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Frank Rehfeld

STAR GATE 024: Die Rebellen von Moran-Dur

»Was geschah wirklich mit… Cat Groskowsky?«





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Impressum

Star Gate – Das Original - Nummer 24

 

Urheberrechte am Grundkonzept zu Beginn der Serie STAR GATE - das Original:

Uwe Anton, Werner K. Giesa, Wilfried A. Hary, Frank Rehfeld

Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.hary-production.de

Diese Fassung: © 2011 by HARY-PRODUCTION ISSN 1860-1855

Canadastr. 30 * D-66482 Zweibrücken * Telefon: 06332-481150 * www.HaryPro.de * eMail: wah@HaryPro.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung jedweder Art nur mit schriftlicher Genehmigung von Hary-Production.

Coverhintergrund: Anistasius * Logo: Gerhard Börnsen

 

Titel

Frank Rehfeld

Die Rebellen von Moran-Dur

Was geschah wirklich mit... Cat Groskowsky?

 

Einführung

Am 15. September 2063, um 4:37 Uhr, wollte ein Team mittels STAR GATE von Phönix zur Erde zurückspringen. Genau im Moment ihrer Materialisation im Erd-Star-Gate bei Mechanics Inc. wurde dieses von Saboteuren des Konkurrenten Flibo gesprengt. Das erzeugte eine schreckliche Katastrophe – nämlich die Transmitter-Katastrophe (siehe Band 11).

Vierundzwanzig Menschen sind von der Katastrophe betroffen. Sie sind seitdem spurlos verschwunden. Was ist aus ihnen geworden?

Eine der betroffenen Personen ist Cat Groskowsky, eine Survival-Spezialistin von Mechanics Inc.

 

DIE HAUPTPERSONEN

Cat Groskowsky – landet in einer Hölle der besonderen Art!

Kawilas – für Cat eine wahre Ausgeburt dieser Hölle.

Barol-Koros – der ›Höllenfürst‹ trifft eine Entscheidung – gegen sie!

Del Shannon – scheinbar eine Chance, aber kann sie ihm trauen?




VORWORT

…von Wilfried A. Hary:

 

Stille und Finsternis.

Keine Wahrnehmung. Kein Atem.

Kein Körper!

Entsetzt schreien meine Gedanken: Kein Körper!

Nichts als meine Gedanken, die ich nicht zu ordnen in der Lage bin.

Allein! Abermals schreien meine Gedanken.

Doch halt... Fremdartiges. Keine Töne, keine Bilder... Fremde Gedanken? Unverständlich, erschreckend, mächtig. Göttern gleich. Ich spüre ihre Macht.

Da, ein Name, schemenhaft, flüchtig, vorbeiflatternd, als wolle er mich narren. Mein eigener Name?

Ja... wer bin ich eigentlich? Woher komme ich? Was ist geschehen?

Ich lebe... schon immer?

Leben? Schon immer?

Nein, Zeit spielt keine Rolle im Nirgendwo, im Quasinichts.

Ich lache, aber es ist ein lautloses Lachen, das nur in meiner eng umgrenzten Gedankenwelt sich abspielt. Was ich so lächerlich finde, ist meine eigene Suche nach dem Namen, meiner Vergangenheit. Was ist überhaupt von Bedeutung im Zustand der Zeit- und Raumlosigkeit?

Wenn es keine Zeit und keinen Raum gibt, ist auch keine Existenz möglich! Eine Feststellung aus der Physik. Aber ich erinnere mich an meinen Mathematikprofessor, der uns das Phänomen der vierten Dimension zu erklären versuchte, die mathematisch durchaus von fundamentaler Bedeutung ist.

Nicht nur mathematisch, wie ich jetzt definitiv weiß: Ich bin, aber genau das ist absurd, denn wo nichts ist, kann man nicht sein. Ein Paradoxon, ein unlösbarer Widerspruch. Oder sind alle Theorien von vornherein falsch?

CAT GROSKOWSKY!

Was ist das? Ach ja, der Name. Jetzt, wo er mir gleichgültig geworden ist, hat er sich herangetraut, nicht mehr scheu wie vor Bange vor meinem allzu gierigen Zugriff. Er ist da, um meine Gedanken zu berühren.

Die Erkenntnis: Ja, ich bin Cat Groskowsky, ein Mensch! Ich war bisher jedenfalls ein Mensch gewesen, aber... was bin ich jetzt?

Das Fremdartige.

Beinahe zumindest bin ich so wie dieses.

Es bedrängt mich, aber ich setze mich zur Wehr. Nur teilweise mit Erfolg. Was soll ich tun gegen diese Allmacht? So habe ich mir Götter immer vorgestellt – als der Mensch mit dem Namen Cat Groskowsky. Aber jetzt bin ich fast so wie sie: Nur fast.

Sie sind in mir, mit mir. Wie viele sind es? Als würde ihre Zahl eine Bedeutung haben im Quasinichts...

Ich darf nicht mehr an sie denken. Das ist der beste Schutz.

Meine eigenen Gedanken, eng begrenzt, wenn man das so sagen kann im immateriellen Nichts ohne Raum und ohne Zeit... Sie klammern sich an dem Namen fest wie an einem Rettungsanker, an dem Symbol meines bisherigen unbedeutenden Menschseins als Winzling in der Unendlichkeit des Universums.

Ja, ich war als Mensch ein Winzling, ohne Bedeutung für das Ganze, doch was bin ich jetzt?

Cat Groskowsky! Ich klammere mich daran so fest ich kann. Cat Groskowsky!

Moment, war das mein eigener Gedanke?

Ich spüre die Macht, die unbeschreibliche Macht. Sie ist nicht mein Feind. Sie ist mit mir. Wir sind ohne Körper, sondern nur noch Wille. Wir finden keinen Weg zurück, außer diesem einen, die Materialisation eines perfekten Ebenbildes, erzeugt durch unsere Gedanken...

Was sind das für Gedanken? Meine? Unsere? Wahnsinn droht mich zu überrennen, doch ich wehre mich erfolgreich dagegen. Seltsam: Als würde mir jemand helfen.

Jemand? Im absoluten Nichts?

Aber ich bin doch auch!

Ich bin, ja, egal, was alle Theorien behaupten mögen. Ich existiere dort, wo es keine Existenz geben kann, weil es das immaterielle Nichts ist, nur mathematisch beschreibbar als vierte Dimension. Professor Holmes würde es allerdings weder vierte Dimension noch Hyperraum nennen, sondern Äthermorph. Ein rein theoretischer Zustand...

Und wieso denke ich dann? Dort, wo Gedanken sind, kann nicht das absolute Nichts sein.

»Doch!«

Eine Antwort auf meine unausgesprochene Frage. Nur ein glasklar umrissener Gedanke, mehr nicht, aber auch nicht weniger. Ein... fremder Gedanke, also keiner, den mein eigener Geist produziert und auch keiner, der sich mit meinen eigenen Gedanken vermischt und mich erneut in den Wahnsinn zu treiben droht.

Aus dem Nichts schält sich ein Bildnis. Wie in einem Traum. Erst schemenhaft. Das Bildnis ist rein virtuell – was sonst? – und zeigt eine... Frau. Ich denke wieder den Namen: Cat Groskowsky! Und ich weiß: Das bin ich selbst. Nicht, als würde ich in einen Spiegel sehen, sondern als würde ich mich selbst in einem Film wiedererkennen.

Wir betrachten uns beide. Erst war ich allein, ein Paradoxon im eigentlichen Nichtsein. Und jetzt gleich... doppelt?

Materialisation eines perfekten Ebenbildes, erzeugt durch unsere Gedanken... Schon wieder dieser Satz, nicht klar umgrenzt genug, um ihn einem anderen zuzuordnen, und doch nicht von mir selbst erzeugt.

Auch von ihr nicht, meinem Ebenbild!

Ich würde es wissen, denn meine Gedanken sind synchron mit den Gedanken der anderen, und sie wundert sich synchron mit mir.

»Doch!«, hören wir die Wiederholung von vorhin, die eigentlich jetzt keinen Sinn mehr hat, außer dem einen: Uns zu zeigen, dass wir nicht allein sind und uns begreifen zu lassen, dass keine von uns beiden diesen Gedanken produziert hat.

Wer sonst?

Schatten umschleichen uns. Viele Schatten. Eigentlich... unzählige. Als würde im Nichts die Beschreibung einer bestimmten Menge überhaupt Sinn ergeben. Vielleicht ist es ja nur einer, der sich widerspiegelt wie in einem Spiegelkabinett?

»Wir sind keine Schatten, sondern wir sind eins mit dem Nichts. Wir sind... das Nichts, das lebende Äthermorph. Wir sind für menschliche Begriffe seit vielen Generationen in diesem Zustand der Ewigkeit, ohne Zeit und ohne Raum. Ihr werdet auf Spuren dessen treffen, was wir geschaffen haben zu Zeiten, als wir noch unsere eigenen Körper besaßen und noch nicht eins waren mit dem Äthermorph, der vierten Dimension, dem Hyperraum oder wie auch immer ihr es nennen mögt.«

Schatten, die zu uns beiden... sprechen können?

»Wir sind keine Schatten!«, wiederholen die Gedanken. »Es kommt euch nur so vor, Cat Groskowsky. Ihr assoziiert, weil ihr es als Menschen so gewohnt seid. Wir sprechen auch nicht mit unseren Gedanken zu euch, weil es keine Gedanken geben kann in diesem Zustand. Ihr empfindet das nur so. Es ist wie ein Traum für euch. Alles wird von euch selbst produziert, um zu interpretieren, was nichts anderes ist als virtuelle Daten. Denkt an den Physikunterricht zurück. Informationen sind keine Energie und keine Materie, existieren also in ihrer reinsten Form im mathematisch beschreibbaren Nichts. Darum können sie auch beispielsweise überlichtschnell übertragen werden. Eure Wissenschaft nennt das Tunneleffekt. So ist innerhalb eines Sonnensystems G-Kom möglich mit bis zu tausendfacher Lichtgeschwindigkeit, indem man stehende Wellen nutzt und zur Informationsübertragung keine Trägerwellen erzeugt, was die Übertragungsgeschwindigkeit zwangsläufig begrenzt auf die Lichtgeschwindigkeit. Obwohl selbst tausendfache Lichtgeschwindigkeit für die Kommunikation zwischen Sonnensystemen viel zu langsam ist...«

»Weiß ich doch alles!«, antworten wir gleichzeitig. Wir sind eine Person und trotzdem zwei. Aber wieso wundere ich mich darüber? Ausgerechnet in diesem Zustand des Unmöglichen?

»Beinahe seid ihr so wie wir. Dieser Zustand würde euch wahnsinnig machen, denn ihr seid nicht dauerhaft Bestandteil des Äthermorphs, so wie wir. Ihr seid nur für eine nicht messbare Zeit hier und werdet wieder materialisieren – dort, wo wir euch hinsenden. Ihr könnt nicht hierbleiben.«

»Aber wieso sind wir überhaupt hier? Was ist der Sinn?«

»Erinnert ihr euch nicht, Cat Groskowsky?«

»Professor Holmes! Phönix!« Wir schauen uns erschrocken an und fügen hinzu: »Star Gate!«

»Eine Panne. Um nicht zu sagen: Eine Katastrophe! Vierundzwanzig Menschen im Star Gate von Phönix wollen zur Erde. Ihr seid eine dieser Personen.«

»Aber wir sind doch... zwei?«, wundern wir uns gemeinsam.

»Seid ihr das wirklich?«

»Ich verstehe nicht!«, geben wir zu.

»Ihr bezeichnet uns... als die Uralten, wann immer ihr auf Zeugen unseres damals noch körperlichen Wirkens trefft. Wir waren schon vor einiger Zeit auf der Erde und Menschen haben das herausgefunden, obwohl ihr nichts davon wisst: Dort, wo es früher einen Ort namens Troja gab. Und anderswo. Aber niemand wird vorläufig unseren Namen erfahren. Er ist auch völlig belanglos geworden. In Ermangelung unseres Namens nennt ihr uns eben... die Uralten.«

»Was hat das jetzt mit uns beiden zu tun?«

»Alles! Wir wollten auf dem Höhepunkt unserer Zivilisation den Tod überwinden und fanden eine Möglichkeit, ewig zu werden, indem wir uns vereinten mit dem Äthermorph.«

»Mit dem... Nichts?«

»Ja, doch zu spät erkannten wir, dass wir als ehemalige Körperliche den Kontakt mit dem Universum brauchen wie ein Mensch Essen, Trinken und die Luft zum Atmen. Als Nichts verliert alles an Bedeutung. Das ist schlimmer als der Tod. So laben wir uns an den Erinnerungen der Wesen, die ein Star Gate benutzen, genauso wie an den Daten bei der Transmission durch das Äthermorph...«

»Wir verstehen immer noch nicht...«

»Ihr werdet zwei sein, weil wir es so wollen. Es ist notwendig, und so ist die Transmitter-Katastrophe die wichtigste Chance seit unserer Existenz in dieser Form, um wieder aktiver in das Geschehen im Normalraum einzugreifen. Eine von euch beiden wird das Original sein, die andere wird beseelt von einem Teil von uns, doch dieser Teil wird sich nach der Materialisierung nicht mehr an sein wahres Wesen erinnern. Keine von euch beiden wird daran zweifeln, das Original zu sein!«

Und ich materialisiere – allein. Das heißt, mein anderes Ich ist nicht mehr bei mir. Und was bin... ich? Wirklich das Original, wie ich es erhoffe?

Als hätte das jetzt noch die geringste Bedeutung. Alles ist wieder vergessen, wie nach einem Traum, über den man vergeblich grübelt, ohne sich erinnern zu können. Bis man sogar vergessen hat, geträumt zu haben.

Nur eines zählt: Wo bin ich überhaupt? Und... was erwartet mich hier?

 

1


Der Notruf hatte A-Priorität und unterbrach somit jedes andere Gespräch. Das machte Sharala-San schon wütend, bevor er überhaupt erkannte, wer den Notruf abstrahlte. Er hatte nämlich gerade eine anregende Unterhaltung mit Nelora geführt, einer der seiner Meinung nach hübschesten Craahls, die sein Volk jemals hervorgebracht hatte.

Mit dem charakteristischen Piepston, der den übergeordneten Notruf ankündigte, brach die Verbindung zusammen. Anstelle des hübschen Konterfeis der silberhaarigen Programmiererin erschien das Gesicht Barol-Koros', eines der Kontrolleure einer Mine, auf seinem Bildschirm.

»Was gibt es?«, fragte Sharala-San wütend.

»Gefangenenaufstand in Sektion H 23«, teilte Barol-Koros ruhig mit. »Die Lage ist unter Kontrolle, aber wir benötigen Verstärkung.«

Ausgerechnet H 23, eine der Sektionen, in denen humanoide Gefangene untergebracht waren, größtenteils Craahls wie Sharala-San. Es hatte sich als sinnvoll erwiesen, überwiegend Wesen der gleichen Gattung zusammen unterzubringen und von Aufsehern ihres eigenen Volkes bewachen zu lassen. Es war unmöglich, in jeder Sektion Fremdrassenpsychologen einzusetzen, und so war dies die günstigste Lösung. Als Kontrolleur jeder Sektion fungierte allerdings ein Craahl.

»Ich werde einen Trupp hinbeordern. Wie ist es zu dem Aufstand gekommen?«

»Einer der Gefangenen widersetzte sich einem Aufseher. Als er auf den Mann losging, schlossen andere sich an. Die Aufständischen haben einige Waffen erbeutet und sich in einer Unterkunft verschanzt. Wir haben sie abgeriegelt, können sie aber nicht überwältigen.«

»Warum pumpen Sie kein Betäubungsgas in den Raum?«

»Die Aufständischen haben die Klimaanlage zerstört.«

»Gut, ich schicke Verstärkung. Es braucht keinerlei Rücksicht genommen zu werden. Statuieren Sie ein Exempel, indem Sie den Gefangenen, der den Aufstand ausgelöst hat, hinrichten. Ich erwarte Ihre Meldung, sobald die Aktion erfolgreich abgeschlossen ist.«

Noch bevor der Kontrolleur den Befehl bestätigen konnte, unterbrach Sharala-San die Verbindung.

Diese ständigen Aufstände der Gefangenen gingen ihm gehörig auf die Nerven. Ständig gab es irgendwo Unruhen, die sich trotz immer schärferer Sicherheitsvorkehrungen niemals ausschließen ließen. Im Normalfall wurden sie rasch gebrochen, und es lag noch vor seiner Amtszeit, dass es die letzte planetenumfassende Rebellion gegeben hatte.

Nun, lange würde er wohl ohnehin nicht mehr auf Moran-Dur bleiben müssen. Man hatte ihn aufgrund seines Versagens bei einem militärischen Angriff auf einen Rebellenstützpunkt hierher versetzt. Auch wenn es offiziell nicht so genannt wurde, war es eine Strafversetzung gewesen. Niemand riss sich um das Kommando über einen Strafplaneten des Bundes von Dhuul-Kyphora, wie Moran-Dur einer war. Mehr als fünfzigtausend kriminelle Elemente leisteten hier ihren Arbeitsdienst für den Bund.

Mörder, Diebe, Politische... der Abschaum des Imperiums schuftete hier in den Minen, um Lanor-Quarze zu fördern.

Sharala-San seufzte.

Er ließ sich mit dem den Aufständischen am nächsten gelegenen Wachquartier verbinden und schickte die angekündigte Verstärkung in die betroffene Sektion. Noch bevor Sharala-San das unterbrochene Gespräch wieder aufnehmen konnte, erreichte ihn ein erneuter Anruf. Diesmal kam er aus der Star-Gate-Station.

Sharala-San stutzte. »Völlig ohne Ankündigung?«, hakte er nach. »Oder hat nur jemand die entsprechende Meldung verschlampt?«

»Von wo kommt sie?«

»Schickt sie nach H 23, dort hat es einige Ausfälle gegeben. Und dann findet heraus, woher sie kommt. Irgendwo muss da etwas schiefgelaufen sein, aber das wird sich ja wohl korrigieren lassen. Liefern Sie die entsprechenden Daten dann direkt an Barol-Koros.«

Missmutig wischte Sharala-San sich den Schweiß von der Stirn. Es war viel zu warm in seinem Büro; er stellte die Klimaanlage herab.

Pannen kamen eben überall vor.