II

Kurz vor seinem Tode hatte Erich Dorn die Bilder eigenhändig hier aufgehängt. Er weilte gern und viel unter seinen Schöpfungen, und das letzte Wort, das er bei seinem plötzlichen Scheiden aus dieser Welt mühsam hervorgestammelt, war »der Pavillon« gewesen. Seine Frau betrachtete deshalb auch das kleine Gartenhaus wie ein heiliges Vermächtnis. Sie sah streng darauf, daß die Bilder genau so hängen blieben, wie die geliebte Hand sie geordnet hatte, und ihr Sohn, wie auch Tante Bärbchen, mußten ihr wiederholt versprechen, daß sie das Gebäude samt seiner kleinen Gemäldesammlung vor dem Untergange behüten wollten. Daran dachte Lilli jetzt, als sie sinnend vor dem Orestesbilde stand. Sie begriff vollkommen, daß die Tante den Mann verabscheuen müsse, der sie zwingen wollte, ihr Gelöbnis zu brechen. Aber vielleicht, wenn die Hofrätin ihren Groll gegen die andere Linie der Dorns überwunden und dem jungen Nachbar ruhig vorgestellt hätte, weshalb sie die Erhaltung des Pavillons wünschen müsse, vielleicht wäre er da, trotz seiner Wildheit, doch von der Vernichtungsidee abzubringen gewesen.

 

Dieser Gedankengang des jungen Mädchens wurde plötzlich unterbrochen durch ein Geräusch drüben im Garten des Nachbars. Sie hörte deutlich, daß mehrere Männer auf den Pavillon zuschritten und plötzlich Halt vor demselben machten. Durch die Lücken der Jalousie sah sie, wenn auch nur bruchstückweise, die Gestalt eines Arbeiters im Schurzfell und mit Handwerksgerät beladen. Neben ihm standen der Neger und noch ein anderer in Livree. Was beabsichtigten sie?

 

»Na, ihr sollt sehen,« sagte der Arbeiter lachend zu den andern, »ich werde ein Loch in das alte Nest machen, daß ihm das Lebenslicht bald ausgehen soll ... Da wird ja wohl die Alte drüben endlich merken, daß Herr von Dorn nicht mit sich spaßen läßt.«

 

In demselben Moment erdröhnte die Wandseite, an welcher der Orestes hing, unter einem furchtbaren Schlag. Lilli riß das Bild herab und zog die Bank, auf der die Puppengesellschaft residierte, tiefer ins Zimmer. Fast unmittelbar darauf erfolgte draußen ein zweiter Anprall; unter einem schrecklichen Poltern und Geprassel löste sich ein ungeheures Stück Lehmfachwerk und stürzte herein in den kleinen Salon. Die undurchdringlichen Staubwolken, die zu gleicher Zeit aufwirbelten, nötigten das junge Mädchen, vor die Thür zu flüchten, aber nur für einen Augenblick wich sie, die Bilder mußten ja gerettet werden, ehe der Vandale draußen sein Zerstörungswerk fortsetzte! Sie war eben im Begriff, in das Zimmer zurückzukehren, als es von fern herüberklang: »Halt, halt, es ist vorläufig genug!«

 

Es war dieselbe Stimme, die gestern abend den Neger ins Haus berufen hatte, eine volltönende, männliche Stimme, der man es anhörte, daß sie gewohnt sei, zu befehlen. Ah, das war sicher der Blaubart gewesen! Er schien das Werk seiner Rache in höchsteigener Person besichtigen zu wollen, denn ein rascher, fester Männerschritt näherte sich dem Pavillon ... Sollte sie fliehen? Nein. Sie war tief empört über die Gewaltthätigkeit dieses Mannes, er sollte empfinden, daß er verachtet werde, daß andere Ruhe genug besäßen, um seiner Brutalität und Anmaßung entgegenzutreten. Sie trat an den Tisch, der inmitten des Salons stand, stellte eine leere Kiste auf denselben und fing an, scheinbar höchst gleichmütig, das herumliegende Spielzeug einzupacken.

 

»Jacques,« sagte die Stimme jetzt dicht hinter dem Fensterladen, sie klang in diesem Augenblick sehr streng und herrisch, »ich hatte befohlen, daß man zuerst dies Fenster öffnen und sich überzeugen solle, ob nicht innerhalb der Wand sich irgend etwas befinde, das beschädigt werden könnte; weshalb ist das unterblieben?«

 

»Ach, gnädiger Herr,« entgegnete der Maurer an Stelle des zur Verantwortung gezogenen Dieners, »was soll denn da drin sein? Die Alte wird doch wahrhaftig nicht ihre Kostbarkeiten in der Rumpelkammer aufheben!«

 

Es erfolgte keine Antwort; statt dessen erschien eine Männergestalt in der Maueröffnung und sah herein. Unwillkürlich hob Lilli die gesenkten Lider. Da standen sie sich gegenüber, Auge in Auge, der fürchterliche Blaubart und die junge Dame, die plötzlich ihre ganze, bedeutende Dosis Trotz und Willensstärke nötig hatte, um in diesem wichtigen Augenblick nicht aus ihrer Heldenrolle zu fallen. Sie schalt sich innerlich »ein ganz erbärmliches Menschenkind«, weil sie nicht vermochte, den rebellischen Blutwellen zu gebieten, die unter jenem Blick ihr Gesicht überfluteten. Sie überredete sich, nur einen Moment flüchtig hinübergesehen zu haben, und wußte doch ganz genau, daß dort eine kräftig gebaute Gestalt von höchst eleganter Haltung stehe, daß ferner auf dieser Gestalt in der einfachen, braunen Joppe ein auffallend schöner, jugendlicher Männerkopf sitze mit Zügen, die allerdings dämonisch genug aussahen, um den ihm oktroyierten, nicht sehr schmeichelhaften Beinamen zu bestätigen.

 

Er stand einen Augenblick wie angewurzelt vor Ueberraschung; dann aber bog er sich in das Zimmer und betrachtete die Verwüstung, die der Maurer angerichtet. Ohne das Auge wieder zu erheben, bemerkte Lilli doch, daß er leicht mit dem Fuße stampfte.

 

»Wie ungeschickt!« murmelte er mit einem Blick nach den Leuten, welche verblüfft dastanden. »Ich hoffe, ich bin noch rechtzeitig gekommen, um ein größeres Unglück zu verhüten?« sagte er mit einer leichten Verbeugung zu Lilli.

Keine Antwort.

 

Er wandte sich ab und schleuderte die brennende Zigarre, die er zwischen den Fingern hielt, hinüber auf den Rasenplatz. Die Leute entfernten sich stillschweigend. Lilli hoffte, er werde dasselbe thun, denn sie wollte um keinen Preis zuerst das Feld räumen, das hätte wohl am Ende gar ausgesehen wie Flucht, und doch mußte sie sich innerlich eingestehen, daß sie am liebsten so schnell wie möglich auf und davon gelaufen wäre.

 

Aber da stand er schon wieder vor der Mauerlücke. Er hatte die Arme über die Brust verschränkt und lehnte sich mit einer Ruhe und Zuversicht an einen der bloßgelegten Balken, als stehe er hier auf dem Boden freundschaftlichen Verkehrs und nicht an der Schwelle eines feindlichen Gebietes. Lilli fühlte, wie sein Auge unverwandt auf ihr ruhte, sie hätte verzweifeln mögen vor Ungeduld und Verlegenheit, aber nun galt es doppelt, mit sicherer Haltung aus dieser schwierigen Lage hervorzugehen. Sie würdigte ihn keines Blickes und legte eine große Puppe in den Kasten, deren lange, blonde Locken unter einem Kindermützchen hervorquollen.

»Ein reizendes Geschöpfchen!« unterbrach er plötzlich das peinliche Schweigen. »Es würde mich sehr interessieren, zu wissen, ob es auch schreien kann.«

 

Welche Ironie lag in dieser Stimme! Er hatte die Absicht, sie zu beleidigen, er behandelte sie wie ein Kind! Tief empört warf sie ihm einen zornsprühenden Blick zu.

»Ah, gut!« rief er, indem er lächelnd diesen Blick auffing. »Ich wollte einfach wissen, ob Sie des Deutschen mächtig sind. Es bleibt mir in diesem Augenblick kein Zweifel, und so darf ich wohl hoffen, daß Sie mir wenigstens eine Frage beantworten: Wollen Sie mir verzeihen, daß Sie durch mein Verschulden erschreckt und gestört worden sind?«

»Ich erschrecke nicht so leicht, somit bin ich wohl jeder ferneren Antwort überhoben.«

Es zuckte etwas wie ein Wetterleuchten über sein Gesicht, aber er machte nicht die geringste Bewegung, seinen Posten zu verlassen.

 

»Notgedrungen muß ich mich damit zufriedengestellt erklären,« entgegnete er endlich mit Humor. »Aber sagen Sie selbst, ob Moses, nachdem er den ersten süßen Laut der von ihm hervorgelockten Silberquelle gehört, es wohl bei diesem einmaligen Hören hat bewenden lassen? Ich bin in dem gleichen Falle, wenn ich auch eine herbe Beimischung mit in den Kauf nehmen mußte ... Ich habe zwar, vielleicht die Ansprüche der allgemeinen Nächstenliebe ausgenommen, Ihnen gegenüber nicht einen zollbreiten Rechtsboden unter meinen Füßen, und dennoch unterfange ich mich, Ihnen einen Vergleich in Güte vorzuschlagen. Seien Sie wie jene freundliche Fee, die dem armen Mann drei Wünsche gewährte, gestatten Sie mir drei Fragen.«

 

Sie hatte die größte Selbstbeherrschung nötig, um sich nicht von seinem Humor anstecken zu lassen. Am liebsten hätte sie ihm bei seinem originellen Vorschlag in das Gesicht gelacht, aber das durfte sie um alles nicht dem feindlichen Nachbar gegenüber. Er mußte mit Ernst und Kälte für immer in die Schranken zurückgewiesen werden. Sie wandte ihm den Rücken, nahm eines der Bilder von der Wand, und während sie den Staub von dem Rahmen zu entfernen suchte, entgegnete sie gleichgültig: »Und was bieten Sie dagegen, wenn ich mich herbeilasse, Ihnen Rede zu stehen?«

»Nun, vielleicht – die Zurückweisung in Ihrem Gesicht läßt mich nicht bezweifeln, was Ihnen zunächst wünschenswert ist – vielleicht das Versprechen, daß ich dann gehen und Sie allein lassen will.«

»Gut.«

»Das heißt, es bleibt nur für heute in Kraft.«

»Ich sehe die Möglichkeit nicht ein, daß wir uns je wieder begegnen werden.«

»Wollen Sie das nicht meine Sorge sein lassen?«

»Das steht Ihnen frei, ich werde es stets zu vermeiden wissen.«

 

Die alte Dorte hatte recht, er war furchtbar jähzornig. Eine flammende Röte flog über sein Gesicht, während er die Lippen fest aufeinanderpreßte, als wolle er einen Strom heftiger Worte gewaltsam unterdrücken. Mit einer ungestümen Bewegung trat er einen Schritt in den Garten zurück, riß von einem nahestehenden Rosenstrauch zwei Blüten ab, zerdrückte sie in der geballten Hand und ließ sie dann auf den Boden fallen.

 

Lilli sah erschreckt zu ihm hinüber. Sie hatte ihn tief verletzt ... Wie thöricht! es kam urplötzlich wie ein Anflug von Reue über sie, daß sie so herb geantwortet hatte, aber der Mann, der Tante Bärbchen so tief kränkte, er verdiente ja ganz und gar keine Schonung. Es war überhaupt, gelinde geurteilt, sehr rücksichtslos von ihm, sie in ein Gespräch verwickeln zu wollen, sie, die doch notwendig auf seiten der angefochtenen und beleidigten Nachbarin stehen mußte. Sie hatte sich mittels dieses Räsonnements sehr schnell wieder in ihre abweisende Haltung hineingefunden und nahm jetzt, als denke sie gar nicht mehr daran, daß er noch draußen stehe, geschäftig ein zweites Bild von der Wand. Auch das verscheuchte ihn nicht. Er schien seine Entrüstung bekämpft zu haben, wenigstens war das Auge nicht mehr zornfunkelnd, das einen Moment ihren schnell vorbeihuschenden Blick traf. Er trat wieder näher und betrachtete die innere Fläche seiner kräftigen, aber schöngefärbten Hand, ein Tropfen Blut rieselte über die weiße Haut.

 

»Da sehen Sie,« sagte er, indem er einen Dorn aus dem Fleische zog, »die Nutzanwendung bleibt stets neu, wenn auch das abgenutzte Wort: ›Keine Rose ohne Dornen‹ nicht einmal in dem Aufsatz eines Schulkindes mehr Raum finden mag ... Wer denkt aber auch,« – sein Auge glitt bei diesen Worten über die Puppen auf dem Tisch und ein sarkastisches Lächeln zuckte um seinen Mund – »daß bei einer so kindlich lieblichen Beschäftigung der Hände ein verborgener Stachel hinter den Lippen sitzt! ... Sie finden es vielleicht unbegreiflich,« hob er nach einem momentanen Schweigen wieder an, »daß ich nach Ihrer letzten Erklärung noch ein Wort verliere, aber die drei Fragen sind viel zu teuer erkauft, um ihre Erledigung so ohne weiteres aufzugeben ... Ich will billig sein, die erste haben Sie mir beantwortet, aber als Numero zwei möchte ich gern wissen, ob Sie mit der Hofrätin Falk, also auch mit Dorns, verwandt sind?«

»Nein.«

»Nun, warum tragen Sie mir da den unseligen Familienhaß entgegen, als seien Sie der allernächste Abkömmling des alten Erich Dorn?«

 

Sie sah erstaunt auf. Dieser Barbar begriff nicht einmal, daß er sich vor wenig Augenblicken einer unverzeihlichen Roheit schuldig gemacht hatte, infolge deren ihn jedes Frauengemüt verurteilen müsse ... Las er auf ihrer Stirn diesen Gedanken, der freilich noch einen besonderen Ausdruck erhielt durch einen indignierten, über den Schutt hinstreifenden Blick des jungen Mädchens? Genug, er streckte ihr die Hand entgegen, als wolle er die Antwort abwehren, die bereits auf ihren Lippen schwebte.

 

»Nein, nein, sagen Sie nichts!« rief er hastig und bemüht, seinen Worten abermals einen Anstrich von Humor zu geben, »ich war mit dieser Frage unvorsichtig wie ein Kind, das sich auf ein einbrechendes Eis wagt! ... Sie wollten mir eben antworten, es bedürfe der alten, verschimmelten Traditionen ganz und gar nicht, um in mir ein haarsträubendes Beispiel männlicher Willkür und Brutalität zu sehen; hier liege der Beweis vor Ihren kleinen Füßen u.s.w. u.s.w.... Ich führe eine Art Einsiedlerleben und habe mich bisher auch nie darum gekümmert, was jenseit dieses Zaunes lebt und webt und vorgeht, ich weiß also nicht einmal, in welchen Beziehungen Sie zu dem Haus da drüben stehen.«

 

Lilli lachte innerlich über die Schlauheit, mit der er sich in betreff ihrer Person zu orientieren suchte.

 

»Gehört das in das Bereich Ihrer Fragen?« fragte sie, ohne aufzublicken.

»Nein, ums Himmels willen nicht! Ich muß haushälterisch sein ... aber Sie würden mir einen großen Teil meiner Verteidigungsrede ersparen, wenn Sie mir wenigstens sagen wollten, seit wie lange Sie hier sind.«

»Seit gestern.«

»Ah, dann muß ich Sie freilich bitten, mir noch einige Augenblicke Gehör zu schenken! ... Ich bin, nach langen Irrfahrten durch die Welt, schließlich zu der Ueberzeugung gekommen, daß ich das beste Teil meines Lebens – d.h. den Moment, wo die Seele mit der ganzen übrigen Welt in vollkommener Harmonie steht, mithin ihren Frieden hat – in den ersten sechs Jahren meines Daseins zu suchen habe. Infolge vielfacher Enttäuschungen verfiel ich endlich dem leidigen Aberglauben und vermutete im Lande meiner Geburt einen Hort, einen Zauber, der mich sofort in das Glück des ursprünglichen Friedens zurückversetzen müsse. Sie werden begreifen, daß ich mich ohne weiteres auf den Weg nach Thüringen machte.«

 

Er hatte in leichtem Scherz gesprochen, aber Lillis feinem Ohr entging die Bitterkeit nicht, die leise hindurchklang.

»Das begreife ich vollkommen,« entgegnete sie, »aber es ist mir ein Rätsel, wie Sie Ihren inneren Frieden darin finden können, andern das Dasein zu verbittern.«

»Das wäre auch für mich selbst eine ebenso unlösbare Aufgabe, wie der Gedanke, daß diese andern die Annehmlichkeit ihres Daseins auf so viel Hinfälligkeit stützen mögen.«

 

Er überblickte bei diesen Worten spöttisch die allerdings sehr altersschwachen Wände des Gartenhauses.

»Sie sehen,« fuhr er in dem früheren humoristischen Tone fort, »ich kam in der friedlichsten Absicht hierher. Ich hatte sogar rein vergessen, daß die alte Frau da drüben, von allen Kindern aus der Stadt schon damals ›Tante Bärbchen‹ genannt, für mich nur kalte, strenge Blicke hatte, was mich, als kleinen, heißblütigen Jungen, oft so ingrimmig machte, daß ich Steine in ihre Zwetschenbäume warf ... Sie hat den Familienhaß treulich festgehalten, ihr Blick ist nicht wärmer geworden. Trotzdem lag es durchaus nicht in meinem Willen,« sagte er ernster, »ihr feindselig gegenüberzutreten, ich entschloß mich sogar, ihre Besitzung zu kaufen, um das klägliche Zerrbild eines Pavillons aus meinen neuen Anlagen ungehindert entfernen zu können; nicht allein, daß mein Schönheitssinn durch dasselbe stark beleidigt wird, sondern hauptsächlich, weil ein besonderer Umstand es mir zur Pflicht macht, diese Ausschau auf meinen Grund und Boden nicht zu dulden.«

 

»Dieser besondere Umstand ist uns durchaus kein Geheimnis, verehrtester Herr Blaubart!« dachte Lilli und ließ zum erstenmal ihre großen, dunklen Augen voll und fest auf seinem Gesicht ruhen ... Hatte sie den dämonischen Zauber jenes Märchenhelden vergessen, der immer und immer wieder die Mädchenseelen hinüberzog in sein Bereich? ... Wer mochte auch daran denken! Diese Gefahr lag so fern! Waren auch jene männlich schönen Züge dort unergründlich für ihren unerfahrenen Blick, so schwebte doch in der That, als untrügliches Warnungszeichen, ein tiefer, blauer Hauch um das Kinn und den unteren Teil der Wangen ... Ah, sein Gewissen war doch wohl noch nicht gänzlich verhärtet; denn ihr forschendes Aufblicken hatte eine eigentümliche Wirkung! Er verstummte plötzlich mitten in seiner Rede; es war, als ob sich sein Auge erweitere und aufflamme ... war es die Verwirrung des Schuldbewußtseins? Sie wußte es nicht; aber es lag in diesem Ausdruck etwas, das beklemmend auf sie zurückwirkte.

 

»Ah, die Lösung, die Lösung!« rief er mit gänzlich veränderter Stimme, es klang fast, als erwache er aus einem Traume und spräche mit sich selbst.

»Ja, die Lösung des Rätsels war gar nicht so schwer, das hat ja selbst die alte Dorte herausgebracht,« dachte Lilli, schlug aber doch, trotz dieser innern kühnen Bemerkung, die Augen nieder. Er ging einmal draußen auf und ab und nahm dann seine vorige Stellung wieder ein.