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Anne und Nikolaus Schneider

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Vertrauen

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Was in unsicheren Zeiten wirklich trägt

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Ein Wort zuvor
Unsichere Zeiten rufen nach einem „Dennoch-Vertrauen“

Im August 2003 – vier Monate nachdem die Diagnose Leukämie ihr und unser Leben radikal verändert hatte – schrieb unsere 21-jährige Tochter in einer Rundmail an ihre Freundinnen und Freunde:

„Ich empfinde bei all den Gräben, die sich zwischen gesunden und kranken Menschen so auftun, ganz viel Nähe. Nähe zu meinen Eltern, meinen Verwandten, meinen alten und neuen Freunden, Freundinnen und Bekannten. Ich muss zum Glück diesen Kampf nicht alleine kämpfen, sondern werde ganz viel gehalten, gestützt und getragen. Gott gehört auch zu den tragenden Händen. Ihr alle wisst, dass ich weder nach dem tieferen Sinn hinter meiner Krankheit suche noch wütend auf Gott bin oder generell mit ihm hadere – mein Glaube hat Gedenkstättenfahrten überlebt, die Nachrichten, ein Jahr Kosovo, Zeitung lesen.

Mein eigenes Schicksal kann da wohl kaum der Grund sein, das Vertrauen in Gott als Kraft und Energiespender und mich liebender und mit mir leidender „Vater“ (immer wieder scheitere ich an der Unzulänglichkeit von Worten bei dem Versuch, Gott zu beschreiben) zu verlieren.

Und so bete ich Abend für Abend dafür, dass ich weiter stark bleiben kann, dass ich nicht vergesse, wie sehr ich dieses Leben liebe, dass ich gegenüber den Menschen, die mich umgeben, nicht unfair werde, dass ich weiterhin nicht das Gefühl habe, allein zu sein … Oft bin ich traurig eingeschlafen und fröhlich, fast schon vergnügt erwacht mit der Gewissheit, dass ich alles, was vor mir liegt, schaffen werde.“1

Ein tiefes und nachhaltiges „Dennoch-Vertrauen“ ist die entscheidende Kraftquelle, die Menschen hilft, das Leben in guten und in schweren Zeiten lieben zu können – das haben unsere Tochter Meike und wir in den schwersten Stunden erlebt. Auch enttäuschte Hoffnungen, Tränen, Trauer und Traurigkeit konnten bei Meike und uns dieses widerständige Vertrauen nicht zerstören – weder in Bezug auf unsere Mitmenschen noch in Bezug auf Gott.

„Dennoch-Vertrauen“ bedeutet für uns: Wir leben in der Gewissheit, dass wir niemals allein sind, was immer wir tun und lassen, was immer wir erdulden und erleiden.

Und weil wir uns bei allem, was in der Welt geschieht und was uns widerfährt, von Gott und geliebten Menschen begleitet wissen, kann nichts und niemand unsere Lebenszuversicht endgültig und unwiderruflich zerstören.

Wir können einander halten, weil wir gehalten sind.

Es ist also ein grundsätzliches, vom Tagesgeschehen unabhängiges Vertrauen, das für uns das Fundament unseres Lebens und unserer Beziehungen darstellt – trotz mancher Vertrauenskrise, trotz einiger Erfahrungen von enttäuschtem Vertrauen und trotz aller Begegnungen mit Misstrauen und leichtfertiger Vertrauensseligkeit.

Die Schriftstellerin Hilde Domin hat uns für ein solches Vertrauen den Begriff „Dennoch-Vertrauen“ geschenkt. Sie schreibt gegen Ende ihres wahrlich nicht leichten Lebens: „Das Hauptwort in meinen Lebensberichten … ist Vertrauen, sich regenerierendes Vertrauen, widerständiges Vertrauen, Dennoch-Vertrauen. … Ich glaube, das Wichtigste ist, dass wir nicht nur die Erinnerung an das Erlittene weitergeben, sondern auch die Erinnerung an die empfangene Hilfe.“2

Vertrauen als ein solches widerständiges „Dennoch-Vertrauen“ bekennen, das wollen auch wir in und mit diesem Buch. Wir wollen einem Vertrauen nachspüren, das am Leiden und an Enttäuschungen nicht zerbricht und das Menschen auch in unsicheren Zeiten wirklich trägt. Einem Vertrauen, das Menschen zuversichtlich glauben, hoffen und lieben lässt, auch wenn die äußeren Umstände und persönliche Erfahrungen sie eher das Misstrauen lehren.

Menschen mit „Dennoch-Vertrauen“ geben ihre Zukunft nicht preis, auch wenn sie in ihrer Vergangenheit viel Schweres erlitten haben und auch wenn ihre Gegenwart so gar nicht ihren Erwartungen an das Leben entspricht. Menschen mit „Dennoch-Vertrauen“ lassen nicht ab, nach Frieden und Gerechtigkeit in allen Lebensbezügen zu suchen, auch wenn immer neue Krisen die Welt erschüttern. Menschen mit „Dennoch-Vertrauen“ überlassen Gott das letzte Wort in der Gewissheit, dass Gottes Macht und Gottes Liebe stärker sind als der Tod. Auch unsere Gesellschaft und unsere Politik brauchen Menschen, die getragen sind von einem Dennoch-Vertrauen. Sie brauchen Menschen, die das Dennoch-Vertrauen anderer Menschen neu wecken und stärken können.

Wie aber entsteht und wächst so ein widerständiges Vertrauen, das allen Erfahrungen von Versagen, Leid und Zerstörung ein „Dennoch!“ entgegensetzen kann?

Und wie hängen unser Selbstvertrauen und unser Menschenvertrauen mit unserem Gottvertrauen zusammen?

Auch darüber wollen wir in diesem Buch nachdenken und unseren Leserinnen und Lesern persönliche Antworten zum Weiter-Denken oder auch zum Ganz-anders-Denken anbieten.

Denn es geht uns in diesem Buch nicht um eine Zusammenstellung wissenschaftlich-theoretischer Gedanken und Ausführungen zum Vertrauensbegriff oder zu einer Vertrauenskultur. Wir wollen vielmehr von eigenen Vertrauens-Erfahrungen erzählen und diese zu unserem Glauben und zu unseren Gottesvorstellungen in Beziehung setzen.

Wir wollen unsere Überzeugung teilen: Vertrauen lehrt Menschen, das Leben zu lieben und das Sterben getrost in Gottes Hände zu legen. Und zugleich ist das Dennoch-Vertrauen eine unersetzbare Lebensader für eine menschenfreundliche Politik und Gesellschaft. Denn nur Menschen mit einem Dennoch-Vertrauen widerstehen der Politikverdrossenheit, dem Zynismus und der Resignation angesichts all der Vertrauenskrisen in ihrem persönlichen und im öffentlichen Leben.

Wir haben dieses Buch bewusst als Dialog geschrieben. Für uns ist das Gespräch – das Gespräch miteinander als Paar, das Gespräch mit anderen Menschen und immer wieder auch das Gespräch mit Gott – ein bewährter Weg, unser Dennoch-Vertrauen zu stärken und Gottes Weisungen für unser Leben auf die Spur zu kommen. Im Dialog und im Diskurs schärfen wir unseren Blick und unsere Sensibilität für das Vertrauen als eine Wurzel unseres Lebensglückes und als eine Lebenshaltung, die Menschen auch in unsicheren Zeiten wirklich trägt. Verschiedene Schrifttypen machen im Folgenden deutlich, welche Dialogbeiträge jeweils wem zuzuordnen sind.

Gerechtigkeit für Frauen im persönlichen und im öffentlichen Leben ist uns ein wichtiges Anliegen. Deshalb halten wir es grundsätzlich für sinnvoll, in Reden, Vorträgen und in schriftlichen Texten Männer und Frauen geschlechtergerecht anzusprechen. In der Regel haben wir auch in diesem Buch Formulierungen gewählt, die beide Geschlechter umfassen. Gelegentlich aber haben wir uns um der Lesbarkeit willen auf „eingeschlechtliche“ Formulierungen beschränkt, die jeweils das andere Geschlecht einschließen sollen.

Anne und Nikolaus Schneider, Januar 2013

1 Aus: Meike Schneider, Ich will mein Leben tanzen, Tagebuch einer Theologiestudentin, die den Kampf gegen Krebs verloren hat. Mit einem Vorwort von José Carreras. 2. Aufl. 2011, S. 44, Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn

2 Hilde Domin, Gesammelte Essays, Vorwort © S.Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 1993, S. 11

Inhalt

Ein Wort zuvor
Unsichere Zeiten rufen nach einem „Dennoch-Vertrauen“

Kapitel 1
Vertrauen ist ein Beziehungswort

Kapitel 2
Auch Gottvertrauen ist ein Beziehungswort

Kapitel 3
Vertrauen ist die Lebensader für eine menschenfreundliche Gesellschaft

Kapitel 4
Vertrauen verlangt nach Transparenz

Kapitel 5
Vertrauen und Verstand sind keine feindlichen Brüder

Kapitel 6
Vertrauen und Liebe sind Zwillingsschwestern

Kapitel 7
Gottvertrauen ist Vertrauen über den Tod hinaus

Kapitel 8
Gottvertrauen fällt nicht einfach vom Himmel

Kapitel 9
Gottvertrauen ist kein „Ja und Amen“ zu allem, was geschieht

Kapitel 10
Selbstvertrauen heißt nicht Selbstgerechtigkeit

Kapitel 11
Vertrauen will immer wieder neu gewagt werden

Eine persönliche Einladung zum Schluss

Literaturhinweise

Quellenhinweise

Kapitel 1
Vertrauen ist ein Beziehungswort

Anne Schneider: Wenn ich die Worte „Glück“ und „Liebe“ höre, dann stehen mir ganz unwillkürlich sofort glückserfüllte und liebevolle Situationen vor Augen. Und vor allem die Menschen, die mich glücklich machen, die mich lieben und die ich liebe.

Ich sehe dann uns beide, wie wir das Glück mit unseren Kindern und Enkelkindern genießen. Ich sehe, wie wir beide an unserem Hochzeitstag im großen Familien- und Freundeskreis himmelhoch jauchzend unsere Liebe feiern. Aber ich sehe auch, wie wir einander in schweren Zeiten festhalten und trösten. Und mir wird dabei wieder neu bewusst, dass es für mich Liebe und Glück sogar im Leiden gibt. Nämlich dann, wenn ich in deinen Armen weinen kann und mich mit meiner ganzen Trauer und Traurigkeit bei dir verstanden und aufgehoben weiß.

Und genauso wie mit den Worten „Glück“ und „Liebe“ geht es mir auch mit dem Wort „Vertrauen“. Ich wüsste wirklich nicht, wie ich von Vertrauen reden oder schreiben könnte, ohne von meinen persönlichen Erfahrungen mit Vertrauen zu erzählen.

Vertrauen ist für mich einfach nicht denkbar und nicht erklärbar ohne den Zusammenhang mit vertrauensvollen Beziehungen.

Menschen, die ich liebe und von denen ich mich geliebt fühle, sind für mich gleichsam der Wurzelboden, auf dem das Vertrauen zu mir selbst, zu meinen Mitmenschen und zu Gott wachsen kann.

Und ich danke Gott, dass mein Vertrauen seit mehr als 40 Jahren durch die starke und liebevolle Beziehung zu dir wachsen konnte und noch immer wachsen kann!

Nikolaus Schneider: Danke für diese Liebes- und Vertrauenserklärung!

Mir geht es ähnlich. Auch ich will und kann den Begriff „Vertrauen“ nicht abstrakt definieren, eingrenzen und festschreiben. Eben weil er grundsätzlich und konkret ganz viel mit den Erfahrungen und Gefühlen von Menschen zu tun hat. Und weil menschliche Erfahrungen und Gefühle immer noch einen „Mehrwert“ haben gegenüber allen noch so geistreichen und wortreichen Begriffserklärungen. Wenn ich von Vertrauen rede, bleibt immer eine Differenz zwischen dem erlebten Vertrauen und den Worten, die es zu fassen versuchen.

Schlägt man das Wort „Vertrauen“ in Wörterbüchern nach, stößt man auf unterschiedliche Erklärungen:

–Vertrauen ist ein Wort, von dem es keine Mehrzahl gibt. „Vertrauen“ geht auf das mittelhochdeutsche „vertruwen“ und noch weiter auf das gotische „trauan“ zurück. Es ist verwandt mit dem Wort „treu“.

–Vertrauen ist eine persönliche Überzeugung, ein belastbares Gefühl und ein fester Glaube, dass man sich auf eine Person oder eine Macht fest verlassen kann.

–Vertrauen benötigt eine Vertrauensgrundlage. Das können selbst gemachte Erfahrungen sein, aber auch das Vertrauen von Personen, die einem nahestehen.

Alle diese Erklärungen machen mir deutlich:

Über Vertrauen können wir nicht angemessen reden, ohne über unsere Beziehungen zu reden – über unsere Beziehungen zu Menschen, über unsere Beziehung zu uns selbst und über unsere Beziehung zu Gott.

Viel wichtiger als die Frage „Auf was vertraue ich?“ ist deshalb auch mir die Frage: „Auf wen vertraue ich?“

Jedes Vertrauen zu einem Wert, einer Idee oder einer Sache muss sich meines Erachtens in den personalen Beziehungen des Lebens bewähren. Sonst mache ich mir selbst oder meinen Mitmenschen etwas vor. Sonst rede ich von Vertrauen, lebe oder säe aber Misstrauen.

Ich kann beispielsweise nicht behaupten: „Ich vertraue auf die Freiheit.“ Und dann bevormunde und gängele ich meine Frau und meine Kinder.

Und wer sagt: „Ich habe Vertrauen zu unserem Rechtsstaat“, der kann meines Erachtens nicht gleichzeitig das staatliche Gemeinwesen durch Steuerhinterziehung betrügen oder beim Wirt nebenan die Zeche prellen.

Ich kann auch nicht verstehen, wenn Menschen in den USA behaupten: „Wir vertrauen auf den Wert der Freiheit!“, und gleichzeitig auf dem Recht beharren, sich bis an die Zähne zu bewaffnen.

Vor allem kann ich nicht von anderen erwarten, mir, meinen Worten und Taten, zu vertrauen, wenn ich selbst nicht bereit bin, anderen Menschen Vertrauen zu schenken und im privaten wie auch im öffentlichen Leben Vertrauen zu wagen.

Überhaupt finde ich es schwierig, wenn Menschen privat oder öffentlich Vertrauen einfordern. Um Vertrauen können wir nur bitten.

Für mich ist und bleibt das Vertrauen anderer Menschen grundsätzlich immer ein Geschenk, das ich durch mein Tun und Lassen bestätigen, enttäuschen oder verlieren kann, aber das ich letztendlich nicht „verdiene“. Deshalb hat mich die erste Rede von Joachim Gauck nach seiner Vereidigung als Bundespräsident so positiv berührt. Eben weil er darin kein Vertrauen gefordert, sondern erbeten hat:

„Zum Schluss erlaube ich mir, Sie alle um ein Geschenk zu bitten: um Vertrauen. Zuletzt bitte ich Sie um Vertrauen in meine Person. Davor aber bitte ich Sie um Vertrauen zu denen, die in unserem Land Verantwortung tragen, wie ich diese um Vertrauen zu all den Bewohnern dieses wiedervereinigten und erwachsen gewordenen Landes bitte. …“

Auch ich fühlte mich nach meinen Wahlen in leitende Ämter der evangelischen Kirche eher dankbar als stolz. Dass mir so viele Menschen in den Synoden unserer Kirche mit ihrem Wahlvotum ihr Vertrauen geschenkt haben – in der Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland und dann später auch in der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland –, das habe ich weniger als einen verdienten Lohn für vergangene Taten und Leistungen empfunden, sondern mehr als einen geschenkten Vertrauensvorschuss für meinen künftigen Dienst. Und auch als ein Geschenk an mich persönlich. In diesem geschenkten Vertrauen fühle ich mich auch getragen, wenn von mir angestoßene Projekte scheitern, wenn ich nicht für alle meine theologischen Positionen eine Mehrheit finde und wenn die Grenzen meiner körperlichen Belastbarkeit zutage treten.

Ohne vertrauensvolle Beziehungen, die in keinem direkten funktionalen Zusammenhang mit meinen Leistungen stehen, möchte ich nicht leben und nicht arbeiten. Mich ständig bewähren zu müssen, immer „auf Probe“ zu arbeiten und zu leben, wäre mir unmöglich. Ohne diese vertrauensvollen Beziehungen, die für mich immer die Dimension eines unverdienten Geschenkes behalten, könnte ich gar nicht über Vertrauen predigen und zum Gottvertrauen einladen. Und auch meine Kreativität und Spontanität würden ohne vertrauensvolle Beziehungen absterben.

Ich möchte das für mich und auch ganz allgemein so auf den Punkt bringen: Die vertrauensvollen Beziehungen, in denen ein Mensch lebt, bilden gleichsam einen „Wahrheitsraum“ für all das, was er theoretisch über Vertrauen denkt und sagt.

Gut, reden wir also ein wenig über einen – für uns ganz entscheidenden – Wahrheits- und Erfahrungsraum des Vertrauens: reden wir über unsere Familien- und Paarbeziehung.

Ich war 18 und du 20 Jahre jung, als wir uns kennen und lieben lernten. Seit mehr als 40 Jahren sind wir inzwischen verheiratet. Wir sind miteinander erwachsen geworden und sind zusammen „gealtert“ – eigentlich wollte ich „alt geworden“ schreiben, aber das trifft irgendwie noch nicht unser Lebensgefühl. Drei Töchter haben wir großgezogen. Dabei haben wir beide versucht, unseren Einsatz für die Familien- und Berufsarbeit so zu gestalten, dass unsere Paarbeziehung nicht zu kurz kam. Das war und das ist übrigens bis heute eine immer wieder neu zu lösende Aufgabe. Am 3. Februar 2005 starb im Alter von 22 Jahren – nach zweijährigem Kämpfen, Hoffen und Bangen – unsere jüngste Tochter Meike an Leukämie. Die Erfahrung dieser zwei Jahre prägt ganz nachhaltig unser Denken und Reden über das Vertrauen – über unser Vertrauen zu uns selbst, zu anderen Menschen und auch über unser Vertrauen zu Gott. Aber gerade in dieser schwersten Zeit unseres Familienlebens haben wir erfahren können: Ein Leben in vertrauensvollen Beziehungen ist immer ein glückliches Leben!

Unser Lebensglück liegt nicht in Leidfreiheit oder in dem „Happy End“ eines Geschehens begründet, sondern in unserem Grund-Vertrauen:

Wir sind begleitet und geliebt bei allem, was uns widerfährt. Wir haben einen Menschen an unserer Seite, für den wir „glücksentscheidend“ sind – also wichtiger als Beruf, Karriere und alle Freizeitinteressen. Wir leben in und mit dem Vertrauen: Dieser Mensch liebt mich und vertraut mir, ohne dass ich mir seine Liebe und sein Vertrauen täglich neu erkämpfen und verdienen müsste. Und wir haben Gott an unserer Seite an allen Tagen unseres Lebens.

Auch Gottes Gegenwart und Liebe müssen wir uns nicht täglich neu erkämpfen und verdienen!

Dieses Vertrauen trägt uns auch in unsicheren Zeiten.

Mit dem Vertrauen und einer glücklichen Beziehung scheint es mir dabei ein bisschen so zu sein wie mit der Henne und dem Ei: Man kann gar nicht grundsätzlich klären, was zuerst da sein muss.

Ohne Vertrauen kann keine glückliche Beziehung wachsen und gelingen – weder zu Menschen noch zu Gott.

Andererseits entspringt und erwächst Vertrauen aus einer glücklichen Beziehung.

Für unser gemeinsames Lebensglück ist jedenfalls weder eine Beziehung ohne Vertrauen noch ein Vertrauen ohne Beziehung denkbar.

Ja, und wir beide haben in den Jahrzehnten unserer Ehe gemerkt, dass ein vertrauensvolles Beziehungs-Glück für uns nicht identisch ist mit einem unbeschwerten und problemlosen Leben. Und wahrlich auch nicht mit einer Dauer-Harmonie und konfliktloser Einmütigkeit zwischen uns beiden.

Du hast es nach einer recht heftigen Auseinandersetzung und dem anschließenden „Versöhnungshoch“ einmal ganz entschieden so formuliert: Für dich sei andauerndes Gleichmaß der Emotionen das Todesurteil für eine eheliche Liebesbeziehung. „Himmelhoch jauchzen“ vor Glück könne schließlich nur, wer auch immer wieder gemeinsam die Täler eines „Zu-Tode-betrübt-Seins“ durchschreitet. Denn gerade dieses Wechselbad von intensiven Gefühlen zeige dir, dass unsere Beziehung zueinander noch immer lebendig sei.

Du weißt, ich bin nicht ganz so emotional und streitlustig wie du und sehne mich des Öfteren nach etwas längeren harmonischen „Gleichmaß-Phasen“. Aber grundsätzlich stimme ich dir zu:

Konfliktfreiheit ist weder eine grundsätzliche Voraussetzung noch ein eindeutiges Zeichen für die Liebe.

Liebende suchen natürlich nicht aus lauter Streitlust nach Konflikten, aber sie schütten sie auch nicht zu und reden sie sich nicht schön.

Liebende haben den Mut und das Vertrauen, sich ihren Konflikten zu stellen.

Das dann oft anstrengende und manchmal wohl auch schmerzhafte Bearbeiten dieser Konflikte vermag ihre Liebe und ihre Beziehung sogar zu stärken, wenn ihr Vertrauen standhält: das Vertrauen, gerade auch in und mit den Konflikten vom Partner bzw. der Partnerin geliebt zu sein.

Ich empfinde es als das große Glück unseres Lebens, dass uns das in unserer langjährigen Beziehung geschenkt und gelungen ist. Und auch ich genieße es, dass unsere Beziehung für uns beide so lebendig und spannend geblieben ist. Eben weil wir gelernt haben, unsere Verschiedenheiten – also beispielsweise ich deine Streitlust und du mein Harmoniebedürfnis – nicht als eine grundsätzliche Beschwernis, sondern als eine grundsätzliche Bereicherung unserer Partnerschaft zu begreifen.

Doch ich muss gestehen: Mich bewegte und bewegt schon so manches Mal die Hoffnung, dass uns unser gemeinsames „Alt-Werden“ und „Alt-Sein“ vielleicht etwas mehr konfliktfreie Harmonie schenken wird – ohne dass du unserer Beziehung dann ihre Lebendigkeit absprechen wirst.

Wenn ich auf mein Leben zurückblicke – nach 65 Lebensjahren überkommt einen schon gelegentlich so ein Bedürfnis –, dann wird mir dankbar bewusst: Vertrauen ist die Basis unseres Lebens und unseres Zusammenlebens.

Meine Beziehung mit dir hat mein Vertrauen gestärkt: mein Selbstvertrauen, mein Vertrauen zu dir und zu anderen Menschen und auch mein Vertrauen zu Gott. Und deshalb gilt auch für mich: Vertrauen ist ein Beziehungswort – nicht nur theoretisch, sondern ganz lebenspraktisch und im wörtlichen Sinn „lebens-notwendig“!