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Heike Jacobsen

Persönlichkeit zählt

13 Unternehmer im Porträt

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© 2016 Heike Jacobsen

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback:978-3-7345-8170-0
Hardcover:978-3-7345-8171-7
e-Book:978-3-7345-8172-4

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhalt

Vorwort: Wolfgang Kierdorf

Astrid Klingen

Brigitte Borsing

Nicoline von Jordans-Moscher

Peter Steiner

Almut Schleifenbaum

Andrea Ranscht

Sabine Baran

Ralf Adler

Raymond Rieke

Stefan Schüttler

Stephan Weigelt

Wolfgang Kierdorf

Isabel Kaestner-Bollweg

Vorwort

Wenn man vor 20 Jahren als Unternehmen etwas produziert und verkauft hat, dann hat die Menschen in der Regel der Nutzen des Produkts interessiert. Das ist lange her.

Wir leben in „postfaktischen Zeiten“, in denen die Wahrheit fast nichts mehr zählt und Versprechen genauso schnell gebrochen wie gegeben werden. Wir leben in einer Zeit, in der wir Ergebnisse sofort erwarten. Wir haben verlernt, was es bedeutet, auf etwas zu warten. Kommt eine Bestellung nicht spätestens am folgenden Tag an, machen wir uns Sorgen um das Paket. Früher dauerte ein Liefervorgang Tage oder Wochen.

Im Internet kann jeder vorgeben, das zu sein, was er möchte. Ich könnte auf Facebook eine 23-jährige Blondine sein und auf Google+ ein verwitweter Mittfünfziger. Ich könnte eine winzige Firma sein, die wirkt wie ein großer Konzern.

Was hat all dies nun mit diesem Buch zu tun? Ganz einfach: Heute kaufen wir neben dem Produkt vor allem auch noch eines: Vertrauen. Die Menschen wollen wissen, wer ein Produkt hergestellt hat, wo das Gemüse herkommt und wie die Kuh hieß, die jetzt als Steak auf dem Teller liegt.

Wir haben das Zeitalter des „Wir vertrauen blind einem Unternehmen“ verlassen und sind in die Zeit des „Trust no one – trau niemandem“ eingetreten. Internet und Social-Media sei Dank. Ultimative Transparenz und sekundenaktuelle Nachrichten führen leider auch dazu, dass wir immer mehr von den negativen Dingen hören ... Über die guten Sachen berichtet ja niemand. Wir leben also auch in einer Welt, die von Negativität durchsetzt ist und in der das Wahrnehmen des Persönlichen, Direkten und Nahen der einzige Weg ist, eine fundierte Bewertung zu erhalten.

Ein persönliches biografisches Porträt ist genauso eine persönliche, direkte und nahe Erfahrung. Menschen kaufen bei Menschen, die sie verstehen können, deren Werte sie teilen und die vielleicht sogar ein bisschen so sind wie sie selbst.

Die Menschen in diesem Buch wurden von Dr. Heike Jacobsen interviewt, und Heike versteht es wie keine zweite, den Menschen auf den Zahn zu fühlen und das Wichtige, das Interessante und das Ungeschminkte hervorzuholen.

Als Unternehmensberater sage ich meinen Mandanten immer: Du musst heute bereit sein, dich hinzustellen und über dich zu erzählen. Die Menschen wollen eine Beziehung aufbauen, weil echte Beziehungen zwischen Menschen immer rarer werden. Einer, der das schon vor mehr als 20 Jahren verstanden hatte, war Claus Hipp von Hipp Babykost. Erinnern Sie sich? „... dafür stehe ich mit meinem Namen.“

In diesem Sinne.

Wolfgang Kierdorf (The Black Swan)

Köln, November 2016

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Astrid Klingen, Schmuckdesignerin, Düsseldorf

„Eigentlich wollte ich noch Blumen kaufen“, beginnt Astrid Klingen, während sie Kaffee serviert. Wir sitzen neben ihrer Werkstatt im Ausstellungsraum. „Ich mag es, wenn alles schön ist“, sagt sie. In einer großen Schmuckvitrine und zwei kleinen Schaukastentischen präsentiert sie ihre Schmuckstücke: Ketten, Ringe, Ohrringe aus Silber, Gold, Perlen und Edelsteinen – Granat, Citrin, Amethyst, Aquamarin. Ihr Stil: von verspielt bis schlicht und grafisch-streng. Die Sonne scheint herein, auf der Fensterbank steht eine kleine Etagère mit Pralinen und Törtchen. „Im Sommer können meine Kursteilnehmer im Garten essen, die Werktische kann ich leider nicht draußen montieren. Mein Traum wäre es, irgendwann mal Sommerkurse in Südfrankreich zu geben.“

Auf der Suche nach dem richtigen Beruf dachte sie zunächst an Innenarchitektur, versuchte sich in der Landschaftsplanung, um ihre gestalterische Begabung mit ihrer Liebe zur Natur zu verbinden, und war unglücklich. Ihre Berufung fand sie eher durch Zufall: „Noch heute sehe ich die Straßenkreuzung vor mir, an der wir an einer roten Ampel warteten. Ich klagte meiner besten Freundin mein Leid.

Sie sagte mir auf den Kopf zu: ‚Du musst etwas mit Schmuck machen, das ist sowieso deine Leidenschaft. Mach doch Schmuckdesign.’ Und da fiel der Groschen, aber ganz gewaltig“, erinnert sie sich. Astrid Klingen erlernte als Goldschmiedin von Grund auf das traditionelle Handwerk, im anschließenden Schmuckdesign-Studium lag der Schwerpunkt auf der Gestaltung. „Das ist es 100prozentig“, war sofort ihr Gefühl.

Für Firmen Entwürfe zu gestalten, die in Serienproduktion gehen, das entspricht ihr nicht. Ihre Entwürfe sind Unikate. Nach dem Diplom arbeitete sie freiberuflich, eröffnete bald darauf mit einer Freundin einen kleinen Laden und begann Kurse zur Schmuckherstellung zu geben. Nach 10 Jahren trennten sie sich und Astrid Klingen machte sich allein selbstständig, ohne Ladenöffnungszeiten, individuell und flexibel auf die Kunden abgestimmt. „Ich verkaufe nichts übers Internet“, betont sie, „die Hälfte meiner Aufträge sind Neuanfertigungen oder Umarbeitungen von altem Schmuck auf Basis eines intensiven Gesprächs.“ Im Dialog zu sein ist ihr wichtig. „Im besten Fall habe ich langjährige Kundinnen und weiß, was sie mögen. Es macht mir viel Freude zu merken: Das ist genau für diese Frau passend. Während der Herstellung bin ich dann oft in Gedanken bei diesem Menschen. Ihnen würde ich auch kein Gelbgold empfehlen“, rät sie mit einem erfahrenen Blick auf meine Haut-, Augen- und Haarfarbe und die silbernen Ringe.

Für Astrid Klingen ist Schmuck kein oberflächliches Dekor, sondern etwas ganz Persönliches. Sie erzählt von einer langjährigen Kundin, die eine lange Perlenkette von ihrer Großmutter geerbt und ihr ein Foto der damals noch jungen Frau gezeigt hat. Der Wert der Schmuckstücke bemisst sich für sie nicht nur in Edelmetall, Brillanten und Karat, sondern ebenso in persönlicher Geschichte und individueller Beziehung. Die größte Anerkennung für sie: Wenn ein Schmuckstück zum Lieblingsstück wird und die Kundin es jahrelang trägt, ein Ring so täglicher Begleiter ist.

Die Steine bezieht sie aus einer Schleiferei in Idar-Oberstein, einem alten Familienunternehmen: „Vielleicht müssen die Steine noch nicht mal so teuer sein, aber sie müssen einfach eine Ausstrahlung haben, dürfen gerne ein bisschen eigenwillig sein.“ Sie trägt selbst entworfene Wechsel-Ohrringe aus Onyx und einen Spiel-Ring mit Aufsätzen aus Turmalin und Sternrubin. „Die Idee zu auswechselbaren Steinen hat mich schon lange beschäftigt und kam mir in völlig entspanntem Zustand kurz vorm Einschlafen“, erzählt sie. „Das kommt super an.“

Die kleine Werkstatt ist voll ausgestattet mit Emaille-Ofen, Metallwalze, Löt-Tisch und zwei Werktischen, einem großen Holzblock, zahlreichen Handsägen, Hämmern, Feilen und kleinen Gerätschaften. Am großen Werktisch können mehrere Personen gleichzeitig arbeiten. Man sitzt vor halbrunden Ausbuchtungen, über die Feilnägel aus Holz montiert sind. Darunter aufgespannte Lederwannen fangen den Metallabrieb auf. „Zuerst lernt man aussägen. Das ist die Grundlage für alles“, erklärt Astrid Klingen. „Ich sorge dafür, dass jeder etwas Fertiges mit nach Hause nehmen kann.“ Ihr Tisch steht am Fenster, hier versenkt sie sich ganz in die Gegenwärtigkeit ihres Tuns: „Am liebsten arbeite ich über mehrere Stunden und komme dabei komplett in den Flow. Ich tanke hier völlig auf und finde so absolute Erfüllung. Darum liebe ich diesen Beruf.“ Nicht mehr Schmuck zu machen, das kann sie sich nicht vorstellen.