte Gehlen. »Eine neue Karriere müssen wir uns also sichern.«

»Jawollja. Wir müssen«, wiederholte Baun, er allerdings nicht flüsternd, sondern schon ein paar Phon kräftiger als Gehlen, »uns eine andre Karriere aufbauen.« Und Wessel widersprach Baun und pflichtete seinem Gehlen bei.

»Sehr richtig«, sagte Gehlen. »Dafür wird es bannig Zeit.« Gar zu viele Geheimnisse meinten sie im laufenden Krieg sowieso nicht mehr lüften zu können. Erst nach der totalen Niederlage – etwas, das auszusprechen sie mit dem Leben bezahlten, sofern es irgendeine Plaudertasche mit anhörte – wollten die drei durchaus im alten Stil weiterwursteln. Gehlen nahm an, dass sich Amerikaner und Russkis bald verzanken würden. Hunderttausende von Deutschen sahen das voraus, es war damals eine Allerweltsprognose, und die armseligen Fritzen wollten sich dann an die Amerikaner heranschmeißen. Er hingegen, Gehlen, gedachte darüber hinaus diesen Amerikanern eine ordentliche Morgengabe mitzubringen und sich dergestalt einzuschmeicheln: Er wollte ihnen das komplette Lagebild der sowjetischen Streitkräfte und eine Personalkartei der Sowjetarmee in die Hände spielen und ihnen einreden, wie gefährlich ihr eigener Verbündeter sei. Und Hermann Baun, was wollte er den Amerikanern andienen? Er, als Chef von Walli 1, der unter diesem Tarnnamen arbeitenden Frontaufklärungsleitstelle 1 Ost, Baun, der Ukrainedeutsche, der dreisprachig aufgewachsene, jetzt fünfsprachige Mann, er hatte ein Agentennetz mit im Gepäck. Es reichte bis nach Moskau hin und bestand vor allem aus russischen Freiwilligen.

»Nicht schlecht, Herr Specht«, sagte Gehlen zu Baun und lobte ihn so.

Ein wenig später beeinflusste dann Gehlens Organisation den Herrn Adenauer und über Herrn Staatssekretär Globke noch einmal Herrn Adenauer; der Planungsbeginn der drei Männlein im Elsteraner raffiniert jugendstiligen und mit eleganten cremefarbenen, porzellanenen Fließwasserwaschbecken ausstaffierten Wettinerhofhotel hat nachgerade Weichen gestellt – bis zum heutigen Tage. Gehlen mühte sich erfolglos mit dem linken Fensterflügel des Hotelkonferenzzimmers ab, aber hatte eine glückliche Hand, wo es künftige Freunde auszusuchen galt. Viermal insgesamt rappelte er an dem Fensterflügel, der nur eine einzige große Scheibe hatte und über dem und über dessen Pendantflügel sich – so lang wie beide Flügel – das feste, nicht bewegliche obere Fensterteil aus achtzehn kleinen Scheiben hochzog. Oberstleutnant Baun stand auf und tat nur einen kräftigen Ruck – und hatte die große Fensterscheibe quer durch mit einem Sprung versehen.

»Danke«, sagte Gehlen.

»Hm«, erwiderte Baun.

Zuletzt vereinbarten die drei künftigen Freunde der Amerikaner, wie sie sich gegenseitig nicht aus den Augen verlieren möchten, und als lebenden Briefkasten wählten sie, darin diesmal nicht viel anders als ordinäre Spione, einen katholischen Domprediger aus; einen, der später Bischof von Regensburg wurde.

Fünf kurze Tage, nachdem die drei aus den altmodisch raffiniert aufgeteilten Fenstern auf ihre und auch unsere Zukunft geblickt hatten, wurde Gehlen freilich schon in seiner Karriere geknickt. Herr A. Hitler verfügte das. Der Diktator setzte Gehlen, Reinhard, locker ab und stellte stattdessen Wessel, Gerhard, auf das öberste Treppchen der Fremden Heere Ost. Gehlen hatte dem Herrn Heil Hitler zu oft Niederlagen vorangekündigt und nun noch ein, zwei Wahrheiten zuviel; das ließ sich der Braunauer Diktator nicht mehr gefallen.

Gehlen-Reinhard war nicht zu trösten. Noch Jahrzehnte später nagte es an ihm. Dass er als Chef der Fremden Heere Ost amtsenthoben wurde, verschwieg er in seinem bundesdeutschen Dasein gänzlich, und beispielsweise in dem tabellarischen Lebenslauf, den er, nachdem er pensioniert war, öffentlich machte, sparte er die Absetzung aus. Mochte die auch einer der relevantesten Augenblicke seines Lebens sein. Er retuschierte gern.

Zugleich ist erwähnenswert, wie Gehlen auf den Umstand, abgesetzt zu sein, in den restlichen drei Hitlerwochen konkret reagierte. Er brachte es nämlich fertig, alles, was er zuvor schon geplant hatte, dennoch weiter durchzuführen. Die Leute der Abteilung Fremde Heere Ost nahmen von dem hitlerschen Akt faktisch keine Notiz. Sie taten weiter, was Gehlen anordnete.

Seit Anfang des Massensterbejahres 1945, dieses Entscheidungsjahres, in dem mehr Menschen gestorben sind, als jemals sonst auf der Erde in einem Jahr in den Tod sanken, arbeitete Gehlens Abteilung FHO vor allem daran, sich selber zu erhalten: die Abteilung, der wahrlich andere Aufgaben oblagen, bediente sich selbst. Für Gehlen war das nur folgerichtig. Herrn Gehlen stiegen das Tempo der letzten paar Jahre und sein Sukzess zu Kopf. Zu Beginn des Krieges war Reinhard ein Niemand gewesen. Helene und Helenens Schwester hatten ihn immer noch etwas belächelt. Nach vier Jahren Krieg übernahm er die Abteilung Fremde Heere Ost, und er puschte sie in kürzester Zeit, in wenigen Monaten zu bemerkenswerten Erfolgen; die Abteilung FHO wurde endlich effizient. Reinhard, der schmächtige, um nicht zu sagen mickrige Mann, rückte in den Generalsrang auf. Er sah freilich auch voraus, leicht sah er das voraus, dass ihm dieser Rang in einem halben Jahr zu nichts mehr gut sein würde. Es war psychologisch naheliegend, dass Reinhard von dem Schatz, den er sich da zusammengetragen hatte – seinen Zetteln –, nicht lassen wollte. Auch die Strukturen, die er so erfolgreich entwickelt hatte, und die Verbindungen, die er geschaffen hatte, wollte er nicht aufgeben; ja, sogar von den wichtigen seiner Mitarbeiter wollte er nicht lassen; vielmehr beabsichtigte er, all das zur Basis seiner weiteren Zukunft zu machen.

Seit Anfang 1945 stellte er schon eifrig das dicke Material der Fremden Heere Ost sicher, will sagen, er befahl es sicherzustellen; das gesamte Material. Wieder und wieder ließ er Eisenbahnwaggons dafür mit benützen, Leute seiner FHO-Abteilung nach Bad Reichenhall zu verlegen, und seit Anfang April waren wenigstens die Mitarbeiter in Reichenhall erneut voll arbeitsfähig beieinander: in Reichenhall, jenem interessanten Punkt, von dem aus sie bei Bedarf schnell in die salzige und höhlige, durchhöhlte Erde hinein verschwinden konnten, so wie wir das an diesem Punkt auch heute noch können.

Mitte April befahl Gehlen, verschiedene weitere Schlupfwinkel in den unwegsamen Alpen vorzubereiten – auszustopfen, auszupolstern; dieser mutige Soldat hat sich, von einem Oberforstmeister namens Weck, die besten Schlupfwinkel ganz Deutschlands besorgen lassen, traumhafte Verstecke, von denen aus die Annäherungswege schön zu beobachten waren, von denen man sich auch gleichzeitig, wenn es gefährlich werden sollte, unbemerkt verdrücken konnte, und bei denen Wasser war. »Sehen Sie sich bitte das Wasser an.«

»Sehn wir. Und so was trinken wir.« Jemand, der getrunken hatte, erwähnte Schmutzklümpchen. Aber Herrn Gehlen kümmerten die gar nicht so. Ihm – ihm war es nur darum zu tun, seine spärlichen Haupthaare mit Wasser anzuklatschen, morgens und abends, und davon wollte er auch im April 45 nicht abgehen.

Er ließ außerdem die wichtigen Akten von seinen vierundvierzig Frauen, den meistens brav und platt und glatt gescheitelten und in rundum bestickter filzdicker Kostümjacke dasitzenden, steif meist dasitzenden und irgendwo in Busenhöhe mit ausgebreitetem Hakenkreuzadler verschönten Stabshelferinnen fotografieren. Sie fotografierten Truppenkarteien, Sonderkarteien, Akten, Berichte: interessanten Papierkram; Luftaufnahmen, Karten, Studien über Sollstärken der gerade siegenden Roten Armee, Angaben über feindliche Truppenführer vom Divisionskommandeur an aufwärts. Und weil er so pingelig und auch ein ziemlicher Philister war, ließ er sämtliche Buchstaben gleich zweimal ablichten. Er wollte unbedingt, dass doch von jedem Notizblättchen wenigstens ein Exemplar überdauere; daran hing nun einmal sein Herz. Einen kleinen Teil davon, ein Fünfzigstel, ließ er aus dem Lager Maybach I bei Zossen, dem jetzt schon von den Russen bedrohten, tief unterirdisch angelegten, fünf Stockwerke nämlich tief mit seinen zweimeterdicken Wänden hinabreichenden und bis heut noch nicht restlos erforschten Bunkersystem der Wehrmacht, dem Hauptquartier des Heeresgeneralstabs im verbliebenen Hakenreich, heraufholen. Die Kuriere mussten dazu bereits bei der ersten Schleuse fünf hintereinander liegende Eingangstüren aus dicksten Stahlplatten auftun: es wurden ihnen die übergroßen, ja riesenhaften Doppelhebelgriffe in jeder Tür herumgekurbelt, womit an den Dreißigzentimeterstahlplatten zehn Zentimeter starke Bolzen zurück- und dann wieder vorglitten; und die Kuriere verbrachten Gehlens Papier nach Flensburg. Die Hauptmasse des Archivs begleitete Herr Wessel in die südbayrische zipflige Ecke des Kreuzreichs, einen dritten Teil des Archivs ließ Gehlen nach Naumburg gehen. Reinhards Helfershelfer lagerten es da bei Freunden, in einem Keller, in dem Weinflaschen von Mäusen umtanzt wurden. Jemand der Fremde Heere Ost hatte dort Freunde oberhalb eines Naumburger Weinkellers. Dann erfuhr Gehlen als gewesener Feindaufklärer noch etwas eher als andere – und zwar von einem Manne, der vorgab, Cicero zu heißen, in Wahrheit Albaner und Kammerdiener war, in seinen paar Papieren korrekt Elyesa Bazna stehen hatte und bislang einem englischen Botschafter, dem in Ankara, die Hosen aus dem Schrank gereicht hatte: »Die Amis werden Thüringen gleich wieder hertauschen gegen ein Eckchen von Berlin.

«»Bitte?« sagte Gehlen. Denn der hellsichtige, gut informierte Reinhard war scheußlich verdattert.

»Die wollen Thüringen dem Uncle Joe überlassen.« Herrn Josef W. Dschugaschwili mithin; damals waren die Amerikaner dem Onkel Stalin noch zärtlich gesinnt und riefen ihn noch so.

Eine solche Nachricht deuchte Reinhard nun sogar abenteuerlicher als die Person des Cicero selber. Der Cicero war freilich auch sein Geld wert. Als Reinhard ihn hernach, um die Qualität der Nachricht besser beurteilen zu können, noch ein wenig abklopfte und ihn tatsächlich zum Erzählen brachte, bekam Reinhard zu hören, unter anderem: »Ja ich hab mich schon zuvor verdient gemacht, und da hat der Herr Botschafter dann auch die Schlüssel nicht mehr so mühsam versteckt.«

»Verdient gemacht, ja wie denn?«

»Na. Zum Beispiel, na ich hab auch mal dem Herrn Botschafter beim Anziehen gesagt: ›Bitte melden zu dürfen, Exzellenz haben die Unterhosen jetzt verkehrt herum an.‹ Er hat mir geantwortet, ahnungslos: ›Devil! Den Schlitz nach hinten?‹ ›Nein, Exzellenz, das Braune nach außen.‹«

Aber die Thüringen-Nachricht war ja noch ärger. Die Panjepferdchen bis Eisenach trappelnd, und damit in Naumburg die Pferdchen sowieso! Reinhard veranlasste – obwohl er, abgesetzt, hier gar nichts mehr zu kommandieren hatte –, das Archiv von den Naumburger weinseligen Mäusen weg auf zwei Lastautos umzuladen. Nach Berchtesgaden, in die sogenannte Alpenfestung, sollte es verschoben werden. Nicht ganz einfach auch dies, zumal er auf einen der Laster noch seine Frau und seine Kinderschar mit zu setzen befahl. Wochen später beteuerte Gehlen vor Amerikanern: »Wenn meine Familie in Feindeshand gefallen wär’, dann hätte dies eine Wiederaufnahme meiner Tätigkeit ausgeschlossen.«

»Bloß darum also«, sagten die Amerikaner dem Gehlen via Dolmetscherin, »haben Sie Ihre family mit draufgepackt?« Etwas happig kam das den Invasoren aus der Neuen Welt schon vor; sogar in unseren neuen, ichsüchtigen Zeiten.

»Von Karriere«, sagte Reinhard, »profitiert ja dann auch die Familie, jawohl?« Und Reinhard erklärte noch: »Die Sowjets hätten sonst meine Frau und meine vier Kinder rücksichtslosest als Druckmittel gegen mich verwendet; … ich hab ja nur den einen der zwei Laster für meine Frau teilbeansprucht.«

Die zwo LKWs rumpelten unterwegs, »dummerweise«, in einen Luftangriff hinein, »wir hatten aber echt Dusel«, so sagt der eine der heute schwerhörigen Fahrer, und sie fuhren auch heil wieder aus dem Bombenregen heraus, »erfreulicherweise. Andernfalls wär’, wenn uns die Royal-Airforce-Bomber getroffen hätten, der deutsche Bundesnachrichtendienst niemals zustande gekommen. Hat uns der Herr Gehlen dann bewiesen.« Eine Stunde später fielen die beiden behelmten LKW-Fahrer einem SS-Kommando in die Hände, sie wurden angehalten. Die SS-Burschen führten Schusswaffen mit sich, und die LKW-Fahrer wurden gezwungen, auf ein Kasernengelände zu fahren, das, mit grünlich angestrichenen Kasernen, vor der oberfränkischen Stadt Hof liegt. Die beiden gewandten Fahrer wussten, dass sie jetzt in Lebensgefahr schwebten und in größerer noch als vor einer Stunde im Straßengraben; auch wenn die Tommies da auf sie hinunter die Bomben plumpsen ließen. Die Fahrer suchten fieberhaft und fanden auf der grünlichen Kasernenrückseite ein zweites Tor. Das konnten sie aufstemmen mit einem unterm Fahrersitz entdeckten Entenfuß. Sie fuhren also hinten aus dem unangenehmen Geviert wieder hinaus, in das sie vorne gerade hinein gefahren waren, und »zeigten« damit den amtlichen SS-Rowdies – wie die LKW-Fahrer nun vor kurzem ausgesagt haben –, »was ’ne Harke ist«.

Keiner der beiden Fahrer hatte seine Marschpapiere vorgewiesen, und kein SS-Kerl erspähte, was sie aufgeladen hatten. Autos und Kräder waren damals in den Wochen knapp: die Lastwagenfahrer entkamen samt Gehlenschem Familienanhang und vor allem den diversen Akten, weil die Fahrer nicht so schnell, wie die fuhren, verfolgt werden konnten. Die zwei armen Teufel in ihren metallknopfbenähten Soldatenmänteln halfen dem Reinhard Gehlen somit unglaublich. Belohnung bekamen sie von ihm bis zu seinem Tode vierunddreißig Jahre später keine.

Die vor den Russen hinweggeführten Papierstapel ließ Gehlen schließlich vergraben: nicht nur da und dort am Wendelstein, sondern außer im Allgäu unerwarteterweise im Hunsrück; damit plagten sich verschiedene seiner FHO-Leute noch bis kurz vor dem achten Mai ab. Warum er so vieler Hände bedurfte? Warum das mühsam verscharrt werden musste? Manche Eingrabungen wurden hernach auch um ihren Inhalt erleichtert – ganz so wie er das vorausgesehen hatte – und manche Verstecke nicht. Da Reinhards Eingeweihte nicht überall gleichzeitig auf der Lauer liegen konnten, nahmen die verdutzten Finder, nicht zwar die wendelsteinischen Amerikaner und nicht die hunsrückschen Franzosen, wohl aber Deutsche, solch eine zutage geförderte Stahlkiste jeweils begeistert mit nach Hause, und sie schütteten den törichten Inhalt, der aus dem ihnen ganz unbekannten Referat IIc stammte, einfach weg.

Für seine Spionageambitionen nach Kriegsende, so machte sich Gehlen klar, würde er einiges eingeweihte Personal schon benötigen. Und um dieses Schlüsselpersonal sicherzustellen, teilte der abgesägte, der vom Braunauer abgehalfterte Gehlen die ihm verbliebenen Mitarbeiter in drei Gruppen ein. Sie sollten sich an drei vorbereiteten Geländepunkten – dort, wo die Alpen weglos zu werden anfangen – aufhalten, so lange, bis die chaotischen Tage, die er für das Kriegsende voraussah, verstrichen wären. Der Soldat Gehlen dachte sich nämlich, dass die Chewinggum-Frontsoldaten ihn und seine letzten Getreuen kaum zu einem US-General, sondern unverzüglich in ein Kriegsgefangenenlager treiben würden: die Frontsoldatenwelle wollte er gern an sich vorbeischäumen lassen und stattdessen die zweite und dritte Welle mit den Divisionsstäben abwarten. Dann, erst dann sollten sich die drei Gruppen bei der nächsten amerikanischen Ortskommandantur melden; und Gehlen schwor die drei Häufchen, die vor allem aus Nachrichtenoffizieren bestanden, eisern darauf ein: »Ihr erklärt euch zu keiner Mitarbeit bei den Amis bereit, bevor ihr nicht einen schriftlichen Befehl von mir erhalten habt.« Reinhard war, wie jedermann wusste, vom Scheitel bis zur Sohle Bescheidenheit, aber die eigene Rolle musste er denn doch klarmachen; die Amis sollten um ihn nicht herumkommen.

Der Oberförster Weck kundschaftete die drei besten Verstecke aus: auf der Wildmoosalm im Wilden Kaiser; bei Fritz, genannt Fritz am Sand nach Reit im Winkl; und auf der Elendsalm am Spitzingsee, und anders gesagt, die halben Alpen ließ Reinhard abklappern, nur damit er selbst während der Kapitulationstage sicher wäre; ein schon gigantisches Bedürfnis, sicher zu sein, steckte dahinter und somit mörderisch viel Angst. Wie gut traf es sich da, den Oberförster Weck zu kennen.

Dabei hatte Reinhard während des ganzen Krieges nicht den kleinsten Streifschuss abbekommen. Allzeit informiert zu sein, zahlte sich aus.

April 45, das waren die Tage, in denen Herr Weck mehr zu sagen hatte als solch ein angstvoller Generalmajor Gehlen. Reinhard Gehlen rollte in einem Wehrmachtskübelwagen zum Fuß der Alpen hin und fing im Weiler Valepp nah beim berühmten, schüchternen Zipfelwirt sofort an, den steilen Hang hinaufzukraxeln. Schnee lag noch, firniger Tiefschnee Ende April, viel tieferer Schnee, als Reinhard je gedacht hatte; verwandelt war Reinhard auf einmal in einen armseligen, schwitzenden Wanderer. Er pustete und schwitzte fürchterlich und stieg bis zur Elendsalmhütte, in der Leute eines seiner Vorauskommandos Lebensmittel für tatsächlich mehrere Monate aufeinander geschichtet hatten. Über sein Feldbett hängte er sich, der dreiundvierzigjährige Reinhard, einen Spruch auf.

»Laet vaeren nytt!« Dies äußerten alle Fünfviertelstunden die Angehörigen der flämischen Adelsfamilie van Vaernewyck, und seine Mutter war eine geborene Vaernewyck. »Gib nicht auf!« Die van Vaernewycks behaupteten ja auch, sie stammten in gerader Linie von Karl dem Großen ab, angeblich; jeden Morgen, bevor die runde Sonne irgendwo hervorbrach, gab Reinhard erneut nicht auf und stapfte mit seinen Offizieren in die Berge hinein.

»Wieso« – erdreistete sich der jüngste Offizier zu fragen – »müssen wir denn immer hin und her, mein General?«

»Weil ich davon ausgehe«, dozierte Reinhard vor seinem Offizier, »unsre Amis durchkämmen das Gebirge nicht weiter, als sie es mit ihren Jeeps befahren können.« Allerdings gelangte man schon zu ihrer Hütte, von der Reinhard andauernd davonlief, mit Jeep keinesfalls hin.

Jeden Abend kehrten seine Offiziere und er in die Hütte zurück; blass schaute durch die Bäume und durch das Blattwerk der Bäume eine nahezu senkrecht ansteigende Erdoberfläche hindurch. Die Alpen. Seine Freundin Helene, so dachte er einmal, hätte ihre Freude an den Senkrechten gehabt.

»Warum bleiben«, wurde er gefragt von dem jüngsten Offizier, »wir denn nicht auch nachts droben?«

»Weil ich … sicher bin, dass die Jeep-Patrouillen nur tags unterwegs sind.«

Was seine Offiziere und er aber dennoch einzuplanen vergaßen: dass sie von dem Senn, der für die Sennhütte zuständig war, an die Besatzungsmacht verpfiffen wurden. »SS«, summte der Senn, absichtlich falsch oder unabsichtlich, zu einem x-beliebigen farbigen Soldaten. Daraufhin rückte, am zwanzigsten Mai, ein Kommando gutgenährter US-Militärpolizisten zur Elendsalm vor. Die Gehlenschen wurden nun sehr wohl überrascht; Gehlen klappte, verwirrt und schwer betrübt, sein Soldbuch auf und wurde, zuletzt in einem Jeep, nach Miesbach zum CIC bugsiert. In Miesbach, weit weg von den schützenden Alpen, hatte sich das CIC, die Abwehrpolizei der US-Army, häuslich eingerichtet. Gehlen stellte sich dem Captain vor.

»Ich bin der Chef. Der Chef der Abteilung Fremde Heere Ost … Ost … Ost im deutschen Oberkommando des Heeres.«

»Sie waren es.«

Und Gehlen überlegte verwirrt, ob der Mann des Counter Intelligence Corps etwa wusste, dass er, Reinhard, von dem kippenden Hitler noch schnell amtsenthoben worden war. »Ich habe Mitteilungen zu machen, die von höchster Wichtigkeit für Ihre Regierung sind.«

»Das haben sie alle.«

Der Captain der Miesbacher CIC-Einheit ließ den ein Meter zweiundsiebzig kleinen angeberischen Deutschen ungerührt in ein Gefangenenlager bringen, dorthin genau, wohin der partout nicht gebracht werden wollte.

Zur selben Zeit hielt sich Baun, der dunkeläugig-großohrige, ja riesigohrige Hermann Baun mit seinen Offizierskameraden im allgäuisch-alemannischen Rettenberg vor französischen Besatzungstruppen versteckt. Er konnte dann besser als Gehlen die Sieger auf sich aufmerksam machen. Baun, der außerdem immer einen etwas merkwürdigen, nicht genau zu verfolgenden Blick hatte, verschaffte schon seinen Männern in den amerikanischen Prisoners-of-War-Lagern Weißbrot und dringend benötigten Bohnenkaffee, als Gehlen noch hinter Stacheldrähten nach klarem Wasser, Trinkwasser, schmachtete. Baun knüpfte sogar auf eigene Faust Beziehungen zu dem französischen Geheimdienst SDECE an; und dass Hermann Baun seinen Zeitvorsprung nicht ausnutzte, um Gehlen herauszupauken (und sich dann wieder ins unbezweifelbar zweite Glied zurückzuverkrümeln), nahm Gehlen ihm dann krumm. Die beiden Männer wurden sich ein erstes Mal regelrecht feind.

Englisch konnte der Ex-General Gehlen etwa so viel wie ein vierjähriger Londoner, und Amerikanisch verstand er überhaupt nicht. Er sprach Altgriechisch. Reinhard wurde schließlich einem amerikanischen Brigadegeneral und Geheimdienstmann vorgeführt, der im Vorjahr bei seinen eigenen amerikanischen Militärs in die Schusslinie geraten war. Das war Edwin L. Sibert, der Nachrichtenchef der durch Frankreich vorgestoßenen zwölften US-Heeresgruppe. Ihm hatten die Amerikaner nach der deutschen Ardennenoffensive, die für die Amerikaner so verlustreich angefangen hatte, die toten Amerikaner angelastet. Er habe die Kampfmoral der Deutschen schlecht erkannt. Jetzt war dieser Mister und Professor Sibert gespannt, wie man’s besser machen könnte als er: Vor ihm stand gleichermaßen ein Feindlageoffizier. Sibert hatte sofort einen guten Eindruck von Gehlen. Reinhard strunzte und renommierte, dass die Dolmetscherin nur den Kopf schüttelte; aber auf die Dolmetscherin kam es nicht an. Sibert und Gehlen befreundeten sich miteinander. Kaum jemandem hat Gehlen bei seiner Nachkriegskarriere mehr zu verdanken als dem scharf und hochmütig dreinblickenden Brigadier und Professor Sibert. Nach einigen Wochen, im Juli, als jener nachmalig berühmt gewordene heiße Sommer das Land schon zu versengen begonnen hatte und den ahnungslosen Gehlen der Erdboden der vielen Sonne wegen porös und locker dünkte, dachte Gehlen einmal an die fünfzig Stahlkoffer und Gehlen hielt den Zeitpunkt für gekommen, sie wieder aus den so weit auseinander liegenden Verstecken zu heben. Er veranlasste Entsprechendes, und, »Donnerwetter!«, die Stahlschatullen hatten, jedenfalls die übrig gebliebenen Schatullen, das Vierteljahr hervorragend überdauert. Der ehemalige Nazi Gehlen durfte einen Fachstab Gehlen bilden, der im Wiesbadener Geheimdienst-Center der siebten US-Armee unterkam, und er und seine engsten Mitarbeiter wurden wie prominente Staatsbesucher behandelt. Das behagte Gehlen schon wieder mehr. Selbst US-Offiziere durften nur, wenn Sibert es ausdrücklich genehmigte, die Türklinke zu den Quartieren des Fachstabs aufdrücken.

Sibert erläuterte seinem eigenen Chef: Gehlen solle einen deutschen, von den USA finanzierten Aufklärungsdienst gegen die sowjetischen Verbündeten zimmern.

Siberts Vorgesetzter war bereit, das zu okayen; beide Amerikaner unterließen es aber, den Oberbefehlshaber Eisenhower ins Bild zu setzen. Dwight D. Eisenhower verbot allen Amerikanern scheußlich eindeutig, mit Deutschen zu fraternisieren.