cover
Martina Hoblitz

Und Frau Gräfin lächelt kühl

(Das Haar in der Suppe)


Worte der Autorin: Eigentlich war es die Idee, aus dem Roman HERZ DAME UND PIK 7 einen Film zu machen. Nun entstand ein Fortsetzungsroman auf dieser Grundlage. 25 Jahre später, aus Sicht der Tochter. Nicht nur eine Fortsetzung, sondern auch eine eigene Liebesgeschichte. Man braucht den Vorgänger nicht zu kennen, um sich über diesen Roman zu amüsieren. In diesem Sinne: Viel Vergnügen!


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

UND FRAU GRÄFIN LÄCHELT KÜHL

(Untertitel: Das Haar in der Suppe)

(die inoffizielle Fortsetzung von HERZ DAME UND PIK 7)

Von Martina Hoblitz

 

Kapitel 1

 

 

„Herrgott, noch mal! Warum setzt ihr mich alle plötzlich so unter Druck? – Wenn ich gewusst hätte, worauf ich mich da einlasse ... !“

 

Ich ließ den Satz unvollendet, denn ich hatte keine Ahnung, wie ich ihn zu Ende bringen sollte. – Hätte ich mich wirklich anders entschieden, wenn ich die Folgen gekannt hätte?

 

Es war müßig, über das Hätte-Könnte-Wäre nachzudenken. Nun saß ich einmal hier und wusste nicht weiter.

 

Und der arme Bobby sah mich an wie ein verschrecktes Kaninchen. Diesen aufbrausenden Ton war er gar nicht von mir gewohnt. Normalerweise war ich die Ruhe selbst. Doch manchmal kann auch der stärkste Geduldsfaden reißen. Und an diesem Tag war eben der Punkt erreicht. – Dabei hatte alles so vielversprechend begonnen vor über einem Jahr. ---

 

 

Nein, eigentlich entstand die Idee durch einen traurigen Anlass!

 

Ich sah mich wieder im Arbeitszimmer der Eltern in der Villa am wuchtigen Schreibtisch sitzen und mit tränenfeuchten Augen Papiere sortieren. Jerome, mein 2 Jahre jüngerer Bruder, lümmelte sich in einem der Cocktailsessel, zwar traurig, aber beherrscht.

 

Plötzlich stutzte ich, denn zwischen all den Familiendokumenten und Besitzurkunden tauchte ein Stapel mit einem blauen Schleifenband zusammen gebundener Schulschreibhefte auf. Neugierig löste ich das Band und begann im obersten der etwa ein Dutzend Hefte zu blättern. – Beinah sofort erkannte ich die gestochen klare Handschrift meiner Mutter und staunte über das Datum in der rechten Ecke auf der 1.Seite. Es war der Tag nach der Hochzeit der Eltern vor über 25 Jahren!

 

Ja, sie hatten ihre Silberhochzeit noch ganz groß gefeiert; im Jahr vor ihrem Tod. – Ich lächelte versonnen vor mich hin und erinnerte mich an diese Riesenparty!

 

Es gab mehrere Gründe für diese pompöse Feier. Zum einen war der vordergründige Anlass die Silberhochzeit von Annie und Tobias Roberts. Doch obendrein machte ich meinen Eltern die Freude, selbst an diesem Tag zu heiraten. Und meine alten Herrschaften waren ganz angetan von meiner Wahl, was mir sehr wichtig schien.

 

--- Damals dachte ich wirklich, den richtigen Mann gefunden zu haben, aber nach knapp 3 Jahren war ich mir gar nicht mehr so sicher. ---

 

Ein weiterer Grund zum Feiern zeigte sich in der Übernahme der Kanzlei von Dr.Thomas Flemming durch seinen Neffen, Dr.Peter Flemming, meinen frisch angetrauten Mann. – Ich gab Peter mein Jawort nach nur einem halben Jahr Verlobungszeit, was meine Mom zu der misstrauischen Frage veranlasste: „Na, meine Liebe? Warum so eilig? Ist da vielleicht was im Busche?“

 

Ich konnte sie beruhigen, denn ich nahm brav und diszipliniert die Pille. Und so lautete auch die Absprache mit Peter nach der Hochzeit. Wir hatten beide noch so viele Pläne, da passte kein Nachwuchs rein. Schon die Heirat war nur ein einfach dazwischen geschobenes Datum in unseren recht vollen Terminkalendern. – Von Flitterwochen redeten wir erst gar nicht. Gleich am Tag nach dem großen Fest kehrten Peter und ich an unsere Arbeit zurück.

 

Ich fuhr in unseren Bungalow in Beverly Hills und setzte mich wieder an die Drehbücher für die Daily Soap der Meteor-Film, deren Eigentümer und Produzenten die Herren Tobias Roberts und Robert Fortescue waren.

 

Mein Vater hatte tatsächlich aus einer Laune heraus ein marodes Filmstudio gekauft, es wieder auf Vordermann gebracht und seinen besten Freund Bobby als gleichberechtigten Partner mit ins Boot geholt. – Die gute Mom amüsierte sich wie immer über die verrückten Ideen von Dad und gönnte ihm sein neues Spielzeug.

 

Sie wurde nur etwas ungehalten, als ich nach Abschluss der High School nicht aufs College wollte, sondern Daddy nach Hollywood folgte, um mein Schreibtalent als Drehbuchautorin auszuleben. – Daraufhin ruhte ihre ganze Hoffnung auf meinem Bruder Jerome, der tatsächlich zu einem Studium nach Harvard ging, um Sportwissenschaft zu studieren (später wollte er noch eine Ausbildung als Physiotherapeut machen) und nebenbei eine Sportlerkarriere als 10-Kämpfer zu starten. Beides brach er jedoch nach nur 3 Jahren ab und tauchte ebenfalls bei der Meteor-Film auf, um als Stuntman zu arbeiten.

 

Moms Enttäuschung kannte keine Grenzen, und sie machte Daddy die schwersten Vorwürfe, dass er unsere Flausen auch noch begeistert unterstützte. – Plötzlich schien es zwischen dem Vorzeigeehepaar heftig zu kriseln.

 

Das war die Zeit, als Mom mit ihren Reisen begann. Sie entdeckte ihre soziale Ader und bereiste die halbe Welt in Sachen Hilfsprojekte für die arme Bevölkerung, während Daddy, Jerry und ich Hollywood aufmischten.

 

 

Jerry zündete sich eine Zigarette an und beobachtete mich aufmerksam. Schließlich fragte er neugierig: „Was liest du denn da Interessantes?“

 

Ich schmunzelte. „Ich glaub, ich hab grad Moms Tagebücher gefunden.“

 

Da sprang er auf, trat hinter mich und blickte mir über die Schulter. Ich erklärte: „Wie’s aussieht, hat sie alle Ereignisse nach ihrer Hochzeit schriftlich festgehalten.“ – „Da kann aber nicht viel drin stehen, in den paar dünnen Heftchen!“ wollte mein Bruder behaupten.

 

Ich überflog ein paar Seiten und stellte fest: „Sie hat nicht täglich geschrieben.“ – „Schau mal ins Letzte! Bis wann hat sie denn aufgeschrieben?“

 

Als ich die letzte Seite aufschlug, las Jerry zusammen mit mir den Eintrag, der tatsächlich lautete: <Heute hat unser kleines Mädchen geheiratet! Aber ich trau dem Braten nicht! Sie wirkt gar nicht so glücklich, wie sie eigentlich sein sollte.>

 

Mein Bruder und ich blickten uns betroffen an, und prompt fiel mir das Gespräch am späten Abend nach der Feier ein, als Mom mich direkt fragte: „Jo, mein Kind, bist du denn wirklich glücklich mit deinem Peter? Ihr wirkt auf mich so kühl und distanziert.“

 

Ich sah sie eindringlich an, lächelte ein wenig gezwungen und entgegnete zögernd: „Ach, Mom, das scheint vielleicht nach außen so. Wir harmonieren und ergänzen uns ganz fabelhaft. Und vor allem im Bett läuft’s mit uns einfach fantastisch!“

 

Bei dieser meiner Bemerkung registrierte ich ihr entsetztes Zusammenzucken. „Aber Jo, Liebes, ihr könnt doch eine Beziehung nicht nur auf Sex aufbauen! Den Fehler hätten dein Vater und ich beinah auch begangen.“

 

Und sie erzählte mir ganz freimütig von ihrem 1.Treffen und Zusammenkommen. Was mich zu dem Urteil veranlasste: „Na, siehste! Bei euch hat’s doch geklappt. Und das seit 25 Jahren!“

 

Womit ich ihr den Wind aus den Segeln nahm, und sie die Diskussion einfach beendete. ---

 

Jerry schreckte mich aus meinen Erinnerungen auf, indem er grinsend sagte: „Na, da hatte Mom wohl gewisse hellseherische Fähigkeiten. Gut, dass die beiden nicht mehr das ganze Ausmaß des Fiaskos mitkriegen!“

 

Damit sprach er ein wahres Wort gelassen aus, und das bezog sich nicht nur auf meine Ehe, die gerade den Bach runter ging. Seit einiger Zeit spielte ich nämlich mit dem Gedanken an Scheidung, denn Peter entpuppte sich immer mehr als notorischer Fremdgänger und Geldverschwender. Obwohl sich unser Liebesleben äußerst intensiv gestaltete, genügte ich Peter wohl nicht mehr. Jerry fand zufällig heraus, dass mein holder Gatte mehr Zeit mit kleinen Tänzerinnen in exklusiven Nachtclubs verbrachte als in seiner Kanzlei. Gelegenheit hatte er genug dazu, denn ich hielt mich größtenteils in Beverly Hills auf, statt in der Villa bei Las Vegas.

 

Leider geriet Daddys Filmfirma auch immer mehr in die roten Zahlen. Die anfangs so erfolgreiche Serie wurde wegen mangelnder Einschaltquoten kurzerhand abgesetzt, und irgendwelche größeren Filmprojekte waren nicht in Planung.

 

Auch Moms geplantes soziales Projekt (die Errichtung eines Sanatoriums für Suchtkranke auf dem ehemaligen Farmland, das einem verheerenden Buschfeuer zum Opfer gefallen war) verlief im Sande. Nach anfänglicher Euphorie kam es aus unerfindlichen Gründen zum Baustopp, als gerade mal die Grundmauern des Gebäudes standen.

 

Ob wohl all diese drohenden Schatten über unserer Existenz der Auslöser für den schrecklichen Unfall waren? – In meiner Fantasie konnte ich mir lebhaft vorstellen, wie die Eltern über all diese Krisen heftig diskutierten, während Daddy sein neues Sportflugzeug in die Wüste von Nevada lenkte. Es sollte bei diesem einen Jungfernflug bleiben, denn die Maschine geriet unverhofft in einen Sandwirbelsturm, der zum Absturz führte. Für Mom und Dad kam jede Hilfe zu spät, als das kleine Flugzeug in Flammen aufging. ---

 

Ohne besondere Absprache zogen mein Bruder und ich uns nach der Beerdigung in das Arbeitszimmer zurück, um eine Weile allein zu trauern. So begann ich nebenbei Papiere zu ordnen, wobei ich also die Tagebücher fand.

 

Und es war Jerry, der plötzlich auf die verrückte Idee kam. „Schwesterherz, nutz dein Talent, um den Eltern ein Denkmal zu setzen! Nimm Moms Tagebücher als Grundlage für ein Drehbuch, und lass den guten Bobby einen Film drehen. Über das aufregende Leben von Annie und Toby Roberts. Die Millionärin und der Zimmerkellner!“

 

Zunächst starrte ich ihn nur verdutzt an. Dann lächelte ich versonnen und erklärte, ohne mir der Tragweite meiner Entscheidung bewusste zu sein: „Eine interessante Idee, Brüderchen! Ich werd’s versuchen!“

 

Das waren die Voraussetzungen, die mich 1 ½ Jahre später verzweifeln ließen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 2

 

 

„Niemand will dich unter Druck setzen!“ behauptete Bobby fest, nachdem er tief Luft geholt und sich gesammelt hatte.

 

Ich schnaubte verächtlich. „Und wer steht grad wieder hier vor mir und fragt ungeduldig nach dem Text für den Anfang des Films?“ – „Weißt du denn immer noch nicht, womit du beginnen willst?“ fragte er ungläubig. „Jetzt schreibst du schon seit Monaten an dem Buch herum und hast immer noch keine zündende Idee, wie die Geschichte anfangen soll? Du hast doch schon einige nette Szenen ausgearbeitet.“ – „Dann lass doch die schon mal drehen, wenn sie dir so gut gefallen! Wer sagt denn, dass wir chronologisch vorgehen müssen? Hauptsache, es sind schon ein paar Szenen im Kasten, und man sieht, dass was passiert.“ schlug ich einfach vor.

 

Da grinste Bobby in seiner so bezeichnenden Art und erklärte: „Leider gibt’s da noch ein kleines Problem. Wie du vielleicht weißt, haben wir immer noch keinen Hauptdarsteller.“

 

Mit einem zaghaften Lächeln gab ich zu: „Stimmt. Und das ist meine Schuld. Bisher konnte mich kein Schauspieler überzeugen. Keiner kann Daddys Rolle spielen!“ – „Bei der Besetzung von deiner Mutter hast du nicht so’n Aufstand gemacht!“ erwiderte er ein wenig schnippisch.

 

„Die Rolle ist auch leichter!“ wollte ich da voller Überzeugung behaupten. „In Mom kann ich mich leichter versetzen. Da fließen mir die Dialoge nur so aus der Feder. Grad als ob ich die Worte selber sprechen würde.“ – „Kann ich verstehn!“ nickte Bobby.

 

„Ja, wenn ich nicht rote Haare hätte, würd ich sie sogar selbst spielen.“ – „Haare kann man färben!“ – „Ach, ich finde, das ist nicht dasselbe.“

 

Dann musste ich plötzlich lachen. „Obwohl ich damals noch so klein war, kann ich mich gut an Daddys Enttäuschung erinnern, weil Jerry keine roten Haare hat.“

 

Auch Bobby schmunzelte. „Ja, auf deiner Taufe kam von mir der Vorschlag, doch die Villa mit lauter Rotschöpfen zu bevölkern. Damals fand dein Vater das gar nicht so lustig.“ – „Wieso?“ staunte ich, denn ich kannte ihn eigentlich nur als humorvollen Typ, der immer zu einem Scherz aufgelegt war.

 

Verwundert bemerkte ich, wie Bobby ganz verlegen herum druckste. Völlig zusammenhanglos erkundigte er sich: „Hast du dich vielleicht mal gefragt, wie dein Vater und Doc Jefferson Freunde wurden?“ – „Nö, nicht wirklich.“ erwiderte ich verblüfft. „Warum sollte Daddy nicht mit einem Psychiater befreundet sein?“

 

Bobby lächelte. „Bill nennt sich lieber psychologischen Berater. Und tatsächlich war Toby mal sein Patient.“ – „Nicht möglich!“ rief ich erstaunt.

 

„Doch, doch. Wenn auch anfangs ohne sein Wissen. Annie hatte das eingefädelt.“ – „Warum denn nur? Was hatte Daddy für Probleme?“

 

Bobby wurde immer verlegener. „Das lässt sich nicht so einfach erklären. Du weißt, dass Toby bei deiner Geburt dabei war. Nun, und da hat er mitgekriegt, welche Schmerzen das verursacht. Danach hat er geschworen, das soll seine geliebte Annie nie mehr durchleiden. Und er beschloss, dass sie keine Kinder mehr kriegen soll. Dabei ging er sogar so weit, dass er sie nicht mehr anrührte, um nur ja nix zu riskieren.“ – „Das war ja wirklich vollkommen verrückt!“ erschrak ich. „Arme Mom! Kein Wunder, dass sie sich nicht anders zu helfen wusste, als Dad zum Nervenarzt zu schicken. Und der konnte ja wohl helfen. Sonst gäb’s Jerry ja nicht.“ Ich grinste verschmitzt. „Schade, dass ich das nicht in den Film einbauen kann!“ – „Warum denn nicht? Was hindert dich daran?“ – „Es gibt ja wohl keine Zeugen für ihre diesbezüglichen Gespräche!“ – „Wieso? Du kannst ja mal mit Doc Jefferson reden. Du weißt doch, wo er steckt.“ – „Meinst du wirklich, ich könnt ihn nach damals fragen?“ zögerte ich.

 

Da wurde Bobby ganz nachdenklich. Plötzlich schlug er mir ernsthaft vor: „Bevor du richtig mit dem Drehbuch loslegst, solltest du überhaupt mit Leuten sprechen, die deine Eltern gut kannten. Sammle erstmal Grundmaterial!“ – „Da bin ich ja bei dir gleich an der richtigen Quelle!“ lachte ich. „Keiner kannte meine alten Herrschaften besser als du. Und warst du nicht überhaupt von Beginn an dabei?“ – „Stimmt schon.“ gab er zu. „Also willst du die Geschichte mit dem Kennenlernen anfangen und nicht erst mit der Hochzeit?“

 

Ich überlegte und kam zu dem Entschluss: „Ihre Liebesgeschichte ist das Wichtigste! Der Film soll die 2 zeigen vom Kennenlernen bis zur Hochzeit. Dabei bin ich aber sehr auf eure Hilfe gewiesen, denn darüber weiß ich nix. Da gab`s mich ja noch gar nicht. Und Mom schreibt darüber nix in ihren Tagebüchern.“ – „Einverstanden. Du kannst mich fragen. Und Stella. Und auch deinen Onkel Liam und Luise. Sie alle sind Teil der Geschichte.“ – „Wenn das so ist, gibt’s aber auch noch jede Menge wichtige Rollen zu besetzen.“ gab ich zu bedenken.

 

Doch Bobby winkte ab. „Schreib du das Drehbuch und überlass alles Andre mir! Ich versprech dir, ich werd in deinem Sinn die richtigen Darsteller finden.“ – „Da bin ich aber mal gespannt!“ meinte ich nur achselzuckend. ---

 

--- Noch am selben Abend setzten Bobby und ich uns zusammen, und er erzählte, wie er damals das Zusammentreffen von Mom und Dad erlebt hatte. – Ich konnte nur fasziniert lauschen, vergaß jedoch nicht, mir dabei jede Menge Notizen zu machen. Und während Bobby mir von meinen flotten Eltern erzählte, musste ich unwillkürlich an Peter und mich denken.

 

 

Es war auf der jährlichen großen Silvesterparty meiner Eltern, als ich Peter zum 1.Mal sah. Er hatte gerade bei seinem Onkel, Dr. Flemming, in der Kanzlei angefangen, kam frisch von der Uni und sah einfach verboten attraktiv aus. Jeder Zoll ein Bild von einem Mann und genau mein Typ!

 

Der Blitz traf uns gleichzeitig, als Dr. Flemming uns einander vorstellte, und wir uns ungezwungen die Hand reichten. Peter hatte so ein strahlendes Lächeln (seine Augen waren eine perfekte Mischung aus blau und grün) und ein Timbre in der Stimme, das mir einen Schauer über den Rücken jagte. Ich vergaß all die vielen Gäste um uns herum, sah und hörte nur noch ihn.

 

Als wir miteinander tanzten, kam es mir vor, als schwebte ich auf Wolken; Peter war ein fabelhafter Tänzer! – Nun, meine Mom stand ja immer auf rothaarige Männer, ich jedoch liebte blonde Locken und schmolz dahin, wenn ein Mann aussah wie der viel gerühmte Märchenprinz. Und Peter entsprach genau meinem Ideal!

 

Während wir uns beim engen Tanzen aneinander schmiegten, reagierte mein Körper mit jeder Faser auf ihn. Ich wollte diesen Mann, am liebsten jetzt und auf der Stelle!

 

Unser intensiver Kuss zum Neuen Jahr brachte das Fass zum Überlaufen! – Ohne besondere Absprache verschwanden wir in den Weinkeller.

 

Dort war es kalt, aber im erbärmlichen Licht der mickrigen Deckenleuchte fühlten wir uns wie unter einer tropischen Sonne. Wir konnten gar nicht schnell genug aus unseren Klamotten kommen, und der wuchtige Eichentisch mitten im Raum wurde zum weichen Himmelbett.

 

Nun, ich war nicht ganz unerfahren, aber Peter führte mich auf einen Weg von der Hölle in den Himmel. Er war zärtlich und fordernd, hingebungsvoll und beinah brutal. Ich durchlebte in diesem unserem 1.Zusammensein sämtliche Varianten des Liebesspiels und war am Ende einer Ohnmacht nah. (Und wir ahnten beide nicht, dass wir tatsächlich dabei beobachtet wurden!)

Trotz dieser Intensität und zügellosen Ekstase hielt ich das Ganze für ein einmaliges Erlebnis. In mir gab es wahrhaftig kein tieferes Gefühl; nur hemmungslose Begierde. Mich interessierte nur Peters Adoniskörper, nicht seine Meinung, seine Gedanken, seine Gefühle. Für mich war er nur ein reines Sexobjekt! Wie ich später herausfand, ging es ihm ähnlich.

 

Doch es blieb nicht bei dem einen Mal! – Schon 2 Tage später, nach einer geschäftlichen Besprechung mit Mom, lud er mich vorgeblich zum Essen ein. Aber wir landeten in unserem Penthouse. – Wir 2 reagierten aufeinander wie magnetische Pole. Kaum waren wir irgendwo allein, fielen wir übereinander her wie die wilden Tiere. – Doch es blieb auch weiterhin nur der Sex!

 

Zu meiner Schande musste ich mir eingestehen, dass ich meine Mutter bei dem Gespräch nach der Hochzeit schamlos beschwindelt hatte, im Bezug auf Harmonie und Ergänzung. Denn außerhalb vom Bett gingen Peter und ich getrennte Wege und jeder zog sein eigenes Ding durch.

 

Zum Glück hatte ich noch so viel Vernunft, auf einen Ehevertrag zu bestehen! Solange wir verheiratet waren, konnte Peter mit meinem Vermögen machen, was er wollte (was er waidlich ausnutzte), aber bei einer Scheidung hatte er das Nachsehen.

 

 

Aus diesen Gedanken schreckte mich Bobby auf, als er unwillig sagte: „Hey, Jo! Hörst du mir überhaupt noch zu? Du guckst so geistesabwesend, als wärst du ganz woanders. Meilenweit weg.“

 

Ich grinste ihn verschämt an und gestand: „Stimmt. Ich musste grad an Peter und mich denken.“

 

Da seufzte Bobby abgrundtief und meinte: „Mal ehrlich, euer Verhältnis erschien mir von Anfang an suspekt.“

 

Und ich gab freimütig zu: „Hast Recht! Unsre einzige Gemeinsamkeit war und bleibt der Sex!“

 

Aus den Augenwinkeln registrierte ich, wie Bobby erschrocken zusammen zuckte und fuhr fort: „Und selbst da läuft’s nicht mehr so. Seit ich von Jerry weiß, dass Peter sich seine Befriedigung auch anderweitig holt, hab ich schlichtweg keine Lust mehr!“ – „Denkst du etwa an Scheidung?“ fragte er lauernd.

 

Ich nickte. „Ja, ich spiele mit dem Gedanken.“

 

Ein hämisches Grinsen breitete sich über Bobbys Gesicht. „Der arme Peter! Damit drehst du ihm ja quasi den Geldhahn zu.“ – „Schadet ihm gar nix!“ erklärte ich mitleidlos. „Was muss er sich auch so daneben benehmen? Von mir aus hätt’s so weiter laufen können.“

 

Bobby schüttelte heftig den Kopf. „Nein, Jo! Das würde dich auf Dauer kaputt machen. Da ist ein sauberer Schlussstrich schon gnädiger. – Du bist noch so jung und kannst jederzeit ´nen Bessren finden.“ – „Wer sagt denn, dass ich mich überhaupt noch mal auf einen Mann einlassen will?“ schnaubte ich verächtlich.

 

Doch Bobby winkte ab. „Lass es einfach auf dich zukommen! – Aber jetzt beschäftige dich erstmal mit dem Drehbuch! Ich hoffe, ich konnte dir helfen?“ – „Oh ja, mein Lieber! Du glaubst gar nicht wie sehr. Ich versteh Mom immer besser. Nur Daddys Gefühle sind mir noch unverständlich. Wenn er doch von Anfang an wusste, wer Mom, beziehungsweise wie reich sie war, konnte er doch die Reaktion seiner Umgebung vorausahnen. Da war’s doch kein Wunder, dass alle ihn für einen Glücksritter hielten, der sich einen Goldfisch angeln wollte.“ – „Genauso hat es dein Vater auch empfunden. – Zumal er nur kurze Zeit vorher die böse Erfahrung mit diesem verwöhnten reichen Töchterchen gemacht hat. Ich hab dir doch von Lina erzählt?“

 

Ich lachte. „Ja, hast du. Mich wundert nur, dass meine Cousine so heißt. Wollte Onkel Liam Daddy damit ärgern? Das würde ich diesem Scherzkeks schon zutrauen.“

 

Und prompt schweiften meine Gedanken wieder ab.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 3

 

 

Etwa ein halbes Jahr nach Jerrys Taufe heirateten Daddys Halbbruder Liam und Moms Freundin Luise in dem malerischen bayerischen Heimatdorf der beiden Frauen. Ich konnte mich deshalb so gut daran erinnern, weil ich als niedliche 3jährige Göre die Blumen streuen durfte.

 

Onkel Liam hatte ein paar Kilometer weit von dem Ort entfernt eine baufällige Ritterburg gekauft, daraus ein luxuriöses Schlosshotel gemacht und das anliegende ehemalige Gesindehaus zu einem privaten Wohnhaus umbauen lassen, wo das frisch gebackene Ehepaar von nun an leben wollte. Seine Villa in Las Vegas hatte er der 5köpfigen Familie eines Schokoladenfabrikanten verkauft.

 

Der Vollblutamerikaner Liam Brighton wurde tatsächlich in Deutschland sesshaft. Was die Liebe nicht so alles vermochte! – Obwohl auch Daddy immer wieder betonte, er könnte ebenfalls überall leben, wenn es Moms Wunsch wäre, war er doch ganz froh, dass seine Annie sich in Amerika heimisch fühlte.

 

Zwar konnten sich die Brüder jetzt nicht mehr so häufig sehen und ihren gemeinsamen Hobbys nachgehen, doch der Privatjet von Onkel Liam kam ziemlich oft zum Einsatz. Zumindest bei Familienfeiern, die wahlweise in Deutschland oder den USA stattfanden. –

 

Genau ein Dreivierteljahr nach der Hochzeit bekam Tante Luise dann Zwillinge, einen Jungen und ein Mädchen. Den Sohn nannten sie Leon, weil er wie ein Löwe um sein Leben kämpfen musste, da sich die Nabelschnur um seinen Hals gewickelt hatte. Den Namen Lina für die Tochter dachte sich Onkel Liam wirklich aus, um Daddy wegen seiner Ex zu ärgern. – Doch mein ewig gut gelaunter Dad zeigte viel Humor, als er laut vernehmlich auf der Taufe der Zwillinge erklärte: „Dann seht mal zu, dass aus dieser Lina kein arrogantes, verwöhntes, männermordendes Früchtchen wird!“ –

 

Das genaue Gegenteil wurde aus ihr! Während Leon eifrig in die Fußstapfen seines Vaters trat und eine Hotelfachschule besuchte, ging Lina --- ins Kloster!

 

Noch immer hatte ich leichte Berührungsängste, wenn ich meiner Cousine in Schwesterntracht gegenüber stand. Dabei war sie eine sehr weltoffene Nonne. Mom wollte sogar behaupten, sie war die jüngere Ausgabe ihrer mütterlichen Freundin, der Priorin Sr.Helmtrudis.

 

 

Aus diesen Gedanken heraus teilte ich Bobby mit: „Ich glaub, als nächstes besuch ich unsre Verwandten in Deutschland.“ – „Eine gute Idee!“ stimmte er begeistert zu. „Liam und Luise können dir auch viel über deine Eltern erzählen. Vor allem Annie hat sehr dazu beigetragen, dass die beiden zusammen fanden.“ – „Das klingt ja höchst interessant! – Aber weißt du was? Ich fahre mit dem Schiff! So ´ne Art Kreuzfahrt. Wollt ich schon immer mal machen. Vom Fliegen hab ich vorerst die Nase voll.“ – „Reist du allein, oder nimmst du Peter mit?“ wollte Bobby wissen.

 

„Den bestimmt nicht!“ wehrte ich empört ab. „Dann schon eher meinen Bruder. Wenn du ihn entbehren kannst.“

 

Bobby überlegte kurz. „Momentan brauch ich ihn nicht. Es ist kein Dreh in Arbeit. Soll er ruhig ein paar Wochen Urlaub machen!“

 

Ich lachte. „Nun, ich seh das eigentlich nicht als Urlaub. Ich werd mir genug Anregungen holen, um fleißig am Buch zu arbeiten. Fest versprochen!“

 

Da lachte auch Bobby und meinte: „Na, ich will dir mal glauben.“

 

Ich brauchte ca eine Woche, um alle Vorbereitungen für meine 1. große Seereise zu treffen.

 

 

Welcher Teufel hatte bloß meinen Bruder geritten, fragte ich mich, als er mir telefonisch mitteilte, dass er dreisterweise einen Filmkollegen zu der Kreuzfahrt eingeladen hatte. Ich machte ihm derbe Vorhaltungen, bis ich dem Mann beim Einchecken im Hafen von New York begegnete.

 

Vor mir stand tatsächlich Prinz Eisenherz in blond, und ich war einfach hingerissen! Doch irgendwie war es ganz anders als bei Peter. Mein Herz raste, ich konnte kaum atmen, und in meinem Bauch tanzten 100 Schmetterlinge. Natürlich fühlte ich mich auch körperlich zu ihm hingezogen. Am liebsten wäre ich auf der Stelle in seine sehr muskulösen Arme gesunken. Sein strahlendes Lächeln aus veilchenblauen Augen gab mir den Rest!

 

Ich hörte kaum hin, als Jerry uns einander vorstellte: „Jo, mein Schwesterherz, dies ist mein Kollege Ted Kingstone, Stuntman wie ich, aber auch ein recht guter Schauspieler. – Und dies, mein Alter, ist meine Schwester Joana, ihres Zeichens Drehbuchautorin. Vielleicht hast du sie schon mal im Studio gesehen?“

 

Da erwiderte der Mann mit warmer Baritonstimme und leichtem Schmunzeln: „Im Studio oder am Set hab ich Sie noch nicht getroffen. Aber gesehen hab ich Sie schon.“

 

Er sagte nicht, wann und wo, und wenn ich es gewusst hätte, wäre ich sicher vor Scham im Boden versunken. (Wie sich nämlich später herausstellte, war er Derjenige, der Peter und mich im Weinkeller ertappt hatte!)

 

Doch in diesem Moment machte er mich auf ganz andere Weise verlegen, als er zur Begrüßung nicht nur meine Hand ergriff, sondern sie zu einem formvollendeten Handkuss an seine Lippen zog. Es gab tatsächlich noch Kavaliere der alten Schule! – Und noch etwas fiel mir auf. Er sprach ein ungewöhnlich steifes Englisch mit einem leichten Akzent. Sofort äußerte ich meinen Verdacht: „Sie sind aber kein gebürtiger Amerikaner!“

 

Er nickte grinsend und bestätigte: „Stimmt. Ich stamme ursprünglich aus Deutschland. Lebe aber schon lange Jahre in USA. Dass Ihnen das aufgefallen ist?!“

 

Da mischte sich Jerry ein. „Wir sind erblich vorbelastet. Unsre Mutter war auch gebürtige Deutsche, und wir sind quasi 2sprachig aufgewachsen. – Aber lasst doch das blöde Sie! Wir sind doch keine Mummelgreise!“ – „Recht hast du, Alter!“ stimmte Ted sofort zu.

 

„Aber nicht ohne Bruderschaftskuss!“ verlangte ich frech und errötete leicht.

 

Da drohte Jerry spielerisch mit erhobenem Zeigefinger. „Na, na, kleine Jo! Denk an Mom!“