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Martina Hoblitz

Ich wollte ihn (nicht) haben


Worte der Autorin: Zu der Figur des Fotografen inspirierte mich ein ehemaliger Freund, wegen seiner Tatoos. In die Modeschöpferin konnte ich mich so gut hinein versetzen, weil meine verstorbene Mutter Damenmaßschneiderin war. Also widme ich den Roman diesen beiden Personen.


BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

ICH WOLLTE IHN (NICHT) HABEN

 

 

von Martina Hoblitz

 

 

Kapitel 1

 

 

 

Der Mann war mir auf den 1.Blick unsympathisch! Diesen Typ Mann konnte ich noch nie leiden.

 

Zuerst fielen mir die zahllosen schrillen Tätowierungen an den Armen auf, von der Schulter bis zum Handgelenk. Er trug nämlich nur ein weißes Achselshirt. Seine Haare waren pechschwarz, über schulterlang, zu einem Zopf zusammen gebunden. Dazu der wilde Vollbart. Und der schwere Silberring im rechten Ohrlappen. Und die breite Silberkette um den Hals. – Das einzig Positive für mich waren seine warmen rehbraunen Augen, die etwas traurig dreinblickten. Und seine Stimme, ein melodischer Bariton, als er sich vorstellte: „Ich bin Pascal Krüger! Allgemein nennt man mich Kalle.“

 

Worauf ich kühl erwiderte: „Sie wissen wohl, dass ich Gisela Rottweiler bin? Bekannt unter dem Label <Giselle>.“

 

Sein süffisantes Lächeln war mir nur allzu verständlich. Diese Reaktion bekam ich häufig, wenn ich meinen Nachnamen nannte. Denn ich war alles andere als der bekannte Kampfhund. Wollte man mich mit einem dieser bellenden Vierbeiner vergleichen, käme wohl eher ein Pudel in Frage.

 

Ich war klein und nicht gerade schlank, mit weiblichen Rundungen an genau den richtigen Stellen. Ich hatte ein Spitzmausgesicht, sehr blass mit Sommersprossen, wasserblaue Augen und rotbraunes Kraushaar. Auf den 1.Blick sah man mir die bekannte Modedesignerin wohl nicht an.

 

Allerdings konnte man mein Gegenüber auch eher für einen Zuhälter oder Drogendealer halten, als für einen berühmt berüchtigten Fotografen. Zudem gab er auch noch zu, niemals Modefotos gemacht zu haben. – Warum hatte ich mich bloß von Gideon gerade zu diesem Mann überreden lassen? ---

 

Ich musste zugeben, dass ich in letzter Zeit viele Entscheidungen meinem Geschäftspartner Gideon Schneider (wie sinnig!) überließ. Irgendwie fühlte ich mich auf einmal ausgebrannt und ideenlos. Meine letzte erfolgreiche Präsentation lag schon über ein Jahr zurück, und man begann mich langsam in der Branche zu vergessen. Die Modewelt war ja so schnelllebig! ---

 

Jedenfalls konnte ich diesen Mann nicht gebrauchen! – Da machte sich mein Handy mit Beethovens 9ter bemerkbar. Es war Gideon, der mich fragte, ob der Fotograf schon bei mir im Atelier war.

 

„Welcher Teufel hat dich geritten, Gido? Mir so ein unfähiges Subjekt zu schicken! Der Kerl hat doch von Mode keine Ahnung! In jeder Hinsicht.“

 

Ich musterte ihn Stirn runzelnd von Kopf bis Fuß. Ich registrierte seine Jesuslatschen an nackten Füßen, die knielange, ausgefranste und verwaschene Jeans, bis zu dem schon erwähnten weißen Achselshirt. Es war mir ganz gleich, dass er mitbekam, wie ich über ihn sprach, denn ich sagte nochmals betont in mein Handy: „Wirklich überhaupt keine Ahnung! Beweg deinen faulen Hintern hierher und schau ihn dir selbst an! Oder kennst du ihn schon? – Ach, nicht persönlich. Woher denn? – Ach nee, vom Hören-Sagen! Kein weiteres Wort, bevor du hier bist! Beeil dich gefälligst!“

 

Dieser Kalle stand die ganze Zeit da und grinste nur. Er machte mich nervös, und das war ein schlechtes Zeichen. Immer wenn ich nervös war, wurde ich böse und meist ungerecht. So fuhr ich ihn auch jetzt unsinnigerweise an: „Was grinsen Sie denn so? Sie haben keinen Grund dazu! Sie sind jedenfalls nicht das, was ich brauche.“

 

Da konterte er nun auch ungehalten: „Wenn Sie jemand suchen, der bunte Fetzen an dürren Klappergestellen fotografiert, dann bin ich wirklich nicht der Richtige. Lieber schieß ich Bilder in brodelnden Kriegsgebieten.“

 

Er hatte seine Stimme nicht um eine Nuance erhoben, sondern ganz gelassen weiter in seinem warmen Bariton gesprochen, was mich mehr traf, als wenn er mich angeschrien hätte. Ich versuchte genauso gelassen zu entgegnen: „Wenn ich Sie recht versteh, halten Sie Modefotos also für überflüssig?“ – „Das hab ich nicht gesagt!“ wehrte er sofort ab. „Die Welt braucht nicht nur Mord und Totschlag, sondern auch schöne Dinge. Ich wollt nur noch mal Ihre Meinung bestätigen, dass ich davon allerdings keine Ahnung hab. Bisher kenn ich nur die Schattenseiten.“

 

Darauf konnte ich nichts erwidern. Brauchte ich auch nicht, denn Gideon wirbelte herein. Als Typ entsprach er genau dem Klischee des schwulen Modeschöpfers. Er ging nicht, er tänzelte. Seine Hände waren ständig in Bewegung und unterstrichen jeden Satz, der aus seinem weich geschwungenen Mund kam. Er hatte eine sanfte, etwas mädchenhafte Stimme, sein Gesicht war ebenmäßig, seine Augen grau, sein Haar mittelblond und stylisch gefönt. Er war schlank und geschmeidig und stets modisch gekleidet. Außerdem trug er, ob Sommer oder Winter, immer Schal oder Seidentuch wie eine empfindliche Operndiva. Und er war eine Seele von Mensch, mit einem großen Herzen. Natürlich liebte ich ihn – für seinen ausgezeichneten Geschmack. Gideon war für mich unentbehrlich, und leider wusste er das auch.

 

Nun stand er also vor dem Mann, den er mir als Fotografen vorgeschlagen hatte, betrachtete ihn aufmerksam und schüttelte unwillig den Kopf. Dann wandte er sich an mich: „Hast Recht, Gisi! Er sieht nicht grad umwerfend aus. Aber wir wollen ihn ja nicht als Model, sondern als Fotografen. Und wie man hört, versteht er sein Handwerk.“

 

Da unterbrach ihn der Mann: „Ich hab Ihrer Chefin schon mitgeteilt, dass ich nix von Mode versteh und noch nie solche Fotos gemacht hab.“

 

Ich nickte. „Hat er. Er hat bis jetzt nur Mord und Totschlag geknipst.“

 

Und Gideon berichtigte beleidigt: „Gisi ist nicht meine Chefin! Wir sind gleichberechtigte Partner.“

 

Der Mann winkte ab. „Ihre Kompetenzen interessieren mich nicht. Ich will nur wissen: krieg ich jetzt den Auftrag oder nicht? Ehrlich gesagt, ich brauch das Geld. Und man wächst an seinen Aufgaben. Ich bin sicher, ich krieg das hin.“

 

Gideon und ich wechselten einen verblüfften Blick. Der Typ gab tatsächlich zu, dass er den Job brauchte? Dann war es ja wohl mit seiner Bekanntheit auch nicht mehr so weit her. Ein Gefühl von Mitleid beschlich mich, doch unwillkürlich schüttelte ich den Kopf und dachte: ‚Wahrscheinlich lebt er nur über seine Verhältnisse. Das würd ich ihm zutraun.’

 

Ich wandte mich an Gideon: „Dann nimm ihn mal mit ins Büro und lass ihn den Vertrag unterschreiben!“

 

Dieser Kalle freute sich tatsächlich. „Prima! Wann soll ich loslegen?“

 

Wieder wurde ich ungehalten. „Sie bekommen ein Pauschal-Honorar und werden nicht nach Stunden bezahlt. Also kann’s Ihnen egal sein, wann Sie anfangen.“

 

Ich drehte ihm den Rücken zu und murmelte beschämt vor mich hin: „Die Kollektion ist noch gar nicht entworfen.“

 

Darauf schwieg er verblüfft und folgte Gideon ins angrenzende Büro. Ich ließ mich in einen der Cocktailsessel plumpsen und sah mich seufzend im Atelier um. Schon seit Wochen lag hier alles brach, und die Arbeiter drehten Däumchen. Ganz weit in meinem Hinterkopf hatte ich ja eine Wahnsinnsidee! Aber ich war noch nicht in der Lage, sie in die Tat umzusetzen. Bis hierhin schien ich schon alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben. Ich hatte schon Mode entworfen für alle Alterklassen und Größen. Es war eben gar nicht so leicht, dauernd etwas Neues, noch nie Dagewesenes zu kreieren. Meine neue Idee sollte bahnbrechend und völlig abweichend von der Norm sein. Ich hatte Gideon gegenüber schon leichte Andeutungen gemacht, und er nahm mir sofort den Wind aus den Segeln, als er behauptete, der Plan wäre unrealistisch und undurchführbar.

 

Doch ich träumte weiter. Ich wusste, sobald ich den 1.Entwurf zu Papier gebracht hatte, wäre ich in meinem Schaffensdrang nicht mehr zu bremsen. Aber der 1.Schritt war auch der schwerste, und den hatte ich noch vor mir.

 

 

Die beiden Männer erschienen wieder. Sie waren äußerst guter Laune, und das machte mich stutzig. Gideon sprudelte auch sogleich heraus: „Gisi, der Kalle hat da eine fabelhafte Idee!“

 

Siehe da, die beiden waren schon per Du! Nur mäßig interessiert fragte ich nach: „Was denn für eine?“

 

Er druckste ein wenig herum und gestand: „Nun, ich hab ihm von unsren derzeitigen Schwierigkeiten erzählt.“ – Ich wollte schon aufbrausen, doch Gideon blockte ab: „Hör dir erst seinen Vorschlag an!“

 

Er warf Pascal einen auffordernden Blick zu. Dieser zog leicht die Augenbrauen hoch und sagte mit seiner angenehm warmen Stimme: „Ich könnt mit Ihnen so’ne Art Homestory machen. Die große Modeschöpferin bei der Arbeit und privat.“

 

Sofort war ich pure Abwehr. „Was für’ne Schnapsidee!“ – Nach kurzer Überlegung fügt ich jedoch hinzu: „Nun ja, bei der Arbeit vielleicht? Aber auf gar keinen Fall privat! Mein Privatleben geht niemand was an!“

 

Gleichzeitig schoss es mir durch den Kopf: Hatte ich überhaupt ein Privatleben? Oder ein Heim? – Ich besaß ein Ferienhaus in Nizza und Appartements in Paris, Mailand und London. Das in London nutzte ich allerdings kaum, denn es gehörte auch meinem Ex, Stefan Rothenburg, dem großen Stofffabrikanten.

 

 

 

 

Kapitel 2

 

 

 

Als ich Stefan kennen lernte, war ich eine von vielen kleinen Näherinnen in einer großen Bekleidungsfirma und er Lieferant einer großen Stofffabrik. Es war die berühmte Liebe auf den 1.Blick. Doch Stefan war sehr schüchtern. (damals noch, aber im Laufe der Jahre ließ das nach, und er entwickelte sich zu einem argen Draufgänger)

 

Es dauerte sehr lange nach unserer 1.Begegnung, bis er sich überwandt und mich zum Essen einlud. Und dann auch nur in eine Pizzeria, weil seine Finanzen nicht mehr hergaben.

 

Schon bei diesem Essen erzählte er mir fast alles über sich. Er lebte nach dem Unfalltod seiner Eltern (als er ein kleiner Schuljunge war) bei seinem wohlhabenden Onkel, dem die Stofffabrik gehörte, und dessen unscheinbarer Frau, die immer etwas kränkelte.

 

„Eines Tages, liebe Gisi, eines schönen Tages werde ich das alles erben. Bis dahin muss ich mich leider von Onkel Paul scheuchen lassen, wie der letzte seiner kleinen Arbeiter.“ erzählte er mir, griff nach meiner Hand und drückte sie liebevoll. „Und was hast du für Träume?“

 

Damals antwortete ich noch: „Einen lieben Mann und mindestens 3 Kinder!“

 

Das waren meine bescheidenen Wünsche! Ich selbst hatte ja nie ein Familienleben erfahren. Mein Vater war verheiratet, leider nicht mit meiner Mutter. Ob die Nachricht, dass meine Mutter von ihm schwanger war, ihn so erschüttert hatte, dass er kurz darauf an einem schweren Herzkollaps starb? Meine Mutter starb dann bei meiner Geburt. Ich wuchs in einem Waisenhaus auf, und nach der Schule machte ich eine Schneiderlehre. Nach deren Abschluss landete ich in der Bekleidungsfabrik, wo ich immer noch war, als Stefan und ich uns trafen. Und es gab kaum Aufstiegsmöglichkeiten. Ich hätte höchstens versuchen können, meinen Meister zu machen, um dann selbständig zu arbeiten. Doch dazu fehlte mir der Ehrgeiz.

 

Was allerdings bis dahin keiner von mir wusste: In meiner Freizeit beschäftigte ich mit Modezeichnen. Ich entwarf die verrücktesten Kleider und stellte mir vor, sie würden eines Tages auf dem Laufsteg präsentiert.

 

 

Und nun saß ich hier in meinem tollen Atelier und hatte keine Ideen mehr! D.h. Ideen hatte ich schon, nur keine, die sich realisieren ließen.

 

Als die beiden Männer gegangen waren, setzte ich mich an den Zeichentisch, rückte leere Papierbogen hin und her und kaute gedankenverloren an einem Bleistift. – Wieder fielen mir die verrückten Modelle ein, die ich damals auf den Block gekritzelt hatte. Diese Kleider waren nie auf den Laufsteg gelangt. Ich hatte mich nicht getraut. Aber vielleicht war jetzt die Zeit reif für ein paar Verrücktheiten? – Ich versuchte, mich zu besinnen, aber es war alles so verschwommen. Die Details hatte ich schlichtweg vergessen.

 

Dann dachte ich an Pascals Vorschlag mit der Homestory und fand die Idee plötzlich gar nicht mehr so schlecht. Vielleicht war das wirklich die Gelegenheit, mich wieder ins Gespräch zu bringen? Das konnte in der Branche neugierig machen auf meine neuen Pläne.

 

Gideon jedenfalls war begeistert, aber nicht nur von der Idee, sondern auch von dem Mann. Mir war gleich aufgefallen, wie er Pascal anhimmelte. Unmöglich! Ich konnte mir nicht vorstellen, dass dieser Fotograf Gideons Neigungen teilte, aber sicher war ich mir da nicht. Nun, im Grunde war es mir auch egal. Hauptsache, das beeinträchtigte nicht seine Arbeit!

 

Ich überlegte, wie wir mit der Fotoserie anfangen konnten. Am besten hier im Atelier. – Wieder blickte ich auf die weißen Zeichenbogen und seufzte. Dann erinnerte ich mich zurück, als ich mich getraut hatte, Stefan meine Entwürfe zu zeigen.

 

 

Wir waren ungefähr 3 Monate zusammen, aber immer noch rein platonisch. Stefan wagte kaum, mich zu küssen, so schüchtern war er damals. Wenn wir zusammen ausgingen, dann immer dahin, wo viele Leute waren. – Einmal nahm er mich sogar mit ins Fußballstadion. Das blieb allerdings mein 1. und letzter Besuch einer solchen Veranstaltung. – Im Gegenzug begleitete er mich in eine Kunstausstellung, was wiederum ihm nicht behagte.

 

Mit der Zeit mussten wir feststellen, dass wir ziemlich unterschiedliche Interessen hatten. Eine Gemeinsamkeit entdeckte ich schließlich doch. Stefan interessierte sich tatsächlich für Mode, und er hatte einen ausgezeichneten Geschmack. Mir war schon aufgefallen, dass er sich immer sehr modisch kleidete und viel um sein Äußeres gab. – Weil er sich mir auch nach Monaten noch nicht näherte, hatte ich anfangs einen bestimmten Verdacht.

 

Zum Glück bestätigte der sich nicht! Im Gegenteil. – Eines abends nachdem wir im Kino waren und einen recht anregenden Liebesfilm angeschaut hatten, nahm ich ihn mit in meine kleine Wohnung. Ich hatte nicht direkt vor, ihn zu verführen, aber ich wollte ihn ein wenig aus der Reserve locken. Es stellte sich heraus, dass er genauso wenig Erfahrung hatte wie ich, und das Ganze wurde ziemlich verkrampft. Außerdem versuchte er ängstlich aufzupassen, da wir nicht vorbereitet waren und keine Vorkehrung getroffen hatten. – Nach dieser 1.gemeinsamen Nacht ging ich sofort zum Arzt und ließ mir die Pille verschreiben. Ich wollte zwar Kinder, gern auch mit Stefan, aber vorerst noch nicht.

 

Außerdem fiel mir auf, wenn er über seine Zukunft sprach, kam ich nie darin vor. Er schwärmte mir nur vor, was er alles ändern und modernisieren wollte, wenn er erst die Fabrik von seinem Onkel übernehmen würde.

 

Von da an trafen wir uns öfter in meiner Wohnung, denn Stefan behauptete, bei ihm zuhause ginge das schlecht, mit Onkel, Tante und einem Haufen Dienstboten. Ich nahm es so hin, zumal unser Zusammensein von Mal zu Mal schöner wurde. Aber noch immer kam von ihm kein Wort über eine gemeinsame Zukunft. ---

 

Dann eines Abends zeigte ich Stefan aus einer Laune heraus meine Zeichnungen. Ich war baff erstaunt, wie begeistert er sich äußerte. „Sind das wirklich deine Entwürfe? Die sind ja klasse! So außergewöhnlich, aber gut. – Weißt du was? Die solltest du irgendwo einreichen. Tatsächlich hab ich zufällig von einer Ausschreibung gehört. Sagt dir das Label <Modesta> was?“ – „Natürlich. DIE angesagte Modefirma! Heißt ihr Slogan nicht: Tragbare Mode für jede Frau!?“ – „Genau die! Die suchen neue Talente zum Fördern. Sie machen so ´ne Art Wettbewerb. Du m,ußt da irgendwas einreichen, und eine Jury bewertet das. Und dann gibt’s ´nen Preis!“

 

Voller Euphorie rief ich: „Kannst du nicht in Erfahrung bringen, worum’s da richtig geht? Ich möcht’s versuchen!“ – „Klar, Süße! Ich hör mich für dich um. Deine entwürfe verdienen Aufmerksamkeit.“ – „Hoffentlich finden die das auch?“ seufzte ich plötzlich gar nicht mehr so zuversichtlich.

 

Nur wenige Tage später überreichte mir Stefan einen Schnellhefter. Darin hatte er mir alle Konditionen für die Teilnahme an dem Wettbewerb aufgelistet, plus die Adresse, an die ich mich wenden sollte. Ich fiel ihm dankbar um den Hals. Er fing mich lachend auf, küsste mich sehr intensiv und sagte dann: „Also, leg los, mein Schatz! Ich will, dass du gewinnst!“

 

Worauf ich bescheiden erwiderte: „Mir genügt schon, wenn ich unter die ersten 3 komm.“

 

In der nächsten Woche füllte ich sorgfältig die Formulare für die Anmeldung aus und zeichnete neue Entwürfe. Meine schon vorhandenen erschienen mir doch etwas zu verrückt für dieses eher konservative Label. Für die Vorauswahl verlangten sie zunächst nur die Zeichnungen. Wenn meine Entwürfe unter die ersten 10 kamen, verlangte man die komplette Anfertigung eines bestimmten Kleides, was bedeutete: Stoff auswählen, Zuschneiden und selber nähen! Ich nahm an, dass hier bereits einige der Kandidaten scheitern würden. Nicht jeder Modezeichner kann auch automatisch nähen. Ein Vorteil für mich, die ich das ja gelernt hatte. – Doch erstmal hieß es warten. Und die Leute ließen sich sehr viel Zeit bei der Prüfung der Entwürfe.

 

Nach ca 3 Wochen erhielt ich Nachricht, dass meine Entwürfe in die Endauswahl gekommen waren, und ich wurde aufgefordert, den für das festliche Abendkleid in die Tat umzusetzen. – Stefan beriet mich nur beim Stoff, der Rest war meine eigene Angelegenheit.

 

Ich war so fleißig, dass ich das Kleid in nur 3 Tagen fertig hatte. Was ich den Leuten telefonisch mitteilte. Daraufhin bat man, ich sollte mit dem Modell persönlich dort vorstellig werden. Da sollte es dann einem hauseigenen Mannequin angepasst und auf den internen Laufsteg geschickt werden. Und danach würde über das Gesamtpaket entschieden.

 

Stefan hätte mich gern begleitet, aber er konnte es zeitlich nicht einrichten. So machte ich mich mutig allein auf den Weg.

 

 

Beinah ohne es zu wollen und wie von Geisterhand geführt, entstand plötzlich ein Bild auf dem Papier vor mir. Es war in etwa mein damaliger Entwurf, nur etwas gewagter, figurbetonter und mit viel nackter Haut. Die Zeichnung war --- scheußlich! Ich zerknüllte sie wütend und verfehlte den Papierkorb um einen halben Meter.

 

Plötzlich schossen mir Tränen der Verzweiflung in die Augen. Ich war unfähig, talentlos! Oder vielleicht sogar – zu alt für die Branche? Unsinn! Ich war 38 Jahre und keine Sportlerin! – Ber irgendwie fühlte ich mich plötzlich alt und verbraucht. –

 

Da ging die Tür auf, und im Rahmen stand --- Pascal Krüger! Er sagte: „Tut mir leid, dass ich noch mal reinplatze! Aber ich hab tatsächlich meine Vertragskopie vergessen.“

 

Dann schien er meinen aufgelösten Zustand wahrzunehmen, und seine Reaktion war unglaublich. Er eilte auf mich zu, ging vor meinem Stuhl in die Hocke, nahm meine Hände, blickte mich besorgt an und sagte mit seltsamer Vibration in seiner Baritonstimme: „Aber Fr. Rottweiler! Was ist mit Ihnen? Fühlen Sie sich nicht wohl? Haben Sie Schmerzen? Was kann ich für Sie tun?“

 

Ich schaute mit tränennassen Augen in sein verwegenes Gesicht und erwiderte unsinnig: „Ach, bitte, Pascal, sag doch Gisela zu mir!“

 

Dann barg ich meinen Kopf an seiner Schulter und ließ meinen Tränen freien Lauf. – Zunächst rührte er sich nicht, dann ließ er eine meiner Hände los und strich mir behutsam tröstend übers Haar. Und ich schluchzte: „Mir kann keiner mehr helfen. Ich bin fertig! Weg vom Fenster! Am besten ich häng mich auf.“

 

Pascal zuckte erschrocken zusammen, schob mich sanft von sich und fasste mich bei den Schultern. Dann blickte er mich eindringlich an und sagte leise mahnend: „So darfst du nicht reden, Gisela! Jeder Mensch wird gebraucht und ist wichtig. Was ist denn bloß in dich gefahren?“

 

Sein Blick fiel unwillkürlich auf das zerknüllte Blatt Papier. Er hob es auf und entfaltete es. Mit einem leicht ironischen Lächeln bemerkte er: „Ist doch ganz nett. Nur ein bisschen wenig Stoff für diese Haut-und-Knochen-Damen!“

 

Schon musste ich lachen und dachte an meinen Auftritt bei <Modesta>.