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Jan Steinmacher

Rebels

Der Anfang

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© 2017 Jan Steinmacher

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback:978-3-7345-9108-2
Hardcover:978-3-7345-9109-9
e-Book:978-3-7345-9110-5

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Über den Autor

Jan Steinmacher wurde 2001 geboren, lebt in der Region Heilbronn und veröffentlicht mit „Rebels - Der Anfang“ seinen ersten Roman, den er mit 14 Jahren schrieb. Er besucht derzeit ein Gymnasium in seinem Heimatort. Schon immer war es sein Traum, ein erfolgreicher Schriftsteller zu werden.

Für meine Eltern und Großeltern,

die mir in meinem Leben stets zur Seite stehen

The thing worse than rebellion

is the thing that causes the rebellion.

Frederick Douglass

1

Adams Villa, Kalifornien, Sektor 7

März 2097

Es ist 3:57 Uhr, als Jason Adams schweißgebadet aus einem Albtraum erwacht. Er sitzt kerzengerade in seinem Bett, das in einem großen, weiß gestrichenen Zimmer steht, was aber nichts mehr von seiner einstigen Schönheit zeigt. An den Wänden hängen Poster halb nackter Frauen und hochmoderner Autos, eben alles, worauf Jugendliche so stehen. Überall im Zimmer liegen Kleiderhaufen, Essensreste und Verpackungsmüll herum. Eine glänzend weiße Minibar ziert die eine Ecke des Zimmers, ein gigantischer Flatscreen erstreckt sich über die Seite. Gegenüber der Türe ist ein sündhaft teures Panoramafenster eingelassen, durch das man einen wunderschönen Meerblick genießen kann, denn die Jungs wohnen direkt an der Küste des Bezirks Kalifornien. An diesem Fenster steht ein breites, gemütliches Stockbett. In diesem sitzt Jason nun und grübelt über seinen Traum nach. Über ihm liegt sein Zwillingsbruder Derek. Alles hier wirkt wie ein absolut typisches Jugendzimmer. Doch der Anblick täuscht, denn Jason und Derek Adams sind keine normalen Jugendlichen, zumindest nicht ganz. In der Schule haben sie zwar ihre Clique, doch die meisten anderen Schüler hassen die beiden abgrundtief und würdigen sie meist keines Blickes. An sich sind die zwei total cool drauf, richtig gut aussehend und naja, ziemlich vorlaut. Sie sind beide sechzehn, hochgewachsen, muskulös und haben einen leicht dunklen Teint, den sie der strahlenden kalifornischen Sonne zu verdanken haben. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Jason kurze, braune Haare und Derek fast schulterlange, pechschwarze Haare hat. Der Grund allerdings, warum sie so verhasst sind, ist nicht etwa ihr Aussehen oder ihr Auftreten, nein. Der wahre Grund sind ihre Eltern.

Carol und Thomas Adams sind enge Berater von Charles Banks, dem Präsidenten von Sektor 7. Man könnte Banks durchaus als schrecklichen und grausamen Diktator bezeichnen, doch das ist natürlich nicht die offizielle Version und, wie könnte es anders sein, auch nicht gestattet. Wer Banks nur einmal als Diktator oder ähnliches bezeichnet erhält eine harte Strafe, denn im Zeitalter der totalen Überwachung gibt es keine Privatsphäre mehr.

Zudem ist er Mitglied der sogenannten „Führergilde“. Die Führergilde ist eine Gruppe, die aus vier Präsidenten, beziehungsweise Diktatoren besteht. Eigentlich sind die vier nur „normale“ Präsidenten einer „normalen“ Regierung, doch inoffiziell haben sie jeden Sektor weltweit in der Tasche, jeden einzelnen Bezirk auf der ganzen kaputten Erde. Donald Keane, der Diktator aller nördlichen Sektoren, Yun Han, welcher die unbestrittene Industriemacht Sektor 5 anführt, Ortega Cabana, der alle südlichen Sektoren unter Kontrolle hält und schlussendlich Charles Banks, der Sektor 7, den größten Sektor auf Erden, mit Grausamkeit und totaler Kontrolle regiert. Sie sind die vier unfairsten, korruptesten und skrupellosesten Menschen, die auf dieser Erde weilen.

Nur sehr wenige können sich der Regierung der Gilde entziehen. Dies ist zum einen Sektor 4, das ehemalige England. Auch der junge und wahnsinnige Wong-Jong-Un, der Sektor 12, das ehemalige Nordkorea regiert, ist der Gilde ein Dorn im Auge. Wong entstammt der legendären, gefürchteten Kim-Dynastie in Nordkorea. Er weigerte sich, den Namen Kim weiterzuführen, versprach jedoch, immer im Interesse der Dynastie zu handeln und die Linie niemals aussterben zu lassen. Immer wenn er wieder einmal zu einem global diskutierten Thema wird, kommt die Frage auf, wer psychisch kaputter ist, er oder die Gilde.

Ebenso sieht es mit Sektor 2 aus, der vielen noch als Russland bekannt sein sollte. Ihr Diktator Yuri Putin, der lange Zeit geheim gehaltene Sohn eines früheren Präsidenten, leitet so oft es ihm möglich ist alles in die Wege, was der Führergilde Steine in den Weg legt und sie bei jeglichen Zielen, die sie sich gesetzt haben, behindert. Er ist kein Stück weit verrückt oder wahnsinnig, er ist schlichtweg berechnend und skrupellos eiskalt.

Ein paar Staaten auf dem afrikanischen Kontinent haben ihre alten Namen behalten und bekriegen sich häufig selbst, deshalb stören sie die Gilde nicht und sind nur an internen Machtspielen interessiert. Allerdings lässt die Gilde sie komplett in Ruhe, da sie, wenn sie sich zusammentun würden, eine gefährliche Miliz aufbieten könnten. Neuseeland nennt sich Sektor 34, lehnt jedoch die Führung eines der Herrscher der Gilde ab, diese sind damit einverstanden, denn einer ihrer Männer ist in den höchsten Rängen der dortigen Regierung stationiert, so ist für einen potenziellen Putsch gegen die Gilde vorgesorgt. Sie führen eine eigene Wehrmacht, eine kleine Armee an Ressourcen und Männern. Ebenfalls haben Albanien und das Königreich Bahrain ihre Namen behalten, sie leben in Frieden mit der Gilde und haben lukrative Handelsabkommen mit ihnen geschlossen. Selbstverständlich lässt die Gilde auch den Vatikanstaat unbehelligt, da der derzeitige Papst im Geheimen ein wichtiger Geldgeber für WarTech und dessen Tochterfirmen ist. Cabana, der Führer der südlichen Sektoren, hat im südlichen Amerika ein großes Problem mit Paraguay und Chile. Paraguay ist ähnlich wie England ein regierungsfreier Staat, doch geht niemand freiwillig dorthin. Paraguay ist stets von blutigen Bandenkriegen heimgesucht und Chile ist der absolute Krisenherd in Südamerika, da dort täglich Cabanas Truppen gegen Aufständische und Banden kämpfen. Außer einigen wenigen Kleinstaaten steht sonst jede Nation unter der Kontrolle der Gilde, der sie sich nicht entziehen können.

Charles Banks unterdrückt jeden Bürger im Bezirk Kalifornien. Doch nicht nur in Kalifornien, im ganzen Sektor unterdrückt er einfach jeden, wahllos natürlich, einfach aus Prinzip, weil er IMMER die hundertzehnprozentige Kontrolle haben möchte. Doch wie überall gibt es natürlich auch hier, in diesem System, Ausnahmen. Das sind in diesem Fall die Reichen und Mächtigen, die von Kontrollen und Hausdurchsuchungen meistens verschont bleiben und gerade mal einen Bruchteil ihres Besitzes als Steuern bezahlen müssen. Sie haben alle Rechte der Welt und Carol und Thomas Adams gehören zu genau dieser Spezies. Sie haben Geld wie Heu, zwei Villen und vier Ferienhäuser, sechs technisch hoch versierte Fahrzeuge in jedem Gebäude, einen Swimmingpool auf jedem Stockwerk, ein eigenes Fußballfeld, einen Tennisplatz, einen Golfplatz, einen Fuhrpark und sogar einige Hektar Wald, was sehr selten für Kaliforniens derzeitige Verhältnisse ist.

Das ist zwar ein bequemes, luxuriöses Leben für die zwei Jungs, doch macht sie das nicht gerade beliebt bei den anderen Jugendlichen, ganz im Gegenteil. Kaum jemand im kalifornischen Bezirk hat eine höhere Stellung als die Adams Familie, da Carol eine der engsten Beraterinnen von Charles Banks und Thomas an den absolut geheimsten Forschungsprojekten des Staates beteiligt ist.

Es ist Montagmorgen und Derek wacht wegen der lauten und hektischen Atemzüge seines Bruders auf.

„Was´n los Kumpel?“ fragt er ihn mit vom Schlaf verklebten Augen.

„Alles gut, alles gut. Ich hab nur wieder geträumt. Langsam werden die Visionen, oder was das ist, wirklich nervig, aber das geht schon“, sagt er lächelnd.

„Ey, Bruderherz, das geht auch wieder vorbei, glaub einfach dran.“ „Wieviel Uhr haben wir denn“, fragt Jason Derek daraufhin um das Thema zu wechseln, denn der hat seine Armbanduhr Tag und Nacht am Handgelenk.

„Es ist kurz nach vier“, antwortet er.

Um 5:30 Uhr müssen Jason und sein Bruder normalerweise aufstehen. Sie gehen beide in die McDouglas-High-School in der Nähe von L.A. Die Schule ist eine gemischte Schule, also eine Mischung aus armen und reichen Kids. Die Unterschulen, im Volksmund oft nur „Black Holes“ genannt, sind die Schulen, die es am häufigsten in L.A. gibt, da nahezu alle Kinder im Bezirk arm sind. Bettelarm. Das erkennt man dann auch an dem Unterricht und am Aussehen der Schulen. Überall fährt Müll herum, es gibt viel zu wenige Lehrer und der Unterricht ist so erbärmlich, dass die Kinder gerade einmal circa fünf Prozent des normalen Schulstoffes gelehrt bekommen. Bei diesen Schulen kommen auf einen Lehrer grob 200 bis 300 Schüler, also herrscht das komplette Chaos.

Es gibt jedoch auch eine Elite-Schule, die Fresno-High. Diese Schule ist die einzige Elite-Schule im ganzen Bezirk. Jason und Derek weigern sich jedoch strikt, diese Schule zu besuchen und für die „Black Holes“ sind ihre Eltern viel zu reich, außerdem wollen sich die Brüder das auch selbst nicht antun. Also gehen sie nun auf die McDouglas-High. Es ist ziemlich praktisch, dass die Schule in Los Angeles ist, denn dort befindet sich auch die Adams Villa.

Im Zimmer der beiden ist es noch dunkel, doch da sie wissen, dass sie ohnehin nicht mehr einschlafen werden, ziehen sie sich jetzt schon an. Sie hassen beide die Schuluniformen, den Unterricht, die Lehrer und die Schule an sich, aber sie haben keine Wahl. Die Schuluniform besteht aus einem schwarzen Blazer, einem weißen Hemd, einer schwarzen Hose und schwarzen Lackschuhen. Sie steht den beiden sehr gut, doch gefällt sie ihnen trotzdem nicht. Sie ist für die beiden Freigeister einfach nur langweilig und öde. Jason und Derek Adams sind anders. Sie denken anders als das System, anders als ihre Lehrer und auch anders als ihre Eltern.

Die beiden widert die Skrupellosigkeit und die Ungerechtigkeit in den ganzen Sektoren der Erde an. Jeden Tag müssen sie sich in der Schule durchbeißen. Sie sind zwar extrem intelligent, aber der Schulstoff langweilt sie so sehr, dass sie fast nie wirklich gute Noten erzielen. Schon immer wollten sie den anderen klar machen, dass sie sich von ihren Eltern grundlegend unterscheiden. Doch das interessiert die anderen nicht, die haben nur das Bild der Bonzen im Kopf und wie sie in ihrem Geld schwimmen. Ihr einziger Lichtblick ist, dass sie sich gegenseitig und ihre Clique haben.

So stehen die beiden nun widerwillig und gähnend auf und machen sich zwischen den Kleiderbergen auf die Suche nach ihren Uniformen. Jason findet seine letztendlich nach drei Minuten, Derek hat seine schon eher gefunden. Eigentlich könnte man die beiden Uniformen nicht unterscheiden, da alle Schuluniformen identisch sind und die Jungs dieselbe Größe tragen. Doch wie man Jason und Derek kennt, haben sie das schnellstens geändert. Jason hat ein großes, grell leuchtendes „J“ auf die Rückseite seines Blazers gesprüht, während Derek absichtlich den Großteil seiner Uniform halb zerrissen hat. Dafür mussten beide schon stundenlang nachsitzen, beim Rektor vorsprechen und das mitleidige Lächeln ihrer Mitschüler ertragen. Ihre Eltern sind schon seit langem erzürnt über die rebellischen Taten der Jungs.

Zurzeit allerdings verstehen sich Carol, Thomas, Jason und Derek sehr gut, denn die Jungs haben einige offizielle Auszeichnungen der Regierung für ihre Leistungen im schulischen Militär-, Kampfund Sporttraining erhalten, die absolute Spezialität der beiden Sportskanonen. Solche Auszeichnungen sind den Jungs egal, doch ihren Eltern sind sie sehr wichtig. Immer wenn Freunde zu Besuch kommen, brüstet sich die ehrgeizige Carol mit den Leistungen von ihnen und den Zwillingen ist das extrem peinlich. Carol ist völlig vom System überzeugt und kann die Gesetze der Regierung wie ein Zombie herunterleiern. Bei ihr ist die staatliche Gehirnwäsche hervorragend geglückt, denken die Jungs. Früher, als die beiden noch klein waren, waren sie ihrer Mutter viel näher. Doch seit sie reich sind und ihre Mutter die Handlangerin des Herrschers persönlich ist, ist sie ihnen richtig fremd geworden.

Doch wenigstens in Thomas haben Jason und Derek noch einen guten Vater und ein echtes Vorbild. Er arbeitet im Labor des größten Waffenunternehmens der Regierung namens WarTech, wo neuartige Waffen und Technologien gegen Aufständische entwickelt werden. WarTech ist das größte und aufstrebendste Unternehmen der Erde überhaupt. Es hat so viele Tochterfirmen, dass wirklich in jedem Bereich des Alltags Produkte von WarTech oder deren Tochterfirmen zum Einsatz kommen. Deshalb kann man inzwischen davon sprechen, dass WarTech fast genauso viel Kontrolle hat wie die Regierung selbst. Für Thomas war es eine echte Chance, bei dem mächtigsten Unternehmen überhaupt arbeiten zu können.

Angeblich soll es ja Aufständische in nördlichen und südwestlichen Teilen von Sektor 7 und in einigen wenigen Teilen der Sektoren 13 und 15 geben. Diese bekämpft WarTech und seit neuestem haben sie die Befugnis bekommen, in wirklich jedem Sektor der Erde operieren zu dürfen, was ihnen noch einmal viel Macht verliehen hat und sie langsam gefährlich werden lässt. Der Großteil aller Aufständischen hält sich jedoch in Sektor 4 auf. WarTech, alle anderen kleineren Waffenproduzenten und die Regierungen wissen das, nur für das gemeine Volk soll dieser Mythos auch ein solcher bleiben, da sie sich sonst aus ihrer unterjochten Lage befreien könnten und ein echtes Ziel vor Augen hätten, nämlich ihre Freiheit.

Diese Rebellen sind dem System, der Führergilde, ein Dorn im Auge, doch für die beiden Jungs sind sie wahre Legenden, ebenso wie für den Großteil des Volkes. Die Mythen und Geschichten erzählen von Sektor 4 als einer Rebellenhochburg, die von keinem der Diktatoren regiert zu werden vermag. Dieser Sektor ist der Traum eines jeden Freiheitsidealisten. Die Legenden erzählen, dass schon oft Versuche unternommen wurden, die Insel zu erobern, es sei jedoch niemals gelungen. Seit einer Niederlage, die anscheinend die Leben etlicher Soldaten gekostet hat, würde es keiner mehr wagen, den Sektor anzugreifen. Unter den WarTech-Mitarbeitern gehen allerdings Gerüchte um, dass man sich für einen letzten und verheerenden Angriff gegen die Rebellen bereit macht.

Natürlich haben auch die beiden Jungs schon immer geträumt, in Sektor 4 zu leben, ohne strikte Gesetze und ohne das strenge System, einfach frei. Doch das ist natürlich nur ein Wunschtraum. Mit den Jobs und der Einstellung ihrer Eltern werden sie diesen Sektor niemals im Leben auch nur zu Gesicht bekommen.

Inzwischen sind Derek und Jason angezogen und gähnen, noch immer total übermüdet. Sie gehen in das Badezimmer nebenan und um ihre Eltern nicht zu wecken, schleichen sie ganz leise über den Marmorboden.

„Derek, grad fällt mir wieder ein, … war nicht Steve heute Nacht hier?“

Steve ist siebzehn und der Cousin der beiden. Er ist ein braver Schüler, man könnte ihn wohl auch Streber nennen. Er hat zwar ähnliche Ansichten wie die Brüder, allerdings zeigt er diese niemals und ist zusätzlich noch extrem schüchtern. Er ist schlaksiger und dünner und hat rote Haare. Keine optimalen Voraussetzungen. „Hast recht“, flüstert Derek.

Plötzlich brüllt er los: „STEEEEVE, DU KOMETENKACKER, AUFSTEHEEEHEEEN!“

In diesem Moment vernehmen die beiden einen lauten Knall im Gästezimmer. Offenbar ist Steve aus seinem Hochbett gefallen. Sie gehen in das Zimmer und den Brüdern kommt es vor, als stünde eine kochende und rot glühende, zerknautschte Kartoffel vor ihnen.

„Guten Morgen, Cousin“, sagen die beiden wie aus der Pistole geschossen und brechen in lautes Gelächter aus.

Steve wirkt, als hätte er eine sehr anstrengende Nacht hinter sich. Seine feuerroten Haare stehen in alle Himmelsrichtungen ab und seine linke Gesichtshälfte ziert ein riesiger roter Abdruck vom Kopfkissen.

„Warum kannst du mich nicht wie ein normaler Mensch wecken. Musst du unbedingt den ganzen, verdammten SEKTOR wecken, Derek Adams???“ fragt er stinksauer.

Auch aus dem Elternschlafzimmer hören sie jetzt leises Flüstern, bei dem Schrei wurden natürlich auch die Eltern aus dem Schlaf gerissen.

„Ja, genau so ist es. Ich sah mich gezwungen den Hahn zu spielen. Sonst bist du doch immer der eitle Gockel“, sagt er mit einem Zwinkern und lacht als einziger über seinen erbärmlich schlechten Witz.

„Wann lernt der endlich, sein überdimensional großes Mundwerk im Zaum zu halten, hm?“ fragt er Jason wütend und schüttelt verzweifelt den Kopf.

„Nun, ich habe keinen Schimmer, doch ich persönlich finde das höchst amüsant“, sagt Jason verschmitzt lächelnd. „Bro, das war ne klasse Aktion aber ich hoffe, dir ist klar, dass unsere Eltern sehr sauer sein werden“, sagt Jason grinsend.

„Klar, aber das war´s nun mal wert“, antwortet Derek, grinst zurück und zwinkert Steve ironisch zu. Beim Anziehen später denkt sich Steve, dass er wohl die schrecklichsten Cousins auf dem ganzen Planeten erwischt hat.

2

1 Stunde später

Jason, Derek und Steve gehen den Korridor entlang. Dort hängen Bilder längst vergessener Künstler wie beispielsweise von Männern namens Leonardo da Vinci, Vincent van Gogh oder Rembrandt van Rijn. Doch sieht man dort auch hochmoderne, abstrakte Kunst, wie ein Gemälde, das vom Vater der beiden, der leidenschaftlicher Freizeitkünstler ist, selbst gemalt wurde. Der Flur führt zu einer ausladenden Treppe über die die drei nun in den dritten Stock gelangen. Dort angekommen steht man erneut in einem langen Korridor. Auf der linken Seite, der Strandseite, ist ein gigantisches Panoramafenster, auf der rechten führen drei Türen in weitere Räume.

Jason geht voran und betritt das erste Zimmer. Dort steht ein geschwungener, silbern glänzender Tisch, an dem sich Carol und Thomas bereits unterhalten.

„Guten Morgen, Jungs“ , werden sie von einer verschlafen wirkenden Carol streng begrüßt.

„Morgen Mom, Morgen Dad“, begrüßt Jason seine Eltern.

„Gut geschlafen?“, fragt Derek.

„Es geht, wir wurden leider mitten in der Nacht durch einen herumbrüllenden Verrückten geweckt“, beschwert sich Thomas halbherzig und gähnt.

„Ups, das war dann wohl Jason. Entschuldige dich bei Mom und Dad, du Unruhestifter!“, sagt Derek boshaft grinsend zu seinem Bruder.

„Derek, wir wissen GANZ genau, wer uns dieses nicht gerade erholsame Erwachen beschert hat“, sagt Thomas mit einem müden Lächeln.

„Steve, es tut uns wirklich sehr leid, dass du dich mit solchen Hyperaktiven herumschlagen musst“, sagt Carol.

„Alles in Ordnung, Tante Carol, kein Problem“, antwortet Steve in gewohnt gerader Haltung und mit bravem Ton - wie er eben ist.

Um 6:45 Uhr macht sich Thomas schließlich auf den Weg zu War-Tech, Carol geht ins Regierungsgebäude und die Jungs in die Schule. Thomas bringt die Brüder immer auf dem Weg zur Arbeit in der Schule vorbei. Alle nehmen ihre Rucksäcke und Taschen und packen sie in das neueste Koenigsegg-Modell, das in der Garage steht. Eigentlich sollte Thomas, rein aus PR-Gründen einen Wagen von WarTech fahren, der ebenfalls in ihrer Garage steht. Doch zur Freude der Jungs hat er sich auch noch diesen Highspeed-Koenigsegg gegönnt, da er, genauso wie die Zwillinge, total auf schnelle Fahrzeuge abfährt.

Mit extrem hoher Geschwindigkeit rasen sie am schimmernden kalifornischen Strand entlang. Man kann inzwischen nicht einmal mehr erahnen, wie das alte, wahre Kalifornien vor der Schreckensherrschaft Banks´ ausgesehen hat. Jede Modernisierung wurde inzwischen mehrfach modernisiert. Die Autos fahren nicht mehr auf Rädern und natürlich braucht man sie auch nicht mehr selbst zu lenken, sie gleiten über die landesweit verlegten Magnetbahnen.

Die alten, schönen und vor allem abgelegenen Strandhäuser sind gigantischen Hochhäusern gewichen. Wohnhäuser, die von mindestens 14 Familien bewohnt werden könnten, werden jetzt meist nur von ungefähr fünf superreichen Familien bewohnt. Das ist die typische Ignoranz und Verschwendung, die in jedem Sektor herrscht, der unter der Herrschaft einer der Diktatoren der Führungsgilde steht. Allerdings ist das nur das Bild von den wohlhabenden Bezirken und Städten. Der weitaus größere und deutlich häufiger vorkommende Teil besteht aus dreckigen Slums und abartig winzigen Reihenwohnungen. Durch eines dieser Slums müssen auch die Jungs, um zu ihrer Schule zu gelangen. Dieser Anblick war damals einer der ersten Gründe, warum Jason und Derek Adams das bestehende System nicht ausstehen können.

Die ersten Minuten brausen sie noch den Gino-Boulevard im Bereich der Milliardäre und Mehrfach-Milliardäre entlang. Doch dann verrät ein zerbeultes Schild mit abblätternden Lettern, dass man, nachdem man den Stacheldrahtzaun in drei Kilometern passiert, in „San Bernadino“ angekommen ist. Vor etlichen Jahren ist San Bernadino eine kalifornische Vorstadt wie jede andere gewesen, doch dann kam Charles Banks und hat sich entschieden, die hässlichen und stinkenden Armen, die niemand (also die Superreichen) in der Gesellschaft will, nach San Bernadino zu stecken. Bevor man das Slum erreicht, muss man noch an einem Grenzposten vorbei. Ein Anblick in 7, der viele Neuankömmlinge abschreckt. Allerdings hat Banks dafür gesorgt, dass jede Armenstadt von einem Grenzzaun umgeben und von zwei Grenzposten bewacht wird, was wiederum bedeutet, dass man dieses Bild recht oft zu Gesicht bekommt. „Man weiß ja nie, was diese lausigen, dreckigen und armen Plagen so im Schilde führen“, sagte er einst auf einer Pressekonferenz.

 

McDouglas-High-School

7:01 Uhr

„Ey, Jason, was ham´ wir heute?“, fragt Derek seinen Bruder.

„Englischkurs, Militär- und Kampfkurs und noch eine Doppelstunde Erdkunde“ erwidert dieser.

„Okay, das ist ganz akzeptabel denke ich, obwohl… Erdkunde müsst jetzt doch eigentlich nich sein“, antwortet Derek.

„Stimmt“.

Als sie mit Englisch und dem M- und K- Kurs durch sind, unterhalten sie sich über das heutige Thema in Militär. Es ging um taktische Kriegsführung in der Historie und die Brüder fragen sich, auf was die Lehrer einen da um Himmels Willen vorbereiten wollen. In dem Moment kommt ihr Erdkundelehrer herein und die beiden versuchen, sich die Zeit irgendwie zu vertreiben. Doch nach einer Weile sagt er dann plötzlich etwas, was die Brüder aus ihrem Halbschlaf reißt.

„Jenkins Adams: Nenne mir jetzt bitte die früheren Namen von Sektor 5, 4, 6 und 7.“

„Mein Name ist Jason, nicht Jenkins, Sir. Aber zu ihrer Frage: Ich glaube, China, England, Deutschland und USA…oder?“, antwortet Jason unsicher.

„Das ist korrekt, Mister Adams. Du solltest dich wirklich öfter melden, du weißt es doch!“ Dann wendet sich Jason wieder der Tischplatte zu und flüstert in sich hinein: Jaja du Fatzke und jetzt halt endlich dein dummes Maul. Also mal ganz ehrlich, warum heißt das heutzutage überhaupt Sektoren? Ich finde, die damaligen Namen waren VIEL schöner. Sektoren… das hört sich so verdammt unpersönlich an… aber das liegt wahrscheinlich an unserem Herrn Präsidenten, diesem …, den Satz beendet Jason mit den verschiedensten Beleidigungen.

Nach der Erdkunde-Stunde ist Pause und die Brüder suchen nach ihrem besten Freund Hank, Dereks Freundin Linda Smith, Jasons Freundin Sara Clyde sowie deren besten Freundinnen Michelle und Adriana. Jason und Derek ist natürlich klar, wo sich ihr bester Kumpel aufhält. Der ist nämlich immer dort, wo Schuldiva Cara und ihre Clique zu finden sind. Hank ist total verknallt in das Mädchen, das Jason zwar für ein „extrem hübsches, aber verlogenes Weib“ hält. Dies ist ein ständig anhaltendes Streitthema zwischen den beiden, da Jason auch noch meint, sie ziehe sich an wie eine Prostituierte. Sonst sind sie wie Yin und Yang. Hank ist für Jason der nahezu wichtigste Mensch in seinem Leben. Einzig sein Bruder und seine Freundin sind genauso wichtig für ihn.

Linda, Sara, Michelle und Adriana sind beste Freundinnen. Sie halten zusammen wie Pech und Schwefel. Gerade sind die Mädchen in der Kantine, als sie von Jason gerufen werden. „Ey, Mädels, Hallo!“ sagt er zu den vier.

Jason und Sara tauschen erst einmal einen innigen Kuss. Die Clique hat Pech, dass es so viele Schüler in ihrer Stufe gibt. Daher sind die sieben nicht in derselben Klasse. Jason und Derek sind in der 11A. Adriana, Michelle und Hank gehen in die 11B, während Linda und Sara in der 11D sind.

„Ich wollte das nur kurz wegen heute Abend noch einmal abklären. Ihr kommt dann alle um acht, oder?“, sagt Jason zu seinen Freunden.

„Geht klar“, antworten diese im Chor und einige Daumen zeigen nach oben.

Auf Jasons Gesicht breitet sich ein zufriedenes Grinsen aus und er geht gut gelaunt mit seinem Bruder in die letzte Schulstunde des Tages, nochmals Erdkunde.

Um 11:30 Uhr sind die beiden wieder zu Hause. Doch etwas ist anders. Anstatt des Koenigsegg ihres Vaters stehen nun zwei Regierungswagen vor der Türe. Als die beiden durch die Haustüre gehen, werden sie von einem muskulösen Warrior empfangen. Warriors nennt man die Regierungstruppen von Banks. Es gibt sie in allen Sektoren der Erde, nur mit anderen Fahrzeugen, anderen Uniformen und anderen Ausbildungen. Sie haben die frühere Polizei ersetzt und all ihre Aufgaben übernommen. Was jedoch fast keiner weiß, ist, dass es auch noch eine Spezialeinheit names „Spartaner“ gibt. Die Brüder haben es nur zufällig von ihrem Vater erfahren, da dieser im WarTech Labor arbeitet, wo auch Waffen, Rüstungen und Spezialwerkzeug für die Spartaner hergestellt werden. Die Spezialeinheit wird allerdings nur in Notfällen eingesetzt, da es nur sehr wenige von ihnen gibt. Über ihre genaue Anzahl oder ihre Taktiken ist natürlich nichts bekannt. Die Warriors gibt es jedoch sehr zahlreich und sie haben unglaubliche Mittel zur Verfügung, um die Ordnung in den Sektoren aufrecht zu erhalten. Der Warrior, der nun vor ihnen steht, stellt sich als Sergeant vor und sagt, er sei wegen einer wichtigen Angelegenheit hier.

„Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass ihre Mutter, Carol Adams, bei einem Autounfall ums Leben kam. Wo ist Ihr Vater?“

Die Brüder sind geschockt und starren den Warrior an.

„Mein…Mein Vater ist in der Arbeit. Aber ich kann das nicht glauben, Sir. Das kann nicht sein, dass unsere Mom bei einem Autounfall starb. Sie fuhr immer total vorsichtig“, erwidert Derek fassungslos.

„Nun, mein Beileid, aber so ist es eben. Ich werde jetzt Ihren Vater aufsuchen. Auf Wiedersehen“, sagt der Sergeant mit teilnahmslosem Gesichtsausdruck.

Jason und Derek schauen entgeistert zu, wie der Officer und drei seiner Männer wegfahren.

„Dre, das stimmt sicher nicht, was der Polizist da gesagt hat“, sagt Jason zu seinem Bruder.

Derek ist aber klar, dass es sehr wohl stimmt und bricht in Tränen aus. Die Brüder fallen sich tröstend in die Arme und verharren noch lange so.

3

Zwei Stunden später

Um 14:00 Uhr kommt Thomas nach Hause. Er wurde vom Tod seiner Frau ebenfalls durch den Sergeanten unterrichtet. Ohne etwas zu sagen nimmt er die Jungs in die Arme und drückt sie minutenlang fest an sich. Dann geht jeder auf sein Zimmer, um das Geschehene für sich selbst zu verarbeiten. Den größten Schmerz empfindet allerdings Thomas, da er Carol schon seit seiner Jugend kannte. Um 20:00 Uhr stehen, wie geplant, Sara, Linda, Adriana, Michelle, Hank und sogar Steve vor der Tür. Es dauert nur wenige Sekunden bis sie begreifen, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Die Brüder haben völlig geschwollene, rötliche Augen und Jasons Knöchel sind blutig geprügelt. Hank und Sara wissen, dass er das nur bei extrem großen Wutanfällen tut.

„Was ist los, Schatz?“, fragt Sara bestürzt und alle im Raum beäugen die Zwillinge nervös.

Jason antwortet ganz langsam „Mom…tot.“

„Das ist nicht euer Ernst, oder?! Wie kann das sein, Carol war doch noch so jung!“, fragt Linda, während ihr eine Träne über die Wange läuft.

Plötzlich kommt Thomas in das Zimmer geplatzt, in dem sich die acht aufhalten.

„LAUFT, SOFORT, SO SCHNELL IHR KÖNNT. LAUFT WEG!!!!!!!!“, schreit der Vater der Brüder mit blanker Furcht in den Augen.

Alle starren ihn fragend an. In diesem Moment wird er von drei Kugeln durchlöchert. „G..G…Giftgas…Z..“, kann Thomas Adams noch herauspressen, dann kracht sein Kopf gegen die Wand hinter ihm und seine Augen wirken leer, so, als hätte seine Seele ihren Frieden anderswo gefunden.

Jasons und Dereks Gesichter werden starr vor Schreck. Ihre Mutter tot. Ihr Vater tot, ermordet durch einen Regierungsbeamten, der gerade zwischen Tür und Angel steht. Wie in Trance stürzen sich die beiden, ohne nachzudenken, auf den Beamten, der ihrem Vater die Kugeln verpasst hat. Da beide groß und muskulös sind, schaffen sie es, ihn umzustoßen. Erstaunlicherweise müssen sie feststellen, dass es sich nicht um einen Warrior, sondern um einen Spartaner handelt. Er liegt in voller Kampfausrüstung da und regt sich nicht mehr. Die Brüder haben es tatsächlich geschafft, einen Soldaten der Spezialeinheit bewusstlos zu schlagen. Jason nimmt das Gewehr an sich, das der Spartaner getragen hat. Plötzlich steht noch einer der ungebeten Gäste in der Türe. Zuerst blickt er entgeistert auf seinen am Boden liegenden Kollegen, dann schreit er in sein Funkgerät: „Soldat am Boden, Soldat am Bo..“, da wird er mitten im Satz von einer Kugel getroffen. Alle fragen sich, woher dieser Todesschuss kam und drehen sich um. Dort steht Jason, mit kaltem und wütendem Gesichtsausdruck und einer dampfenden Mündung. In diesem Moment ist er nicht mehr er selbst, auch seine Einstellung hat sich geändert. Man hat ihm seine Eltern genommen, das alltägliche Leben, die Normalität. Alles ist nun anders. Er weiß, dass es jetzt um ihr Überleben geht und deshalb ist er bereit, die Führung der Gruppe, die nun wegen ihm vor der Regierung fliehen muss, zu übernehmen und wenigstens die übrig gebliebenen Menschen, die er liebt, zu beschützen.

Sein Bruder, ebenfalls fassungslos von dem Geschehenen, ergreift langsam das Wort, doch seine Miene verrät, dass er sich, wie alle anderen auch, fühlt, als wäre er in einem Albtraum gefangen:

„Hat jemand auch nur den blassesten Schimmer, was mein… Dad da von Giftgas geredet hat und was er mit „Z“ meinte??“

Als er keine Antwort erhält, weiß er, dass seine Freunde genauso planlos sind wie er.

„Nehmt euch jede Waffe, die ihr finden könnt. Sucht im ganzen Haus. Sucht auch Werkzeuge, Seile, Essen und Trinken. Sucht alles, was man zum Überleben da draußen braucht, packt es in Rucksäcke und kommt wieder her. Wir brauchen nur nützliche und wirklich lebenswichtige Dinge, keinen Luxusmist. Beeilt euch!“, sagt Jason in autoritärem Ton zu seinen Freunden und nimmt seinem Bruder die Bürde der ersten Worte nach jener unsäglichen Grausamkeit ab. „Nun geht es ums Überleben, um nichts sonst, erstmal zumindest. Ich will, dass jeder hier lebend rauskommt und das wird nicht einfach, denn wir haben gerade zwei Soldaten einer eigentlich geheimen Spezialeinheit umgebracht“, schreit er.

Nach zehn Minuten finden sich alle wieder im Zimmer der Brüder ein. Jason ist innerlich erstaunt, dass wirklich jeder der sieben, ohne zu meckern, auf ihn gehört hat. Man hat ihn sofort als Anführer anerkannt, was er bei seinen Befehls-immunen Freunden nicht erwartet hätte. Der Anführer einer Gruppe, die nun nur noch ans nackte Überleben denken kann zu sein, ist schrecklich schwierig und das bekommt Jason schon in den ersten Minuten in seiner neuen Rolle mit. Vor wenigen Minuten waren sie noch stinknormale Teenies an einem stinknormalen Tag, doch von einer Sekunde auf die andere hat sich alles geändert.

Sie sind zwar noch in der Adams Villa, in der sich die Brüder immer wohlgefühlt haben, doch da sie plötzlich zu den „staatsgefährdenden Individuen“ gehören, sind sie hier nicht mehr sicher. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Regierung neue Truppen zum Haus schicken wird, nachdem hier ein oder zwei Spartaner getötet wurden. Sie fühlen sich in diesem Haus nun so fremd wie noch nie zuvor, ein wahrlich grauenhaftes Gefühl, da das „Casa Adams“ schon immer ihr sicherer Hafen war. Hank, Steve, Adriana, Michelle, Linda, Jason und Derek haben vollgepackte Rucksäcke, nur Sara kommt mit ihrer knallroten Handtasche ins Zimmer gestapft. „Sara, Süße, nicht wirklich, oder?“, fragt Jason sanft, doch Sara schaut ihn nur verwirrt an. Hank bringt es auf den Punkt mit seinem Gang-Slang, den er sich in den Slums, wo er aufgewachsen ist, angeeignet hat.

„Digger, des is´doch ned dein Ernst, oder??! Du kannst doch keine Handtasche mitnehmen. Geh dorthin zurück, wo du das ganze Zeug her hast und pack des sofort um, wir haben keine Zeit“, knurrt er.

Sara zischt murrend ab und als sie kurz darauf wieder zurückkommt, fragt Jason die Gruppe:

„Also Leute, haben wir alles?“

Ein unsicheres Nicken geht durch die Gruppe, die noch nie auch nur annähernd mit Survival oder solchen Situationen zu tun hatte. „Was für Waffen haben wir?“, fragt daraufhin Derek.

„Ich würde sagen, alle legen ihre Waffen auf den Tisch“, schlägt Linda vor.

Ein großes Geraschel und Durcheinander beginnt und alle legen ihre Waffen auf den Designer-Tisch der Adams. Es hat sich ein recht großes Arsenal angesammelt. Jeder nimmt sich ein Messer, Jason nimmt zwei, ein Taschen- und ein Küchenmesser. Dann nehmen Jason und Derek die automatischen Gewehre, die sie den Spartanern abgenommen haben und jeder der Jungen eine Handfeuerwaffe aus Thomas´ Arsenal. Steve, Hank und Sara stecken sich schließlich noch Wurfmesser ein, Linda und Michelle die Elektroschocker und Sara und Adriana die Schlagstöcke. Nun liegt da noch das Scharfschützen-Gewehr, das Hank in seinen Rucksack steckt und Derek und Jason nehmen die MPs, ebenfalls aus Thomas´ großer Waffensammlung.

„So, alles klar“, sagt Jason. „Haben wir Erste-Hilfe-Packs dabei?“ Michelle antwortet ihm.

„Ja, Jase. Hab welche eingepackt.“ Sie nickt und Jason wirkt zufrieden.

„Kurz noch etwas, Leute. Jeder der eine Feuerwaffe hat, macht einen Magazin-Check“, wirft Steve ein.

Die Jungs schauen ihn erst verwundert an, doch dann machen sie, was er sagt und außer der MP5 haben alle volle Magazine. Dieser MP fehlen die drei Schuss, mit denen Thomas Adams umgebracht worden ist.

„Also, alle bereit? Am Anfang werden wir bis dorthin…“, Jason legt eine Karte vom kalifornischen Bezirk für alle sichtbar auf den Tisch, „…in konstantem Tempo gehen, da wir sicher nicht viel Zeit haben, um hier rauszukommen. Los geht´s!“

Er zeigt auf einen Punkt, der sechs Kilometer vom Adams Anwesen entfernt liegt und klappt dann die Karte zu.

„Dort in der Nähe werden wir uns irgendwo einen Transporter klauen müssen, um nach San Luis zu fahren, um damit erstmal außer Reichweite zu kommen.“

Die Gruppe setzt sich langsam in Bewegung. Draußen sagt Sara plötzlich: „Verdammt! Wir müssen doch irgendwo übernachten und ich hab echt kein Bock auf diesem dreckigen, kalten Boden zu schlafen. Wir brauchen UNBEDINGT Zelte“.

„Ja, Sara hat Recht. Scheiße, jetzt müssen wir zurück… Geht jemand freiwillig?“, fragt Hank verlegen und schaut in die Runde.

Nach einer kurz andauernden Stille meldet sich Jason freiwillig, da er weiß, dass ihnen die Zeit immer mehr durch die Finger rinnt. Daraufhin stürmt er zur Villa, allerdings nicht ohne Sara vorher einen hastigen Kuss auf die Wange zu drücken.

Als Jason das Haus erreicht, bahnt er sich einen Weg in ihren ehemaligen Keller. Alles im Untergeschoss ist modern und auf Hochglanz poliert, außer der Lagerraum. Schon als kleiner Junge fand er diesen mit Spinnweben verhangenen, weitläufigen Raum gruselig, und sogar jetzt, da er schon deutlich älter ist, läuft ihm immer noch ein kalter Schauer über den Rücken. Er findet die Zelte binnen weniger Sekunden, doch ein längliches Ding neben dem alten Weinregal seines Vaters zieht seine Aufmerksamkeit auf sich. Eine alte Schrotflinte, samt Patronen, dahinter ein spitzer Holzpfahl. Ebenfalls liegen in einer halb offenen Schachtel vier Atemund Gasmasken. Neben diesen liegt eine Visitenkarte von Gen-Tech, dem wissenschaftlichen Ableger von WarTech. Daneben liegt ein Handbuch, auf dem in der Handschrift seines Vaters steht: Nur für den Fall. Er fragt sich, was sein Vater damit wohl vorhatte und bekommt schnell eine dunkle Vorahnung. Er steckt schnell alles, mit Ausnahme des Pfahls, in seinen Rucksack, nimmt die Zelte und sprintet zu seinen Freuden zurück, um möglichst schleunig diesem Kellerraum zu entkommen. Es vergehen bis zu seiner Rückkehr sicher nur ein paar Minuten, die allen jedoch wie eine Ewigkeit vorgekommen sind. Es herrscht eine extrem angespannte Atmosphäre.

Als Jason jedoch schließlich wieder vor seinen Freunden steht, sieht man die Anspannung förmlich von ihnen abfallen. Während seiner Abwesenheit haben Hank und Derek einen alten Bollerwagen der Brüder geholt, auf den sie nun die Zelte und einen Teil der Rucksäcke packen. Die Gruppe setzt sich erneut in Bewegung, um endlich vom riesigen Grundstück der Adams wegzukommen. Doch plötzlich bleibt Jason an der Spitze der Freunde scheinbar grundlos stehen und jeder prallt gegen seinen Vordermann.

„Was ist jetzt schon wieder los?“, erklingt Steves erzürnte Stimme von hinten, da auch er um die Dringlichkeit der Flucht weiß.

„L..Leute.., schaut euch mal an, was da gerade im Fernsehen läuft“, verkündet Jason mit fassungsloser Stimme.

Alle Blicke wenden sich dem Bildschirm auf der Veranda zu, der den ganzen Tag läuft, um immer die aktuellen Breaking News zu zeigen. Nun entdecken sie voller Angst und Erstaunen ihre eigenen Gesichter auf dem Schirm. Unter jedem ihrer Bilder steht: Gesucht, tot oder lebendig. Preisgeld: 5.000 Sparks pro Kopf. Außerdem steht dort, dass sie wegen Mordes und Hochverrates angeklagt seien. Es werden sogar ihre Namen und letzten bekannten Aufenthaltsorte genannt. Auf dem Nachrichtenbalken, der dauerhaft am unteren Bildschirmrand läuft, steht, dass nationale Kontrollposten und mehrere Warrior- Stützpunkte eingerichtet werden. Aus weiter Entfernung hören sie Sirenen näher kommen und Jason schreit:

„Scheiße, Scheiße, Scheiße! Schnappt den Bollerwagen und dann SOFORT weg hier!!!“

Daraufhin nimmt er eine 10.000 Sparks teure Vase und schmettert sie gegen den Bildschirm. Er weiß, dass die Regierung nur einen Vorwand gebraucht hat, um das Volk noch mehr zu überwachen. Sie rennen die ersten Meter, endlich weg vom Grundstück, um sich einen Vorsprung zu verschaffen. Die Gruppe schafft es gerade noch, um eine Ecke zu biegen, als die ersten Einsatzwägen am anderen Ende des Grundstücks eintreffen. Eine große Anzahl Warrior springt aus den Fahrzeugen und zücken unverzüglich ihre Maschinenpistolen. Mit einem bitteren Geschmack erkennt Jason die Modelle: Sein Vater hat sie extra für Nahkampf und hohe Präzision entwickelt. Dann stürmen sie das Haus. Die acht, die sich von nun an „Survivors“ nennen werden, haben es gerade noch rechtzeitig geschafft. Nach fünf Häuserblocks hören sie auf zu rennen und laufen in einem normalen Tempo weiter, um unauffällig weg zu kommen.

Zwei Stunden später haben sie endlich die vereinbarten sechs Kilometer zurückgelegt. Alle, außer den Brüdern, welche begnadete Langstreckenläufer und Leistungssportler sind, sind außer Atem und völlig erschöpft.

„Kommt es euch nicht auch komisch vor, dass wir bisher noch auf keinen Wachposten gestoßen sind?“, fragt Sara nach einer Weile.

„Doch, schon, aber noch sind wir ja in der Stadt. Glaubt ihr, die haben das nur zur Einschüchterung gesagt?“, fragt Derek daraufhin.

„Nein, die können nur so schnell keine neuen errichten. Oh nein…Wenn man vom Teufel spricht“, sagt Jason und deutet auf einen nun in Sichtweite kommenden Zaun mit einem kleinen Häuschen. In dem Häuschen sind vier Soldaten zu sehen, die gerade einen Autofahrer kontrollieren, der kein Stück verdächtig wirkt.

„Das stand da vorher aber noch nicht“, bemerkt Linda.

„Na also, unsere erste Grenzkontrolle. Juhu!“, sagt Jason daraufhin mit grimmigem Blick und vor Sarkasmus geradezu triefender Stimme.

„Wir müssen da irgendwie drum rum kommen… Hank, du läufst da links entlang und schaust wie lange dieser Zaun noch weiter geht, du, Steve, gehst nach rechts. Lasst euch nicht sehen, Männer!“, befiehlt Derek den beiden.

„Bruderherz, ich habe hier das Kommando. Aber die Idee gefällt mir, also macht, was er sagt“, sagt Jason streng.

Die anderen sechs verbarrikadieren sich hinter einer Baumgruppe. Sara, die eine gute Schützin ist, nimmt Hanks Scharfschützen-Gewehr an sich und klettert auf einen knorrigen, fast kahlen Baum. Dort hat sie zwar keine Deckung, aber immerhin eine höhere Lage. Die Brüder und die anderen Mädchen beschützen währenddessen den Wagen. Nach ungefähr vier Minuten kommen Hank und Steve zurück.

„Nichts… an diesem Zaun ist kein Ende zu sehen“, sagt Steve, Hank pflichtet ihm bei. „Allerdings stehen hinter der Grenze vier Transporter und diese Soldaten haben auch noch einige Rationen, die wir auf unseren Wagen packen könnten. Könntet ihr euch auch nur annähernd vorstellen, jemanden zu töten?“, fragt Hank in die Runde.

Ein langsames Gemurmel macht sich in der Menge breit, wobei einige „Vielleicht,..obwohl nur extrem ungern“ und „…nur wenn es unbedingt sein muss“ herauszuhören sind. Linda verneint sofort und auch Sara sieht mehr als nur unangenehm überrascht von der Frage aus.

„Entweder wir schaffen es, die Soldaten ohnmächtig zu schlagen und zu fesseln oder wir müssen sie tatsächlich umbringen. In jedem Fall muss der erste Soldat getötet werden, sonst haben wir keine Chance. Hank, das erledigst du mit deinem Präzisionsgewehr. Dann werden die anderen drei wohl oder übel heraus kommen und Alarm schlagen.

Ihr wisst, dass wir das hier durchziehen müssen. Wenn wir uns nicht wehren, dann sind wir ein gefundenes Fressen für die. Wir müssen zusammenhalten. Also los!“, befiehlt Jason.

Hank setzt zum Schuss an. Dies ist ein Moment, der ihn für immer verändern wird, denn er wird etwas tun, weswegen ein Mensch sein Leben verlieren wird. Hank ist sich sicher, würde es nicht um ihr pures Überleben gehen, würde er eine solche Gräueltat niemals begehen können. Ab diesem Zeitpunkt verläuft alles wie Jason es voraus gesagt hat. Die drei Soldaten kommen heraus gerannt und schauen sich nervös um, plötzlich springt Jason aus seinem Versteck unter dem Fenster des Wachhäuschens hervor und schlägt einen der Soldaten mit einem gezielten Hieb ohnmächtig. Jetzt sind die vier an der Reihe. Gerade als Derek einen Soldaten zu Boden wirft, geschieht etwas Unvorhergesehenes. Steve rutscht auf dem glitschigen Schlamm aus, nun muss Adriana den anderen Kämpfer alleine festhalten. Sie ist eindeutig zu schwach und zu klein dafür, infolgedessen kann der bullige Afroamerikaner sich losreißen. In dem Moment zieht der Soldat eine kleine Smith & Wesson und schießt. Jason sieht das und zielt sofort. Er schießt den Soldaten nieder und dieser schlägt mit einem lauten Knall auf dem Boden auf. Die beiden anderen werden gefesselt und nebeneinander gesetzt, doch bevor sie sich weiter um sie kümmern, rennen alle schnell zu Adriana und Linda.

„Drücke sofort was dagegen, Linda, du musst diese Blutung stoppen!“, sagt Derek verzweifelt. „Du darfst nicht sterben, Adriana, komm schon…“, fügt er mit traurigem Gesichtsausdruck hinzu und drückt fest ihre Hand.

Die Gruppe hat sich vor dem Angriff beraten und entschieden, die Überlebenden auszufragen. Steve und Derek beschließen, die Befragung zu übernehmen, während die Mädchen sich weiter um die schwerverwundete Adriana kümmern. Doch bevor es zur Befragung kommt, nimmt Jason seine Pistole und schießt einem der Soldaten ohne zu Zögern in den Kopf. Was seine Freunde dabei am meisten entsetzt, ist, dass Jason nicht einmal das Gesicht verzieht und völlig kaltblütig abdrückt.

„Dieser Mann ist jetzt tot. Das war für meinen Vater und meine Mutter! Daran kann man nun nichts mehr ändern“, sagt Jason stinksauer.

„Also, Soldat, wo sind die anderen Grenzkontrollen, was geht hier ab und vor allem, WAS ist die Begründung der Regierung für diesen Scheiß??“

„Wo…wo bin ich? Was ist hier los?“, fragt jener verzweifelt.

„Sagen Sie uns sofort, wo die anderen Kontrollen sind!“, schreit nun Derek den Soldaten an und bedroht ihn mit seinem Messer.

„Ich sage euch überhaupt nichts“, sagt dieser nun schon eine Spur selbstsicherer und wendet den Blick von den Brüdern ab.

Noch bevor Derek wieder anfangen kann zu schreien, jagt Jason auch dem Letzten eine Kugel in den Kopf.

„Wir gehen weiter! Der hätte uns nichts sagen können, der war nur ein kleiner Wurm in der Befehlskette“, befiehlt er nun der Gruppe. Alle schauen ihn verängstigt an.

„Jason! Du hast zwei Menschen grundlos getötet, was ist los mit dir?? So etwas macht man nicht, das ist doch widerwärtig. Fahr jetzt mal eine Spur runter, klar!?“, fährt Sara ihren Freund an und schüttelt verächtlich den Kopf.

Jason erwidert ihren Blick nicht, sondern lädt nur seine Waffe durch.

Hank hat sich mittlerweile um den Transporter gekümmert, der den Soldaten gehört haben muss und auf einem dreckigen Parkplatz hinter dem Häuschen gestanden hat.

„Hierher!“, ruft er den anderen zu und deutet auf den veralteten Wagen, der wohl der ersten Generation des Magnetbahn-Fahrens angehören muss.