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Grundwissen Soziale Arbeit

 

Herausgegeben von Rudolf Bieker

 

Band 18

Joachim König (Hrsg.)

Praxisforschung in der Sozialen Arbeit

Ein Lehr- und Arbeitsbuch

Unter Mitarbeit von Monika Chilla, Anne-Sophie Köhler, Dietmar Maschke, Sebastian Ottmann und Karl-Hermann Rechberg

Verlag W. Kohlhammer

 

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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1. Auflage 2016

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-024195-4

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-024196-1

epub:    ISBN 978-3-17-024197-8

mobi:    ISBN 978-3-17-024198-5

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Vorwort zur Reihe

Mit dem so genannten »Bologna-Prozess« galt es neu auszutarieren, welches Wissen Studierende der Sozialen Arbeit benötigen, um trotz erheblich verkürzter Ausbildungszeiten auch weiterhin »berufliche Handlungsfähigkeit« zu erlangen. Die Ergebnisse dieses nicht ganz schmerzfreien Abstimmungs- und Anpassungsprozesses lassen sich heute allerorten in volumigen Handbüchern nachlesen, in denen die neu entwickelten Module detailliert nach Lernzielen, Lehrinhalten, Lehrmethoden und Prüfungsformen beschrieben sind. Eine diskursive Selbstvergewisserung dieses Ausmaßes und dieser Präzision hat es vor Bologna allenfalls im Ausnahmefall gegeben.

Für Studierende bedeutet die Beschränkung der akademischen Grundausbildung auf sechs Semester, eine annähernd gleich große Stofffülle in deutlich verringerter Lernzeit bewältigen zu müssen. Die Erwartungen an das selbstständige Lernen und Vertiefen des Stoffs in den eigenen vier Wänden sind deshalb deutlich gestiegen. Bologna hat das eigene Arbeitszimmer als Lernort gewissermaßen rekultiviert.

Die Idee zu der Reihe, in der das vorliegende Buch erscheint, ist vor dem Hintergrund dieser bildungspolitisch veränderten Rahmenbedingungen entstanden. Die nach und nach erscheinenden Bände sollen in kompakter Form nicht nur unabdingbares Grundwissen für das Studium der Sozialen Arbeit bereitstellen, sondern sich durch ihre Leserfreundlichkeit auch für das Selbststudium Studierender besonders eignen. Die Autor/innen der Reihe verpflichten sich diesem Ziel auf unterschiedliche Weise: durch die lernzielorientierte Begründung der ausgewählten Inhalte, durch die Begrenzung der Stoffmenge auf ein überschaubares Volumen, durch die Verständlichkeit ihrer Sprache, durch Anschaulichkeit und gezielte Theorie-Praxis-Verknüpfungen, nicht zuletzt aber auch durch lese(r)freundliche Gestaltungselemente wie Schaubilder, Unterlegungen und andere Elemente.

Prof. Dr. Rudolf Bieker, Köln

Zu diesem Buch

Joachim König

Forschung in der Praxis der Sozialen Arbeit, im Alltag der stationären Jugendhilfe, an einem Vormittag in einer Kita oder mit Blick auf die Beratungsgespräche in einer Schwangerenkonfliktberatungsstelle – diesem spannenden Unternehmen widmet sich dieses Buch. Forschung wird aus sozialwissenschaftlicher Sicht üblicherweise und inzwischen sehr übereinstimmend definiert als die systematische, regelgeleitete, wissenschaftlich begründete Suche nach Erkenntnissen, Lösungen und Antworten auf Fragen in allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens und deren anschließende Berichtlegung und Veröffentlichung.

Eigentlich geht es demnach um nichts anderes als um den Versuch, die Realität – in unserem Fall die Praxis der Jugendhilfe, Vorschulerziehung, Beratung oder eines der anderen Felder der Sozialen Arbeit – genau zu erfassen und daraus Schlüsse, neue Erkenntnisse zu ziehen. Gemeint ist also im Grunde das systematische Beschreiben und Bewerten solcher Wirklichkeiten, wie wir sie – z. B. eben in der Praxis der Sozialen Arbeit – erfahren, mit dem Ziel, mehr Wissen über sie zu erlangen und aus diesem Wissen Konsequenzen ziehen zu können, die für diese Praxis oder auch über sie hinaus von Bedeutung sind. Konkret könnte das so aussehen:

Praxisbeispiel

In einer seit vielen Jahren fest etablierten Einrichtung der stationären Jugendhilfe treffen die Leitungsverantwortlichen eine Entscheidung: Alle Einzel- und Gruppenberatungsangebote sollen auf den konzeptionellen Prüfstand gestellt werden. Neben dem Interesse, in diesem Bereich zu prüfen, ob die langjährig eingesetzten Angebote und Methoden noch zeitgemäß und mit Blick auf die Zielgruppe effizient erscheinen, steckt ein zweites Interesse hinter dieser Entscheidung: Gegenüber dem Kostenträger wird gleichzeitig versucht, Gestaltungswillen und Zukunftsfähigkeit zum Ausdruck zu bringen, weil auf Landesebene über die Schließung einzelner kleinerer Einrichtungen zu Gunsten von größeren Zentren diskutiert worden ist.

Um konkrete Anhaltspunkte für die Prüfung der Angebote und ihre Neukonzeption zu erhalten, plant ein »Konzeptions-Team« (für die vier Mitglieder aus den verschiedenen Wohngruppen werden drei Stunden Zeitentlastung je Woche für zunächst ein halbes Jahr gewährt) eine Befragung unter den 50 BewohnerInnen und den 20 MitarbeiterInnen. Gegenstand der Untersuchung soll einerseits die Einschätzung der Wirkung der insgesamt 20 verschiedenen Einzelangebote und andererseits die Zufriedenheit der Jugendlichen sein, jeweils aus der Perspektive beider Seiten, also aus Sicht der KollegInnen und aus Sicht der BewohnerInnen.

Vor dem Hintergrund solcher Situationen entstehen typischerweise Praxisforschungsprojekte, völlig unabhängig zunächst von ihrem Umfang, vom Aufwand, der dabei betrieben wird, und auch zunächst unabhängig von der Frage, wer in solchen Situationen forscht. Ob es also die Fachkräfte selbst sind, die sich an die Untersuchung ihrer Praxis machen, ob ForscherInnen »von außen« dazu beauftragt werden oder ob es sich um einen Ansatz handelt, bei dem gemeinsam und in enger Abstimmung Praxisforschung geplant und durchgeführt wird.

Praxisforschung in der Sozialen Arbeit ist also nichts anderes als eine bestimmte Form der Forschung, bei der »in unterschiedlich intensiver Kooperation mit den PraktikerInnen sozialpädagogische Projekte [besser: Praxis, Anm. d. Verf.] dokumentiert, analysiert, evaluiert, beraten und weiterentwickelt werden« (Munsch 2012, S. 1177) – letztlich also der ambitionierte Versuch, sowohl Theorie und Praxis als auch Forschen und Handeln in der Sozialen Arbeit systematisch und regelgeleitet miteinander zu verbinden.

In diesem Buch werden nun sowohl die Logik des Verlaufs als auch die einzelnen methodischen Schritte beschrieben und erklärt, die sich in der Praxisforschung systematisch immer wieder finden. Deshalb ist dieses Buch in erster Linie für Fachkräfte und für Studierende geschrieben, denen es um die systematische Untersuchung der Sozialen Arbeit in kleinen Ausschnitten, um ihre eigenen methodischen Möglichkeiten dabei und um die Frage nach den Grenzen solcher Strategien geht.

Das Buch ist gedacht als Lernhilfe und Arbeitsgrundlage für alle, die über ihre Bemühungen in der Praxis selbst hinaus auch am Erwerb von belastbarem Wissen über diese Praxis interessiert sind:

•  für alle, die nach Möglichkeiten suchen, ihre eigene Praxis einer systematischen Beschreibung und Bewertung zu unterziehen;

•  für alle, die Kriterien für Entscheidungen brauchen, ob und unter welchen Bedingungen Maßnahmen und Veränderungen in der Praxis sinnvoll und Erfolg versprechend erscheinen;

•  für alle, die eine Grundlage für die Planung und Durchführung eines eigenen kleinen Praxisforschungsprojektes suchen;

•  für alle, die methodische Fragen innerhalb eines bereits laufenden Forschungsprozesses klären wollen.

W-Fragen als Grundstrategie

Diesem Vorhaben liegt interessanterweise immer eine – ganz einfache – Grundstrategie und Logik zugrunde. Ein roter Faden, der sich deshalb auch durch das Buch zieht und in Verbindung mit den vorgestellten Methoden in der Lage ist, ein so komplexes und differenziertes Feld wie das der Sozialen Arbeit zu erschließen: W-Fragen. Kinder machen das so. Meine Kinder haben mich, als sie noch klein waren, darauf gebracht, indem sie viele Jahren mit großer Ausdauer immer und immer wieder Fragen gestellt haben, und zwar einen ganz bestimmten Typ von Fragen: »Warum ist das so?« – »Wie geht das?« – »Wann machen wir das?« – »Wo geht’s denn da hin?« – »Wozu brauchst Du das?« und so weiter. Wir alle kennen diese berühmten W-Fragen. Sie helfen uns – ausformuliert oder nur gedacht – bei der Erschließung der Welt, beim Kennenlernen und Verstehen von komplizierten und unübersichtlichen Gebieten, in denen wir uns noch nicht auskennen. Ein vierjähriges Kind stellt im Schnitt 300 bis 400 solcher Fragen jeden Tag!

Schon seit der Antike spielen diese Fragen auch in der Philosophie eine entscheidende methodische Rolle: Seit Aristoteles nämlich gelten W-Fragen als der entscheidende philosophische Zugang zur Ergründung komplizierter und zunächst vielleicht undurchschaubarer Zusammenhänge und Phänomene. Auf der Suche nach Begründungen und Erklärungen für bisher Unbekanntes gilt dessen Erschließung durch das Stellen und die Versuche der anschließenden Beantwortung von W-Fragen als zentrales Grundprinzip (vgl. z. B. Wolf 1994 zu Aristoteles).

Darum geht es in diesem Band

Die Praxis der Forschung in der Praxis der Sozialen Arbeit – wie geht das? Darauf will dieses Buch eine möglichst verständliche und nachvollziehbare Antwort geben. Eigentlich geht es der Praxisforschung um nichts anderes als um den Versuch, die alltägliche Realität in den Feldern der Sozialen Arbeit genau zu erfassen und daraus Schlüsse und neue Erkenntnisse zu ziehen. Ziel der Forschung ist also im Grunde das systematische Beschreiben und Bewerten solcher Wirklichkeiten, wie wir sie in der Praxis der Sozialen Arbeit erfahren, mit dem Ziel, mehr Wissen über sie zu erlangen und aus diesem Wissen Konsequenzen ziehen zu können, die für diese Praxis oder über sie hinaus von Bedeutung sind.

Und genau das wird auch immer wichtiger, denn Forschung gewinnt nicht nur in der Theoriebildung, sondern vor allem auch in der Praxis der Sozialen Arbeit zunehmend an Bedeutung. Dem Alltagsgeschäft der Fachkräfte und auch den verschiedenen Zielgruppen angemessene Designs und passgenaue Forschungsmethoden sind inzwischen in der Lage, belastbare Befunde zu generieren, die dann der Kontrolle, der Weiterentwicklung oder auch der Legitimierung der Praxis in den verschiedenen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit dienen und darüber hinaus den Diskurs der Sozialarbeitswissenschaften unterstützen können.

Deshalb beschreibt dieses Buch systematisch und theoretisch begründet konkretes Handlungswissen für die Praxisforschung, stets anhand von Beispielen aus Kitas, der Jugendhilfe, der Jugendsozialarbeit, der Sucht- und Straffälligenhilfe, der Beratung und vielen anderen Feldern der Sozialen Arbeit. Im Zentrum steht dabei ein an zwölf Arbeitsschritten orientiertes Verlaufsschema eines Praxisforschungsprozesses, das der Orientierung, Vorbereitung, Planung und Durchführung eigener Ansätze dienen kann.

Gedacht ist der Band daher nicht nur als Lehrbuch für Studierende, sondern auch als Arbeitshilfe und Nachschlagewerk für Fachkräfte, die sich als Forscherinnen und Forscher in eigener Sache verstehen. Ein Buch also, das klassischerweise dem Lehren, Lernen und Studieren dienen kann, das punktuell beim Nachschlagen, vergewissern oder dazulernen helfen kann, das aber seine Leserinnen und Leser auch einfach inspirieren kann, neue Projekte zu entwerfen, weiter zu entwickeln oder einfach forschend weiterzudenken. Deshalb ist das Buch folgendermaßen aufgebaut:

•  Zuallererst stehen einige wenige wissenschaftstheoretische Grundgedanken, die an kleinen Beispielen aus der Praxis(forschung) dargestellt werden und zeigen sollen, wann und warum auch in der Praxis eine wissenschaftstheoretische Begründung sinnvoll sein kann. Eine wichtige Rolle spielen dabei die klassischen Gütekriterien und ethische Fragen, die sich in der empirischen Forschung fast immer zwangsläufig ergeben.

•  Auf diesen grundsätzlichen Überlegungen baut die Darstellung der Logik des Vorgehens in der Praxisforschung auf. Sowohl mit Blick auf die Planung als auch auf die Durchführung eines solchen Prozesses werden zwölf Ablaufschritte beschrieben. Wichtig ist es natürlich, sich klar zu machen, dass die Trennschärfe und Linearität eines solchen Ablaufmodells immer begrenzt ist, dass aber eine solche Regelhaftigkeit als Heuristik und zur strategischen Orientierung im Forschungsprozess sehr hilfreich sein kann.

•  Nach diesem Überblick geht es ins Detail: Eine breite Palette an Methoden der Datenerhebung, die in der Praxisforschung häufig und gewinnbringend eingesetzt werden, wird dargestellt.

•  Nach den Methoden zur Erhebung von Daten steht die Frage nach sinnvollen Strategien zur Auswertung der gewonnenen Daten und Informationen im Mittelpunkt – zunächst die quantitativen Methoden.

•  Das letzte Kapitel widmet sich schließlich den Methoden der qualitativen Datenauswertung: Die Grundlagen und die Denkweise der qualitativen Sozialforschung werden erklärt, zentrale Methoden der qualitativen Datenaufbereitung und -analyse beschrieben.

•  Am Ende des Buches ist zur besseren Orientierung ein Stichwortverzeichnis zu finden.

Zusätzlich zu diesem Buch gibt es auch eine Homepage: Unter www.praxisforschung.info/buch finden sich zusätzliche Arbeitsmaterialien, u. a. eine Anleitung, die beschreibt, wie quantitative Daten aus Praxisforschungsprojekten mithilfe von Excel, SPSS und R ausgewertet werden können.

 

Danke

Entstanden ist das Buch vor dem Hintergrund von inzwischen mehr als zwölfjährigen Erfahrungen mit Praxisforschung im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsbereich am Institut für Praxisforschung und Evaluation der Evangelischen Hochschule Nürnberg.

Deshalb will ich an dieser Stelle meinen Mitarbeitenden Monika Chilla, Anne-Sophie Köhler, Dietmar Maschke, Sebastian Ottmann und Karl-Hermann Rechberg nicht nur für ihre tatkräftige und kompetente Arbeit in den vielen Praxisforschungs- und Evaluationsprojekten danken, die sie zusammen mit mir in den vergangenen Jahren im Auftrag der Praxis realisiert haben. Wir freuen uns gemeinsam, dass es uns gelungen ist, mit diesem Buch unsere gesammelten methodischen Erfahrungen nun auch Studierenden sowie Kolleginnen und Kollegen in der Praxis zur Verfügung zu stellen.

Ein zusätzlicher Dank richtet sich schließlich auch an Rudolf Bieker, der uns mit wertvollen Hinweisen als Herausgeber der Reihe eine wichtige Hilfe war, sowie an Manfred Garhammer, Uwe Kranenpohl, Annette Scheunpflug und Stephanie Welser, die im Rahmen des Promotionskollegs »Bildung als Landschaft« die Beiträge von Karl-Hermann Rechberg bereichert haben. Und: Last but not least ein ganz herzliches Dankeschön an unsere Hilfskraft Marie-Louise Hilgart, die beim Korrigieren, Formatieren und Zusammenfügen der Kapitel nie den Überblick verloren hat.

 

Nürnberg im Januar 2016
Joachim König

 

Inhalt

 

  1. Vorwort zur Reihe
  2. Zu diesem Buch
  3. Danke
  4. 1 Argumente und Beispiele für den Nutzen von Praxisforschung
  5. Joachim König
  6. 2 Wissenschaftstheoretische Vorüberlegungen
  7. Karl-Hermann Rechberg
  8. 2.1 Systematische Gestaltung des Forschungsvorhabens
  9. 2.2 Gütekriterien empirischer Sozialforschung
  10. 2.2.1 Gütekriterien quantitativer Forschung
  11. 2.2.2 Gütekriterien qualitativer Forschung
  12. 2.3 Ethische Richtlinien und Datenschutz
  13. 3 Praxisforschung in zwölf Arbeitsschritten: Handlungswissen im Überblick
  14. Joachim König
  15. 3.1 Schritt 1: Ziele festlegen
  16. 3.1.1 Klärungs- und Kontrollbedarfe
  17. 3.1.2 Begründungs- und Legitimierungsbedarfe
  18. 3.1.3 Innovations- und Entwicklungsbedarfe
  19. 3.2 Schritt 2: Klärung von Bedingungen und Schaffung von Voraussetzungen
  20. 3.2.1 Infrastruktur und Ressourcen
  21. 3.2.2 Wissen und Kompetenzen
  22. 3.2.3 Compliance und Partizipation
  23. 3.3 Schritt 3: Bestimmung des Gegenstandes und der Fragestellung
  24. 3.4 Schritt 4: Klärung des Vorgehens und des Designs der Untersuchung
  25. 3.4.1 Quantitativ oder qualitativ oder beides?
  26. 3.4.2 Besondere Formen und Designs wählen?
  27. 3.4.3 Mündliche oder schriftliche Befragungen?
  28. 3.4.4 Längsschnitt oder Querschnitt?
  29. 3.4.5 Zeit- und Arbeitsplan
  30. 3.5 Schritt 5: Operationalisierung des Forschungsgegenstandes
  31. 3.6 Schritt 6: Messen – Maßstäbe, Kriterien und Skalen entwickeln
  32. 3.7 Schritt 7: Informations- und Datenquellen bestimmen
  33. 3.7.1 Auswahlverfahren und Stichproben
  34. 3.7.2 Stichprobengröße
  35. 3.7.3 Triangulation
  36. 3.7.4 Verzerrungseffekte
  37. 3.8 Schritt 8: Methoden zur Datenerhebung entwickeln
  38. 3.8.1 Beobachtungsmethoden
  39. 3.8.2 Befragungsmethoden
  40. 3.8.3 Online-Befragungen
  41. 3.8.4 Bereits verfügbare Daten und Dokumente
  42. 3.8.5 Triangulation
  43. 3.8.6 Pretest
  44. 3.8.7 Gültigkeit und Zuverlässigkeit der Erhebungsmethoden
  45. 3.8.8 Die Interessen und Rechte der befragten und beobachteten Personen
  46. 3.9 Schritt 9: Datenerhebung
  47. 3.10 Schritt 10: Aufbereitung und Analyse der Daten
  48. 3.11 Schritt 11: Qualität des Prozesses beurteilen
  49. 3.12 Schritt 12: Verwertung der Ergebnisse
  50. 4 Methoden der Datenerhebung: Anwendungswissen
  51. 4.1 Standardisierte Befragung
  52. Monika Chilla
  53. 4.1.1 Die Einladung
  54. 4.1.2 Der Aufbau
  55. 4.1.3 Die Fragen
  56. 4.1.4 Die Antworten
  57. 4.1.5 Das Layout
  58. 4.1.6 Der Pretest
  59. 4.2 Zeitbudgetanalysen
  60. Dietmar Maschke
  61. 4.2.1 Methodische Grundlagen
  62. 4.2.2 Funktionen und Nutzen
  63. 4.2.3 Methodisches Vorgehen
  64. 4.3 Sekundärdatenanalyse
  65. Sebastian Ottmann
  66. 4.3.1 Vorgehen bei einer Sekundärdatenanalyse
  67. 4.3.2 Metaanalyse: Auswertung vorliegender Forschungsergebnisse
  68. 4.4 Narrative Interviews und Leitfadeninterviews
  69. Karl-Hermann Rechberg
  70. 4.4.1 Allgemeine Prinzipien
  71. 4.4.2 Interviewform ohne Leitfaden: Das narrative Interview
  72. 4.4.3 Grundlagen zu Interviewformen mit Leitfaden
  73. 4.4.4 Leitfadeninterviewform 1: Das problemzentrierte Interview
  74. 4.4.5 Leitfadeninterviewform 2: Das fokussierte Interview
  75. 4.4.6 Leitfadeninterviewform 3: Das Experteninterview
  76. 4.4.7 Wahl der Interviewform(en)
  77. 4.4.8 Entwicklung von Leitfäden
  78. 4.4.9 Vorbereitung von Interviews
  79. 4.4.10 Durchführung von Interviews
  80. 4.4.11 Besondere Settings
  81. 4.5 Dokumentenanalyse
  82. Dietmar Maschke
  83. 4.5.1 Methodische Grundlagen
  84. 4.5.2 Funktionen und Nutzen
  85. 4.5.3 Methodisches Vorgehen
  86. 4.6 Untersuchung von Einzelfällen
  87. Joachim König
  88. 4.6.1 Methodische Grundlagen
  89. 4.6.2 Funktionen und Nutzen
  90. 4.6.3 Methodisches Vorgehen
  91. 4.7 Exploration
  92. Anne-Sophie Köhler
  93. 4.7.1 Grundsätzliche Überlegungen zur Exploration
  94. 4.7.2 Umsetzung der Exploration
  95. 4.7.3 Abschließende Hinweise zur Anwendung
  96. 4.8 Erklärende quantitative Verfahren
  97. Joachim König & Karl-Hermann Rechberg
  98. 4.8.1 Beschreibende vs. erklärende Verfahren
  99. 4.8.2 Grundsätzliche Überlegungen zu erklärenden Verfahren
  100. 4.8.3 Erklärung von Unterschieden: Kontrollgruppen-Design
  101. 4.8.4 Erklärung von Veränderungen: Panel-Design
  102. 4.8.5 Besonderheiten in der Praxisforschung
  103. 4.9 Analyse von Netzwerken
  104. Dietmar Maschke
  105. 4.9.1 Methodische Grundlagen
  106. 4.9.2 Funktionen und Nutzen
  107. 4.9.3 Methodisches Vorgehen
  108. 5 Quantitative Datenauswertung: Anwendungswissen
  109. Sebastian Ottmann
  110. 5.1 Grundlagen der quantitativen Datenauswertung
  111. 5.1.1 Variablen und Skalenniveaus
  112. 5.1.2 Vorgehen bei der quantitativen Datenauswertung
  113. 5.1.3 Codierung und Datenmatrix
  114. 5.1.4 Fehlende Werte
  115. 5.1.5 Ausreißer
  116. 5.1.6 Erstellen von neuen Variablen
  117. 5.2 Deskriptive Statistik
  118. 5.2.1 Häufigkeitstabellen
  119. 5.2.2 Häufigkeitstabellen bei Fragen mit Mehrfachantworten
  120. 5.2.3 Lagemaße
  121. 5.2.4 Streuungsmaße
  122. 5.2.5 Kreuztabellen
  123. 5.2.6 Korrelationen und Zusammenhangsmaße
  124. 5.2.7 Grafische Darstellung
  125. 5.3 Kurze Einführung in die Inferenzstatistik
  126. 5.3.1 Kleiner Exkurs in die Wahrscheinlichkeitstheorie
  127. 5.3.2 Schätzen und der zentrale Grenzwertsatz
  128. 5.3.3 Signifikanztest
  129. 5.3.4 Effektstärke
  130. 5.4 Zusammenhänge auf Signifikanz überprüfen
  131. 5.4.1 Signifikanztest bei Cramers V und Phi-Koeffizient
  132. 5.4.2 Signifikanztest bei Spearmans Rho
  133. 5.4.3 Signifikanztest bei Pearsons r
  134. 5.4.4 Ausblick: Zusammenhänge mit Regressionen analysieren
  135. 5.5 Unterschiede untersuchen
  136. 5.5.1 Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest
  137. 5.5.2 t-Test für unabhängige Stichproben
  138. 5.5.3 U-Test
  139. 5.5.4 Ausblick: Varianzanalyse und Kruskal-Wallis-H-Test
  140. 5.6 Veränderungen untersuchen
  141. 5.6.1 Verbundene Stichproben und Tests für zwei Messzeitpunkte
  142. 5.6.2 Ausblick: Varianzanalyse mit Messwiederholung und Friedmann-Test
  143. 5.7 Ergebnisdarstellung von Signifikanztests
  144. 5.8 Ausblick: Multivariate Analysemethoden
  145. 6 Qualitative Datenauswertung: Anwendungswissen
  146. Karl-Hermann Rechberg
  147. 6.1 Einführung in die Datenauswertung qualitativer Sozialforschung
  148. 6.2 Datenaufbereitung
  149. 6.2.1 Transkription
  150. 6.2.2 Protokoll
  151. 6.3 Datenauswertung mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring
  152. 6.3.1 Verschiedene Formen der qualitativen Inhaltsanalyse
  153. 6.3.2 Gemeinsamkeiten der Analyseformen
  154. 6.3.3 Die Zusammenfassung
  155. 6.3.4 Besondere Form der Zusammenfassung (bei stärker strukturierten qualitativen Daten)
  156. 6.3.5 Die inhaltliche Strukturierung
  157. 6.3.6 Die skalierende Strukturierung
  158. 6.3.7 Mögliche Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse
  159. 6.4 Computerunterstützung bei der qualitativen Datenverarbeitung
  160. 6.5 Vertiefung des Themas
  161. Literaturverzeichnis
  162. Stichwortverzeichnis

 

1          ARGUMENTE UND BEISPIELE FÜR DEN NUTZEN VON PRAXISFORSCHUNG

Joachim König

»Welchen Stellenwert hat Soziale Arbeit in unserer Gesellschaft? Warum ist welche Form der Sozialen Arbeit wie wichtig? Wie gut ist Soziale Arbeit eigentlich?«

Praxisforschung kann – so die These dieses Buches – auf drei Ebenen einen Beitrag zur Beantwortung dieser drängenden Fragen leisten:

•  Soziale Arbeit als gesellschaftliches Teilsystem sieht sich von anderen Bereichen, vor allem der Politik und der Ökonomie herausgefordert. Es geht dabei um Verteilungsfragen und um Verteilungskämpfe, in denen anscheinend nur eines zählt: eine schlüssige Antwort auf die Frage nach dem Wert dieses Teilbereichs Soziale Arbeit für die gesamte Gesellschaft. Im Zeichen der Verknappung öffentlicher Haushalte gerät selbstverständlich auch Soziale Arbeit zunehmend unter Legitimationsdruck und in den Strudel der überall geführten Kürzungs- und Streichungsdebatten. Differenzierte Evaluationskonzepte können PraktikerInnen jedoch inzwischen in die Lage versetzen, sinnvolle Nachweise der Wirtschaftlichkeit Sozialer Arbeit zu führen.

•  Soziale Arbeit als wissenschaftliche Disziplin benötigt für ihre Theoriebildung dringend Wissen darüber, welche unterschiedlichen Funktionen, Wirkungen und Nutzen Soziale Arbeit im Hinblick auf die riesige Palette unterschiedlicher Zielgruppen hat. Auch in ihrem Verhältnis zu den Nachbardisziplinen sind im Diskurs um die Wissenschaftlichkeit Sozialer Arbeit in theoretischer Hinsicht Bemühungen entstanden – auch durch verstärkte Praxisevaluationen –, zur Theoriebildung der »Sozialarbeitswissenschaft« beizutragen.

•  Soziale Arbeit als Profession besinnt sich seit einigen Jahren auf einen zuvor wenig berücksichtigten Teilbereich ihres methodischen Handelns: Indem Praxisforschung als ein hilfreiches Instrumentarium in das Alltagsgeschäft der Sozialen Arbeit integriert wird, kann sie basisnahe und gleichzeitig präzise Erkenntnisse liefern, worin im Einzelfall oder auf eine bestimmte Gruppe von AdressatInnen bezogen der Wert des beruflichen Handelns liegt. Im Rahmen der Professionalisierungsdebatte hat sich daher in den letzten Jahren verstärkt die Einsicht durchgesetzt, dass praxis-, lebenswelt- und handlungsorientierte Forschung in den verschiedenen Arbeitsbereichen der Sozialen Arbeit gezielte Beiträge zur Steigerung ihrer Fachlichkeit und damit zur Entwicklung neuer Standards methodischen Handelns leisten kann (vgl. dazu zunächst Heiner et al. 1994).

Mindestens auf diesen drei Ebenen entsteht also – so die Behauptung dieses Buches – ein Nutzen für die Soziale Arbeit, wenn sie versucht, systematisches Wissen über sich selbst zu generieren. Wie aber konkretisiert sich dies im Alltag, in der Praxis der Sozialen Arbeit selbst?

Zurück zu unserem Beispiel:

Bereits die ersten Auswertungen ergeben teilweise erhebliche Unterschiede zwischen den Einschätzungen von Wirkung und Zufriedenheit auf beiden Seiten. Einrichtungsintern wird daraufhin zunächst an einer einfachen, für alle verständlichen Veröffentlichung dieser Ergebnisse in Form von übersichtlichen und grafisch ansprechend gestalteten Plakaten gearbeitet, die im Freizeitraum des Hauses ausgestellt werden. Drei Wochen später findet eine Hausversammlung statt, auf der die Einschätzungen unter den Bewohnern und den MitarbeiterInnen diskutiert, gemeinsam geklärt und in Bezug auf mögliche Veränderungen konkretisiert werden. Schnell ergeben sich zentrale Knackpunkte und Schlüsselprozesse, die – für alle nachvollziehbar – den Ansatzpunkt für konzeptionelle Veränderungen und Weiterentwicklungen bilden. Eine kleine »Reformkommission« unter Beteiligung von Bewohnern und MitarbeiterInnen erarbeitet in der Folge Vorschläge zur Verbesserung der Angebotsstruktur im Freizeit- und gruppenpädagogischen Bereich.

Auf einer zweiten Schiene wird ein detaillierter Bericht über Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus diesem Praxisforschungsprojekt erarbeitet. Dieser Bericht soll dann Grundlage für die Formulierung einer Qualifizierungsoffensive gegenüber dem Kostenträger auf Landesebene sein. Hier geht es vor allem um strukturelle Weiterentwicklung der Angebote, die teilweise kostenneutral zu realisieren sind, teilweise jedoch mit einer notwendigen Erhöhung der Tagessätze verbunden sind. Es wird vorgeschlagen, eine zusätzliche Förderung dieser neuen Angebote im Rahmen eines Modellprojekts des Bundes zu beantragen. Auch die Einschätzungen und Vorschläge der hausinternen »Reformkommission« werden in den Bericht aufgenommen. Nach einem Vorgespräch mit dem zuständigen Referenten im Landesverband findet außerdem im Rahmen der alljährlichen Landesversammlung eine 30-minütige Präsentation des Verlaufs und der Ergebnisse dieses Verbesserungsprozesses statt.

Zentrale Botschaft an die VertreterInnen aus Verbänden und Sozialpolitik ist dabei die fachliche Legitimation und Profilierung der therapeutischen und pädagogischen Angebote und die damit verbundene Reformbereitschaft der Einrichtung, auch im Hinblick auf die drängenden Fragen nach der Wirtschaftlichkeit künftiger Angebote und Dienstleistungen im Bereich der stationären Suchthilfe.

Diese Herangehensweise kann als exemplarisch gelten für viele Ansätze der Praxisforschung. Und dieses Beispiel beinhaltet auch alle wesentlichen Nutzen, die Praxisforschung für das Alltagsgeschäft der Fachkräfte und Verantwortlichen in der Sozialen Arbeit haben kann. Systematisch betrachtet handelt es sich dabei immer wieder im Wesentlichen um fünf Perspektiven und Herausforderungen:

•  Kontrolle: Mithilfe von Praxisforschung sind soziale Dienste in der Lage, sich einer differenzierten Erwartungs-Erfolgs-Kontrolle zu unterziehen. Eine leistungsbezogene Prüfung kann Bewertungsgrundlagen schaffen, um Erfolg und Misserfolg auf der fachlichen und auf der politischen Ebene diskutierbar zu machen, sowohl mit Blick auf die Effektivität von Maßnahmen, Projekten und Angeboten (also bezogen auf die Frage nach der Zielerreichung) als auch auf deren Effizienz (also bezogen auf das Verhältnis zwischen Aufwand und Wirkung von Praxis).

•  Aufklärung: Nicht nur der finanzielle, auch der Problemdruck steigt in den Feldern der Sozialen Arbeit. Häufig besteht großer Klärungsbedarf angesichts praktischer Probleme im Alltagsgeschäft oder auch darüber hinaus mit Blick auf konzeptionelle Fragen. Durch geeignete Ansätze der Praxisforschung ergeben sich für Einrichtungen und Fachkräfte Möglichkeiten, Beiträge zur Strukturierung, zu mehr Klarheit in der Unübersichtlichkeit und Komplexität alltäglicher Aufgabenstellungen zu leisten – etwa durch die Rekonstruktion von Interventionsverläufen oder von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen.

•  Qualifizierung: Seit vielen Jahren wird im Rahmen der Professionalisierungsdebatte in der Sozialen Arbeit die Forderung nach dem »Ende der Beliebigkeit« thematisiert und in dem Zusammenhang die Weiterentwicklung des methodischen Handelns betrieben. Auch Kompetenzen im Bereich der Praxisforschung können hier dazu beitragen, die Fachlichkeit der Mitarbeitenden zu optimieren. Aus dieser Einsicht können zudem sinnvolle Beiträge zur Personalentwicklung oder für neue Weiterbildungskonzepte in sozialen Organisationen und Verbänden entstehen.

•  Innovation: Wie seit langer Zeit im Bereich der Industrie und in Organisationen anderer Humandienstleistungen sind auch in vielen Einrichtungen der Sozialen Arbeit sogenannte »kontinuierliche Verbesserungsprozesse« inzwischen zu praktikablen und effektiven Instrumenten nicht nur der Qualitätssicherung und -entwicklung geworden. Auch im Hinblick auf die Verbesserung struktureller Bedingungen alltäglicher Handlungsabläufe kann Praxisforschung nützlich sein und innovativ wirken, zur Erneuerung von Strukturen und Hilfeprozessen beitragen, konzeptionelle Weiterentwicklung initiieren oder auch bei der Entwicklung von Alleinstellungsmerkmalen hilfreich sein.

•  Legitimierung: Die Konkurrenz der Anbieter auf dem Sozialmarkt wächst. Gleichzeitig ist in vielen Bereichen eine massive Reduzierung der öffentlichen Finanzierung zu beobachten. Dies hat zwangsläufig eine Erhöhung des Legitimationsdrucks aus Sicht der Anbieter zur Folge. Auch hier ist Praxisforschung in der Lage, durch den Nachweis von Effekten und Wirkungen oder die Dokumentation der Effizienz von Maßnahmen belastbare Aussagen über die Qualität Sozialer Arbeit im Einzelnen zu generieren. So können nach außen, etwa Kostenträgern oder der politischen Öffentlichkeit gegenüber, tragfähige Aussagen zur »Daseinsberechtigung« Sozialer Arbeit in fachlicher Hinsicht, aber auch im betriebs- und volkswirtschaftlichen Sinne gemacht werden.

 

2          WISSENSCHAFTSTHEORETISCHE VORÜBERLEGUNGEN

Karl-Hermann Rechberg

Was Sie in diesem Kapitel lernen können

Um solide Praxisforschung zu betreiben, genügt es nicht, in den wissenschaftlichen Methodenbaukasten zu greifen. Um sich wissenschaftlicher Methoden korrekt zu bedienen, ist es notwendig, sich aus wissenschaftstheoretischer Sicht darüber im Klaren zu sein, welche Art von Daten man generiert, wozu diese dienen können und wozu nicht. Hierzu soll das folgende Kapitel einen Einstieg bieten.

 

 

Die Forderung an empirische Sozialforschung lautet, ihre Aussagen auf der Basis von Datenerhebung zu entwickeln und überprüfbar zu machen. Ihre Ergebnisse sind dabei stets von verschiedenen Aspekten geprägt. Zwei Beispiele sollen dies illustrieren:

•  Die fachliche Kompetenz der Forschenden: Führt der Forscher ein Interview, werden die Ergebnisse auch von seinem Geschick der Gesprächsführung beeinflusst, den Gesprächspartner zum Reden zu animieren, ohne ihm dabei bestimmte erwünschte Aussagen zu suggerieren.

•  Die Möglichkeiten und Grenzen der angewendeten Forschungsmethoden: Mithilfe des Mittelwertes können die Altersstrukturen verschiedener Gemeinden nur begrenzt verglichen werden. Gleiche Mittelwerte zweier Gemeinden sagen beispielsweise noch nichts über die Streuung ihrer Altersstruktur aus. Eine Gemeinde mit dem Namen Breitenkirchen mit einer stark gestreuten Altersstruktur könnte aus vielen Senioren und vielen Kindern und Jugendlichen bestehen, eine Gemeinde mit Namen Schmalenkirchen dagegen ausschließlich aus Personen mittleren Alters. Beide könnten jedoch den gleichen Altersmittelwert aufweisen. Das Beispiel zeigt: Der Mittelwert ermöglicht einerseits einen Vergleich der beiden Gemeinden, ist jedoch kein gleichwertiger Ersatz für alle einzelnen Altersangaben, da ihm unter anderem die Information über die Streuung der Altersstruktur fehlt.

Im zweiten Beispiel wird deutlich, dass beispielsweise statistische Kennziffern in erster Linie dazu dienen, die Sicht auf die komplexe Realität auf ein überschaubares Maß zu reduzieren. Oft wird es erst auf diese Weise möglich, sich in einer komplexen Welt zu orientieren und beispielsweise politische Entscheidungen zu treffen oder das praktische Handeln weiterzuentwickeln.

Bei der Koppelung solcher politischer Entscheidungen an wissenschaftliche Befunde sollte jedoch unter anderem bedacht werden, dass diese Befunde nicht notwendigerweise eindeutig sind und damit die Unsicherheiten der Entscheidung nicht völlig ausgeräumt sein müssen. Eine kritische Auseinandersetzung mit sogenannten evidenzbasierten politischen Entscheidungen ist bei Müller und Waldow (2011) nachzulesen.

Grundsätzlich ist bei der Weiterentwicklung der Praxis auf der Basis von empirischen Untersuchungen unter anderem zu beachten, wie gewährleistet werden kann, dass die wissenschaftlichen Ergebnisse überhaupt für die Praxis nutzbar sind. Verschiedene Strategien, diesen Transfer zu leisten, können am Beispiel Evaluation von Schulunterricht bei Gräsel (2010) nachgelesen werden.

Unabhängig von diesen praktischen Überlegungen ist darauf zu achten, dass die wissenschaftlichen Ergebnisse, die Entscheidung und Evaluation zugrunde liegen, solide sind. Dies hängt unter anderem davon ab, ob das wissenschaftliche Vorgehen adäquat ist. Hierzu stellt dieses Kapitel im Folgenden einige wissenschaftstheoretische Überlegungen an.

2.1       Systematische Gestaltung des Forschungsvorhabens

Die Gestaltung der Forschungslogik und insbesondere die Auswahl der Methoden sollten danach ausgerichtet sein, inwiefern sie zum Anliegen einer Untersuchung passen. Um hierfür eine Orientierung zu geben, wird in diesem Abschnitt die Systematisierung der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zunächst nach zwei Forschungsparadigmen gegliedert. Dem wird am Ende des Abschnitts eine weitere alternative Systematisierung gegenübergestellt.

In der empirischen Sozialforschung haben sich inzwischen zwei Traditionen herausgebildet: Die quantitative und die qualitative Sozialforschung werden häufig als zwei Paradigmen bezeichnet, da sie unterschiedlichen Forschungslogiken folgen. In Deutschland werden sie daher in der Literatur häufig getrennt behandelt. Dies ist jedoch nicht zwingend nötig, wie beispielsweise Werke aus der Fachliteratur zeigen, die beide Paradigmen einschließen und Gemeinsamkeiten sowie Ergänzungen aufzeigen (vgl. Baur und Blasius 2014; Bortz und Döring 2006).

Das Paradigma der quantitativen Sozialforschung stellt in den Vordergrund, Merkmale der Realität zu operationalisieren, also in zählbare Einheiten zu überführen. Die Zufriedenheit von Klienten der sozialen Arbeit wird beispielsweise mit Fragebogen-Items abgefragt, mithilfe derer die Klienten auf einer Skala angeben, wie sehr sie mit einer Leistung zufrieden waren. Hat ein Klient sich für ein »zufrieden« entschieden, wird diese Angabe beispielsweise mit der Zahl 1 codiert. Hat ein anderer Klient mit »nicht zufrieden« geantwortet, könnte dies in den Messwert 3 überführt werden. Die Zufriedenheit dieser Zweiergruppe kann mit einem Mittelwert von 2 ausgedrückt werden.

Aussagen zielen dabei auf mengenmäßige Repräsentativität. Das bedeutet: Wenn man aus einer Bevölkerungsgruppe eine Stichprobe zieht und diese quantitativ analysiert, werden bestimmte Strategien angewendet, welche die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Ergebnisse der Stichprobe mit denen der gesamten Bevölkerungsgruppe vergleichbar sind.

Forschungsvorhaben werden in dieser Tradition üblicherweise linear durchgeplant: Beispielsweise wird zuerst ein Fragebogen entworfen, der alle interessierenden Fragen enthält. Mit diesem wird anschließend eine Erhebung vorgenommen. Nach Aufbereitung der Daten werden diese schließlich ausgewertet. Hierbei ist wesentlich, dass die Ergebnisse vom Forscher unabhängig sind. Zu diesem Zweck bedient sich dieser Forschungszweig statistischer Methoden, die möglichst objektive Ergebnisse zum Ziel haben, mithilfe von Kennwerten Komplexität reduzieren und Vergleichbarkeit herstellen. Die Ergebnisse können schließlich in Diagrammen dargestellt werden.

Das Paradigma der qualitativen Sozialforschung arbeitet mit nicht-numerischem Material, wie vor allem Texten, aber auch Fotografien, Videos usw. Die Datenerhebung ist an vielen Details interessiert, die sich aus dem Datenmaterial selbst herausbilden sollen anstatt durch die Methode vorgegebene Merkmale zu messen. Beispielsweise werden Klienten Sozialer Arbeit in einem Interview offen gefragt, was sie an einer Leistung zufrieden gestellt oder gestört hat. Die Antworten können bestehende Erwartungen erfüllen, wenn Klienten beispielsweise sagen, dass sie Hilfe erhalten hätten. Es können aber auch überraschende Aspekte hinzukommen, beispielsweise dass es im Wartezimmer nicht so übel gerochen hat, wie es sonst oft der Fall sei.

Aussagen zielen dabei auf strukturelle Repräsentanz. Das bedeutet: In den Ergebnissen sollen die wesentlichen Aspekte enthalten sein, die es im Hinblick auf eine Fragestellung zu unterscheiden gilt. Es sollten beispielsweise die wesentlichen Zufriedenheitsaspekte der Klienten zusammengestellt werden. Damit wird keine Aussage darüber getroffen, wie häufig sie vorkommen.

Häufig werden Forschungsvorhaben in dieser Tradition nicht linear, sondern zirkulär durchgeführt. Das bedeutet, dass beispielsweise erst nach Erhebung und Auswertung einiger erster Fälle eine Informationsgrundlage besteht, auf deren Basis die weiteren Fälle ausgewählt werden (Theoretisches Sampling). Stellt man beispielsweise nach Erhebung der ersten fünf Fälle fest, dass schon lange bekannte Klienten ihre Zufriedenheit an völlig anderen Kriterien festmachen als solche, die eine Einrichtung zum ersten Mal aufsuchen, würde man diese beiden Extreme in den folgenden Erhebungen gezielter untersuchen. Ein Vergleich der Ergebnisse kann anhand bestimmter, im Auswertungsprozess herausgearbeiteter Kategorien vorgenommen werden. Diese entstehen jedoch grundsätzlich in einem interpretativen Prozess, wodurch die Subjektivität der Forschenden nicht gänzlich ausgeschaltet werden kann. Die qualitative Sozialforschung versucht diesen Umstand zwar einerseits durch verschiedene Verfahren der intersubjektiven Korrektur zu kompensieren. Beispielsweise interpretieren mehrere Forscher das gleiche Datenmaterial und vergleichen anschließend ihre Ergebnisse. Andererseits begreift sie Subjektivität auch als eine Ressource, die ein Verstehen der erforschten Subjekte erst möglich macht.

Neben einer paradigmatischen Unterscheidung in quantitative und qualitative Methoden der Datenerhebung besteht die Möglichkeit, Methoden in die Kategorien beschreibend, hypothesengenerierend oder hypothesenüberprüfend einzuteilen. Man könnte beispielsweise Klienten in einem Fragebogen folgende offene Frage stellen: »Was hat ihnen in der Beratung nicht gefallen?«. Aus den Antworten lassen sich im qualitativen Sinne Kategorien bilden. Die Antworten »finstere Räume« und »alles war so dunkel« lassen sich beispielsweise der Kategorie »Raumhelligkeit« zuordnen. Diese Kategorien können in einem zweiten Schritt quantitativ auf die Frage hin ausgewertet werden, welche Kategorie besonders häufig genannt wurde. Wird die Kategorie »Raumhelligkeit« von 65 % der Befragten genannt, lässt sich auf dieser Grundlage die Hypothese generieren, dass diese Kategorie den Befragten besonders wichtig sein könnte. Hier wird also eine qualitative Erhebungsmethode quantitativ ausgewertet. Unabhängig von dieser Unterscheidung könnte man jedoch die beschriebene Forschungsstrategie als hypothesengenerierend bezeichnen. Zur näheren Erläuterung von beschreibenden und hypothesenüberprüfenden Strategien siehe Kapitel 4.8.

Unabhängig davon, nach welchem Paradigma ein Forscher arbeitet, und unabhängig davon, ob er beschreibend, hypothesengenerierend oder -überprüfend arbeiten möchte, kann es sich lohnen, unterschiedliche Methoden zu kombinieren, wie es bei der sog. Triangulation bzw. den Mixed-Methods-Designs gemacht wird (vgl. Flick 2011; Kuckartz 2014a): Werden innerhalb eines einzigen Forschungsvorhabens mehrere Datenerhebungen vorgenommen, so können dabei Verfahren aus verschiedenen Forschungstraditionen angewendet und aufeinander bezogen werden. Die bereits angeführten qualitativen bzw. hypothesengenerierenden Interviews mit Klienten der Sozialen Arbeit könnten beispielsweise dazu dienen, Aspekte der Zufriedenheit zu sammeln. In einem zweiten Schritt könnten diese Aspekte mithilfe eines standardisierten Fragebogens bei weiteren Klienten abgefragt werden, um anschließend im Sinne der quantitativen Forschung auszuzählen, welche Wünsche besonders häufig genannt werden bzw. zu beschreiben, wie die Wünsche mengenmäßig unter den Befragten verteilt sind.

2.2       Gütekriterien empirischer Sozialforschung

Die empirische Sozialforschung versucht, mit sogenannten Gütekriterien Standards zu finden, an denen die Qualität von Forschungsergebnissen abgelesen werden kann.

2.2.1         Gütekriterien quantitativer Forschung

Die quantitative Sozialforschung unterscheidet in Bezug auf die Qualität der Erstellung und Anwendung ihrer Messinstrumente die folgenden Gütekriterien (vgl. Krebs und Menold 2014; Bortz und Döring 2006):

•  Objektivität: Eine Datenerhebung ist dann objektiv, wenn sie unabhängig vom Forscher, der sie durchführt, bei gleicher erhobener Personengruppe immer zum selben Ergebnis gelangt. Dies soll durch die Standardisierung von Fragebögen gewährleistet werden sowie dadurch, dass die Befragungssituation die Befragten möglichst nicht beeinflusst. Die Datenerhebung, -aufbereitung und -auswertung muss ausführlich dokumentiert werden, um ihre Objektivität nachvollziehbar zu machen, insbesondere wenn Störungen wie fehlende Rückläufe auftreten, mit denen die Forscher irgendwie umgehen müssen. Die Interpretation der Ergebnisse kann nicht vollständig objektiv sein, da sie den Werturteilen der interpretierenden Person unterliegt.

•  Reliabilität: Sie gibt die Messgenauigkeit des Erhebungsinstruments an. Sie zeigt sich beispielsweise darin, dass Messergebnisse möglichst exakt auch bei weiteren Messungen wieder eintreten, also reproduziert werden können. Man geht davon aus, dass ein Messwert aus einem wahren Wert und einem Messfehler besteht. Solche Messfehler können dadurch auftreten, dass die Befragten beim Ausfüllen eines Fragebogens durch Müdigkeit oder Störungen beeinträchtigt sind oder raten, wenn sie eine Frage nicht eindeutig beantworten können, oder sogar bewusst lügen. Es ist also grundsätzlich vom Messfehler eines Instruments auszugehen. Je kleiner der Messfehler ist, als desto reliabler gelten die Ergebnisse. Es gibt mehrere Reliabilitätstestverfahren, welche die Messergebnisse mehrerer Messungen vergleichen, um von deren Schwankungen auf die Größe des Messfehlers zu schließen. Dabei sind Tests, welche die Reliabilität einzelner Fragebogenitems messen, von solchen zu unterscheiden, welche die Reliabilität ganzer Item-Sammlungen messen. Zu den einzelnen Messverfahren sei beispielsweise auf die ausführliche Darstellung von Testgütekriterien bei Bortz und Döring (2006) verwiesen.

•  Validität: Sie gibt an, in welchem Maß ein Erhebungsinstrument genau das misst, was es auch messen soll. Versucht ein Fragebogen mit der Frage: »Wie fühlen Sie sich jetzt nach dem Beratungsgespräch?«, die Zufriedenheit eines Klienten mit einem sozialen Beratungsangebot zu messen, so könnte es sein, dass die emotionalen Persönlichkeitsmerkmale der Person die Validität des Ergebnisses verzerren: Eine grundsätzlich missmutige Person würde vermutlich tendenziell negativere Antworten geben als eine grundsätzlich fröhliche Person. Um die Validität zu bestimmen, werden Messdaten zu anderen Daten in Beziehung gesetzt, die etwas Ähnliches messen. Auch zu den Messverfahren der Validität ist die ausführliche Darstellung von Testgütekriterien bei Bortz und Döring (2006) sehr hilfreich.

Die Validität einer Messung hängt von der Reliabilität des Messinstruments ab, aber nicht umgekehrt: Ist eine Waage schlecht geeicht, ist ihre Reliabilität beeinträchtigt. Dann zeigt sie auch immer das falsche Messergebnis an. Das heißt: das Ergebnis ist nicht valide. Jedoch kann auch eine gut geeichte und damit reliable Waage ein fehlerhaftes Messergebnis anzeigen, wenn beim Messen jemand unbemerkt ein zusätzliches Gewicht mit auf die Waage stellt.

Neben den beschriebenen klassischen Gütekriterien geben die folgenden Aspekte Aufschluss über die Aussagekraft von quantitativen Untersuchungen (vgl. Krebs und Menold 2014; Bortz und Döring 2006):

•  Interne Validität: Häufig gehört es zu den Ergebnissen von quantitativen Untersuchungen, dass Zusammenhänge zwischen mehreren Variablen berechnet werden. Beispielsweise wird ein statistischer Zusammenhang zwischen einem sozialen Kompetenztraining und einer Veränderung des sozialen Verhaltens seiner Absolventen festgestellt. Die interne Validität ist umso höher, je eher ausgeschlossen werden kann, dass dieser Zusammenhang auf andere Faktoren als das Kompetenztraining zurückgeführt werden kann. Inwiefern dies gewährleistet ist, hängt vom Design der jeweiligen Untersuchung ab. Sogenannte experimentelle Designs versuchen durch einen stark geplanten Versuchsaufbau eine hohe interne Validität herzustellen. Dies geschieht jedoch oft auf Kosten der externen Validität.

•  Externe Validität: Dieses Kriterium beschreibt, wie gut sich die Ergebnisse einer Untersuchung verallgemeinern lassen. Dies ist umso schlechter möglich, je mehr das Untersuchungsdesign von den üblichen Bedingungen des Alltags abweicht. Ein stark geplanter und standardisierter Versuchsaufbau, der wie bei einem Laborexperiment vorgibt, wie eine Situation ablaufen soll, steht in einem gewissen Widerspruch zum Alltag, bei dem sich Situationen zwar ähneln, aber doch in vielen Details unterscheiden. Die externe Validität sinkt ebenfalls, wenn die realisierte Stichprobe in wesentlichen Bestandteilen von der Grundgesamtheit abweicht, also mengenmäßig nicht repräsentativ ist. Zur mengenmäßigen Repräsentativität von Stichproben ist die gut verständliche Einführung von Mayer (2013) zu empfehlen. Das gilt nicht nur für Untersuchungen, die Zusammenhänge berechnen, sondern auch für die sogenannte beschreibende Statistik.

•  Statistische Signifikanz: Untersucht man den Zusammenhang zwischen einem sozialen Kompetenztraining und dem sich verändernden sozialen Verhalten von zwei Teilnehmern im Vergleich zu zwei Nicht-Teilnehmern, so kann es sein, dass sich ein hoher Zusammenhang ergibt. Jedoch ist bei insgesamt vier Versuchspersonen die Wahrscheinlichkeit äußerst hoch, dass es sich um ein zufälliges Ergebnis handelt. Die Signifikanz ist ein statistisches Maß, das diese Wahrscheinlichkeit ausdrückt. Hoch signifikante Ergebnisse sind mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht zufällig. Die Signifikanz ist insbesondere abhängig von der Menge der beteiligten Personen. Sie sollte bei der Interpretation von Zusammenhängen stets genannt werden. Zur ihrer Berechnung sei erneut auf die Darstellung bei Bortz und Döring (2006) hingewiesen.

•  Effektstärke: Besteht wirklich ein hoch signifikanter Zusammenhang zwischen einem sozialen Kompetenztraining und der Verbesserung sozialen Verhaltens seiner Teilnehmer, so muss dies nicht bedeuten, dass diese Verbesserung eine hohe Relevanz besitzt. Die sogenannte Effektstärke beschreibt, in welcher Intensität sich ein Zusammenhang auswirkt. Wenn man die Veränderung des sozialen Verhaltens auf einer 10-Punkte-Skala misst, dann wäre eine Verbesserung um 0,3 Punkte ein verhältnismäßig niedriger Effekt. Dies kann beispielsweise darauf hindeuten, dass das Kompetenztraining zwar wirksam ist, aber für eine weitere Finanzierung nicht wirksam genug. Die Effektstärke sollte bei der Interpretation von Zusammenhängen ebenfalls genannt werden. Auch ihre Berechnung ist bei Bortz und Döring (2006) nachzulesen.

2.2.2         Gütekriterien qualitativer Forschung

Flick (2014; 2012) stellt die Diskussion um die Gütekriterien in der qualitativen Sozialforschung ausführlich dar. Sie hat bislang nicht zu einem Konsens geführt, der mit den Standards der quantitativen Sozialforschung vergleichbar wäre. Jedoch lassen sich einige Zwischenergebnisse umreißen: