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Über dieses Buch:

„Und Sie glauben, dass ein Weib, die meine Lenden gekostet hat, mir nicht am nächsten Tag die Summe schicken wird, die ich verdiene?“

Er ist ein Taugenichts – aber was für einer! Die Frauen am Hofe Ludwigs XV. lieben ihn und bezahlen gerne für ein Schäferstündchen mit dem jungen Lebemann. Doch selbst seine ausgehungerten Kundinnen sind dem Unersättlichen bald langweilig und er bricht zu neuen erotischen Abenteuern auf. In einem Nonnenkloster auf den Geschmack gekommen, vergnügt er sich auf skandalösen Orgien – bis er auf eine Dirne trifft, die seine Manneskraft auf ungeahnte Weise herausfordert …

Deftig, sinnlich, opulent und gespickt mit ironischen Seitenhieben auf den Adel – ein erotisches Leseabenteuer für Genießer.

Über den Autor:

Der Autor Honoré Gabriel Victor de Riqueti, Comte de Mirabeau (1749 – 1791) war einer der bekanntesten Wortführer der Französischen Revolution. In seinem Kampf für die Freiheit und gegen die verlogene Moral seiner Zeit griff er auch in Herzensangelegenheiten zu drastischen Mitteln: Besessen in seiner Liebe zur verheirateten Marquise de Monnier entführte Mirabeau diese kurzerhand und floh mit ihr in die Schweiz. Der Ehebruch brachte ihm eine dreijährige Haftstrafe ein. Im Gefängnis schrieb er den vorliegenden seinen Roman „Meine Bekehrung“, der 1900 erstmals auf Deutsch erschien.

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eBook-Neuausgabe Februar 2017

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Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von eines Bildmotives von shutterstock/Galina Tcivina

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ER)

ISBN 978-3-95885-464-2

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Honoré Gabriel Riqueti, comte de Mirabeau

Der vornehme Wüstling
Meine Bekehrung

Erotischer Roman

venusbooks

Einleitung.

Unter den Persönlichkeiten, die gewissermaßen die Französische Revolution von 1789 »gemacht« haben, ragt wie ein Titane Mirabeau hervor, ein Mann, dessen glänzende Begabung ihn prädestinierte, in den Geschicken seines Vaterlandes eine Rolle zu spielen, deren Tragweite sich durch seinen frühen Tod gar nicht ermessen läßt.

Als Schriftsteller zwar nicht so hervorragend wie als Politiker, haben seine Schriften dennoch nach ihrem Erscheinen eine weit über die Grenzen seines Vaterlandes reichende Beachtung gefunden und wurden namentlich in Deutschland, mit welchem Reiche sie sich so vielfach beschäftigen, eifrig gelesen.

Wenn auf irgendeine Persönlichkeit die Bezeichnung »Feuergeist« paßt, so trifft sie in vollstem Maße bei Mirabeau zu, dessen Genialität ihn über alle Schranken sich hinwegsetzen ließ, die Geburt und Erziehung ihm auferlegten. Die explosionsartigen Ausbrüche seines Temperamentes riefen bei seiner Umgebung teils Erstaunen, teils Schrecken, gar nicht selten aber auch Bewunderung hervor.

Am spätesten gelang sein Vater dazu, die Talente seines Sohnes, der viele Jahre für ihn ein »verlorener« war, anzuerkennen. Man darf jedoch die Härte dieses Vaters, der sich übrigens gerne mit der Toga altrömischer Strenge drapierte, nicht zu schwer beurteilen, wenn man die schroffen Gegensätze in den Anschauungen und wohl auch in der beiderseitigen Lebensführung in Betracht zieht, die zwischen Vater und Sohn fast unüberbrückbare Schluchten rissen und dazu Anlaß gaben, daß der um seinen weitgeachteten Namen besorgte alte Graf, dem seine Zeitgenossen den Ehrentitel »der Menschenfreund« gegeben, den oft tollen Streichen des Sohnes durch drakonische Maßregeln begegnen wollte.

Eine der tollsten Unternehmungen Mirabeaus, dessen Lebensgeschichte in seinen Hauptzügen als bekannt vorausgesetzt wird, war die Entführung der jugendlichen, erst vierundzwanzig Jahre alten Sophie Monnier, geb. de Ruffey (am 24. August 1776), die mit dem siebzigjährigen Marquis von Monnier verheiratet war. Mirabeau, der sich erst vier Jahre vorher (22. Juni 1772) mit der hübschen Marie Emilie de Covet, der einzigen Tochter des immens reichen Marquis von Marignane vermählt hatte, stürzte sich durch diesen doppelten Ehebruch in ein Abenteuer, das für ihn von den ernstesten Folgen begleitet sein sollte.

Mirabeau war mit Sophie nach Holland geflüchtet, aber sein erbitterter Vater, der den »Taugenichts von Sohn« bereits wiederholt mit Hilfe der berüchtigten »lettres de cachet« hinter Schloß und Riegel gesetzt hatte, erwirkte endlich seine Verhaftung und Auslieferung (14. Mai 1777). Sophie wurde in ein Kloster gesperrt, Mirabeau aber am 7. Juni 1777 in das Gefängnis nach Vincennes gebracht, das er erst nach zweieinhalb Jahren (13. Dezember 1780) wieder verlassen durfte.

Aber sein Feuergeist ließ sich nicht fesseln und machte sich in einer Fülle von Arbeiten Luft. Seine Vielbelesenheit, unterstützt von einem ganz kolossalen Gedächtnis, brachte es mit sich, daß seine Schriften nebst vielem eigenen auch sehr viel Entlehntes enthalten. Er übersetzte die alten römischen Schriftsteller, Ovid, Tibul, Catul, Properz, das Leben des Agricola, von Tacitus, die Aminte von Tasso, die Küsse von Johann II., die alle im Druck erschienen. Seine Übersetzungen des Tibullus, des Bocaccio und Johann II. erschienen erst nach seiner Freilassung. Außerdem redigierte er eine Abhandlung über Mythologie, eine Grammatik, schrieb einen Essai über Literatur und verfaßte sein berühmtes Werk »Les lettres de cachat«. Die von ihm redigierten »Memoires sur la ministère du duc d’Aiquillon« ließ Soulavie 1792 erscheinen. Er dichtete auch ein Schauspiel und eine Tragödie und verfaßte eine medizinische Abhandlung über die Kuhpockenimpfung.

Nächst dem zwingenden Bedürfnis, sich wenigstens in Schriften auszuleben, war es auch die Not, die ihn zu eifriger Tätigkeit anspornte. Es wurde für ihn von seinem Vater nur sehr knapp für seinen Lebensunterhalt gesorgt und er mußte deshalb nach Verdienst trachten. Außerdem hatte er auch für Sophie und das Kind, das diesem Bündnis entsprossen, Sorge zu tragen.

Es ist nicht zu verwundern, daß Mirabeau um Geld zu erwerben, dem Geschmacke seiner Zeit Rechnung trug und neben seinen wissenschaftlichen Werken zwei sogenannte obszöne Bücher: »Erotica Biblion« und »Ma conversion« schrieb, die er allerdings erst nach seiner Freilassung verwerten konnte. Es ist für diese Zeit charakteristisch, daß er in seinen Briefen an Sophie, in denen er ihr, in rührender Vatersorge für ihr Kind, die Abhandlung über die Impfung einsendet und ihr dringend empfiehlt, das Mädchen impfen zu lassen (er selbst hatte ja bekanntlich ein von Blatternnarben ganz zerrissenes Gesicht), gleichzeitig dieser ganz offen und ungeniert über das Fortschreiten des Romans »Meine Bekehrung« Mitteilungen zugehen läßt.

Jm Druck erschien »Meine Bekehrung« erst 1783. Mirabeau hatte nach seiner Freilassung seinen Prozeß wieder aufgenommen und die Aufhebung des Urteils, durch das er seinerzeit wegen Entführung und doppeltem Ehebruch in contumaciam zum Tode verurteilt worden war (das Urteil wurde sogar in effigie vollzogen) angestrebt. Der Prozeß endete zwar zu seinen Gunsten, Mirabeaus materielle Verhältnisse blieben aber immer noch sehr prekäre.

Er setzte sich daher, nachdem er in Neuenburg Aufenthalt genommen, mit der typographischen Gesellschaft Fauche-Vitel dortselbst in Verbindung. Zwar war er dem Inhaber der Druckerei dieser Gesellschaft, Samuel Fauche noch von 1776 her einen größeren Betrag – 2300 Livres – schuldig, aber gerade aus diesem Grunde hoffte er, daß man sich für einen guten Absatz seiner Bücher interessieren werde.

Er kam mit dem Buchdrucker überein, daß dieser drei seiner Schriften verlegte und sie ohne Angabe des Verfassers und mit einem falschen Druckorte versehen in den Handel brachte. Es war nun keineswegs die Obszönität des Buches »Meine Bekehrung« allein, die ein solches Heimlichtun veranlaßte, denn auch die beiden anderen Bücher »Des lettres de cachet et de prison d’état«, Ouvrage posthume composé en 1778, et Hambourg MDCCLXXII, und »L’espion dévalisé«, Londres MDCCLXXXII, die nicht unzüchtig sind, obwohl der »enthüllte Spion« einige frivole Stellen enthält, erschienen anonym und unter falscher Druckortbezeichnung.

Das vorliegende Buch »Meine Bekehrung« gewährt stellenweise interessante Einblicke in das gesellschaftliche Leben der damaligen Zeitepoche. Die Tatsache, daß ein den Hofkreisen angehörender Kavalier seine kostspielige Lebensweise durch Feilbieten seiner »Gunst« an reiche und nicht selten alte und häßliche Damen ermöglicht, wird durch die realistischen Schilderungen, die – mögen sie auch sehr übertrieben sein – dennoch keineswegs als reine Erfindungen angesehen werden dürfen, in eine sonderbare Beleuchtung gerückt.

Durch sein großes Werk: De la Monarchie Prussienne sous Frédéric le Grand. Avec un appendice, contenant de Recherches sur la situation actelle des principales Contrées de l’Allemagne. Par le Comte de Mirabeau. A Londres (auch hier wieder die falsche Druckortbezeichnung) MDCCLXXXVIII ist Mirabeau eine für das Deutsche Reich doppelt interessante Persönlichkeit. Zweifellos aber zählt er zu jenen Großen der Menschheit, von denen jede Äußerung bemerkenswert und erhaltungswert ist. Als Mirabeau am 2. April 1791, erst zweiundvierzig Jahre alt, starb, da trauerte ganz Frankreich um seinen großen Sohn und »kein König«, schrieb Desmoulins, »war je auf solche Weise bestattet worden.« Knapp hundert Jahre nachher wurde ihm in der Nähe seines Geburtsortes Bignon in Gegenwart des Präsidenten der Republik und der bedeutendsten Würdenträger des Landes ein Denkmal errichtet …

Bücher solcher Persönlichkeiten, möge auch der Inhalt ein »anstößiger« sein, dürfen dem Literarhistoriker, dem Kulturhistoriker und dem Geschichtsforscher überhaupt, nicht vorenthalten bleiben; dem deutschen Forscher aber sollen sie in der Sprache seines Landes zugänglich gemacht werden – dies und kein anderer ist der Zweck der Publikation, die durch diese Erklärung keiner Entschuldigung bedarf.

Der Herausgeber.

Kapitel 1

Bis jetzt, mein Freund, war ich ein Taugenichts ; ich lief den Schönheiten nach und spielte den Ekligen: nun aber ist die Tugend in mein Herz eingekehrt und ich will nur mehr für Geld vögeln; ich will mich für Weiber im Alter des abnehmenden Sommers als geschworener Zuchthengst ankündigen und sie so alle Monate mal mit dem Popo hüpfen lehren.

Es scheint mir, ich sehe schon so ’ne kleine Dicke, der kaum sechs Monate mehr fehlen, um die Vierzig passiert zu haben, mir die buschige Üppigkeit ihrer ausgeweiteten Weichteile anbieten. Sie ist noch frisch in ihrer kleinen Rundlichkeit, ihre unter allzu großer Fülle errötenden Brüste verraten im Verein mit den kleinen Äuglein alles eher, als Schamhaftigkeit. Sie streichelt mir die Hand, denn diese Gelddame streichelt, ganz wie ihr Gatte, alles und immer. Ich erröte: ah! Sehen Sie doch, wie sich’s bei mir regt, wie meine Augen sich beleben, wie meine Jungfernschaft mich erstickt; denn, merken Sie wohl, ich besitze noch meine Jungfernschaft und ich suche dadurch meinen Wert zu heben. Man bietet mir mehr, als ich will; die aufreizenden Liebkosungen sind wahre Orgien … Pfui doch! Er steht mir nicht … Ich werde traurig; Unglücksfälle, die mich verfolgen, habgierige Gläubiger … Währendem verirrt sich meine Hand, sie wird aufgeregt. Welche Lebhaftigkeit! Wie brillant ist die Kadenz! Meine Stimme drückt das Adagio aus zu einem kräftigen und nachhaltigen Presto. Ach, mein Freund, sehen Sie doch den Popo meiner Dicken, wie er hüpft! … Ihre Brust keucht, ihre Kehle trocknet aus, ihre Möse spritzt, sie ist in Rage, sie will mir ihn hineinführen … na, na, nur sachte … Der Schmerz bemächtigt sich meiner wieder … Man macht mir Angebote: ah! wie kann man sich entschließen, von einer Frau etwas anzunehmen, der man seine reinsten Empfindungen beweisen wollte! Man verdoppelt; ich weine; das Geld erscheint. Das Geld! … Sapperment! Jetzt steht er und ich vögle sie.

Aber mein keusches Dickchen bezahlt mehr als einen; auch ich stelle mich bald nach meinem leichten Siege bei Madame Honesta (Familie beinahe erloschen) vor. Alles atmet hier Schamhaftigkeit und Ehrbarkeit; alles predigt Enthaltsamkeit, bis auf ihr Gesicht, dessen Züge, obwohl pikant genug, dennoch nichts von jenen Einzelheiten zeigt, die ein zärtliches Gemüt verraten. Aber sie hat Augen, eine angenehme Physiognomie und einen hübschen Wuchs, der ein wenig zu mager wäre, wenn nicht die übrigen Körperformen dazu passen würden. Ich werde ihren Busen nicht loben, obgleich ein Schleier, der sich verschoben hat, mir gestattet, auch darin einen Einblick zu gewinnen. Ihre Arme sind ein wenig lang, aber sie sind beweglich; man könnte sich ein regelmäßigeres Bein wünschen; so wie’s nun eben ist, schließt es wenigstens in einem hübschen Fuß ab. Wir setzen die gewisse große Miene auf, haben »Nerven«, »Migränen«, einen Gatten, den man nur bei Tische sieht, diskrete Dienerschaft, einen bizarren Geist, kapriziös aber lebhaft, manchmal gar nicht zum wiedererkennen … Potz Blitz, werden Sie mir sagen, die wird Ihnen doch nichts bezahlen! – Oh! Und wie! Weil sie eitel ist, weil sie die Großmütige spielen will, weil sie einen übertreffen will.

Übrigens können Sie sich doch denken, daß wir in Respekt machen, in Geist, in Witz, in Wortspielen. Aber Madame hat Vernunft, und alles geht so gut wie möglich … Soll ich mich um ihre Toilette bekümmern? … Warum auch nicht? … Ich platziere eine »mouche«{i} … ich werde einer Schleife den idealsten Schwung geben, der sich nur ausdenken läßt … Ein Hut erscheint … Guter Gott! Die Grazien selbst haben ihn erfunden; der Gott des Geschmackes hat selbst die Blumen darauf arrangiert und Zephir spielt in den Federn, die ihn bedecken. Wie diese Gazefarbe: »Pflaume des Herrn« von dem »Englisch-Grün« absticht!

Aber wer hat ihn gesendet? … Sie fühlen es, daß ich der Schuldige bin und warum sollte ein Schuldiger nicht erröten? … Ich habe mich verraten, ich bin verwirrt … ich schmolle … Viktorine, das Kammermädchen, bestochen durch einige lebhafte Küsse sowie einen Louis nimmt meine Interessen wahr und plädiert in meiner Abwesenheit für mich … »Ach, Madame, wenn Sie wüßten, was man mir über Sie gesagt hat! … Wie liebenswürdig ist doch dieser Herr! … Er scheint mir mal besser zu sein, als Ihr Kavalier, und ich bin überzeugt, es würde Sie nur eine Kleinigkeit kosten …

Er ist kein Spieler, ich weiß es von seinem Bedienten; er hat noch ein ganz unverdorbenes Herz!« – »Aber glaubst du, daß ich genügend begehrenswert bin für …« »Ach Gott, Madame! Wie Ihnen dieser Hut steht! Sie sehen aus, wie zwanzig Jahre.« – »Schweige Närrin! Weißt du, daß ich dreißig bin und schon darüber? …« (Wahrhaftig ja, »darüber«, aber seit zehn Jahren ist das sogar schon öffentlich bekannt … ) Am Nachmittag komme ich wieder; man ist allein. – Warum wußte man das nicht? Ich bitte um Verzeihung, sie damit nur noch mehr aufstachelnd; man erwartete mich, ich werde leidenschaftlich, man wird … (Sapperment, warten Sie doch! … Diese Frau bringt mich mit ihrer Voreiligkeit noch um meine Auslagen für den Hut.) Sie können sich vorstellen, daß mein Diener nicht so dumm ist, um mich nicht zu benachrichtigen, daß der Minister (ah, wahrhaftig, mindestens!) mich erwartet. Ich werfe ihr noch einen mörderischen Blick zu; ich umspanne diese Hand, die in der meinen zittert … ich erhebe mich und gehe fort.

Zur selben Zeit mache ich die Bekanntschaft einer jener Frauen, die, gänzlich blasiert, Vergnügen um jeden Preis suchen. Sie kommt mir entgegen, weil ihre Ehrenhaftigkeit, ihr Ruf, ihre Wohlanständigkeit … all das ist so weit entfernt, wie ihre Jugend. Wir sind bald einig; sie bezahlt mich und ich stecke ihn ihr hinein, aber, zum Teufel, ich will es mir nicht kommen lassen … meine Infantin weiß das; die aufreizenden Liebkosungen kommen an die Reihe. Ah! Süßes Geld! Ich fühle, daß deine glorreiche Gegenwart! … Endlich entschließt man sich; vierzehn tödlich lange Tage schmachtet man. Ich gebe bescheiden zu verstehen, daß die Erkenntlichkeit mich anzieht, daß ich eine Art von Verpflichtung fühle … Ist es nur das? … Man bezahlt mich doppelt und nun bin ich quitt mit meiner Messalina. Ich fliege in die Arme, die mich mit neuen Wohltaten überschütten und ich genieße – nicht gerade Vergnügen – aber die Befriedigung zu beweisen, daß ich kein Undankbarer bin.

Ach, was wollen Sie? Wenn man die Henne gemästet hat, legt sie nicht mehr. Das Honorar verringert sich und ich schlafe – Wie du schläfst? – Ja, in der Nacht, und was mehr ist, des Morgens … am kostbaren Morgen, der die Hoffnung belebt und die Liebeskämpfe beleuchtet. Man beklagt sich, ich werde böse; man spricht von Benehmen, Undankbarkeit, und ich beweise, daß man unrecht hat, denn ich bleibe fort.

Gott Plutus, inspiriere mich! … Ein Gott erschien mir; aber er ist nicht von dessen glücklichen Attributen begleitet; es ist der Gott des guten Rates, der strebsame Merkur, er tröstet mich und schickt mich zu Herrn Doucet. Sie kennen ihn sicher nicht; nun, hören Sie denn.

Eine Taille, die eine Soutane und ein langer Mantel schlank erscheinen lassen; ein Gesicht, das die Reife des Alters, Embonpoint und Frische vereinigt; Luchsaugen, eine trefflich arrangierte Perücke; Geist von mittelmäßigem Durchschnitt. Seine Physiognomie ist offen, aber dezent, und trägt einen Widerschein frommer Seligkeit; er gestattet sich nur ein Lächeln, aber dieses Lächeln läßt schöne Zähne sehen … Das ist so der moderne Beichtvater: die Frommen werden immer mehr und die Kundinnen nicht weniger …

Aber es existieren Privilegien für diese Frauen, die ihr Gewissen vollkommen in ihre Frömmigkeit einhüllen, und deren Fleischeslust nur allzu rege ist. Der Beichtvater verdeckt unter heuchlerischem Gebaren eine glühende Seele und sehr schöne okkulte Eigenschaften … Sie zweifeln wohl mit Recht daran, daß diese Frauen zuvorkommend sein können. Ich bemühe mich daher um das Vertrauen des guten Mannes, und ich gestehe offen, daß ich ein ebensolcher Tartüffe bin, wie er. Er stellt mich auf die Probe, und nachdem alle Vorsichtsmaßregeln genommen sind, führt er mich bei Madame *** ein.

Hier liegt ein Schmelz von Heiligkeit über allem. Der Luxus ist solide, aber ohne Gepränge, alles ist von ausgesuchter Bequemlichkeit, ohne jedoch aufdringlich zu wirken … Aber wieso! Ein junger Mann bei einer Dame von höchster Tugend! … Eh gerade; es ist, damit die meine nicht verloren gehe, denn Sie müssen zur Kenntnis nehmen, daß ich eine besitze, mindestens ebensoviel als Schamlosigkeit. Meine Besuche werden häufiger, die Familiarität mischt sich darin und ich schildere eine Unterredung, die wir – ich bin dessen sicher – in kurzer Zeit haben werden.

Am Schlusse einer Predigt (denn ich werde dazu gehen, nicht mit ihr zwar, aber ich werde mich knapp neben sie setzen, die Augen niederschlagen und Blicke zum Himmel werfen, die nicht diesem gelten) am Schlusse einer Predigt, von der sie mich mitgenommen hat, werde ich mit der Kritik aller um uns versammelten Frauen beginnen. Beachten Sie die Fragen, die die Betschwester stellt. – »Wie fanden Sie diese und diese Dame?« – »Ach, lieber Gott! Sie war geschminkt.« – »Trotzdem ist sie hübsch.« – »Sie hätte etwas von Ihren Zügen, wenn sie dieselben nicht entstellen würde; aber die Schminke … Übrigens, ich verzeihe ihr das; sie hat weder Ihre Züge, noch Ihren Teint …« (Was denken Sie, wie sich diese Redensarten vermehren lassen?) – Zum Beispiel: »Die Komtesse, die ist nicht einmal gehörig angezogen.« – »Im höchsten Grade lächerlich, sie zeigt einen Busen!« – »Und was für einen Busen! Ich kenne nur eine Frau, die das Recht hat, solche Nacktheiten zu enthüllen.« – (Bemerken Sie den Seitenblick auf ein Tuch, dessen Falten meiner Aussicht freien Durchgang lassen … Ein anderer Blick straft mich, ich werde schüchtern, verwirrt). – »Was halten Sie von der Predigt?« – »Ich, nun ich muß es eingestehen, ich war zerstreut, unaufmerksam.« – »Indessen war die Moral eine ausgezeichnete.« – »Ich gebe es zu, aber sie wurde in einer so kalten Manier dargeboten! Ein schöner Mund besitzt viel mehr Überredungskunst. Zum Beispiel, welchen Effekt haben nicht Ihre Ermahnungen auf mich! Ich fühle mich belebter, stärker, mutiger … Ach! Sie machen mir die Tugend lieb, weil ich Sie liebe …« (Ah, mein teurer Freund, sehen Sie mich, wie ich bebend plötzlich innehalte: Blässe bedeckt mein Gesicht … Ich bitte um Vergebung … Je mehr man sie mir gewährt, desto mehr übertreibe ich mein Vergehen, um nicht halb so schuldig zu sein … ) Meine fromme Dame faßt sich zuerst; nichtsdestoweniger ist sie noch bewegt, sie schlägt mir vor, zu lesen, und zwar über die Liebe Gottes. Ich habe mich ihr gegenüber gesetzt und die Blicke aus meinem Feuerauge fliegen über sie hin, belauern sie. Ich umschreibe, ich bilde neue Sätze, es ist nicht mehr eine Predigt, es ist Rousseau, was ich ihr vorlese … Ich ergreife den Augenblick, ein Oratorium wird mir zum Boudoir und ich bin glücklich.

Aber das Geld! Das Geld! – Sapperment, ein Augenblick; lassen wir es uns kommen … Welches Vergnügen bei einer Betschwester! Welch entzückende Kleinigkeiten! Wie sie Kontra gibt! Welche Weichheit! Welche Seufzer! … »Ach, meine gute, heilige Jungfrau! … Ach, mein süßer Jesus! … Mein Freund, fühlst du auch so, wie ich?«

Aber das Geld! He – halten Sie mich für so dumm, um einen schlechten Handel zu machen? Nein … so dumm! …

Ich sehe meinen scheinheiligen Mucker wieder und erzähle ihm das Ganze; er ist diskret; er würde zu viel verlieren, es nicht zu sein und er ist es, der mir dienlich sein wird. Wohlverstanden, weil er seine Provision abbekommen wird.

Seit drei Tagen in Abstinenz, hat meine Betschwester nur ihr Godmiché zur Tröstung. Der Beichtvater erscheint: »Ach, der arme junge Mensch! Er ist schon wieder in das alte Laster zurück verfallen! Die verlorenen Weiber halten ihn fest …« (Welch ein Faustschlag!) – »Ach, mein Vater, welche Schmach! Er hat doch einen guten Grund!« – »Madame, das ist nicht sein Fehler; es ist in ihm auch eine Spur von Tugend, denn er ist wenigstens aufrichtig. ›Mein Herr,‹ sagte er zu mir, ›ich habe Ehrenschulden, mein Gewissen quält mich; ich werde mich vielleicht umbringen, ich werde das Opfer meiner Schuld sein … Ach, das, was mir die Seele durchbohrt, ist, Madame *** zu verlassen. (Hier senkt sie die Augen.) Diese Frau ist anbetungswürdig; sie besitzt mein Herz … Was nützt’s, es heißt fliehen … Unglücklicher Stern! Beklagenswertes Geschick!‹ Sehen Sie, Madame, das ist es, was er mir mit Tränen in den Augen sagte …« Man beklagt mich; man spricht von anderen Dingen, man kommt wieder darauf zurück … – »Aber wie hoch belaufen sich diese Schulden?« – »Dreihundert Louis« … Und Sie glauben, daß ein Weib, die meine Zärtlichkeiten und meine Lenden gekostet und die der Geheimhaltung sicher ist, die mich nicht als Flegel kennt, der immer die Abwechslungen liebt, mir nicht am nächsten Tag die Summe schicken wird?

Ich sehe Sie schon hier den Moralisten spielen: »Aber das ist abscheulich; die reine Liebe ist generös. Sie sind ein Schelm …« Sapperment! Sie spaßen wohl, Sie ruinieren das Handwerk; sie ist sechsunddreißig Jahre, ich vierundzwanzig, sie ist ja noch ganz passabel, ich aber bin mehr; ihr stehen Temperament und Geld zur Seite, mir Kraft und Saft … Ist das kein Ausgleich?

Übrigens, wollen Sie, daß ich mich meiner Verbindlichkeiten entledige? Ich erweise ihr die Ehre, sie überall aufzuloben. Sie läßt von ihrer Frömmlerei ab und ich gebe sie wieder der Gesellschaft, sich selbst zurück. Sie ändert ihre Lebensweise, schließlich … nein, ich täusche mich, sie ändert nur ihre Kleidung und ihre Frisur.

Nun lebt meine fromme Dame in der Welt, und zwar durch meine Bemühungen. – Aber es wäre vielleicht besser gewesen, sie in der Verborgenheit zu lassen: Sie werden sie verlieren oder man wird sie Ihnen entführen. – Vielleicht habe ich andere Pläne. Ihr Geld ist verzehrt, ihre Brillanten sind verkauft, meine Laune ist vorbei … Sie werden indessen sehen, daß sie, um mich in Wut zu bringen, mir treu bleiben wird. Es ist notwendig, daß ich Streit mit ihr suche. – Sie werden bald welchen haben. – Nein, denn hier mein Entschluß: »Madame, ich werde nicht Ihre Wohltaten Ihnen in Erinnerung bringen. Sie sind mir kostbar und mein Herz ist entzückt und bewegt, Ihnen gegenüber Verpflichtungen zu haben, zu denen keine andere mich je hätte verbinden können. Beklagen Sie mich jedoch – es ist meine Dankbarkeit, die mich das Leben kostet. Es ist die Sorge um Ihren Ruf, die mein Glück zerstört. Ich bin es Ihnen schuldig, meine Besuche, die Sie kompromittieren könnten, einzustellen. Ach, ich weiß nur zu gut, daß ich, indem ich diese traurige Trennung ausspreche, mein Todesurteil mir diktiere.«

Himmlische Mächte, wie gebt ihr von euch Zeugnis! Mit allerlei Mätzchen gelingt es mir, mich in Rührung zu versetzen. Meine Dulcinea vergießt ein ums andere Mal Tränen des Schmerzes und der Freude – meine Flucht setzt sich aus den verschiedenen Haltepunkten auf sämtlichen Sofas der Wohnung zusammen und im Augenblick ihrer letzten Ekstase rette ich mich.

Wirklich, sehr viel Umstände! – Armer Dummkopf! Siehst du denn nicht, daß diese Frau meinen Ruf in aller Ewigkeit begründet? Ich habe es nicht mehr nötig, mich zu rühmen, ich brauche bloß ihr die Sorge dafür zu lassen und ich bin der Vogel Phönix in diesem Walde. Übrigens habe ich nicht den Kopf verloren; sie ist die intime Freundin der Präsidentin ***, und ich habe diese reiche Witwe im Auge. Sie wird nicht ermangeln, die Vertraute meiner Verlassenen zu werden und halten Sie mich nicht für so unerfahren, um nicht zu wissen, daß man die Präsidentin dazu überreden würde, als Mittel dafür uns noch zu sehen zu dienen. Aber andrerseits habe ich eine gewisse Dame nicht um ihrer schönen Augen willen verlassen.

Alles geht nach meinem Wunsch … aber es wird notwendig, daß ich sie entzweie … Vorwärts, Zwietracht, fliege herbei auf meinen Ruf … Man stichelt sich, man wird kühl, die zwei Unzertrennlichen sehen sich nicht mehr. Die Präsidentin verlangt, daß ich die Erinnerung unterdrücke. Ich fühle nun meinen Wert und werde nun selbst zum Fordernden. Was vermag nicht der Wunsch nach Rache! Man ergibt sich mir, um der guten Freundin einen Streich zu spielen.

Die Präsidentin ist fünfunddreißig Jahre alt, sieht aber nicht älter aus, als achtundzwanzig; sie ist gut erhalten, aber ohne Affektation. Das wäre so ein Maitreßchen, wenn ihr Geschwätz nicht ermüdete. Sie besitzt Geist mit den Frauen, Liebenswürdigkeit mit den Männern, viel Zurückhaltung in der Öffentlichkeit und den Ton und die Allüren einer Dame von Welt.

Im Besonderen aber habe ich nie ein lebhafteres Temperament kennen gelernt, ein energischeres und dabei wieder wechselnderes. Ihre Zärtlichkeiten sind verführerisch, weil sie frei sind und zwanzigmal war ich versucht, sie zu lieben. Schließlich ist sie auch nicht ohne Fehler: sie hat eine tiefe Verehrung vor sich selbst; ihre Entschließungen sind Orakel, ihre Vorschriften Gesetze; ich habe nie so etwas Herrisches gesehen. Es ist wahr, daß sie da die Richtung angibt, und daß Sie oftmals glauben, nach Ihrem Ermessen zu handeln und dabei doch nur dem ihren nachgeben.