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Anni Bürkl

Höhlenzauber

Kriminalroman

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Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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Herstellung: Julia Franze

E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © gdangl / fotolia.com

Druck: CPI books GmbH, Leck

Printed in Germany

ISBN 978-3-8392-5452-3

Zitat

Ein Mord mag verziehen werden,

eine Unhöflichkeit beim Tee nie.

(chinesische Redewendung)

Was bisher geschah

Die Wiener Eventmanagerin Berenike Roither ist ein unabhängiges Leben gewöhnt. Doch nach einem Burn-out zog sie ins Ausseerland und begann dort ein neues Leben mit ihrem Salon für Tee und Literatur. Verdächtige Todesfälle säumen seit ihrem ersten Sommer in Altaussee ihren Weg.

Als bei der ersten von ihr veranstalteten Lesung ein Journalist tot in ihrem Lokal sitzt und Berenike selbst unter Tatverdacht gerät, stellt sie Ermittlungen an. Bereits in diesem ersten Mordfall (»Schwarztee«) trifft sie auf den offiziell für die Aufklärung zuständigen Kriminalpolizisten Jonas Lichtenegger, mit dem sie bald auch privat mehr verbindet.

Im zweiten Fall (»Ausgetanzt«) stirbt Berenikes Tanzlehrerin in Hallstatt, der Torso wird in einem Friseursalon zur Schau gestellt. Berenike ermittelt selbst, weil sie der Polizei aufgrund ihrer Vorgeschichte nicht unbedingt vertraut. Es kommt zu Spannungen zwischen Jonas und ihr.

Ein dritter Fall (»Narrentanz«) lässt sie in einem eisigen Winter im Salzkammergut wegen Missbrauchs im katholischen Umfeld ermitteln.

Ein Missverständnis führt bei Mordfällen, die mit dem Thema Tracht und Tradition zusammenhängen (»Göttinnensturz«), zu einem schmerzhaften Bruch zwischen Jonas und Berenike.

Als Berenikes persönlichster Fall sie auf den Spuren ihrer Familiengeschichte in das Labyrinth von Prags Gassen führt, finden Berenike und Jonas wieder zusammen. (»Schweigegold«)

In »Puppentanz« hat Berenike es mit dubiosen Bauvorhaben im Naturschutzgebiet zu tun, die Hintermänner sind lange unbekannt.

1

Lange vor unserer Zeit …

Und was, wenn die Toten aus dem Salzreich zurückkehren? Wenn sie wiederkommen, um sich für das an ihnen begangene Unrecht zu rächen? In anderer Gestalt, aber immer noch als die, denen wir all das angetan haben? Was, wenn sie über uns kommen mit all ihrer Grausamkeit?

Vier Gestalten gehen nebeneinander in der hereinbrechenden Dämmerung. Sie heben sich als dunkle Silhouetten gegen den Abendhimmel ab. Fast, als wären sie schon jetzt nicht mehr wirklich da, als würden sie mit dem grauen Licht verschmelzen, sich darin auflösen.

Ihre Priesterin geht voran, das besondere Gefäß mit der glänzenden Kuh und dem Kälbchen in ihren Händen, danach folgen die vier, dann die restliche Gemeinschaft.

Die Umrisse der hohen Berge zeichnen sich schwarz gegen den blassblauen Himmel ab. Eine schmale, abnehmende Mondsichel steht über dem Berggrat. Die vier werden aus der Gemeinschaft verstoßen, so bestimmt es das Gesetz. Es heißt, sie hätten den ihnen zugewiesenen Platz eigenmächtig verlassen. Haben sie wirklich ihr Recht zu leben verwirkt?

Die so ungewöhnlich dunklen Köpfe gesenkt, trotten die vier dahin. Sie wissen wohl, was ihnen blüht. Und dass es keine Hoffnung für sie gibt, das wissen sie auch. Wer so etwas riskiert, muss mit den Konsequenzen rechnen.

Sie kommen auf eine kleine Lichtung.

Über ihnen befindet sich nun der Fels mit der schmalen Spalte darin. Vor ihnen liegt der Stein, der sie mit seinen Zeichnungen an die drei Ewigen erinnern soll. Ein Mondhorn, Spiralenmuster und ein Hakenkreuz, daneben ein schmaler Einschlupf. Das Tor in die dunkle, in die andre Welt.

Sie bleiben stehen. Die heilige Frau dreht sich zu den anderen um. Unter der steinernen Mutter müssen sich die Verurteilten verabschieden. Wenn sie entgegen aller Wahrscheinlichkeit zurückkehren, haben sie noch eine letzte Chance.

»Betet zur dreieinigen Göttin«, ertönt die helle und zugleich volltönende Stimme der Priesterin. »Betet zu ihr in der dreieinigen Gestalt, der Jungfer, der Reifen und der Alten. Betet. Nur sie kann euch noch retten.«

Die vier mit den dunklen, gesenkten Köpfen stehen da, die Menge johlt. Die heilige Frau hebt das Trinkgefäß und setzt es dem ersten Mann an die Lippen.

Der Mann schluckt von dem Trank. Niemand weiß, was er enthält. Das ist das Geheimnis aller heiligen Frauen.

Es wird das letzte Mal sein, dass sie die vier zu Gesicht bekommen. Wenn nicht ein Wunder geschieht, und das ist so gut wie nie der Fall.

Der letzte der Verdammten trinkt, sie berühren die Zeichnungen auf dem Stein und dann müssen sie gehen. Für immer.

Da dreht sich einer von ihnen plötzlich um: »Wir kommen wieder!«, schreit er. »Und dann … dann … werdet ihr bereuen.«

Ein Schauer geht über die Menge hin, ehe die vier die anderen verlassen, hinein ins ewige Dunkel.

2

Altaussee heute

Oooooom …

Berenike stand hinter der Theke ihres Salons für Tee und Literatur im Herzen von Altaussee und wartete. Mitten in den Alpen, zwischen den Gästen in Dirndl oder Lederhosen, trug sie einen knallroten indischen Salwaar Kameez. Sie trug häufig Kleidung aus den Ländern des Teeanbaus. Doch plötzlich spürte sie das altbekannte Gefühl des Andersseins, das sie schon ein Leben lang begleitete, sie wie ein unsichtbarer Schleier von den anderen trennte. Die Kindheit mit den unverheiratet zusammenlebenden Eltern, damals noch ungewöhnlich. Ihr jüdisches Erbe, von dem sie fast nichts wusste. Später hatte sie als Aussteigerin Wien verlassen und war ins Salzkammergut gezogen. Statt Eventmanagerin zu sein, besaß sie hier ihr eigenes Lokal, servierte Tee, Kuchen und verkaufte im Raum neben dem Teesalon Bücher. Manchmal veranstaltete sie Autorenlesungen. Sie war nicht die einzige Zugezogene im Ausseerland, bei Weitem nicht, und man hatte sie freundlich aufgenommen, Berenikes Salon war bei Urlaubern und Einheimischen beliebt und oft gut besucht. Und dennoch … der Schleier blieb wie ein unsichtbares Hindernis zwischen ihr und den anderen.

Berenike seufzte unwillkürlich. Ihr Freund Jonas, der wartend am Eingang zur Küche stand, sah sie mit seinen ins Violette spielenden blauen Augen von der Seite an und hauchte ihr einen Kuss durch die Luft zu. Sie lächelte. Max, der Wirt vom Grünen Kakadu, saß wie so oft auf seinem Stammplatz an der Theke. Er zwinkerte ihr schelmisch zu, wie nur Max das konnte, und der Schleier hob sich wie Nebel, wenn die Sonne durchkam. Zumindest für den Moment.

Vor Berenike stand nicht der in der Gegend übliche Zirbenschnaps, sondern ein hübsch ziseliertes rundes Messingtablett. Darauf befanden sich bunt verzierte Teegläser und eine kleine Teekanne, die aussah, als stamme sie aus 1001 Nacht. Der indische Chai duftete nach Gewürzen, Berenike freute sich darauf, ihn zu kosten. Diese Sorte war neu in ihrem Angebot. Die Teegläser hatte ihr Ragnhild aus Istanbul mitgebracht. Komisch, dass die gebürtige Norwegerin heute nicht dabei war. Oder vielleicht auch nicht. Sie war Berenikes erste Freundin gewesen, als sie hergezogen war, aber die Zeiten änderten sich eben.

Berenike sah sich prüfend in ihren Salon um. Alles wirkte so, wie es sein sollte. Auf den Tischen im Teesalon lagen knallbunte, indisch gemusterte Tischtücher. Ihre Freundin Ellen saß mit Helena, der Lieferantin ihrer Lieblingsbäckerei, am nächsten Tisch. Helena nicht neben Max …? Hatte sie sich doch geirrt, dass sich zwischen den beiden etwas entwickelte? Die Fischer Thomas und Franz waren da, die Astrologin Alma, ein paar von den Bergrettern und viele andere Ortsbewohner. An einem der größeren Tische hatten sich Vertreter der Autorengruppe »Pessoas Erben« niedergelassen. Seraphine redete angeregt mit Stefan, der ganz in Schwarz gekleidet war, weil er um seine ermordete Liebste trauerte. Wenigstens seine eigenen Verletzungen schienen geheilt zu sein, denn er trug keinen Verband mehr.

Vor ihm lag ein Stapel Bücher mit schwarzem Cover. »Meine Neuerscheinung«, erklärte er in Berenikes Richtung. »Das Buch ist Sylvie gewidmet. Wir haben noch gemeinsam … Ich habe das ausgesucht … und, na ja, jetzt ist das Buch da. Wenn du sie signiert willst für den Verkauf …«

»Wir reden später«, versprach Berenike. Oder auch nicht. Seit er mit ihrer Schwester Selene angebändelt, sich aber nach dem Überfall auf Selene nicht um sie gekümmert hatte, war Berenike nicht besonders gut auf ihn zu sprechen. Und außerdem, Stapel signierter Bücher konnte man beim Verlag nicht mehr zurückgeben.

Der Salon war bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Queen, Miss Marple und Sherlock Holmes an den Wänden hatten weichen müssen. Dafür stand eine menschengroße Statue des indischen Elefantengottes Ganesha mitten im Raum.

»Der Glücksgott«, murmelte Helena und lächelte. Aber sie sah nicht Berenike dabei an, sondern Max. Also doch …!? Aus den beiden wurde sie nicht schlau. Direkt fragen? Vielleicht … später.

Alle warteten. Gleich würde es losgehen. Gleich würde Berenike von dem neuen Chai kosten können. Oder nein, genau genommen, musste sie ihn erst servieren.

Berenike schnappte sich das Teetablett. Sie sah auf – und direkt in das blendende Licht unzähliger Scheinwerfer.

»Miss Roither?« Ein kleiner, dunkler Mann kam um die Hindernisse herum auf sie zugeschossen. Erst kürzlich war er mit Haller, dem neuen Besitzer des Hotels Alpensonne, bei Berenike aufgetaucht. Die vielen Menschen an diesem Tag waren das Ergebnis davon.

»Where is the girl for the last scene?«, fragte der kleine, dunkle Mann. Er war der Regisseur eines Bollywood-Films, dessen Finale in Berenikes Salon gedreht werden sollte. Deshalb die Umgestaltung, deshalb herrschte so ein Aufruhr. In dem Film ging es um eine verwirrende, wilde Geschichte, in der ein junger Inder verstoßen wurde, weil er keine standesgemäße, von den indischen Eltern für ihn nach astrologischen Ratschlägen ausgesuchte Braut ehelichen wollte. Er ging auf Reisen, trieb sich in der Welt herum und lernte schließlich seine große Liebe in den Bergen kennen, natürlich erst nach der Überwindung weiterer Hindernisse. Wie er sie fand und welche Probleme genau gelöst werden mussten, hatte Berenike nicht genau verstanden, nur dass es ein Happy End gab. Und das sollte hier in ihrem Salon stattfinden und auf die Leinwand gebannt werden.

Wenn sie gewusst hätte, wie viel Durcheinander und Stress ihr die Dreharbeiten mit einer internationalen Filmcrew bescheren würden, hätte sie sich die Sache wohl noch einmal gut überlegt. So aber war sie stolz auf diese Anfrage gewesen und hatte gedacht, das könnte eine prima Werbung für sie und ihren Salon sein. Und die Sache war ja auch aufregend.

»Das Mädchen für die letzte Szene? You mean Sabine?«, sagte Berenike zum Regisseur, der einen Kopf kleiner war als sie selbst, und sah sich suchend nach der jungen Frau um. »I don’t know. Can’t see her.« Alle schnatterten durcheinander. Es waren zu viele Leute im Raum, die Scheinwerfer strahlten jede Menge Hitze ab, die Luft stand, weil man die Fenster wegen des Lichts geschlossen hielt und abgedunkelt hatte. Wenn das hier vorbei war, musste sie gut lüften und wieder für ein angenehmes Raumklima sorgen.

Nachdem bekannt geworden war, dass Bollywood, das Hollywood Indiens, nach Altaussee kommen und hier einen neuen Blockbuster drehen wollte, hatte es viel aufgeregtes Gerede gegeben. Viele Altausseer waren neugierig, manche skeptisch. Ein paar von den Jüngeren kannten manche der bisherigen Bollywood-Filme. Würden die Dreharbeiten den Alltag behindern? Musste man Straßen sperren, konnte man vielleicht nicht so fahren wie sonst? Was war mit der Sicherheit? Man hörte doch so viel …! Und überhaupt, Inder in den steirischen Bergen! Gerade erst waren Morde, die zunächst wie Unfälle ausgesehen hatten, aufgeklärt worden. Die Leute im Ausseerland waren misstrauisch. Trotzdem hatten die meisten darauf hingefiebert, Shah Rukh Khan zu sehen, und überlegt, wo er in Altausee wohl logieren würde. Im Hotel Seesturm vielleicht? Die Enttäuschung darüber, dass der begehrte indische Filmstar gar nicht in Altaussee absteigen würde, sondern in den Tiroler Bergen drehen würde, war etwas abgemildert worden durch die Suche nach Statistinnen aus Altaussee und Umgebung. Alle oder so gut wie alle jungen Frauen aus dem näheren und weiteren Umkreis hatten sich beworben. Alle hatten mitgefiebert, ob Einheimische ausgewählt werden würden oder jemand von weit weg … und tatsächlich waren einige junge Frauen von hier zum Zug gekommen.

In den letzten Wochen war in den Bergen und am See gedreht worden, die Straßen waren nur rund um das Hauptquartier gesperrt worden, sodass sich niemand zu beschweren brauchte. Auch sicherheitstechnisch lief alles glatt, bis auf eine seltsame Häufung von Teelöffel-Diebstählen, die nie aufgeklärt werden konnten. Wer brauchte an die 100 Teelöffel?!

Aber darauf hatte man wieder vergessen. Altaussee war Kopf gestanden, speziell als es eine große Tanzeinlage am Seeufer zu drehen gegolten hatte. Das Linienschiff war samt Ausseer Kapitän gechartert worden, ein paar Ausseer hatten mit der Schauspielercrew mitfahren dürfen. Aufregend.

Utensilien oder Darsteller wurden durch die Gegend gefahren, sodass die Taxis ein gutes Geschäft machten. Zum Teil hatten Männer der Feuerwehr mitgeholfen, um Requisiten quer über den See oder bergauf durch den Wald zu transportieren.

Der Ort lebte in einer ihm normalerweise unbekannten Hektik. Das Hotel Alpensonne als einer der Drehorte war weiträumig abgesperrt worden. Sogar die Parkplätze waren rar geworden, weil die meisten für die Filmleute reserviert waren. Sämtliche Zimmer im Ort waren ausgebucht, was man so hörte. Vermutlich waren auch in Ragnhilds Feng-Shui-Pension Leute vom Film, früher hätte Berenike alles darüber gewusst. Aber in letzter Zeit blieb der Kontakt oberflächlich, wenn Ragnhild ihr nicht komplett auswich. Warum auch immer.

Nun sollte die letzte Szene, das Happy End, in Berenikes Teesalon entstehen. Unter Aufsicht des Glücksgottes Ganesha. Und sie alle sollten mitspielen. Als Gäste eines indischen Lokals in den Bergen. Zu dem ihr Salon umgestaltet worden war.

Berenike sah Jonas fragend an. »Hast du Sabine gesehen?«

Er schüttelte den Kopf. »Leider nein.«

Berenike stellte das Teetablett wieder ab. Sie roch den Zimt, während eine böse Vorahnung in ihr Hirn kroch. Gänsehaut kribbelte ihren Nacken hinauf, obwohl es so warm war. Unwillkürlich musste sie an den Tag denken, als der tote Journalist in ihrem Salon gesessen war bei einer Lesung. Damals hatte sie erst seit Kurzem hier gelebt. Auch damals war alles vorbereitet gewesen, auch damals hatten alle gewartet und der Raum war voll gewesen. Und auch damals war alles völlig anders als geplant gekommen.

»I’m sorry, I can’t see Sabine«, sagte sie zum Regisseur. »Have you looked outside? Maybe she’s smoking a cigarette?« Berenike strich über Kanne und Gläser, als könnte sie das beruhigen, als könnte ein Dschinn ihr helfen, als könnte sie Sabine so herzaubern. Sie sah sich um, konnte Sabine aber auch selbst nicht entdecken. Vielleicht war die junge Frau hinausgegangen, um eine Zigarette zu rauchen?

»Yes, I did so«, sagte der Regisseur in dem typisch indisch gefärbten Englisch, »I can’t see her.«

»Just a moment.« Sie eilte zu den Toiletten – leer. Auch im Literatursalon, dem Buchhandlungsteil ihres Lokals, war niemand. Sie starrte den Raum an, die Bücher schienen von den Wänden zurückzustarren. Auf dem Weg zurück warf Berenike Jonas einen Blick zu. »Wir müssen schauen, wo sie so lange bleibt«, sagte sie so unbekümmert sie konnte. »Die jungen Leute heute vergessen gern die Zeit.« Und dann zum Bollywood-Mann: »We’ll look for her, just wait. Please.«

Sie bückte sich unter die Theke, suchte nach dem Telefonbuch, blätterte die Seiten um, auf der Suche nach Sabines Telefonnummer. Da war sie ja.

Berenike wählte mit fahrigen Bewegungen. Es läutete – doch keine Reaktion. Berenikes Magen zog sich zusammen. Da stimmte etwas nicht. Ihr Blick begegnete wieder dem von Jonas.

»Wir fahren vorbei«, sagte er und hatte schon den Autoschlüssel in der Hand. Ein Mann der Tat. Auch dafür liebte sie ihn.

»We’ll check that«, erklärte sie dem Regisseur mit – hoffentlich – beruhigender Stimme. »We’ll be back shortly.« Ein anderer Inder schaltete die Scheinwerfer aus. Berenike gab ihrer Kellnerin Tiffany Bescheid und verließ mit Jonas das Lokal.

Draußen im Wagen fragte Jonas: »Wie gut kennst du die junge Frau?«

»Fast gar nicht. Eigentlich erst durch den Film. Ich glaub nicht, dass sie davor viel in Aussee war.«

Er nickte ernst und startete den Wagen.

»Es sah eigentlich so aus, als wären ihr die Dreharbeiten sehr wichtig. Dass sie darauf vergessen hätte, kommt mir unwahrscheinlich vor. Aber wie gesagt, ich kenn sie kaum und kann sie schwer einschätzen.«

Jonas sah sie mit einem wissenden Blick an. Sie brauchten beide nicht auszusprechen, was sie dachten.

Sie ließen den von den Bergen umgebenen See hinter sich, fuhren an der Kirche vorbei und durch den Ort, hinunter Richtung Bad Aussee. In den Wäldern zu beiden Seiten der Straße zeigten sich die ersten bunten Blätter. Weiter durch Bad Aussee und wieder hinaus, Richtung Obertraun. Die Uhr schien auf der Stelle zu verharren, das seltsame Gefühl in Berenike wurde immer stärker.

Endlich verließen sie den Wald und gelangten in das lang gezogene Straßendorf Obertraun. Sie passierten die kleine katholische Kirche und das evangelische Bethaus, dann den Bahnübergang und kamen schließlich zum Ufer des Hallstätter Sees. Suchend fuhren sie durch den Ort und nahmen den Weg Richtung Seilbahn und Hallstatt. Sonnenlicht brachte den See zum Glitzern und Funkeln, während die Straße im grauen Schatten der Berge lag. Es sah aus, als wäre eine Grenze zwischen Hell und Dunkel gezogen worden. Oder zwischen Gut und Böse.

»Das muss es sein.« Jonas verlangsamte das Tempo vor einem allein stehenden weißen Haus mit grünen Fensterläden. Er parkte und sie stiegen aus. Rund um das Gebäude standen einige Bäume, an den Zweigen reife rote Äpfel, deren süßer Duft Berenike beim Näherkommen in die Nase stieg. Es wurde Herbst.

Abschiedszeit.

Alles war still. Diese totale Stille, die nie etwas Gutes verhieß. Ein schwarzer Wagen, ein älteres Modell, parkte vor dem Haus. Eine schwarz-weiße Katze kam gerade um die Hausecke, sah Berenike und Jonas aus grünen Augen an, stutzte einen Moment und lief dann rasch an ihnen vorbei um die andere Hausecke, wie ein Geist, den es gar nicht gab. Wind spielte in den Blättern der Apfelbäume.

Jonas läutete. Sofort wurde geöffnet. Eine dünne Frau mittleren Alters erschien im Türrahmen.

»Ja, Grüß Gott?«, sagte sie mit fragendem Tonfall. Ihre Worte kamen schleppend. Ihr Blick glitt über sie beide, blieb an Berenike hängen, die Stirn wurde gerunzelt. Ja, okay, sie hätte den Salwaar Kameez gegen eine andere »normale« Kleidung wechseln sollen. Wenn es nicht eilig gewesen wäre. Und außerdem kannte man sie genau so.

Jonas trat vor. »Guten Tag. Jonas Lichtenegger mein Name, Landespolizeikommando Steiermark.«

Die Frau fuhr herum. Erschrocken riss sie die wasserhellen Augen auf. »Um Himmels willen, was ist denn passiert?«

»Sie sind Frau …?«, fragte Jonas.

»Höller.« Sie senkte den Kopf langsam und sah seltsam von unten her zu Jonas auf. »Tanja Höller. Ist etwas mit …?« Sie brach ab.

»Können wir uns setzen?«, fragte Jonas.

»Auf die Gartenbank da vielleicht?« Berenike zeigte auf eine sonnenbeschienene Sitzgruppe an der Hauswand neben dem Eingang.

Frau Höller setzte sich zögernd auf die an der Wand stehende Bank und starrte Jonas an. Er nahm auf einem an der Schmalseite stehenden Sessel Platz, Berenike gegenüber von Frau Höller.

»Sind Sie die Mutter von Sabine Höller?«, fragte Jonas.

»Ja.« Frau Höller blinzelte gegen die Sonne an.

Berenike schluckte, ihr Hals war trocken. Frau Höller hatte ihnen nichts zu trinken angeboten – und fragen wollte Berenike nicht. Im Auto war sicher noch eine Wasserflasche.

»Wir suchen nach Sabine«, sagte Jonas langsam. »Sie wird bei den Dreharbeiten in Altaussee erwartet.«

Frau Höller blinzelte mehrmals, wischte sich mit einer Hand über das Gesicht. Sie sah müde und irgendwie grau aus. »Ja, da sollte sie auch sein.« Sie schüttelte den Kopf. »Ist sie das nicht?«

»Äh, nein.« Jonas sprach langsam und bemüht ruhig. »Sicher gibt es eine harmlose Erklärung für ihr Fehlen. Vielleicht hat sie den Termin vergessen oder mit einem anderen Datum verwechselt?«

»Das glaube ich nicht.« Frau Höller stand auf, ging ins Haus und kam mit ihrem Handy zurück. Sie wählte, hielt das Telefon eng an ihr Ohr gepresst und blinzelte wieder in die Sonne. Der Schatten der Berge schob sich auf dem saftigen grünen Rasen bereits näher heran. Wie zuvor Berenike erreichte offenbar auch Tanja Höller niemanden.

»Komisch«, sagte sie mit rauer Stimme. »Meine Tochter meldet sich nicht. Eigentlich ist sie sonst nicht so. Sie ist sehr genau, mit der Schule und mit allem. Was sie sich vornimmt, macht sie auch. Sie will es zu was bringen im Leben.«

»Wo war Sabine denn zuvor?«, fragte Jonas weiter.

Tanja Höller starrte weiter das Handy an. »Sie und ihre zwei Freundinnen Petra und Irmgard wollten gestern was unternehmen und hatten vor, anschließend über Nacht zu campen. Sabine wollte heute von dort direkt zu dem Drehtag fahren.« Frau Höller hob die viel zu knochigen Schultern. In den Gesprächspausen breitete sich unangenehme Stille aus.

»Was hatten die Mädchen denn für den gestrigen Tag vor?« Jonas nahm, organisiert wie immer, einen kleinen Block und einen Stift aus der Brusttasche seines Hemds.

»Eine Wanderung unternehmen. Das machen sie recht gern.«

»Vielleicht sind sie einfach länger unterwegs, weil sich etwas verzögert hat, meinen Sie nicht?« Der Schatten der Berge hatte sich noch näher ans Haus herangeschoben. »Das Wetter ist doch in Ordnung.«

»Hm«, machte die Frau. »Vielleicht. Aber der Filmdreh war ihr wichtig, wieso gibt sie dann niemandem Bescheid, dass sich etwas verzögert? Das würde sie doch normalerweise tun.«

Jonas wechselte einen schnellen Blick mit Berenike. »Wohin sollte die Wanderung denn gehen?«, fragte er.

»Von Hallstatt aus zum Plassen, hat die Sabine gesagt.« Tanja Höller keuchte auf. »So was hat sie noch nie gemacht.« Sie nahm das Handy, wählte zweimal, legte zweimal erfolglos auf. »Die Freundinnen heben auch nicht ab.«

»Nur mit der Ruhe, Frau Höller«, sagte Jonas beschwichtigend. »Wissen Sie denn, welchen Weg die jungen Leute nehmen wollten? Es gibt ja Bereiche ohne Handyempfang.«

»Die Wanderkarte liegt drinnen. Ich kann Ihnen die geplante Tour ungefähr zeigen, kommen Sie mit.« Sie stand auf. »Ich weiß nicht, von wem sie diese Wanderlust hat. Von mir sicher nicht.«

Tanja ging ihnen voraus. Im Haus war es dunkel und Berenikes Augen mussten sich erst daran gewöhnen. Tanja Höller führte sie ins Wohnzimmer, darin stand eine zerfranste grüne Couch, deren Stoff kratzig aussah, und ein gläserner Couchtisch. Ein billiger brauner Einbauschrank reichte bis zur Decke und war vollgestopft mit Büchern und staubigem Klimbim, Engerln, Tierfiguren, Murano­glas. Ein paar ausgebleichte Ansichtskarten klebten an einer Schrankwand, deren Ecken sich bereits aufstellten.

Auf dem Tisch lag aufgeschlagen ein Wanderatlas. »Hier«, Tanja Höller griff danach und zeigte ihn Jonas und Berenike. Sie deutete auf Linien und Punkte auf dem Plan. »Von dieser Stelle aus geht es hinauf auf den Salzberg, das erste Stück kann man von Hallstatt aus mit einer Seilbahn fahren. Der Weg führt weiter zum Bergwerk und über das Hochtal weiter zum Plassen. Insgesamt dauert so eine Wanderung drei bis vier Stunden, glaub ich. Je nachdem, wie schnell man ist.« Sie schluckte wieder. »Aber sicher nicht zwei Tage. Auch wenn ich mich selbst nicht so auskenn.« Sie sah Jonas ein wenig hilflos an und hob die knochigen Schultern.

»Aha.« Jonas warf Berenike neuerlich einen Seitenblick zu.

»Ich kenne die Gegend ein wenig«, erklärte Berenike. »Könnte schon stimmen mit den vier Stunden Wegzeit.«

»Rufen Sie doch bitte die Eltern der anderen an.«

Tanja Höller nickte, nahm ihr Handy. Nach einigen Gesprächen war klar: Auch die Eltern von Sabines Freundinnen hatten nichts von ihren Töchtern gehört. Die 17-Jährigen waren verschwunden.

»Hätte eines der Mädchen denn Grund, wegzulaufen? Haben Sie eine Idee?«

»Weglaufen?« Tanja Höller stemmte die Hände in die Hüften, ihr Blick flackerte. »Aber wieso denn? Sie haben alles.«

Jonas nickte Tanja Höller zu. »Vielleicht ein Problem in der Schule?«

»Nein. Sabine ist eine gute Schülerin.« Tanja Höller knetete ihre Hände. Es waren magere, ein wenig faltige Hände.

»Oder ein anderes Problem? Mit anderen Jugendlichen vielleicht? Oder …?« … oder der Familie, wollte er wohl andeuten.

Tanjas Blick flackerte wieder, sie schien dem von Jonas auszuweichen, während sie den Kopf schüttelte. »Ich kann es mir wirklich nicht erklären, warum sie nicht zu den Dreharbeiten gefahren ist.«

»Ich veranlasse das Nötige«, sagte Jonas und bemühte sich offensichtlich darum, ein neutrales Gesicht zu machen.

 

3

Berenike und Jonas warteten mit Frau Höller vor dem Haus auf die Suchmannschaften. Wieder herrschte diese Stille, die etwas anzukündigen schien. Etwas Unangenehmes. Kein Vogel zwitscherte, keine Biene summte. Die Bäume lagen mittlerweile im Schatten, auf das Haus schien noch die Sonne.

Mehrere Autos fuhren heran und parkten, Wagentüren wurden zugeschlagen. »Ah, der Superbulle«, tönte eine tiefe männliche Stimme.

»Bernd, lange nicht g’sehn.« Jonas setzte ein provokantes Grinsen auf. »Servus!«

»Griaß di.« Ein bulliger Typ mit Schäferhund kam näher, trat vom Schatten in die Sonne. Zwei ebenfalls uniformierte Polizistinnen, jede mit einem Hund, stiegen aus einem weiteren Wagen.

»Na, bei welchem Rang sind wir denn jetzt?« Der Bernd genannte Hundeführer verlangsamte seine Schritte und gab seinem Tier den Befehl, sich zu setzen. »Schon Chefinspektor?«

»Und selbst?«, gab Jonas zurück, ohne die Frage zu beantworten.

»Und sie?« Bernd deutete mit dem Kinn auf Berenike.

Sie kochte innerlich. Konnte sie schon gut leiden, wenn man in ihrer Anwesenheit über sie sprach, als wäre sie nicht da!

»Meine Partnerin.«

»Ah, Partnerin«, Bernd ließ ein verächtliches Lachen hören, »machst jetzt auf Amerikaner?«

»Privat, Bernd. Private Partnerin.«

»Ach was.«

»Sie lebt hier und kennt sich demnach in der Gegend am besten aus.«

»Ach, deshalb.« Bernd nickte, als meinte er ganz was anderes. »Okay, worum geht’s hier?«

»Eine junge Frau wird vermisst, zwei ihrer Freundinnen ebenso. Sabines Mutter, Frau Höller kennt die Pläne der jungen Leute«, erklärte Jonas sachlich. So wie er stand, lag sein Gesicht im Schatten. »Sie wollten zum Plassen. Frau Höller ist die Mutter der vermissten Sabine.«

»Verstehe«, sagte Bernd. »Hätten Sie für die Suche bitte ein Kleidungsstück Ihrer Tochter?«, wandte er sich an Sabines Mutter.

Frau Höller nickte. Sie sah unglaublich dünn aus, wie sie ins Haus ging, dünn und kraftlos und grau, als würde sie sich in ihrem eigenen Schatten auflösen. Stumm warteten sie, bis Tanja Höller mit einer altmodischen weißen Dirndlbluse zurückkam. Bernd und seine Kolleginnen ließen die Hunde daran riechen. Bernds Schäfer zog sofort in Richtung Hallstatt. Sie gingen los, Tanja Höller wollte folgen.

»Bleiben Sie lieber hier, falls Ihre Tochter auftaucht«, bat Jonas.

Endlich gab die Mutter nach.

Alle anderen folgten Bernd und seinem Hund, den Fuß- und Radweg neben der stark befahrenen Fahrbahn entlang. Sie tauchten in den Schatten der Berge ein. Der Hund stoppte ab und zu, um zu schnuppern. »Wieso machst du dich eigentlich in einem Vermisstenfall wichtig?«, fragte Bernd an Jonas gewandt, als sie außer Hörweite von Tanja Höller waren. »Ist doch gar nicht dein Aufgabengebiet.«

»Hör auf, Bernd. Auch wenn ich bei ›Leib und Leben‹ bin – wir haben Wichtigeres zu tun als zu streiten. Ich bin mit Berenike hierhergefahren, weil die junge Frau bei Filmdreharbeiten vermisst wird und wir rasch nach ihr suchen wollten.«

»Ah so. Nur so. Mhm.« Bernd nickte, ein Doppelkinn bildete sich dadurch.

»Lass uns das Kriegsbeil für den Moment begraben. Hier geht es vielleicht um ein Menschenleben. Oder mehrere.«

»Wie du meinst.« Bernd gab seinem Tier einen Befehl und weiter ging es, immer die Straße Richtung Hallstatt entlang, die parallel zum Seeufer verlief. Das Wasser lag unbewegt da. Links der Straße ragten steil Bergwände auf, ab und zu duckte sich ein ärmliches Häuschen in den Schatten der Felsen. Der Schäfer zog beharrlich an einem Badeplatz und einem Brunnen mit altem Heiligenbild vorbei hinein in den Ort Hallstatt.

Immer mehr Menschen waren hier zu Fuß unterwegs, die meisten wohl Touristen. Stimmen schwirrten in unterschiedlichen Sprachen durcheinander, Italienisch, Asiatisch, aber auch Osteuropäisches. Kameras wurden gezückt, Schreie des Entzückens ausgestoßen. Verkaufsstände mit Kitsch waren aufgebaut, vor denen staute es sich noch mehr. »Ah« und »Oh« riefen die Touristen entzückt und fotografierten sich selbst vor dem See mit ihren Selfiesticks, ohne auf die Umstehenden zu achten.

An einem Supermarkt staute es sich, ein Busparkplatz befand sich gegenüber, immer mehr Leute quollen aus Fahrzeugen und ergossen sich in den Ort.

Bernd ließ seinen Hund erneut an dem Kleidungsstück der Vermissten riechen. Weiter ging es, ein Stück geradeaus, dann zog das Tier in eine Seitengasse, die vom See wegführte. Vor dem Eingangsbereich zur Seilbahnstation stoppte der Schäfer und bellte. Größere Gruppen von asiatischen Touristen standen vor dem Gebäude, sahen kurz zu ihnen herüber und schnatterten dann wieder durcheinander, werkelten mit ihren Kameras und sahen sich begleitet von Ausrufen um.

»Die junge Frau muss hier gewesen sein«, sagte Bernd und lobte seinen Hund.

An der Seitenwand des Seilbahngebäudes, vor der das Tier stehen geblieben war, standen drei Fahrräder angekettet. Der Schäfer berührte mit der Pfote eines davon.

»Das muss der Vermissten gehören«, erklärte Bernd und hob die Dirndlbluse. »Sie ist wohl hergeradelt«, vermutete er. »Vielleicht sind die beiden anderen Räder die ihrer zwei Freundinnen.« Er streichelte und lobte sein Tier. »Das hast du gut gemacht«, sagte Bernd mit veränderter, sanfter Stimme.

»Und wie machen wir weiter? Mit den Gondeln?«, fragte Jonas.

»Vermutlich«, sagte eine Kollegin Bernds. »Die jungen Leute hatten schließlich vor, hinaufzufahren.«

»Okay. Dann los.«

Jonas sprach mit einem der Seilbahnangestellten. Sie mussten die Bahn für alle anderen sperren, was nicht gerade auf Gegenliebe stieß, weder beim Personal noch bei den beständig in die Eingangshalle und zu den Kassen strömenden Touristen. Sonne glitzerte durch die Glaswände.

»Aber wir haben extra vorher Plätze reserviert!«, schimpfte ein Mann mit Wanderstöcken in Händen. »Ist ja nicht so einfach, hier hochzufahren, ich meine …«

»Tut mir leid.« Jonas blieb wie immer höflich. »Es geht um eine polizeiliche Ermittlung.«

Unter Murren verließ der Mann mit seiner Gruppe den Vorraum. Schließlich wurde der Eingangsbereich gesperrt, die Türen verschlossen. Draußen standen die Leute herum und gestikulierten und schrien, Asiaten machten weitere Fotos, auch vom Innenraum.

Der Betriebsleiter der Seilbahn gab ein Zeichen, die Hundeführer begaben sich mit ihren Tieren zum Abfahrtsbereich der Drahtseilbahn. Jonas und Berenike folgten und warteten mit ihnen. Die Gondeln sollten nun der Reihe nach heranfahren, stoppen, die Hunde sollten daran riechen – und hoffentlich irgendwann anschlagen.

Eine Gruppe Touristen polterte von außen gegen die verschlossenen Glastüren, während die erste Gondel in die Station einfuhr. Sie schob sich langsam näher, ruckte, blieb vor ihnen stehen. Alle warteten gebannt auf das, was geschehen mochte. Die Hunde schwiegen. Quälend langsam verschwand die leere Gondel aus dem Gebäude der Talstation und fuhr bergauf. Die Touristen vor der Tür wurden immer mehr, das Geschrei sogar durch das Glas immer lauter. Die nächste Gondel fuhr ein – nichts. Eine weitere Gondel. Nichts.

Die nächste Gondel. Da! Endlich. Gekläffe.

»Bingo!«, rief Bernd.

»Sie sind also tatsächlich nach oben gefahren«, sagte Jonas. In seltener Einigkeit sahen sich die beiden an und nickten. »Na dann, Berg Heil. Wie auch immer es da oben weitergehen mag.«

Berenikes Blick fiel auf Fotos vom Salzbergwerk, die an einer der Wände aufgehängt worden waren. Auf einem war eine uralte Treppe im Berg zu sehen, die gerade restauriert wurde. Wer wusste schon, was der Salzberg verbarg. Und was sie nun finden würden. Hoffentlich die Mädchen.